Stimmung (Psychologie)

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Als Stimmung bezeichnet man in der Psychologie eine Form des angenehmen oder unangenehmen Fuhlens , die den Hintergrund menschlichen Erlebens bildet. Die Stimmung hangt neben anderem von der (biologischen) Gesamtverfassung des Individuums und seiner Befindlichkeit ab. Nahe Beziehungen gibt es auch zwischen Antrieb und Stimmung. [1]

Veraltete Begriffe zur Beschreibung von Stimmungen sind auch Bezeichnungen wie Gemut oder Gemutsbewegung , Gemutsverfassung . [2] Von Stimmung oder Gemut ist allerdings in der neueren Psychologie kaum noch die Rede.

Typische Kennzeichen von Stimmungen: [3] [1]

  • langer anhaltender emotionalen Zustand, der im Hintergrund mitschwingt
  • verglichen mit Emotionen von geringerer Intensitat
  • Objektbezug oder Ausloser ist nicht immer zwingend erkennbar
  • kein klares Ende oder Beginn, eher diffus
  • immer mit positivem oder negativem Wert behaftet

Im Lexikon der Psychologie wird Stimmung wie folgt definiert: ? Langer andauernder Gefuhlszustand, an dem die Gefuhlsqualitat und die Veranlagung zur Ausgeglichenheit oder Schwankungen dieser Qualitat unterschieden werden.“ [4]

In Meyers Kleinem Lexikon Psychologie [5] werden zwei Begriffe von Stimmung unterschieden:

  • Im Gegensatz zum Affekt langer andauernde Gefuhlslage, die dem Handeln und v. a. dem Erleben eine bestimmte Gefuhlstonung beimischt (...)
  • In der Verhaltensforschung: Bereitschaft, auf Grund der inneren Trieblage ein bestimmtes Verhalten durch entsprechenden Schlusselreiz auslosen zu lassen. In Gruppen (...) kann durch St.ubertragung diese Handlungsbereitschaft gesteigert werden .

Stimmungen unterscheiden sich von Gefuhlen , Emotionen und Affekten dadurch, dass sie als zeitlich langer ausgedehnt erlebt werden (Stimmungsstabilitat [5] ), allerdings auch gewissen situationsbezogenen Schwankungen unterworfen sind. [6] [7] Bei psychischen Erkrankungen oder Arteriosklerose des Gehirns kann es zu sehr starken unmotivierten Stimmungsschwankungen kommen. [5] Stimmungen spielen eine wichtige Rolle in der Motivation . [8] Erfahrungen erscheinen als durch Stimmungen ?eingefarbt“: Bei truber Stimmung beispielsweise wirkt die Welt ?grau in grau“. Sie bezeichnen auch eine korperlich-psychische Gesamtverfassung. Sie konnen neben ihrem Angenehm- oder Unangenehmsein noch zahlreiche verschiedene Qualitaten besitzen, beispielsweise: [6] [7]

In Psychologie und Medizin

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Viele Tatigkeiten des menschlichen Lebens konnen bewusst oder unbewusst als Strategien verstanden werden, Stimmungen zu verandern (vgl. Emotionale Intelligenz ); so auch Daniel Goleman (in Emotionale Intelligenz , dt. 1996): ?Alles, vom Lesen eines Romans oder vom Fernsehen bis zu den Aktivitaten und Freuden, fur die wir uns entscheiden, kann als ein Bemuhen aufgefasst werden, zu erreichen, dass wir uns besser fuhlen.“

Stimmungen konnen auch Lernprozesse entscheidend initiieren und beeinflussen. Aus diesem Grund sollten Lehrende bei ihren Bemuhungen fur eine angenehme bzw. forderliche Stimmung sorgen, soweit es in ihrer Macht steht. Erfahrene Padagogen wissen, wovon die Rede ist. [9] Schließlich ist die Vermittlung von Erfolgserlebnissen (durch den Erziehenden oder mithilfe des Lernerfolgs selbst) wahrend und nach Lernprozessen ein bedeutender Versuch, die Stimmung positiv zu beeinflussen, die die Lernprozesse produktiv begleitet und damit optimiert.

Andererseits konnen Stimmungen wie Angst, Trauer und solche, die mit der Verarbeitung personlicher Probleme verbunden sind, Lernprozesse behindern. Wenn sich solche Stimmungen mehren oder wenn diese uberhandnehmen, werden Lernprozesse beeintrachtigt. Auch die Planung von Interaktionen in sozialen Situationen kann beeintrachtigt sein. Interaktionen sind dann sozial unangemessen und von ungunstigen Absichten gesteuert. Sie wirken u. U. deplatziert und unwirksam. Unter solchen Gesichtspunkten konnte auch Willenskraft und Ichstarke eine Rolle spielen, ein Aspekt der Kontrolle und Planung von Stimmungen im Zusammenhang mit Lebens- und Lernplanung. [10]

Extreme Stimmungsschwankungen wie bei der Bipolaren Storung konnen auf eine psychische Erkrankung hindeuten. In der Psychiatrie lassen sich Stimmungen erfolgreich durch Psychotherapie und Psychopharmaka beeinflussen. Aber auch korperliche Erkrankungen konnen die Stimmungslage entscheidend beeinflussen, so z. B. die Aussichten auf Heilung oder die Schwere der Erkrankung.

