Tadel

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Der Tadel (auch Ruge oder Schelte ) bezeichnet eine meist verbale, missbilligende Beurteilung, die oftmals mit dem Ziel einer Maßigung oder Verhaltenskorrektur verbunden wird und gelegentlich als Strafe fungiert.

Momos tadelt die Gotter , 1561, Maarten van Heemskerck , Gemaldegalerie Berlin
Tadel in einer Hausinschrift

Das Wort Tadel tritt seit dem 13. Jahrhundert im Mittelhochdeutsch aus dem Mittelniederdeutschen stammend auf. Bereits im Althochdeutschen stand zadal oder zadel fur Mangel [1] oder Fehler . [2] Die heute ubliche Bedeutung eines Vorwurfs entwickelte sich im 17. Jahrhundert unter dem Einfluss des Verbs tadeln . Die alte Bedeutung ist erhalten in der Redewendung Ohne Furcht und Tadel . [3] Pierer’s Universal-Lexikon bezeichnete Tadel als:

?Form eines Urtheils ausgesprochene Erklarung, daß uns etwas mißfallt, also mißbilligende Beurtheilung. Der Tadel kann so mannigfach sein, als die Gegenstande, worauf er sich bezieht, u. eben sowohl Reden, Schriften, Kunstgegenstande, Personen betreffen, u. ist daher theils logisch, theils asthetisch, theils moralisch. Er ist gegrundet, wenn unser Urtheil richtig, ungegrundet, wenn dies nicht der Fall ist, u. muß daher, da jeder irren kann, um so mehr mit Maßigung ausgesprochen werden, da er sonst leicht in Tadelsucht, d.h. den Fehler, bei welchem der Mensch nur tadelt, um zu tadeln, ausartet.“ [4]

In einigen der padagogischen Fachliteratur zugerechneten Werken aus den 1960er Jahren wird der Tadel am Anfang der Strafenskala gesehen. [5] Diese Einstufung ist freilich umstritten. Dass mit dem Tadel auch ernst zu nehmende Traumatisierungen der Kinder und Jugendlichen verbunden sein konnen, ist nicht nur eine Erkenntnis der neueren Psychologie. Schon die Padagogen im Vorfelde der europaischen Aufklarung mahnten einen sensiblen Umgang der Erzieher mit ihren Zoglingen an. John Locke legte in Bezug auf den Tadel eine kontrollierte Maßigung nahe. [6] Fenelon außerte sich im selben Sinne und stellte Betrachtungen uber den rechten Augenblick an, in dem ein Tadel erfolgen sollte. "Warte, wenn es sein muss, selbst tagelang den gunstigsten Augenblick ab, um deinen Verweis anzubringen." [7] Einig waren sich auch die deutschen Padagogen der Aufklarung uber die zweifelhaften Wirkungen maßlosen Tadelns. [8]

Tadel in der Schule

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In der Schule ist der Tadel eine starke Form der Ermahnung und Maßregelung. Der Tadel kann auch in schriftlicher Form erfolgen. Bei wiederholtem Tadel tritt in vielen Fallen eine Klassenkonferenz zusammen. Hier wird uber das Fehlverhalten des Schulers diskutiert und es werden weitere erzieherische Maßnahmen festgelegt. Der Begriff ?Tadel“ ist dabei offiziell meist nicht mehr gebrauchlich, man spricht inzwischen von einer ?Schriftliche[n] Missbilligung“ (Verweis).

So heißt es im Schulgesetz Schleswig-Holsteins zu den Maßnahmen bei Erziehungskonflikten:

?(1) Die Erfullung des Bildungsauftrages der Schule ist vor allem durch padagogische Maßnahmen zu gewahrleisten. In die Losung von Konflikten sind alle beteiligten Personen einzubeziehen. Zu den Maßnahmen bei Erziehungskonflikten gehoren insbesondere gemeinsame Absprachen, die fordernde Betreuung, die Forderung erwunschten Verhaltens, das erzieherische Gesprach mit der Schulerin oder dem Schuler, die Ermahnung, die mundliche oder schriftliche Missbilligung, die Beauftragung mit Aufgaben, die geeignet sind, die Schulerin oder den Schuler Fehler im Verhalten erkennen zu lassen, das Nachholen schuldhaft versaumten Unterrichts nach vorheriger Benachrichtigung der Eltern und die zeitweise Wegnahme von Gegenstanden.“

? Schleswig-Holsteinisches Schulgesetz § 25 ? Maßnahmen bei Erziehungskonflikten [9]

Das Schulgesetz des Landes Berlin kennt den ?mundlichen Tadel“ als Erziehungsmaßnahme bei Erziehungskonflikten und Unterrichtsstorungen. [10] Je nach Schwere des Verstoßes kann der Tadel auch aus einem Eintrag ins Klassenbuch und einem Brief an die Erziehungsberechtigten bestehen. In der Vergangenheit konnte der Tadel als Bemerkung auf dem Zeugnis erscheinen, wenn die jeweilige Zeugniskonferenz dies fur geboten hielt [11] und der Tadel den bestehenden Normen entsprach. Die aktuellen Ausfuhrungsvorschriften uber Zeugnisse des Landes Berlin erwahnen jedoch den Vermerk von Erziehungsmaßnahmen, zu denen der mundliche Tadel zahlt, nicht [12] . In der Regel konnen auf Zeugnissen nur Ordnungsmaßnahmen nach Beschluss durch die Klassenkonferenz auf Zeugnissen vermerkt werden, wobei Abgangs- und Abschlusszeugnisse ausgenommen sind [12] .

