The Reluctant Fundamentalist ? Tage des Zorns
ist ein
Politthriller
und
Drama
aus dem Jahr 2012. Regie fuhrte
Mira Nair
, das Drehbuch wurde unter anderem von
Mohsin Hamid
verfasst, der auch die Romanvorlage
The Reluctant Fundamentalist
(deutsch:
Der Fundamentalist, der keiner sein wollte
) schrieb. Hauptdarsteller sind
Riz Ahmed
und
Kate Hudson
. Der Film beschreibt den Weg eines jungen Pakistani, der sich auf der Suche nach seiner Identitat und seinen wahren Uberzeugungen von einem
Princeton
-Absolventen und
Analysten
an der
Wall Street
zu einem religios-
fundamentalistisch
beeinflussten Universitatsprofessor in Lahore entwickelt.
Der Film eroffnete 2012 die
69. Internationalen Filmfestspiele von Venedig
.
[2]
Der Film beginnt mit einem Blick auf die Familie des jungen Professor Changez, wahrend sie auf einem traditionellen Fest in
Lahore
sind. Gleichzeitig findet die Entfuhrung von Anse Rainier statt, einem US-amerikanischen Professor an der Universitat von Lahore. Am nachsten Tag senden die Kidnapper ein Videoband, auf dem sie die Freilassung Hunderter
muslimischer
Gefangener aus einem Gefangenenlager sowie € 700.000 fur die Kinder von
Wasiristan
fordern, damit sie Professor Rainier aus der Geiselhaft entlassen.
Ein US-amerikanischer Journalist, Bobby Lincoln, trifft sich zu einem Interview mit Professor Changez in einem Cafe nahe der Universitat von Lahore. Bobby erzahlt, er bereite einen Artikel uber Pakistans neue militante Akademie vor. Auf die Frage, ob er dazugehore, fragt Changez ihn zuruck, ob er bereit ware die ganze Geschichte zu horen. (Filmzitat: “
Are you ready to hear the whole story, from the beginning, not only bits and pieces? ? Looks can be deceiving. I am a lover of America.
”)
Changez erzahlt Bobby Lincoln in Ruckblicken seinen Lebenslauf. Der junge Changez lebt als Sohn eines beruhmten Punjab-Dichters und Poeten und dessen Ehefrau ein leidlich privilegiertes Leben in Lahore. Wahrend sein Bruder und seine Schwester auf musischen Pfaden wandeln, sucht Changez den Erfolg und das große Geld. Er gewinnt ein
Scholarship
an der Universitat von Princeton. Weil er zeigt, wie er langfristige Entwicklungen und kurzfristigen Profit kombinieren kann, erhalt er eine Trainee-Stelle bei einer Unternehmensberatung, Underwood Samson, an der Wall Street. Bei einem Picknick im Central Park, kurz nach Antritt seines Jobs, begegnet er der Fotografin Erica.
Seine Karriere entwickelt sich. Changez wird zu einem Experten, wenn es um
Downsizing
, Effizienzoptimierung und Zerstuckelung von Unternehmen geht, sehr zur Freude seines Chefs Jim Cross. Erica stellt sich uberraschend als die Nichte eines der Teilhaber des Unternehmens, Maxwell Underwood, heraus. Changez und Erica, die ein Leben als
Boheme
in
New York
fuhrt, lernen sich naher kennen und werden ein Paar. Erica kann sich allerdings nicht vollstandig offnen, weil sie stark unter dem Verlust ihrer großen Liebe, Chris, leidet; der Mann war einige Monate, bevor sie Changez kennenlernte, ums Leben gekommen.
Als die Turme des
World Trade Centers
aufgrund eines
Anschlages
einsturzen, ist Changez auf einer Geschaftsreise nach
Manila
. Bei seiner Ruckkehr gerat er aufgrund seines Namens unter automatischen Verdacht und wird entsprechend von den US-amerikanischen Zollbehorden behandelt. Changez wird daran erinnert, dass er offensichtlich nur ein geduldeter Gast in den USA ist, seine Zweifel an dem Erfolgsweg Wall Street beginnen. Die Beziehung mit Erica tritt auf der Stelle, da sie sich weiterhin nicht emotional von ihrem verstorbenen Freund losen kann.
Als Changez in
Istanbul
im Rahmen einer
Konzernbewertung
einen Verlag als ?
zum Liquidieren
“ bewertet, begegnet er dem alten Verleger. In einem Cafe-Gesprach uber den Wert der Dinge mit ihm vergroßern sich die Zweifel Changez’, ob er auf dem richtigen Weg ist und welchen Herren er dient. Es stellt sich heraus, dass dieser Verleger Gedichte seines Vaters in einer Anthologie auf Turkisch veroffentlicht hat. Changez ringt mit sich, Jim Cross treibt ihn an. Am Morgen der Entscheidung uber den Verlag kundigt Changez. Jim Cross ist außer sich ? Changez blickt in das Gesicht des fundamental herrschenden Marktes und wendet sich ab.
