Tai-Volker

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Zur Gruppe der Tai-Volker werden Ethnien in Sudostasien und in Sud- China zusammengefasst, die Sprachen aus dem Tai-Zweig der Tai-Kadai-Sprachfamilie sprechen (von denen angenommen wird, dass sie von einer gemeinsamen Proto-Tai-Sprache abstammen) und zum Teil ahnliche Traditionen und Gebrauche befolgen.

Zhuang-Madchen in Tracht

Tai-Volker bilden die Mehrheitsbevolkerung in Thailand und Laos , wo die jeweils namensgebenden Volker der Thai bzw. der Lao dominieren. Bedeutende Minderheiten von Tai-Volkern leben in Sudchina, Myanmar, Vietnam und Nordostindien . Die großten Bevolkerungen haben dabei die Zhuang (v. a. im Autonomen Gebiet Guangxi ), Bouyei (Provinz Guizhou ) und Dai (Provinz Yunnan ) in China, die Shan im nach ihnen benannten Shan-Staat von Myanmar, die Tay und Thai im Norden Vietnams und die Ahom im indischen Bundesstaat Assam . Insgesamt wird geschatzt, dass die Tai-Volker etwa 100 Millionen Menschen zahlen. Im Laufe der Zeit wurden die einzelnen Volker durch ihre Nachbarn teils erheblich beeinflusst oder gar assimiliert , so wurden die Zhuang in China zum Teil sinisiert .

Tai oder Thai ist die Selbstbezeichnung vieler Tai-Volker, vor allem der zentralen und sudwestlichen Gruppe. Das Etymon *daj A bedeutete ursprunglich nur ?Bevolkerung“ oder ?Menschen“. Die Bedeutung ? Freie “, die es heute in einigen Tai-Sprachen (z. B. Thailandisch) hat, bekam es erst spater, im Zusammenhang mit der Herausbildung feudaler Strukturen bei bestimmten Tai-Volkern. [1]

Herkunft der Tai

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Verbreitung der Tai-Sprachen in Sudostasien und mutmaßliche Migrationswege der Tai-Volker

Die Urheimat der Tai-Sprachen wird aufgrund von Forschungen der Vergleichenden Linguistik auf dem Gebiet der heutigen chinesischen Provinz Guizhou vermutet. Manche Forscher vertreten, dass noch fruhere Vorfahren der Tai austronesischer Herkunft waren, es wird eine Verbindung mit den Formosa-Sprachen auf Taiwan zur Diskussion gestellt [2] oder gar eine Re-Migration von den nordlichen Philippinen via Hainan auf das chinesische Festland. [3] Diese Thesen werden jedoch selbst von ihren Vertretern als spekulativ bezeichnet, da archaologische Belege dafur durftig sind. [4] Die weitere Ausbreitung der Tai-Kadai-Sprecher erfolgte moglicherweise ab ca. 1500 v. Chr., mutmaßlich auf der Suche nach besseren Bedingungen fur die Landwirtschaft. Ob sie damals schon hauptsachlich von Reis oder eher von Knollengemuse wie Taro gelebt haben, ist umstritten. [5]

Die weitere Expansion der Tai nach Sudostasien fand wahrscheinlich erst Ende des 1. und Anfang des 2. Jahrtausends n. Chr. statt, wofur die sehr enge Verwandtschaft der geographisch weit ausgedehnten sudwestlichen Taisprachen spricht, wahrend es in China (Guangxi, Guizhou und Hainan) sowie Nord-Vietnam auf engerem Raum eine viel großere Diversitat unter den Tai-Kadai-Sprachen gibt. [2]

Geographische Verbreitung

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Verbreitung von Tai-Kadai-Sprachen in Sudostasien. Tai-Sprachen in rot, gelb und orange.

Die Tai-Volker lebten niemals in einem einheitlichen Nationalstaat. In mehreren voneinander unabhangigen Staaten identifizierte sich die Bevolkerung selbst als ?Tai“, so z. B. in Siam .

Die Tai-Volker siedelten seit ihrer fruhen Wanderungsbewegung historisch in China, Indien und dem kontinentalen Teil Sudostasiens. Ihre hauptsachliche geographische Verteilung kann man sich in Form eines Bogens vorstellen, der vom nordostlichen Indien durch das sudliche China bis hinunter nach Sudostasien reicht. Neuere Wanderungen brachten eine großere Zahl der Tai nach Ceylon , Japan , Taiwan , Australien , Neuseeland , Europa , die Vereinigten Arabischen Emirate , Argentinien und Nordamerika . Die großte ethnische Vielfalt unter den Tai-Volkern herrscht in China, das als prahistorisches Heimatland der Tai angesehen wird.

