Steuersystem (Steuerrecht)

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Ein Steuersystem im Sinne der Finanzwissenschaft und des Steuerrechts umfasst die Gesamtheit aller Steuerarten eines Staates . Ein Steuersystem beruht auf Besteuerungsgroßen Einkommen , Vermogen und Konsum als drei moglichen Besteuerungsgroßen.

Einkommensorientiertes Steuersystem

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Georg Schanz [1] wird oft als Vordenker einer systematischen Besteuerung des Einkommens genannt. Er definierte das Einkommen als in ? Geldeinheiten bewerteter Reinvermogenszuwachs in einem bestimmten Betrachtungszeitraum“. Diese Definition berucksichtigt alle Arbeits- und Kapitaleinkommen . Unerheblich erschien Schanz dabei die Herkunft bzw. Quelle, der Zeitpunkt der Realisierung des Einkommens, sowie evtl. einmalige Einkommenszugange (z. B. Erbschaft ). Diese Theorie unterscheidet sich damit von der auf Bernhard Fuisting [2] zuruckgehenden Quellentheorie , nach welcher nur wiederkehrende Einkunfte als Einkommen anzusehen sind.

Ausgehend von der Grundvorstellung Schanz einer Einkommensorientierung basierend auf nicht regelmaßige Einkunfte, entwickelten Robert Haig und Henry Simons eine Einkommensteuer fur die Vereinigten Staaten . Dieses System wird demnach auch als Schanz-Haig-Simons-System (SHS) bezeichnet. [3]

So sehr das SHS-System auch eine systematische Besteuerung ermoglicht, so beruht es nicht auf reinen okonomischen Grundsatzen. Seit Joseph Schumpeter haben verschiedene Okonomen immer wieder auf die Defizite des SHS-Systems hingewiesen. Die Einkommensbesteuerung im SHS-System verlangt die Besteuerung samtlicher Reinvermogenszugange eines Jahres. Dies bedeutet allerdings, dass die daraus resultierende Besteuerung von Zinsen, welche eigentlich Kompensation fur fruheren Konsumverzicht darstellen, eine ?Bestrafung“ fur Sparer ware. Folglich verzerrt das SHS-System die Konsumentscheidung auf zeitlicher Ebene, indem sie den Preis des spateren Konsums verteuert und Anreize liefert, eher jetzt als spater zu konsumieren. Diese Beeintrachtigung der Sparentscheidung fuhrt zur Reduktion des Sparkapitals und somit auch Mittel die fur Investitionen zur Verfugung stehen.

Konsumorientiertes Steuersystem

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Unter der Pramisse , dass der Konsum gleich dem Arbeitseinkommen und dem Kapitaleinkommen abzuglich der Ersparnisse ist,

,

lassen sich zwei verschiedene Wege der konsumorientierten Besteuerung veranschaulichen:

  • das Konzept der Sparbereinigung,
  • das Konzept der Zinsbereinigung.

Das Konzept der Sparbereinigung besagt, dass nur Ausgaben fur den laufenden Konsum besteuert werden sollen, nicht jedoch der Teil der gespart wird. Der gesparte Teil wird dann steuerpflichtig, wenn die Ersparnisse fur Konsumzwecke aufgelost werden. Auf Unternehmensebene waren die Ersparnisse in Form von einbehaltenen Gewinnen ( Gewinnthesaurierung ) ebenfalls steuerfrei und wurden erst bei ihrer Verwendung zum Konsum besteuert, was durch eine anrechenbare Ausschuttungssteuer sichergestellt ware. Diese Ausschuttungssteuer wurde erstmals in den 50er Jahren von Nicholas Kaldor [4] in Indien und Sri Lanka eingefuhrt, jedoch aufgrund administrativer Unzulanglichkeiten bald wieder abgeschafft. In Osterreich sieht das Steuerrecht gegenwartig eine teilweise sparbereinigte Einkommensbesteuerung, namlich fur gesetzliche und betriebliche Altersrenten , vor.

Aus administrativen Grunden ist allerdings das Konzept der Zinsbereinigung haufig einfacher. Bei diesem Konzept wird das Einkommen zuerst vollstandig, das heißt auch der Sparanteil, versteuert, die spateren Zinsertrage sind dafur dann steuerfrei. Okonomisch gesehen ist es irrelevant, welche dieser beiden Methoden angewandt wird, da sie zu einem gleich hohen Konsum fuhren. Der Unterschied besteht nur darin, dass der zeitliche Zugriff der Steuer ein anderer ist.

Im Vergleich zwischen konsumorientierten und einkommensorientierten Steuersystem ist folgendes festzustellen. Unter der Annahme, dass Kapitalvermogen entstehen, wenn Menschen weniger konsumieren bzw. sparen, kann dieses Vermogen so etwas wie die ?geronnene Leistungsfahigkeit“ bzw. als ?Konsumverzicht“ eines Individuums im Laufe seines Lebens angesehen werden. Aus dem angesammelten Kapital entstehen Gewinne und Zinsen. Die traditionelle Einkommensteuer fuhrt durch die zusatzliche Besteuerung dieser Gewinne und Zinsen, welche den Konsumverzicht zu einer gewissen Periode oder Perioden darstellen, eigentliche eine doppelte Besteuerung durch.

Die zins- und sparbereinigte Methode im konsumorientierten Steuersystem im Vergleich

Das untenstehende Beispiel eines sparenden Arbeitnehmers zeigt, dass sowohl die Sparbereinigung als auch die Zinsbereinigung eines konsumorientierten Steuersystems zum gleichen Vermogen fuhren, das fur den Konsum zur Verfugung stehen wurde. Aufgrund der doppelten Besteuerung im traditionellen Steuersystem ware das zum Konsum verfugbare Vermogen naturlich geringer. [5]

Jahr Jahr
Einkommen fur Sparzwecke Steuer (Annahme 40 %) fur Konsum verfugbar Zinsen (Annahme 5 %) Sparkapital Steuer (Annahme 40 %) fur Konsum verfugbar
Sparbereinigte Einkommensteuer 10.000 - 10.000 500 10.500 4.200 6.300
Zinsbereinigte Einkommensteuer 10.000 4.000 6.000 300 6.300 - 6.300

Einzelnachweise

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  1. Georg Schanz, Der Einkommensbegriff und die Einkommensteuersatze, in: FinanzArchiv vol. 13, 1896, S. 1?87.
  2. Bernhard Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, Band 4: Grundzuge der Steuerlehre , C. Henmanns/Berlin, 1902.
  3. Charles B. Blankart, Offentliche Finanzen in der Demokratie , 1991, S. 191
  4. Nicholas Kaldor, An Expenditure Tax , Unwin University Books/London, 1955.
  5. Manfred Rose/Franz W. Wagner/Ekkehard Wenger, Vorschlage zu einer konsumorientierten Reform der Einkommens- und Gewinnbesteuerung , Klaus Tschira Stiftung, 2003.