In verschiedenen Zwischenschnitten entpuppt sich der Journalist Bobby Lincoln als
CIA
-
Undercover-Agent
. Ebenso zeigt sich, dass Changez dies weiß oder zumindest ahnt. Auf dem Dach des Cafes, auf dem das Gesprach der beiden sich fortsetzt, versucht Changez den Weg von Bobby zwischen den Kulturen zu ergrunden. Die beiden entwickeln in einer sich zuspitzenden Situation der Entfuhrung eine neue Ebene des angespannten Vertrauens. Die CIA ist mit einem Einsatzkommando vor Ort und wartet dringend auf das Signal von Bobby. Es wird befurchtet, dass Rainier langst tot ist und Changez hinter allem steckt.
Nach seiner Kundigung bei Underwood Samson geht Changez nach Lahore, wo er an der Universitat sowohl Kurse in Wirtschaftslehre gibt als auch gegen die USA hetzt. Seine eigene Unzufriedenheit erweckt das Interesse von
al-Qaida
-Mitgliedern. Doch als diese ihn fragen, ob sie bestimmtes ?Material“ in seinen Uni-Raumen verstecken konnen, sieht er wieder das Gesicht des Fundamentalismus und verneint. Er bleibt ein aktiver Kritiker der USA und deswegen bekommen er und seine Familie Probleme.
Die Situation spitzt sich auch wegen der protestierenden Studenten weiter zu. Die CIA will eingreifen und macht Druck auf Bobby Lincoln. Changez offenbart, dass er sich trotz seiner US-kritischen Haltung der Al-Qaida versagt habe, Bobby gesteht ein, dass Professor Rainier ein langjahriger CIA-Beamter und sein Rekrutierungsoffizier war. Als die Situation rund um das Uni-Cafe, das auch ein Zentrum antiamerikanischer Proteste ist, eskaliert, gibt Changez Bobby einen Tipp, wo Rainier versteckt sein konnte.
Bobby beobachtet Changez, wie dieser eine SMS verschickt, und vermutet ein doppeltes Spiel Changez’. Als Bobby vom CIA per SMS erfahrt, dass Rainier bereits tot ist, zerrt er Changez unter Lebensgefahr auf die Straße vor dem Cafe, wo sich bereits hunderte protestierende Studenten versammelt haben. Das CIA-Einsatzkommando entscheidet sich zuzuschlagen und fahrt auf den Cafe-Vorplatz zu. Changez versucht die Massen zu beruhigen, aber als Bobby im Gewuhl zu Fall kommt, lost sich ein Schuss aus seiner Pistole und totet Sameer, einen von Changez’ militanten Studenten. Bobby wird durch den Schuss eines Heckenschutzen verletzt. Nachdem Bobby vom CIA-Team in einen Fluchtwagen gezerrt wird, erfahrt er, dass Rainier bereits am Morgen des Tages ermordet worden war, seine Leiche aber erst gerade gefunden wurde. Die von Changez an seine Schwester geschickte SMS hatte mit Rainiers Tod nichts zu tun.
Changez halt eine zum Frieden mahnende Grabrede fur Sameer. Wahrenddessen ist Bobby in einem US-Militarhospital zur Genesung. Er hort das Band des Interviews ab und lachelt, als er Changez darauf sagen hort: “
Are you ready to hear the whole story, from the very beginning, not only bits and pieces? - Looks can be deceiving. I am a lover of America.
”
Die Synchronisation wurde bei
Scalamedia
in Munchen produziert. Dialogbuch und Dialogregie lagen bei
Kai Taschner
.
[3]
Christina Nord von der
taz
vermisst die notige Komplexitat, findet viele Elemente des Films zu ?ostentativ“. Sie meint, das uberdeutlich formulierte ?Verweigere dich der dichotomischen Logik des ?us vs. them‘!“ nehme dem Film jegliche schmerzhafte Einsichtsmoglichkeit.
[4]
Jan Schulz-Ojala vom
Tagesspiegel
ist geruhrt, auch von der philosophischen Pointe: ?Wer einer absoluten Wahrheit abgeschworen hat, lasst sich nicht mehr auf eine andere einschworen. Das humanistische Happy End ist allerdings zu schon, um wahrscheinlich zu sein ? wahrscheinlich aber berauscht sich das schwelgerische Temperament der Mira Nair daran ebenso wie an der arg ubersichtlichen Konstruktion einer terroristischen Genese.“
[5]
Fur Isabel Reichert vom osterreichischen
Standard
sind die Gesprache, die Changez und Bobby fuhren, komplexer als die Charakterentwicklung von Mira Nair. Ahnlich wie Christina Nord ist ihr die, allerdings wunderbar empathische, Musik zu dick aufgetragen und alles viel zu plakativ.
