Tarnackmeister

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Laszlo Sz?gyeny-Marich , Koniglich(-ungarisch)er Oberschatzmeister bzw. tarnokmester 1884?1888

Der Tarnackmeister ( mlat. magister tavernicorum (regalium), m. tavarnicorum r. oder camerarius, zeitweilig auch thesaurarius, ung. tarnokmester, im Deutschen auch ?(Koniglicher Ober-)Schatzmeister“, manchmal falschlich auch ?Tarnachmeister“) ist das dritthochste [1] bzw. vierthochste [2] personliche Amt im Konigreich Ungarn nach dem Palatin (palatinus), dem Landesrichter (iudex curiae) und dem Ban von Kroatien-Slawonien , im Rang eines Barons . Er hatte die Aufsicht uber den koniglichen Besitz, insbesondere die koniglichen Bergwerke und die Kronguter. Zusammen mit dem Palatin und dem Landesrichter sowie dem so genannten Personalis (personalis presentiae regiae locumtenis, ung. szemelynok) war der Tarnackmeister einer der vier Großrichter des Konigreichs. Der Tarnackmeister war der Oberrichter der koniglichen Freistadte und saß dem Tavernikalgericht vor. Der Funktionsumfang des Amtes anderte sich deutlich uber die Zeit. Die gerichtliche Zustandigkeit endete mit der Auflosung des Tavernikalgerichts 1848; der Titel des Tarnackmeisters blieb im Rahmen der Hierarchie des Adels jedoch erhalten und war mit einem Sitz im ungarischen Oberhaus, der Magnatentafel , verbunden.

Die Herleitung des Begriffs ist nicht vollstandig geklart; aufgrund der Schatzmeisterfunktion liegt eine Latinisierung aus ungarisch ?tar“ oder ?tavar“ (Vorrat, Proviant) oder slawisch ?tovor“ (Truhe) nahe. [3]

Wirtschaftliche und fiskalische Funktion

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Die Anfange des Amtes des Tarnackmeisters verlieren sich im Dunkel der Geschichte, es geht mindestens auf die Fruhzeit des ungarischen Konigreichs zuruck, der Titel ist seit 1214 belegt. In der Zeit der Arpaden stand der Tarnackmeister den ?tavernici“ vor, die die Naturalabgaben fur den Konig einzogen. [4] Als Mitglied der koniglichen Kammer (curia regis), der er seit dem 13. Jahrhundert angehorte, war er zustandig fur das konigliche Kammergut. [5] Zum Tarnackmeister wurden in der Regel Adlige aus der Gruppe der einflussreichsten Großgrundbesitzer berufen. Die Bedeutung der kammererahnlichen Funktion [6] verringerte sich mit der Entstehung eines eigenstandigen Schatzmeisteramtes (Amt des thesaurarius) im 14. Jahrhundert [7] , das zum Teil in spaterer Zeit und unter anderen Bedingungen wieder mit dem Amt des Tarnackmeisters zusammengelegt wurde. Auch nach der Abtrennung des Schatzmeisteramtes war der Tarnackmeister noch fur die Beobachtung der Umsetzung von Beschlussen im Munzwesen zustandig [8] , obwohl sich seit Mitte des 14. Jahrhunderts der Zuschnitt der fiskalischen und monetarischen Zustandigkeiten deutlich anderte.

