Trauung per Stellvertreter

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Eine Trauung per Stellvertreter ist eine Eheschließung , die formgultig vollzogen wird, obwohl einer der Brautleute bei der Trauung nicht personlich zugegen ist. Ein Stellvertreter des abwesenden Partners gibt dabei per procurationem (kraft Vollmacht) in dessen Namen und Auftrag das Jawort ab, mit dem die Ehe zwischen dem abwesenden und dem anwesenden Partner als geschlossen gilt.

Andere Bezeichnungen fur diese Art des Eheschlusses sind Prokuration , [1] Stellvertreterhochzeit oder Handschuhehe . Letztere Bezeichnung deutet auf die fruher ubliche Uberreichung eines Handschuhs als Sinnzeichen der Botenbeauftragung hin. Als Stellvertreter konnte ein Ehevormund, Bevollmachtigter , Bote oder Diplomat auftreten.

Die Stellvertretung bei der Eheschließung war historisch vor allem in Adelskreisen weit verbreitet und ist heute noch in einigen Rechtsordnungen moglich, auch innerhalb Europas . In den deutschsprachigen Landern ist fur die Eheschließung als personenrechtliches Rechtsgeschaft heute jedoch uberall die hochstpersonliche Mitwirkung erforderlich und eine Stellvertretertrauung daher ausgeschlossen.

Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Hintergrund [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Anne de Bretagne , Ausschnitt aus einem Gemalde von Jean Bourdichon
Marie-Antoinette beim Spinett-Spiel, gemalt von Franz Xaver Wagenschon , kurz vor ihrer Heirat 1770

Politische Allianzen wurden durch Heiraten zwischen den herrschenden Familien geschlossen. War solch eine Allianz vereinbart, so konnte es aber durchaus eine Weile dauern, bis die Braut auf die oftmals weite Reise zu ihrem Brautigam geschickt wurde. Dabei war nicht nur die reine Reisezeit zu bedenken. Prinzessinnen reisten mit einem standesgemaßen Gefolge, das mehrere hundert Personen umfassen konnte, so dass die Planung entsprechend viel Zeit in Anspruch nahm. Diese Reise endete erst mit der feierlichen Ubergabe der Braut an der Landesgrenze des Landes des Brautigams (der remise ).

Wollte man die politische Allianz schon befestigen, bevor sich Braut und Brautigam personlich gegenuberstanden (oft zum ersten Mal in ihrem Leben), feierte man eine Stellvertreterhochzeit. In der Regel nahmen die Braut und ein Stellvertreter des Brautigams an einer solchen Trauung teil. Seltener kam es vor, dass die Braut vertreten wurde.

Diese Praxis war in Europa im 17. Jahrhundert noch ublich und auch im 18. Jahrhundert noch weithin zulassig. Auch im 19. sowie zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestand noch diese Moglichkeit. [2] Die Trauung per Stellvertreter war im Adelsstand und insbesondere am Hofe der Habsburger in Wien und Madrid gebrauchlich. Am Wiener Hof entwickelte sich fur die Handschuhehe eine skurrile Prozedur. Die Braut und der Stellvertreter des Brautigams stiegen voll bekleidet vor der versammelten Hofgesellschaft in ein prachtig geschmucktes Bett und entbloßten jeweils ein Bein; dies galt als symbolische Eheschließung. Als Vollzug der Ehe galt jedoch erst der erfolgte Beischlaf der Ehepartner.

Bei Stellvertreterhochzeiten gab es auch eine besondere Form der Beschreitung des Ehebettes : In Gegenwart des Hofstaates legte sich der Stellvertreter geharnischt neben die auf das Prachtigste gekleidete Braut, wobei ein blankes Schwert zwischen beiden lag. [3]

Allerdings konnte eine auf diese Weise geschlossene Ehe nach kirchlichem Recht bis zu ihrem Vollzug (Geschlechtsverkehr der Ehegatten) annulliert werden.

Beispiele [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Jahr 1490 wurde die Trauung des deutschen Kronprinzen Maximilian von Osterreich mit der dreizehnjahrigen Anna von Bretagne per Stellvertreter vollzogen. Dazu entbloßte der von Maximilian als dessen Stellvertreter entsandte Wolfgang von Polheim in Gegenwart des gesamten bretonischen Hofes sein Bein bis zum Knie und schob es in das Bett der schlafenden Prinzessin; damit galt die Ehe als geschlossen. [4] Da sie wegen der fehlenden Einwilligung des franzosischen Konigs nicht vollzogen werden konnte, wurde die Ehe im folgenden Jahr mit papstlichem Dispens fur ungultig erklart.

