Sten Nadolny auf der Frankfurter Buchmesse 2017
Sten Rudolf Alexander Nadolny
[
steːn na?d?lni
] (*
29. Juli
1942
in
Zehdenick
,
Landkreis Templin
,
Provinz Brandenburg
) ist ein
deutscher
Schriftsteller
. Sein großter Erfolg ist der Bestseller
Die Entdeckung der Langsamkeit
.
Sten Nadolny ist der Sohn eines Schriftstellerehepaares. Er wuchs in
Chieming
am
Chiemsee
auf, wo sein Großvater mutterlicherseits, der Maler Alexander Peltzer, im Jahr 1932 ein Haus gebaut hatte, das heute am Isabella-Nadolny-Weg liegt. Der Vater
Burkhard Nadolny
, Sohn des Diplomaten
Rudolf Nadolny
, war ein Schriftsteller im Umfeld der
Gruppe 47
, dessen Werke allerdings nie großen Anklang beim Publikum fanden. Erfolgreicher wurde spater die Mutter
Isabella Nadolny
mit ihren Familienromanen.
Sten Nadolny wollte keinesfalls den Beruf der Eltern ergreifen. Schon in seiner Jugend zeigte er allerdings Interesse fur den britischen Polarforscher
John Franklin
, der spater die Hauptfigur seines erfolgreichsten Romans werden sollte.
[1]
Nach dem Abitur in
Traunstein
ließ sich Nadolny zum
Reserveoffizier
ausbilden; er besuchte u. a. die
Heeresoffizierschule III
in Munchen.
[2]
Im Anschluss studierte er
Mediavistik
und
Neuere Geschichte
sowie
Politikwissenschaft
in
Munchen
,
Tubingen
,
Gottingen
und
Berlin
. 1976 wurde er an der
Freien Universitat Berlin
bei
Thomas Nipperdey
zum Thema
Abrustungsdiplomatie 1932/1933
promoviert. Sein Großvater Rudolf Nadolny hatte 1932/1933 die deutsche Delegation auf der
Genfer Abrustungskonferenz
des
Volkerbunds
geleitet. Wahrend des Studiums kam Nadolny auch in Kontakt mit der
Studentenbewegung der 1960er Jahre
, von deren Ideen er sich zuerst eingenommen zeigte, um sie nach ihrer Radikalisierung umso entschiedener abzulehnen und etwa im Roman
Selim oder Die Gabe der Rede
ruckblickend als ?
APO
-Krankheit“ zu bezeichnen.
[1]
Im Anschluss an sein Studium wurde Nadolny
Studienrat
fur Geschichte am
Hans-Carossa-Gymnasium
in
Berlin-Spandau
.
[3]
Den Lehrerberuf gab er jedoch schon bald wieder auf, um nach Zwischenstationen als
Taxifahrer
und
Vollzugshelfer
im Gefangnis 1977 ins Filmgeschaft einzusteigen.
[4]
Als
Aufnahmeleiter
war Nadolny unter anderem an den Berliner Filmszenen von
James Bond 007 ? Octopussy
beteiligt.
[1]
Nadolny wollte
Filmregisseur
werden, erhielt jedoch ein Stipendium fur ein
Drehbuchexpose
. Der geplante Film
Netzkarte
wurde nie realisiert, stattdessen verarbeitete Nadolny den Stoff zu seinem ersten Roman.
[4]
Das
Percy Warberger
-Trio (von links):
Harald Eggebrecht
,
Michael Winter
und Sten Nadolny;
1995 bei einer Lesung bei
Otto Stender
in der
Georgsbuchhandlung
in
Hannover
Als Nadolny 1980 mit 38 Jahren beim
Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb
antrat, war dies sein erster großer Auftritt auf der literarischen Buhne.
[1]
Er las
Kopenhagen 1801
, das funfte Kapitel des drei Jahre spater erschienenen Bestsellers
Die Entdeckung der Langsamkeit
. Das Buch beschreibt, angelehnt an das Leben des Polarforschers John Franklin, den Werdegang eines Menschen, der ungemein langsamer ist als der Rest der Welt und trotz oder gerade wegen seiner Langsamkeit seinen Weg geht und ein beruhmter Kapitan und Entdecker wird. Nadolny erhielt den
Ingeborg-Bachmann-Preis
, teilte das Preisgeld von 14.000 Mark allerdings unter samtlichen Teilnehmern auf, um, wie er begrundete, ?den Wettbewerb zu entbittern“.
[5]
Noch vor
Die Entdeckung der Langsamkeit
erschien 1981 Nadolnys Erstling, der Roman
Netzkarte
. Protagonist des Buchs ist der 30-jahrige Studienreferendar Ole Reuter, der eine einmonatige Reise mit der
Bundesbahn
unternimmt. 18 Jahre spater ließ der Autor die inzwischen gealterte Hauptfigur in
Er oder ich
wieder auferstehen. Dazwischen lagen die Romane
Selim oder Die Gabe der Rede
(1990), ein Zeitroman uber die Bundesrepublik Deutschland mit dem jungen Deutschen Alexander und dem turkischen Gastarbeiter Selim als Protagonisten, und
Ein Gott der Frechheit
(1994), in dem der Gotterbote
Hermes
in die Gegenwart versetzt wird.
