Temperaturabhangigkeit
ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Zur Temperaturabhangigkeit chemischer Reaktionsgeschwindigkeiten siehe
Arrhenius-Gleichung
.
Ein
Temperaturkoeffizient
(
Temperaturbeiwert
) beschreibt die
relative
Anderung einer jeweils bestimmten
physikalischen Große
bei Anderung der
Temperatur
gegenuber einer festgelegten Referenztemperatur. Die interessierende Große ist meist, aber nicht immer eine
Materialeigenschaft
.
Temperaturkoeffizienten werden fur verschiedene Großen wie beispielsweise die
Lange
, das
Volumen
(siehe
Ausdehnungskoeffizient
), den
Druck
, den
elektrischen Widerstand
oder die
Spannung
an einer
Halbleiterdiode
betrachtet. Ein mehr oder weniger
linearer
Zusammenhang der jeweiligen Große mit der Temperatur, also ein annahernd konstanter Temperaturkoeffizient, liegt im Allgemeinen nur in einem begrenzten Temperaturbereich vor.
Ist die interessierende Große
(griechisch
Xi
) hysteresefrei und ohne Sprungstellen von der Temperatur
abhangig, also
eindeutig
, kann ihre Temperaturabhangigkeit ausgehend von der Referenztemperatur
beschrieben werden. Im einfachsten Fall genugt eine Naherungsfunktion mit einem einzigen Temperaturkoeffizienten:
![{\displaystyle \xi (T)=\xi (T_{0})\cdot \left[1+\alpha _{T_{0}}\cdot \left(T-T_{0}\right)\right]}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/599a217341bcabd56667decb1b62602846118b84)
Als Bezugstemperatur wird oft 20
°C
gewahlt.
![{\displaystyle \xi (T)=\xi (20\,^{\circ }\mathrm {C} )\cdot \left[1+\alpha _{20}\cdot \left(T-20\,^{\circ }\mathrm {C} \right)\right]}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/fec40afa7da373c1fa840e3a367a1aae381f3047)
Allgemein kann jede Temperaturkennlinie durch eine
Taylorreihe
beschrieben werden:
![{\displaystyle {\xi (T)=\xi (T_{0}+\Delta T)=\xi (T_{0})\cdot (1+\alpha _{T_{0}}\cdot {\Delta T}+\beta _{T_{0}}\cdot {\Delta T}^{2}+\gamma _{T_{0}}\cdot {\Delta T}^{3}+\dotsb +k_{n,T_{0}}\cdot {\Delta T}^{n}+\dotsb )}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/04b1b68339cc4d78a83d80ec38effc1d13d5b434)
Angenahert durch ein Taylorpolynom
-ten
Grades
ergibt sich die
Approximation
:
![{\displaystyle {\xi (T)=\xi (T_{0}+\Delta T)=\xi (T_{0})\cdot (1+\alpha _{T_{0}}\cdot {\Delta T}+\beta _{T_{0}}\cdot {\Delta T}^{2}+\gamma _{T_{0}}\cdot {\Delta T}^{3}+\dotsb +k_{n,T_{0}}\cdot {\Delta T}^{n})}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ac60da7073bbd765452f4a2f744359e6bfc1f04e)
Fur
ergibt sich die meist verwendete lineare Approximation:
![{\displaystyle \xi (T)=\xi (T_{0}+\Delta T)=\xi (T_{0})\cdot (1+\alpha _{T_{0}}\cdot \Delta T)}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ed49bd608459d1ce73948dac81a9ea587a83d70c)
Dabei ist
die Temperaturdifferenz zur Referenztemperatur (
),
der Temperaturkoeffizient 1. Ordnung bei der Referenztemperatur
,
der Temperaturkoeffizient 2. Ordnung bei
,
der Temperaturkoeffizient 3. Ordnung bei
,
der Temperaturkoeffizient
-ter Ordnung bei
.
Die Temperaturkoeffizienten konnen wie folgt durch
Ableitung
der bekannten Funktion
berechnet werden:
![{\displaystyle \alpha _{T_{0}}={\frac {1}{1\,\xi (T_{0})}}\cdot \left.{\frac {\mathrm {d} \xi (\tau )}{\mathrm {d} \tau }}\right|_{\tau =T_{0}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/93e120cdd3c0a88971f25d41966001e885280318)
![{\displaystyle \beta _{T_{0}}={\frac {1}{2!\,\xi (T_{0})}}\cdot \left.{\frac {\mathrm {d} ^{2}\xi (\tau )}{\mathrm {d} \tau ^{2}}}\right|_{\tau =T_{0}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/ebc73400e3721aca07a89a7e7ae6ada8e19f6a01)
![{\displaystyle \gamma _{T_{0}}={\frac {1}{3!\,\xi (T_{0})}}\cdot \left.{\frac {\mathrm {d} ^{3}\xi (\tau )}{\mathrm {d} \tau ^{3}}}\right|_{\tau =T_{0}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/2a371b9e42324b1ba23456751fd3864c00435bf6)
![{\displaystyle k_{n,T_{0}}={\frac {1}{n!\,\xi (T_{0})}}\cdot \left.{\frac {\mathrm {d} ^{n}\xi (\tau )}{\mathrm {d} \tau ^{n}}}\right|_{\tau =T_{0}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/381036a9e16544d3ed59c7ce54a800701dad2929)
Es ist zu beachten, dass die Temperaturkoeffizienten von der Bezugstemperatur
abhangen.
Fur das
ideale Gas
sind die Temperaturkoeffizienten fur
Druck
- und
Volumen
anderung gleich
.
Bei den idealisierenden Annahmen sind Druck- und Volumenanderung linear.