Entwicklung der rechtlichen Funktion

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Seit dem 13. Jahrhundert gab es verschiedene Appellationsmoglichkeiten in Ungarn. Bereits seit dieser Zeit wandte man sich in bestimmten Fallen an den Tarnackmeister. So gibt es ein Stadtprivileg aus dem Jahr 1230, in dem der Tarnackmeister als mogliche Berufungsinstanz aufgefuhrt wird. [9] Die sedes tavernicalis , das Tavernikalgericht, wurde unter Konig Sigismund von Luxemburg 1405 endgultig als oberste Berufungsinstanz der koniglichen Freistadte anerkannt. [10] Aus der Zustandigkeit fur das konigliche Kammergut ergab sich auch die rechtliche Zustandigkeit fur die Angelegenheiten der Juden . [11] Auch die Mitglieder des Tavernikalgerichts waren zunachst ungarische Adlige , wobei im 15. Jahrhundert wiederholt und zunehmend Burger zu Beisitzern ernannt wurden. Seit dem 15. Jahrhundert ernannte der Tarnackmeister mehrmals einen Burger von Buda zum Vizetarnackmeister. Das Gericht tagte in Buda [12] und gilt als eine der Institutionen, die bereits die Zentralitat der spateren ungarischen Hauptstadt Budapest vorwegnahmen. [13] Recht und Rechtsprechung in der Zustandigkeit des Gerichtes bildete einen eigenen Rechtsbereich, das ?ius tavernicale“, dessen erste Sammlung bereits auf die Jahre 1412?18 datiert ( Vetusta iura civitatum sive iura civilia ). Zum Verantwortungsbereich des Gerichts mit Recht zur Wahl der Beisitzer gehorten spatestens seit 1453 [14] sieben Stadte, seit Ende des 15. Jahrhunderts acht Stadte [15] , alle mit Budaer Stadtrecht [16] , wobei auch andere Stadte an das Gericht appellieren konnten. [13] Istvan Werb?czy listet 1514 in seinem einflussreichen Rechtswerk ?Tripartitum“ (Tripartitum opus iuris consuetudinarii inclyti regni Hungariae) unter den koniglichen Freistadten die acht sogenannten ?Schatzmeisterstadte“ (?Tavernikalstadte“, ung. tarnoki varosok, slow. tavernikalne mesta) mit dem Tarnackmeister als ubergeordneter Berufungsinstanz auf: Pressburg/Pre?porok/Pozsony/ ( Bratislava ), Kaschau/Kassa/ Ko?ice , Tyrnau/Nagyszombat/ Trnava , Bartfeld/Bartfa/ Bardejov , Eperies/Eperjes/ Pre?ov , Ofen/Buda, Pest , Odenburg/ Sopron . In den nachfolgenden Jahrhunderten (bis 1848) stieg die Anzahl der Tavernikalstadte auf mindestens 20. [17]

  • Zoltan Fallenbuchl: Magyarorszag f?meltosagai , Maecenas Konyvkiado 1988, ISBN 963-02-5536-7 (= Die obersten Wurdentrager Ungarns).
  • Andras Kubinyi: Tarnackmeister. In: Lexikon des Mittelalters, Munchen/Zurich 1997, Vol. 8, Sp. 478 (Lexikonartikel).
  • Andras Kubinyi: Tavernikalstadt. In: Lexikon des Mittelalters, Munchen/Zurich 1997, Vol. 8 Sp. 514 (Lexikonartikel).
  • Andras Kubinyi: Zur Frage der Vertretung der Stadte im ungarischen Reichstag bis 1526. In: Ders.: Konig und Volk im spatmittelalterlichen Ungarn. Verlag Tibor Schafer, Herne 1998, ISBN 3-933337-02-X , S. 65?102.
  • Artikel: Die Kron- und Hofamter des Konigreiches Ungarn (Unter besonderer Berucksichtigung des Palatinats). In: Austria: osterreichischer Universal-Kalender , 1848, S. 192?208.
  • ?tefania Mertanova: Ius tavernicale: ?tudie o procese formovania prava tavernickych miest v etapach vyvoja tavernickeho sudu v Uhorsku 15. - 17. stor , Veda - vydavate?stvo Slovenskej akademie vied, Bratislava 1985 (= Ius tavernicale: Studie uber die Formierungsprozesse des Rechts der Tavernikalstadte wahrend der Entwicklungsstufen des Tavernikalgerichts vom 15.?17. Jahrhunderts ).
  • Martyn Rady: Nobility, Land and Service in Medieval Hungary. Palgrave (zusammen mit School of Slavonic and East European Studies, University College London) 2000, ISBN 0-333-80085-0 .
  • Vladimir Sege?: Tavernik. In: Du?an ?kvarna, Julius Bartl, Viliam ?i?aj, Maria Kohutova, Robert Letz, Vladimir Sege?: Slovak History: Chronology & Lexicon. Bolchazy-Carducci Publishers, Wauconda (Illinois) 2002, ISBN 0-86516-444-4 (Lexikonartikel).
  • Miklos Veres: A tarnoki hatosag es a tarnoki szek 1526?1849 , Akademiai Kiado, Budapest 1968 (= Die Tavernikalbehorde und das Tavernikalgericht 1526-1849 ) (Weblink: https://library.hungaricana.hu/hu/view/MolDigiLib_MOLkiadv3_02/?pg=0&layout=s ).