In der Psychosomatik

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Das Modell der Stimmung als Grundbegriff der Psychosomatik bezieht sich nach Thure von Uexkull auf das Subjekt , schließt damit psychologische oder physiologische Voraussetzungen in sich ein, ist aber von diesen Voraussetzungen nicht einseitig determiniert. Damit stelle es sich als dritter Weg neben Psychologie und Physiologie dar. Dieses Modell habe sich vor allem als nutzlich erwiesen zum Verstandnis der Bereitstellungskrankheiten . Stimmungen tragen wesentlich zur Entwicklung von wichtigen festen oder jeweils situationsbedingt neu festzulegenden Verhaltensweisen bei und somit von psychologisch bedingten und physiologisch wirksamen Einstellungen. [8]

Thure von Uexkull (1908?2004) hat sich mit der biologischen Seite von Stimmungen befasst. Er kam zu der Uberzeugung, dass Stimmungen funktionelle Zustande darstellen, in denen ein Organismus oder eine Mehrzahl von Organismen auf ein bestimmtes Verhalten ?abgestimmt“, ?eingestimmt“ oder bereitgestellt ist. Er bezog sich dabei auch auf Arbeiten seines Vaters Jakob Johann von Uexkull (1864?1944). Dieser hatte bei Organismen, die kein Nervensystem besitzen, wie etwa Seeigeln oder bei Verbanden von Lebewesen wie etwa Dohlenschwarmen entsprechende Abstimmungsmechanismen untersucht. [8] Auf menschliche Verhaltnisse ubertragen weist Thure von Uexkull anhand verschiedener Fallbeispiele nach, dass Stimmungen Vorbedingung sind zur Entwicklung bewusster Handlungsmotive. Wo diese energetischen Ablaufe nicht gewahrleistet sind, d. h. wenn wesentliche innere oder außere Hemmungen entgegenstehen, konnen sich Ausdruckskrankheiten oder Bereitstellungskrankheiten entwickeln. [8]

In der Philosophie

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Ein philosophischer Ansatz zur Interpretation von Stimmungen bzw. ?Gestimmtheit“ findet sich im Denken des deutschen Philosophen Martin Heidegger , unter anderem in dessen Hauptwerk Sein und Zeit (1927). Stimmungen sind wechselhaften Einflussen unterworfen. Eine disharmonische Storung der Gefuhlslage bzw. der Gestimmtheit wird als ?Verstimmung“ bezeichnet. Heidegger bezeichnete diese Gestimmtheit auch als Befindlichkeit, siehe den Vorspann dieses Artikels. [11]

Einzelnachweise

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  1. a b Christian Muller (Hrsg.): Lexikon der Psychiatrie: Gesammelte Abhandlungen der gebrauchlichsten psychopathologischen Begriffe . Springer-Verlag, 1973. ISBN 978-3-642-96154-0 , S. 389 .
  2. Bsp.: Das schlagt mir aufs Gemut , vgl. den Eintrag ? aufs Gemuet schlagen “ in Udos Lexikon fur Redensarten, Redewendungen, idiomatische Ausdrucke, feste Wortverbindungen .
  3. Pschyrembel klinisches Worterbuch, Verlag De Gruyter, 267. Auflage 2017 ( ISBN 978-3-11-049497-6 ). ( Stichwort Stimmung, online )
  4. Wilhelm Karl Arnold , Hans Jurgen Eysenck , Richard Meili : Lexikon der Psychologie, Herder Verlag, Freiburg/Basel/Wien 1972, 3 Bande; S. 471, Bd. 3
  5. a b c Eberle, Gerhard: Meyers kleines Lexikon Psychologie . Bibliogr. Inst, Mannheim 1986, ISBN 3-411-02652-9 , S.   368 .
  6. a b Uwe Henrik Peters : Worterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie . Urban & Schwarzenberg, Munchen 3 1984; Lexikon-Stw. ?Stimmung“, Seite 538
  7. a b Wilhelm Karl Arnold et al. (Hrsg.): Lexikon der Psychologie . Bechtermunz, Augsburg 1996, ISBN 3-86047-508-8 ; Spalte 2221
  8. a b c d Thure von Uexkull : Grundfragen der psychosomatischen Medizin. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1963; (a) zu Stw. Motivation : Seite 195; (b) zu Stw. Biologie : Kap. V. Die Weisheit des Korpers und ihre Grenzen. Abs. 6. Emotion, Stimmung und Bereitstellung Seite 173 f.; (c) zu Stw. Ubertragung der biologischen Forschungsergebnisse auf menschliche Verhaltnisse : Kap. V. wie vorstehend, Abs. 10 Fallbeispiele , Seite 194; (d) zu Stw. Stimmung als Modell , Kap. V. wie vorstehend, Abs. 11 Nosolog. Unterscheidungen , Seite 195; Kap. VII. Psychosomatik und Modelle der Nachrichtentechnik , Seiten 244, 267, 270 f.
  9. Annemarie und Reinhard Tausch: Erziehungspsychologie , Hogrefe Verlag, Gottingen
  10. D. H. Rost: Handworterbuch Padagogische Psychologie , Verlag Beltz PVU, Weinheim. (Siehe Aufmerksamkeitsprozesse). Siehe D. H. Rost: Soziales Lernen.
  11. Georgi Schischkoff (Hrsg.): Philosophisches Worterbuch. Alfred-Kroner, Stuttgart 14 1982, ISBN 3-520-01321-5 ; S. 669 - zu Wb.-Lemma ?Stimmung“.