Die Temperaturabhangigkeit des elektrischen Widerstands von Bauelementen (
Leitungen
,
Widerstanden
) muss bei der Konstruktion von
Baugruppen
und der Auslegung von
Schaltungen
immer einkalkuliert werden. Andererseits wird diese Eigenschaft auch genutzt, z. B. bei
Widerstandsthermometern
.
Da der Temperaturkoeffizient des elektrischen Widerstands streng genommen nicht konstant ist, gibt es
Polynome
zur Berechnung des Widerstands aus der vorliegenden Temperatur, zum Beispiel genormt fur das
Platin-Widerstandsthermometer
. Fur
regelungstechnische
Anwendungen sind oft lineare Funktionen erwunscht. Der lineare Temperaturkoeffizient
gibt die relative Anderung des Widerstandswertes pro Anderung der Temperatur zu einer Bezugstemperatur an; diese wird statt 20 °C oft zu 0 °C oder 25 °C gewahlt. Bei den in der Elektrotechnik wichtigen Leitermaterialien Kupfer und Aluminium kann im Temperaturbereich 0 °C bis 50 °C fur Ab
schatzungen
mit dem Wert 0,4
%
pro
Kelvin
gerechnet werden.
Handelsubliche Kleinleistungswiderstande, welche uber den gesamten Betriebstemperaturbereich einen moglichst konstanten Widerstandswert aufweisen sollen, weisen ubliche Temperaturkoeffizienten im Bereich von 100
ppm
pro Kelvin bis 200 ppm pro Kelvin auf,
Prazisionswiderstande
sind im Bereich von 50 ppm pro Kelvin bis hinunter zu 1 ppm pro Kelvin verfugbar. Der lineare Temperaturkoeffizient wird in diesem Fall mit dem Prafix
TK
angegeben (im Englischen mit dem Prafix ?TC“, fur
temperature coefficient
), beispielsweise TK100 fur einen Widerstand mit 100 ppm pro Kelvin.
Lineare Widerstands-Temperaturkoeffizienten einiger Stoffe bei 20 °C
Reine
Metalle
|
in K
?1
|
Legierungen
|
in K
?1
|
Nichtmetalle
|
in K
?1
|
Aluminium
(99,5 %)
|
4,0 · 10
?3
[1]
|
Aldrey
(AlMgSi)
|
3,6 · 10
?3
[1]
|
Kohlenstoff
|
?0,5 · 10
?3
[2]
|
Blei
|
4,2 · 10
?3
[1]
|
Berylliumbronze
(SnBe4Pb)
|
0,5 · 10
?3
|
Graphit
|
?0,2 · 10
?3
|
Eisen
(rein)
|
6,57 · 10
?3
[3]
|
Manganin
(Cu84Ni4Mn12)
|
±0,01 · 10
?3
|
Lichtbogen-Kohle
|
0,5 · 10
?3
[4]
|
Gold
|
3,7 · 10
?3
[1]
|
Konstantan
(CuNi44)
|
±0,04 · 10
?3
[1]
|
Germanium
|
?48 · 10
?3
[2]
|
Kupfer
(99,9 %)
|
3,93 · 10
?3
[1]
|
Isaohm
|
±0,003 · 10
?3
[5]
|
Silizium
|
?75 · 10
?3
[2]
|
Nickel
|
6,0 · 10
?3
[1]
|
Messing
(CuZn37)
|
1,6 · 10
?3
[1]
|
|
|
Platin
|
3,92 · 10
?3
[6]
|
Weicheisen (4 % Si)
|
0,9 · 10
?3
[4]
|
|
|
Quecksilber
|
0,9 · 10
?3
[1]
|
Stahl C15
|
5,7 · 10
?3
|
|
|
Silber
|
3,8 · 10
?3
[1]
|
|
|
|
|
Tantal
|
3,3 · 10
?3
[1]
|
|
|
|
|
Wolfram
|
4,4 · 10
?3
[1]
|
|
|
|
|
Neben den bereits genannten allgemein bekannten Temperaturkoeffizienten fur den elektrischen Widerstand oder fur Druck- und Volumenanderung fur ideale Gase gibt es noch zahlreiche andere Temperaturkoeffizienten. Fur ein bestimmtes Objekt ist dabei meist die Temperaturabhangigkeit einer bestimmten Große technisch relevant, weswegen fur dieses Objekt bzw. dessen Verwendung einfach nur von ?dem“ (einen) Temperaturkoeffizienten gesprochen wird und damit klar ist, welche Große sich andert. Beispiele sind unter anderem:
- ↑
a
b
c
d
e
f
g
h
i
j
k
l
Friedrich Tabellenbuch Elektrotechnik/Elektronik.
582. Auflage. Bildungsverlag EINS, Koln 2007.
- ↑
a
b
c
Spezifische Widerstande und Temperaturkoeffizienten.
Archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
21. Januar 2005
;
abgerufen am 27. Dezember 2011
.
- ↑
Tabellenbuch Elektrotechnik
. Europa-Lehrmittel, Wuppertal 1966.
- ↑
a
b
H. H. Gobbin:
Naturkonstanten
. Wittwer, Stuttgart 1962.
- ↑
isabellenhuette.de:
Isaohm
(PDF; 239 kB).
- ↑
Frank Bernhard:
Technische Temperaturmessung
. Springer, 2004,
ISBN 3-642-18895-8
,
S.
609
(
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche).
- ↑
Advanced Optics SCHOTT AG (Hrsg.):
TIE-19: Temperature Coefficient of the Refractive Index
. Juli 2016 (
schott.com
[PDF; abgerufen am 21. Oktober 2020]).