Edition des Tavernikalrechts

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  • Martinus Georgius (Martin Georg bzw. Marton Gyorgy) Kovachich: Codex authenticus iuris tavernicalis statutarii communis, complectens monumenta vetera a recentiora partim antea vulgata partim hactenus inedita , Buda 1803.

Einzelnachweise

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  1. Andras Kubinyi: - Tarnackmeister (Lexikonartikel) ? In: Lexikon des Mittelalters, Munchen/Zurich 1997, Vol. 8, Sp. 478.
  2. Die Rangfolge wird in der Literatur uneinheitlich angegeben. Der osterreichische Universal-Kalender durfte aber zumindest die zeitgenossische Rangfolge (1848) korrekt wiedergeben. In diesem Kalender wird auf S. 192 als dritthochster Wurdentrager der Ban (us) von Kroatien aufgefuhrt. Evtl. ergibt sich daher die divergierende Zahlung, je nachdem, ob man Kroatien einbezieht oder nicht. Siehe den Abschnitt Der Oberschatzmeister (Magister Tavernicorum regalium, Thesaurarius) in: Die Kron- und Hofamter des Konigreiches Ungarn - In: Austria: osterreichischer Universal-Kalender, 1848, S. 192?208, hier: S. 206.
  3. Tar wird heute mit Lager, Sammlung, Magazin ubersetzt, der Begriff Tavar ist heute mindestens selten, Etymologie hier nach: Der Oberschatzmeister (Magister Tavernicorum regalium, Thesaurarius) in: Die Kron- und Hofamter des Konigreiches Ungarn - In: Austria: osterreichischer Universal-Kalender, 1848, S. 192?208, hier: S. 206 - eventuell besteht eine direkte Beziehung zu bedeutungs- und wortahnlichem Tovor (vgl. z. B. slowenisch tovor = Fracht, Ladung). Darauf konnte auch der Wortbestandteil -nik/-nic in ?tavernic“ hindeuten, wenn er nicht direkt aus lateinischem -icus entnommen ist, sondern mit dem slawischen Suffix identisch ist, das an Nominalstamme angehangt wird, um einen Betreiber oder einen Angehorigen eines Platzes oder einer Person zu bezeichnen, vgl. deutsch ?-er“ mit ahnlicher Funktion: Glocke-> Glock(n)er, Wien-> Wiener
  4. Andras Kubinyi: - Tarnackmeister (Lexikonartikel) ? In: Lexikon des Mittelalters, Munchen/Zurich 1997, Vol. 8, Sp. 478.
  5. Andras Kubinyi: - Tarnackmeister (Lexikonartikel) ? In: Lexikon des Mittelalters, Munchen/Zurich 1997, Vol. 8, Sp. 478.
  6. Ferdinand Opll : Preßburg und Wien im Mittelalter. Unterschiede, Parallelen und Begegnungen. In: Jahrbuch fur Landeskunde von Niederosterreich . Band 59, 1993, S. 187 ( zobodat.at [PDF]).
  7. Andras Kubinyi: - Tarnackmeister (Lexikonartikel) ? In: Lexikon des Mittelalters, Munchen/Zurich 1997, Vol. 8, Sp. 478.
