Als
Synthese
(von
altgriechisch
σ?νθεσι?
synthesis
, ?Zusammensetzung“, ?Zusammenfassung“, ?Verknupfung“) wird allgemein die Vereinigung von zwei oder mehr
Bestandteilen
,
Elementen
oder
Merkmalen
zu einer neuen, ubergeordneten Einheit verstanden.
Der Begriff wurde als
Fremdwort
von
Hermann Kolbe
1845 in die
Naturwissenschaft
eingefuhrt.
[1]
Die Synthese als Zusammenfassung oder Zusammensetzung hat sich danach auch in anderen
Fachgebieten
etabliert. Das
Adverb
?synthetisch“ wird meist mit ?kunstlich“ konnotiert.
Oftmals wird mit der ?Synthese“ auch das Resultat der synthetischen Tatigkeit bezeichnet. Die Synthese ist untrennbar verbunden mit dem ihr entgegengesetzten Verfahren der
Analyse
. In der Naturwissenschaft ist Synthese auf
Materie
(z. B.
chemische Synthese
von Stoffen) bezogen und in der
Geisteswissenschaft
abstrakt
(z. B. das Zusammenstellen einer neuen
Metapher
, Beispiel: ?Zahn der Zeit“) zu verstehen, daher synthetisch im Sinne einer synthetisierenden Sprache:
synthetischer Sprachbau
.
- Philosophie
In der
Philosophie
bezeichnet Synthese allgemein die Verknupfung von
Vorstellungen
,
Begriffen
und
Aussagen
. Bei
Immanuel Kant
ist dies die Verknupfung von Mannigfaltigkeiten der Anschauung durch eine aktive Leistung des Verstandes mit Hilfe der
Kategorien
zur Einheit des Gegenstandes.
[2]
Er ging davon aus, dass es ?synthetische“ Satze oder Urteile gibt, in die nicht analytisch erklarbare Teile einfließen und ihnen somit scheinbar Neues hinzufugen. Man spricht in diesem Zusammenhang von Erweiterungsurteilen. Die Welt konne nicht ohne unsere eigenen so genannten
synthetisierenden
Leistungen gedacht werden. Kant nannte als einfaches Beispiel: ?Um aber irgend etwas im Raume zu erkennen, z. B. eine Linie, muss ich sie
ziehen
, und also eine bestimmte Verbindung des gegebenen Mannigfaltigen synthetisch zustande bringen, so, dass […] dadurch aller erst ein Objekt (ein bestimmter Raum) erkannt wird.“
[3]
In der
Dialektik
bezeichnet die Synthese die Aufhebung des
Widerspruchs
von
These
und
Antithese
. So ist fur
Hegel
das
Werden
eine Synthese aus dem
Sein
und dem
Nichts
.
[4]
Schelling
sprach von einer
Synthesis
im absoluten Akt des
Selbstbewusstseins
.
[5]
Die Philosophie versteht unter Synthese nach Abwagung von
Pro und Kontra
(Dialektik) die Zusammenfassung beider einer neuen
Aussage
oder
Theorie
. Einzelne Thesen konnen im
Dialog
entweder durch Antithesen weiter verbessert werden, bis sie ohne Widerspruch anerkannt werden oder bis die Synthese durch eine neue, alle
Pro und Kontra
-Argumente integrierende Aussage oder Theorie erreicht wird.
[6]
Synthese ist der Zentralbegriff der
Erkenntnistheorie
von Immanuel Kant. Eine objektive
Erkenntnis
ist danach die Vereinigung des in der
Wahrnehmung
gegebenen Mannigfaltigen. In
Hegels
Dialektik
vollzieht sich die Dynamik der Begriffe durch die drei Entwicklungsstufen
These
(Bejahung) →
Antithese
(
Negation
) → Synthese (Negation der Negation). Der Geist findet seine Bestimmung in der Synthese des absoluten Wissens.