Der thailandische Ministerprasident und Feldmarschall Plaek Phibunsongkhram strebte wahrend seiner Regierungszeit in den 1930er- und 40er-Jahren die Schaffung eines Staates an, der alle von Tai-Volkern bewohnten Gebiete vereinen sollte. Dem tragt die Umbenennung Siams in Thailand 1939 Rechnung.

Siedlungsgebiete in Ost- und Sudostasien

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Viele Tai-Volker leben traditionell in Hausern auf Pfahlen (hier in Sud-Laos)
Traditionelle Lebensgrundlage der meisten Tai-Volker ist Nassreis-Feldbau. Hier Terrassenfeld in Sa Pa, Nordwest-Vietnam

Es herrscht eine große ethnische Vielfalt unter den Tai-Volkern in China, Indien und auch in Sudostasien. Sie besiedeln die großten Teile von Thailand (uber 60 Millionen) und Laos (3 Millionen), den Osten von Myanmar (4 Millionen Shan , vorwiegend im gleichnamigen Shan-Staat ), den Norden und Nordwesten Vietnams (3 Millionen Tay und Thai ), den Norden und Westen Kambodschas (etwa 100.000 Thai und Lao) und die nordlichsten Sultanate Malaysias (mehrere zehntausend Thai). Im sudlichen China leben etwa 25 bis 30 Millionen Angehorige von Tai-Volkern: Die bedeutendsten darunter sind die Zhuang (in erster Linie im Autonomen Gebiet Guangxi ), Bouyei (in der Provinz Guizhou ) und Dai (in der Provinz Yunnan ). Die etwa 2 Millionen Ahom im indischen Bundesstaat Assam haben ihre ursprungliche Sprache im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgegeben und sprechen inzwischen Assamesisch , das eine indogermanische Sprache ist, sodass die Zuordnung dieser Ethnie zu den Tai-Volkern nicht eindeutig ist. Daneben gibt es aber auch in Assam noch einige tausend Angehoriger kleinerer Tai-Volker, die nach wie vor ihre ursprunglichen Sprachen sprechen.

Tai-Volker in der Diaspora

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Asien

Jeweils mehr als 10.000 Thailander leben in Sudkorea, Taiwan, Japan, Malaysia, Singapur, Israel und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Europa

Die großten Gruppen der Tai (meist Thailander und Laoten) siedeln in Großbritannien , Frankreich , Schweden , Deutschland , den Niederlanden und der Schweiz .

Nordamerika

In den USA leben rund 320.000 Thai-Amerikaner und 265.000 Lao-Amerikaner. [6] Hinzu kommen Gruppen von Tai Kao , Isan, Phu Thai , Tai Dam , Tay und Shan . In Kanada leben rund 25.000 Menschen mit laotischen und 19.000 Menschen mit thailandischen Wurzeln.

Ozeanien

In Australien sind eine großere Zahl von Thailandern, wahrend in Neuseeland uberwiegend Angehorige von Ethnien des Isan wohnen.

Laoten in Argentinien

Nach dem Laotischen Burgerkrieg ubersiedelten mehr als 250 laotische Familien nach Argentinien . [7]

Die von den Tai-Volkern gesprochenen Sprachen werden als Tai-Sprachen bezeichnet. Die am weitesten verbreiteten darunter sind Thai , der Amtssprache von Thailand, Lao , der Amtssprache von Laos , der Sprache Shan in Myanmar und Zhuang , einer Sprachengruppe im sudlichen China. Alle diese Sprachen sind Tonsprachen , ein veranderter Ton kann die Bedeutung einer Silbe (eines Wortes) verandern.