Sten Nadolny (links) und
Jens Sparschuh
, 2009
Gemeinsam mit
Harald Eggebrecht
und
Michael Winter
verfasste er unter dem Pseudonym
Percy Warberger
den
Feuilletonroman
Das große Spiel oder Im Dickicht der Begehrlichkeiten
, der in 53 Folgen in der
Suddeutschen Zeitung
erschien und 1995 als Buchausgabe veroffentlicht wurde.
[6]
Mit dem
Ullsteinroman
aus dem Jahr 2003 schrieb Nadolny die Geschichte der Familie
Ullstein
und des
Ullstein Verlags
. In
Putz- und Flickstunde. Zwei kalte Krieger erinnern sich
(2009) berichten Nadolny und
Jens Sparschuh
von ihrem Wehrdienst in Ost- und Westdeutschland.
2012 veroffentlichte Nadolny den Roman
Weitlings Sommerfrische
, in dem er vor dem Hintergrund der
Zeitreise
eines pensionierten Richters in seine Jugend zahlreiche Details der eigenen Biografie verarbeitete. Wie seine Hauptfigur Weitling lebt auch Nadolny in
Berlin
und am Chiemsee. 2017 blickte er in
Das Gluck des Zauberers
aus der Perspektive eines Zauberkunstlers und in der Form eines
Briefromans
auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts zuruck.
1990 hielt Nadolny an der
Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen
die Munchner Poetikvorlesungen. Zehn Jahre spater folgten die Poetikvorlesungen an der
Georg-August-Universitat Gottingen
.
[7]
Er ist Mitglied des
PEN-Zentrums Deutschland
.
2020 vergab Sten Nadolny seinen
Vorlass
an die
Monacensia
.
- 1981:
Netzkarte.
List, Munchen.
ISBN 3-471-78220-6
- 1983:
Die Entdeckung der Langsamkeit
.
Piper, Munchen.
ISBN 3-492-02828-4
- 1990:
Selim oder Die Gabe der Rede.
Piper, Munchen.
ISBN 3-492-02978-7
- 1990:
Das Erzahlen und die guten Absichten: Munchner Poetikvorlesungen im Sommer 1990.
Piper, Munchen.
ISBN 3-492-11319-2
- 1994:
Ein Gott der Frechheit.
Piper, Munchen.
ISBN 3-492-03700-3
- 1996:
Das große Spiel oder Im Dickicht der Begehrlichkeiten.
(gemeinsam mit
Harald Eggebrecht
und
Michael Winter
unter dem Pseudonym
Percy Warberger
) Knaus, Berlin 1995,
ISBN 3-8135-4006-5
.
- 1999:
Er oder ich: Roman.
Piper, Munchen.
ISBN 3-492-04165-5
- 2001:
Das Erzahlen und die guten Ideen: die Gottinger und Munchener Poetik-Vorlesungen.
Piper, Munchen.
ISBN 3-492-23433-X
- 2003:
Ullsteinroman.
Ullstein, Munchen.
ISBN 3-550-08414-5
- 2004:
Deutsche Gestalten.
(gemeinsam mit
Hartmut von Hentig
(Hrsg.)) dtv, Munchen.
ISBN 3-423-13218-3
- 2009:
Putz- und Flickstunde. Zwei Kalte Krieger erinnern sich.
(zusammen mit
Jens Sparschuh
) Piper, Munchen.
ISBN 978-3-492-05230-6
- 2012:
Weitlings Sommerfrische
. Piper, Munchen.
ISBN 978-3-492-05450-8
- 2017:
Das Gluck des Zauberers
. Piper, Munchen.
ISBN 978-3-492-05835-3
- Wolfgang Bunzel (Hrsg.):
Sten Nadolny
. Edition Isele, Eggingen 1996,
ISBN 3-86142-064-3
- Norbert Berger:
Sten Nadolny. Die Entdeckung der Langsamkeit. Zeitgenossische Romane ? Ideen und Materialien.
Auer Verlag, Donauworth 2004,
ISBN 3-403-04039-9
- Jorn Steigerwald:
Hermes-Konfigurationen: Vermittlungen postmodernistischen Schreibens in Calvinos 'Se una notte d’inverno un viaggiatore' und Nadolnys ‘Ein Gott der Frechheit’
. In: KulturPoetik 8, 2 (2008), S. 187?202
- ↑
a
b
c
d
Segeln abseits des Betriebs. Der Schriftsteller Sten Nadolny
. Manuskript einer Sendung von Knut Cordsen auf
Deutschlandradio Kultur
, 24. Juli 2012.
- ↑
Jens Sparschuh, Sten Nadolny:
Putz- und Flickstunde. Zwei Kalte Krieger erinnern sich
. Piper ebooks, Munchen 2012,
ISBN 978-3-492-95789-2
, o. S.
- ↑
Namenspatron ? Hans-Carossa-Gymnasium.
Abgerufen am 29. Juli 2022
(deutsch).
- ↑
a
b
Sten Nadolny
im
Munzinger-Archiv
(Artikelanfang frei abrufbar)
- ↑
Sybille Zehle:
Schreiben gegen die Eile
. In:
Die Zeit
vom 14. Dezember 1984.
- ↑
Friedmar Apel
:
Ein Geheimnis fur Munchen
. In:
Frankfurter Allgemeine Zeitung
vom 13. Juni 1996.
- ↑
Gottinger Poetikvorlesungen
an der
Georg-August-Universitat
.
- ↑
Sten Nadolny erhalt Rheingau-Literaturpreis
. In: Saarbrucker Zeitung (Kultur) vom 23. August 2012, S. B5