  8. Vgl. Marton (Kalnoki-)Gyongyossy: Die große Geld- und Munzreform von Matthias Corvinus , S. 1 (Gyongyossy, Marton: Die große Geld- und Munzreform von Matthias Corvinus - In: Mitteilungen der Osterreichischen Numismatischen Gesellschaft ; 52. 2012 - 53. 2013; Nr. 1) http://renaissance.elte.hu/wp-content/uploads/2013/09/Marton-Gyongyossy-Die-grosse-Geld-und-Munzreform-von-Matthias-Corvinus.pdf
  9. Andras Kubinyi: - Tarnackmeister (Lexikonartikel) ? In: Lexikon des Mittelalters, Munchen/Zurich 1997, Vol. 8, Sp. 478.
  10. Andras Kubinyi: Zur Frage der Vertretung der Stadte im ungarischen Reichstag bis 1526 , Seite 69
  11. Die Judensteuern entfielen hingegen auf den Verantwortungsbereich des Schatzmeisters, nachdem diese Funktion vom Tarnackmeister getrennt worden war. Nach Andras Kubinyi: - Tarnackmeister (Lexikonartikel) ? In: Lexikon des Mittelalters, Munchen/Zurich 1997, Vol. 8, Sp. 478 - Vgl. hierzu auch Judenregal
  12. Andras Kubinyi: Tavernikalstadt (Lexikonartikel) ? In: Lexikon des Mittelalters, Munchen/Zurich 1997, Vol. 8 Sp. 514.
  13. a b Evamaria Engel/Karen Lambrecht/Hanna Nogossek (Hrsg.): Metropolen im Wandel : Zentralitat in Ostmitteleuropa an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit . Akademie Verlag, Berlin, 1995, ISBN 978-3-05-002816-3 .
  14. Andras Kubinyi: Zur Frage der Vertretung der Stadte im ungarischen Reichstag bis 1526 , Seite 73 - Die Stadt Gran hatte 1439 noch einen Beisitzer zum Gerichtsstuhl geschickt, fiel aber seit den 1450ern aus der Reihe der Berechtigten heraus
  15. In den 1480ern trat Pest als achte Stadt hinzu, vgl. Andras Kubinyi: Zur Frage der Vertretung der Stadte im ungarischen Reichstag bis 1526 , Seite 75?76.
  16. Das Budaer Recht wurde entsprechend auch fur das Tavernikalrecht grundlegend; vgl. hierzu z. B. S. 224 und S. 227?228 in: Ibolya Katalin Koncz: Die Wurzeln der Frauenrechte in den mittelalterlichen Rechtsbuchern - In: Elemer Balogh (Hrsg.): Schwabenspiegel-Forschung im Donaugebiet: Konferenzbeitrage in Szeged zum mittelalterlichen Rechtstransfer deutscher Spiegel, Berlin/Boston 2015, S. S. 219?236 ISBN 9783110389760 sowie Andras Kubinyi: Tavernikalstadt (Lexikonartikel) ? In: Lexikon des Mittelalters, Munchen/Zurich 1997, Vol. 8, Sp. 514.
  17. Diese Stadte sind: Bartfa, Debrecen , Pre?ov, Eisenstadt , Krupina , K?szeg , Kaschau, Komorn , Ofen, Pest, Pressburg, Gy?r , Modra , Odenburg, Satu Mare , Szeged , Skalica , Tyrnau, Sombor , Novi Sad - Vgl.: Der Oberschatzmeister (Magister Tavernicorum regalium, Thesaurarius) in: Die Kron- und Hofamter des Konigreiches Ungarn - In: Austria: osterreichischer Universal-Kalender, 1848, S. 192?208, hier: S. 206.