[7]
In der Synthese sind die gegensatzlichen Thesen und Antithesen aufgehoben. So entwickelt sich bei
Pflanzen
aus dem
Samen
(These) die
Blute
(Antithese) und hieraus schließlich die
Frucht
(Synthese). Der Samen muss, um Blute zu werden, sterben (sich verneinen), und die Blute muss sterben (sich verneinen), um Frucht zu werden. Von Hegels Dialektik abgeleitet ist die 1954 von
Mao Zedong
entwickelte
Widerspruchstheorie
.
[8]
- Psychologie
In der
Psychologie
wird die Synthese als Verknupfung oder Verbindung von mehreren
Daten
,
Empfindungen
,
Wahrnehmungen
und
Vorstellungen
im
Denken
zu einer Einheit oder ?Ganzheit“ bezeichnet.
[9]
- Naturwissenschaft
Synthese ist in der
Chemie
die kunstliche Darstellung
chemischer Verbindungen
. Als
Totalsynthese
wird der Aufbau von
Naturstoffen
aus den
chemischen Elementen
oder einfachen chemischen Verbindungen im
Labor
bezeichnet.
[10]
- Finanzwirtschaft
Als Synthetisierung wird in der
Finanzwirtschaft
ein Prozess bezeichnet, aus dem synthetische
Finanzprodukte
hervorgehen. Den großten
Marktanteil
von ihnen haben die
Credit Default Swaps
als
Kreditderivate
, durch die der
Sicherungsnehmer
sein
Kreditrisiko
aus einem
Kreditportfolio
oder einem bestimmten
Kreditvertrag
durch Zahlung einer
Pramie
vom
Sicherungsgeber
absichern lasst.
[11]
Der Vorgang der Analyse endet in der Erkenntnis uber das Wesen einer Erscheinung und deren innere Zusammenhange. Die Synthese kehrt diesen Vorgang um und versucht, aus den Elementen, welche durch die Analyse gefunden wurden, ein neues Ganzes zusammenzusetzen.
Dialektisch
erhebt die Synthese das Einzelne auf die Stufe des Allgemeinen, das Konkrete auf die des
Abstrakten
, sie fasst das Mannigfaltige zu einer Einheit zusammen. Dadurch gelangt man uber elementare zu komplexen Begriffen.
Im europaisch-historischen Sinne sind erste Ansatze zur Bildung von Synthesen bei
Platon
als Ergebnis von sokratischen Gesprachen vorhanden.
Pappos von Alexandria
stellt eine Problemanalyse des Konstruktionsverfahrens fur geometrische Problemlosungen dar. Die oben beschriebene Neuordnung der einzelnen Elemente fuhrt zu logischen und wahren Satzen der Geometrie (
Euklidische Geometrie
). In der neuzeitlichen
Algebra
wird darunter die Suche nach den hinreichenden Bedingungen fur das Gleichungslosen verstanden.
Isaac Newton
schloss sich dieser von Pappos maßgeblich bestimmten
Methodik
an und versteht unter der Synthese die Ableitung von physikalischen Prinzipien aus den mechanischen Prinzipien. Auch hier wird in der
analytischen Mechanik
die Suche nach hinreichenden Losungsbedingungen von Bewegungsgleichungen verstanden.
In der modernen
Wissenschaftstheorie
wird zwischen
formal-synthetischen
Aussagen und
materiell-synthetischen
Aussagen unterschieden. Erstere werden durch das Handeln mit bestimmten Symbolen und den Regeln fur den Umgang mit diesen gerechtfertigt. Bei den materiell-synthetischen Aussagen wird mittels Ruckgang auf die Elemente eine bestimmte ideale Form geschlossen.
Gegenuber der
empirischen
Arbeitsweise oder der des
Experimentes
, wird bei der Synthese aus einem mathematischen Modell die Realisierung gewonnen. Aus Erfahrungen der Analyse ist bekannt, dass es oft mehrere Realisierungen gibt, die in mindestens einer ihrer Eigenschaften ubereinstimmen. Daraus geht hervor, dass das Syntheseproblem und damit die speziellen Syntheseaufgaben nicht eindeutig losbar sind. Die Teilaufgaben einer Synthese sind:
- Mathematische Synthese
,
- Struktursynthese
,
- Aquivalenzetappe
und
- Realisierung.