[6]
Fur Peter Zander von
Der Welt
erzahlt der Film ?die Geschichte eines gut Integrierten, der zum Islamisten wird.“ Um den Film komme man nicht herum, weil ?er sich an einem Thema abarbeitet, das die ganze Welt traumatisiert hat“ und ?große epische Bilder aus mehreren Landern garantiert, auch wenn deren permanenter Postkartenhochglanz bei der Geschichte einer Radikalisierung zunehmend kunstfertig und schal wirkt.“
[7]
Anke Westphal von der
Berliner Zeitung
ist geradezu besturzt, ?wie uberzeugend man Changez’ Ablosung von der westlichen Kultur als Befreiung erlebt. Der junge Mann wirft das alles von sich, lasst sie hinter sich: die Maskenhaftigkeit, Selbstuberhebung, Fremdenfeindlichkeit. Und da er nie wieder, wie noch als Analyst, aus der Distanz uber das Schicksal ihm vollig unbekannter Menschen entscheiden will, versteht es sich, dass er sich auch den Mujaheddin, dem Terror und Al-Qaida nicht anschließt.“
[8]
Auch Frederic Jager von
critic.de
findet, dass Mira Nair die Ruckbesinnung auf Komplexitat, die sie selbst mit dem Thema des Films einfordert, in der Umsetzung nicht einlost.
[9]
Und auch fur Peter Claus auf
getidan.de
wirkt ?die Verknupfung der sehr personlichen Geschichte eines Mannes im Bannstrahl der Weltgeschichte mit Ereignissen eben dieser jedoch zu konstruiert und naiv, als dass sie emotional oder geistig eine großere Wirkung entfalten konnte.“ Dennoch findet er es ehrenwert zu versuchen, ?massenwirksam zu erzahlen und dabei drangende Probleme des Miteinanders oder wenigstens Nebeneinanders verschiedener religioser und weltanschaulicher Moglichkeiten zu beleuchten“.
[10]
Fur Maximillian Schroter liegen die Starken des Films darin, dass er ?viele Fragen stellt, aber nicht alle von ihnen beantwortet, sondern es dem Zuschauer uberlasst, sich eine eigene Meinung zu den Geschehnissen und dem Handeln der Figuren zu bilden.“
[11]
Mira Nair wurde fur
The Reluctant Fundamentalist ? Tage des Zorns
2013 mit dem
Friedenspreis des Deutschen Films
ausgezeichnet. Die Jury begrundete ihre Entscheidungen unter anderem so: ?Mira Nair wagt die Innenansicht eines jungen Mannes auf dem Weg zum Fundamentalisten wider Willen. Nairs Film schlagt dabei die irritierende Brucke zwischen anglo-amerikanischen Marktgesetzen und koran-missbrauchendem Fundamentalismus. Dass Mira Nair als geburtige Inderin ihren Film im seit der Unabhangigkeit und Trennung verfeindeten Pakistan gedreht hat, ist eine weitere Brucke uber kulturelle, ideologische und religiose Graben und Grenzen hinweg.“
[12]
Der Hauptdarsteller Riz Ahmed gewann auf dem gleichen Filmfest den Preis des Besten Darstellers.
[13]
Bereits im November 2012 gewann der Film den Centenary Award des
Internationalen Filmfestival von Indien (IFFI)
.
[14]
Der Film hatte keinen großen Erfolg an der Kinokasse. Bei Produktionskosten von 15 Millionen Dollar
[15]
spielte er lediglich 2 Millionen ein.
[16]
Fur den Film hat
Peter Gabriel
den Song
Speak (Bol)
geschrieben. Dieser wurde von Peter Gabriel gesungen und abgesehen vom Film-Soundtrack erst im Jahr 2019 auf dem
Kompilations
-
Album
Rated PG
veroffentlicht.
- ↑
Freigabebescheinigung
fur
The Reluctant Fundamentalist ? Tage des Zorns
.
Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft
, Januar 2014 (PDF; Prufnummer: 143 061 V).
- ↑
69th Venice International Film Festival, Screenings Schedule 29. Oktober 2012
bei labiennale.org (abgerufen am 20. Oktober 2012).
- ↑
The Reluctant Fundamentalist ? Tage des Zorns.
In:
synchronkartei.de.
Deutsche Synchronkartei
,
abgerufen am 13. September 2017
.
- ↑
taz, 30. August 2012
- ↑
Der Tagesspiegel, 30. August 2012
- ↑
Der Standard, 29. August 2012
- ↑
Die Welt, 29. August 2012
- ↑
Berliner Zeitung, 29. August 2012
- ↑
the critic.de, 29. August 2012
- ↑
getidan.de, 9. September 2012
- ↑
filmszene.de, abgerufen am 20. Oktober 2013
- ↑
BR-Bericht zur Preisverleihung
,
hier als wayback-archive
(
Memento
vom 21. Oktober 2013 im
Internet Archive
), (aufgerufen am 20. Oktober 2013)
- ↑
Friedenspreis fur Mira Nair
, Mittelbayerische Zeitung vom 5. Juli 2013
- ↑
vgl.
43rd IFFI 2012 Awards
(
Memento
vom 6. Oktober 2013 im
Internet Archive
), abgerufen am 20. Oktober 2013.
- ↑
James Lamont:
Indian director Mira Nair on ‘The Reluctant Fundamentalist’
.
Financial Times, 9. Mai 2013. Abgerufen am 20. Oktober 2013.
- ↑
The Reluctant Fundamentalist
(
Memento
vom 4. Juli 2013 im
Internet Archive
), Boxoffice. Abgerufen am 20. Oktober 2013.