Im Meyers kleines Lexikon Psychologie wird vermerkt, dass getadeltes Verhalten sogar vermehrt auftreten konne ? eine Erkenntnis, die auf dem Hintergrund der Lernpsychologie entstanden ist. Tadel konnte namlich die vom Schuler/Kind erwunschte Form der Zuwendung sein, wenn es ihm z. B. an Zuwendung mangeln sollte. Tadeln sollte also nicht zufallig, willkurlich oder planlos, sondern bestenfalls im Zusammenhang mit einem Verstarkungsplan erfolgen, der die Gesamtpersonlichkeit des Kindes berucksichtigt. Tadel allein ist nicht geeignet, irgendein Erziehungsproblem zu losen. Peter Kock und Hanns Ott [13] halten den inflationaren Gebrauch des Tadels fur wirkungslos, und: ?Tadel erweist sich dann als vollig sinnlos […], wenn er auf Merkmale oder Verhaltensweisen zielt, die zu andern der Getadelte nicht fahig ist.“

Im vierten Band von Wanders Deutsches Sprichworter-Lexikon [14] sind 23 Sprichworter mit Bezug zum Thema Tadel verzeichnet.

Wiktionary: Tadel  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Friedrich Kluge: Kluge. Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache . Hrsg.: Elmar Seebold. 25. Auflage. De Gruyter, 2011, ISBN 978-3-11-022364-4 , S.   903 .
  2. Johann August Eberhard, Johann Maaß, Johann Gottfried Gruber: Deutsche Synonymik . 4. Auflage. Band   1 . Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1852, S.   358 ( Volltext in der Google-Buchsuche).
  3. Dudenredaktion (Hrsg.): Das Herkunftsworterbuch . Etymologie der deutschen Sprache. 5. Auflage. Duden, 2013, ISBN 978-3-411-04075-9 , S.   841 .
  4. Tadel . In: Heinrich August Pierer , Julius Lobe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit . 4. Auflage. Band   17 : Stuckgießerei?Turkische Regenkugel . Altenburg 1863, S.   196 ( Digitalisat. zeno.org ).
  5. Wolfgang Scheibe: Die Strafe als Problem der Erziehung. Eine historische und systematische padagogische Untersuchung . Weinheim / Berlin 1967, S. 199.
  6. John Locke : Einige Gedanken uber die Erziehung . Paderborn 1967, S. 51.
  7. Francois Fenelon : Uber die Erziehung der Madchen . Paderborn 1956, S. 27.
  8. Friedrich Koch : Das Wilde Kind. Die Geschichte einer gescheiterten Dressur . Hamburg 1997, S. 63 ff. ISBN 978-3-434-50410-8 , S. 63 ff.
  9. Schleswig-Holsteinisches Schulgesetz (Schulgesetz ? SchulG) vom 24. Januar 2007, gultig ab: 31. Juli 2014, § 25 Maßnahmen bei Konflikten mit oder zwischen Schulerinnen und Schulern. In: gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de. 24. Januar 2007, abgerufen am 20. August 2015 .
  10. Schulgesetz fur das Land Berlin (Schulgesetz ? SchulG) vom 26. Januar 2004, gultig ab: 1. Februar 2004, Abschnitt IV Maßnahmen bei Erziehungskonflikten § 62 Erziehungsmaßnahmen. In: gesetze.berlin.de. Abgerufen am 20. August 2015 .
  11. Schulordnung vom 10. Februar 2010. (PDF; 35,6 kB) Gymnasium Steglitz , 10. Februar 2010, S. 4 , archiviert vom Original (nicht mehr online verfugbar) am 28. April 2011 ; abgerufen am 20. August 2015 .
  12. a b Senatsverwaltung fur Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin: Ausfuhrungsvorschriften uber Zeugnisse (AV Zeugnisse) vom 31. Juli 2015 (ABl. S. 1780) zuletzt geandert durch VV vom 9. Januar 2018 (ABl. S. 456). In: https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/rechtsvorschriften/artikel.1416174.php . Senatsverwaltung fur Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin, 24. Januar 2024, abgerufen am 17. Mai 2024 .
  13. In: Worterbuch fur Erziehung und Unterricht . 1997; S. 453.
  14. Wanders Deutsches Sprichworter-Lexikon . S. 987?988.