Die traditionelle Glaube der Tai-Volker kann als animistisch bezeichnet werden. Eine wichtige Rolle spielen Geister (in mehreren Tai-Sprachen, u. a. Thai und Lao, phi genannt), die einerseits personliche Verkorperungen von Naturerscheinungen oder Orten, aber auch ruhelose Seelen von Verstorbenen darstellen konnen. Diese Geister werden wie Personen behandelt, um deren Gunst man werben bzw. deren Ungnade man z. B. mit Opfergaben besanftigen oder abwenden muss. [8] Auch Ahnenkult ist weit verbreitet. Die ethnische Religion der Zhuang heißt Mo(ismus) , die der Tay heißt Then . [9]

Ein Großteil der Tai-Volker, vor allem des sudlichen Zweiges, hat um das 13. Jahrhundert mehrheitlich den Buddhismus (in der Regel der Theravada -Richtung) angenommen, [10] namentlich so die Thai, Lao, Shan und Dai. Die Traditionen des animistischen Phi -Kults werden aber nicht durch den Buddhismus ausgeschlossen oder verdrangt, sie bestehen vielmehr neben buddhistischen Glaubenspraktiken fort bzw. werden in die buddhistische Weltsicht integriert. [8] [11] Etwa 1,5 Millionen Thai in Sudthailand sind Muslime. [12]

Songkran in Jinghong , Yunnan, VR China

Bestimmte Feste werden von mehreren Tai-Volkern begangen, das bekannteste unter ihnen ist Songkran , das Neujahrsfest der Dai, Lao, Shan und Thai, das ursprunglich den Fruhlingspunkt ankundigte, heutzutage aber zwischen dem 13. und 15. April gefeiert wird.

Immaterielles Kulturerbe der Menschheit

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Verschiedene kulturelle Ausdrucksformen der Tai wurden auf Antrage Vietnams und Thailands in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Dies sind die Then -Riten (2019), [13] der Xoe-Tanz (2021), [14] und Songkran (2023). [15]

  • Tai Culture. International Review on Tai Cultural Studies. SEACOM Southeast Asia Communication Centre, Berlin seit 1996. Ubersicht der bisher erschienenen Ausgaben
  • Andrew Walker (Hrsg.): Tai Lands and Thailand. Community and State in Southeast Asia. NIAS Press, Kopenhagen 2009.

Einzelnachweise

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  1. Michel Ferlus: The Thai Dialects of Ngh? An, Vietnam (Tay Daeng, Tay Yo, Tay Muong). In: The Tai-Kadai Languages. Routledge, Abingdon (Oxon)/New York 2008, S. 298.
  2. a b Laurent Sagart: The higher phylogeny of Austronesian and the position of Tai-Kadai. In: Oceanic Linguistics Band 43, 2004, 411?440.
  3. Roger Blench: Stratification in the peopling of China: how far does the linguistic evidence match genetics and archaeology? (PDF; 0,7 MB). Abhandlung fur das Symposium Human migrations in continental East Asia and Taiwan. Genetic, linguistic and archaeological evidence. Genf 2004, S. 12.
  4. Roger Blench: The Prehistory of the Daic (Tai Kadai) Speaking Peoples and the Hypothesis of an Austronesian Connection. ( Memento vom 21. Oktober 2011 im Internet Archive ) (PDF). Presented at the 12th EURASEAA meeting, Leiden, 1.?5. September 2008, S. 8.
  5. Roger Blench: Stratification in the peopling of China. 2004, S. 12?13, 20.
  6. Asian alone or in any combination by selected groups. ( Memento vom 14. Februar 2020 im Webarchiv archive.today ) American Community Survey, U.S. Census Bureau, 2017.
  7. Laotians in Argentina. In: Voice of America. 24. Mai 2007, abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).
  8. a b Gerald W. Fry, Gayla S. Nieminen, Harold E. Smith (Hrsg.): Historical Dictionary of Thailand. 3. Auflage, Scarecrow Press, Lanham (MD)/Plymouth 2013, S. 294, Eintrag: Phi Cult.
  9. Nguy?n Th? Yen: An Investigation into Objects of Worship in Then belief. In: Religious Studies Review , Nr. 3, Band 2, 2008, S. 61?71.
  10. Charles F. Keyes: Why the Thai Are Not Christians. Buddhist and Christian Conversion in Thailand. In: Conversion to Christianity. University of California Press, Berkeley/Los Angeles/Oxford 1993, S. 259?284, auf S. 263.
  11. Yos Santasombat: Lak Chang. A Reconstruction of Tai Identity in Daikong. 2. Auflage, Australian National University Press, Canberra 2008, S. 107.
  12. Paul Hattaway: Peoples of the Buddhist World. Piquant Editions, Carlisle 2004, S. 311.
  13. Practices of Then by Tay, Nung and Thai ethnic groups in Viet Nam. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2019, abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).
  14. Art of Xoe dance of the Tai people in Viet Nam. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2021, abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).
  15. Songkran in Thailand, traditional Thai New Year festival. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2023, abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).