- In der
Elektrotechnik
der Entwurf von linearen sowie nichtlinearen
Systemen
,
Schaltkreisen
und
elektromagnetischen Feldern
, auch der Entwurf von digitalen Schaltkreisen →
Synthese (Elektrotechnik)
,
Wilhelm Cauer
.
- In der
Mechanik
der Entwurf von Systemen, die zur Realisierung einer vorgegebenen Bewegungsaufgabe dienen, z. B. eines
Getriebes
.
- In anderen physikalischen Gebieten, in denen Bewegungsprozesse oder Felder synthetisiert werden sollen →
Thermodynamik
,
geometrische Optik
,
Quantenmechanik
.
- In der
Informatik
wird die Synthese als Problemlosungsstrategie von wissensbasierten Systemen angewendet →
kunstliche Intelligenz
.
- In der
Biologie
, insbesondere in der
Physiologie
von
Lebewesen
bezeichnete Vorgange der Zerlegung einzelner Teile des Ganzen und deren veranderter Rekombination →
Biosynthese
,
Chemosynthese
,
Photosynthese
,
Translation
.
- In der
Medizin
die Verbindung von
Frakturen
mit Hilfe von Platten, die auf den
Knochen
geschraubt oder genagelt werden und dort bis zum kompletten Neuaufbau der Knochenmasse verbleiben. Plattensynthese der
Tibia
(Schienbein).
- In der
Musik
, in der man mit der Kenntnis bestimmter einzelner instrumenteller Elemente und bestimmter harmonischer Regeln neue Stucke komponieren kann →
Synthesizer
,
Herbert Brun
,
Musiktheorie
.
- Im
kunstlerischen
Bereich im Allgemeinen, in der man mit Kenntnis bestimmter kunstlerischer Elemente und deren Kombination neue Formen und Kompositionen schaffen kann →
bildende Kunst
,
Architektur
.
- Programmatisch bereits im Titel, die franzosische geschichtsphilosophische Zeitschrift
Revue de synthese
.
- Jurgen Mittelstraß
(Hrsg.):
Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie
(in 4 Banden). J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 1980?1996.
- Klaus Buhr (Hrsg.):
Philosophisches Worterbuch
(in 2 Banden). Bibliographisches Institut, Leipzig (verschiedene Auflagen).
- Veikko Pietila:
Analyse/Synthese.
In:
Historisch-kritisches Worterbuch des Marxismus
.
Band 1. Argument-Verlag, Hamburg 1994, Sp. 196?201.
- ↑
Hermann Kolbe:
Beitrage zur Kenntnis der gepaarten Verbindungen.
In:
Annalen der Chemie und Pharmacie.
115, 1860, S. 145.
- ↑
Max Apel, Peter Ludz:
Philosophisches Worterbuch.
1958, S. 275.
- ↑
Immanuel Kant:
Kritik der reinen Vernunft
.
1787, S. 137?138.
- ↑
Georg Wilhelm Friedrich Hegel:
Enzyklopadie der philosophischen Wissenschaften
.
1817, § 89.
- ↑
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling,:
System des transzendenten Idealismus.
3., II.
Deduktion der Mittelglieder der absoluten Synthesis.
- ↑
Paul Lorenzen:
Lehrbuch der konstruktiven Wissenschaftstheorie.
2000, S. 60 ff.;
ISBN 9783476017840
.
- ↑
Georg Wilhelm Friedrich Hegel:
Phanomenologie des Geistes.
1807, S. 104 f.
- ↑
Mao Zedong:
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Berlin/Dietz, 1954, S. 1 ff.
- ↑
James Drever, Werner D. Frohlich:
dtv Worterbuch zur Psychologie.
1970, S. 255.
- ↑
Fischer Taschenbuch Verlag (Hrsg.):
Lexikon Technik und Naturwissenschaften.
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- ↑
George Soros
:
Das Ende der Finanzmarkte ? und deren Zukunft.
2008, S. 16,
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.