Herzog Johann II. von Julich und Berg gedachte sich vier Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau neu zu vermahlen. 1691 schickte er den Freiherrn von Wachtendonk nach Florenz zur Brautwerbung um Anna Maria Luisa de’ Medici , die Tochter des Großherzogs Cosimo III. de’ Medici . Nachdem die Werbung Erfolg hatte, vertrat der Bruder der Braut, Erbprinz Ferdinando de’ Medici, am 29. April 1691 den Brautigam bei der vorlaufigen Hochzeit in Florenz. Am 5. Juni wurde die Ehe in Ulm an der Donau mit einer regelrechten Hochzeit besiegelt. [5]

Ein prominentes Beispiel ist der Eheschluss von Marie-Antoinette und dem spateren Konig Ludwig XVI. am 19. April 1770 in der Augustinerkirche in Wien , bei der der franzosische Thronfolger durch Erzherzog Ferdinand , einen Bruder der Braut, vertreten wurde. [6] Anschließend musste die vierzehnjahrige Braut nach Frankreich reisen . Die eigentliche Vermahlung wurde am 16. Mai in der Schlosskapelle von Versailles durch den Erzbischof von Reims geschlossen. [7]

Weitere Beispiele sind die Trauungen von Henrietta Maria von Frankreich (1625), Henriette Adelheid von Savoyen (1650), Caroline Mathilde von Hannover (1766), Marie Clothilde von Frankreich (1775), Maria Leopoldine von Osterreich (1817) und Amelie von Leuchtenberg (1829).

Zweiter Weltkrieg [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Mit der so genannten Stahlhelmtrauung gab es wahrend des Zweiten Weltkriegs auch in Deutschland die Moglichkeit einer Ferntrauung , bei der die personliche Gegenwart des Soldaten (Brautigam) nicht notwendig war, sondern eine von seinem Vorgesetzten beglaubigte schriftliche Erklarung ausreichte.

Situation heute [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Heute mussen nach den meisten Rechtsordnungen der Welt die Verlobten personlich zur Trauung erscheinen; die so genannte Handschuhehe ist im Geltungsbereich dieser Rechtsordnungen daher unzulassig. Dies gilt gemaß § 1311 Satz 1 BGB auch in Deutschland ; [8] immerhin hatte der historische Gesetzgeber des BGB die Zulassung der Handschuhehe Ende des 19. Jahrhunderts allerdings erwogen (Prot. IV 51 f.). Dem Verbot der Handschuhehe liegt die Idee zugrunde, dass die Ehe ein hochstpersonliches Rechtsgeschaft ist. Manche andere Rechtsordnungen lassen die Handschuhehe hingegen zu;

  1. gemaß der unten als erstes genannten Fallgruppe ist die Handschuhehe zulassig nach dem Recht Italiens , Kolumbiens , Nordmazedoniens , Mexikos , [9] der Niederlande im Falle der Ministererlaubnis, Polens , Portugals , Spaniens und diverser US-amerikanischer Bundesstaaten;
  2. gemaß der unten als zweites genannten Fallgruppe ist die Handschuhehe zulassig nach dem Recht einiger islamischer Staaten.

In Fallen grenzuberschreitender Eheschließungen (d. h. zumindest einer der Ehegatten gehort einem Staat an oder hat seinen Wohnsitz in einem Staat, der nicht identisch ist mit demjenigen Staat, in dem sich der Ort des Eheschlusses befindet) gilt:

Welche Rechtsordnung bei der Beantwortung der Frage uber die Zulassigkeit der Handschuhehe zur Anwendung kommt, entscheidet sich nach dem sog. Internationalen Privatrecht desjenigen Staates, dessen Gericht um Beantwortung angerufen wird. Nach dem Internationalen Privatrecht Deutschlands ? Art. 11 Abs. 3 des Einfuhrungsgesetzes zum Burgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ? ist die Rechtsordnung desjenigen Staates anzuwenden, in dem sich der Bote oder der Vertreter zum Zeitpunkt des Eheschlusses befindet. Zudem haben die Gerichte stets den sog. ordre public desjenigen Staates zu beachten, in dem sich ihr Sitz befindet (siehe unten, zweite Fallgruppe). Der ordre public sind die rechtlichen Mindestanforderungen, die ein jeder Staat an die Anerkennung auslandischer Rechtsakte stellt; die Anforderungen konnen, je nach den Grundwertungen seiner Rechtsordnung, unterschiedlich ausfallen.

Bei der Handschuhehe sind danach zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

  1. Bei der ersten Fallgruppe haben der Bote bzw. der Vertreter keinerlei Entscheidungsspielraum (Vertreter mit ?festgelegter Marschroute“). Sie uberbringen lediglich die Erklarung des Eheschließenden bzw. vertreten den Eheschließenden nach dessen Weisungen. Fur den Fall, dass eine solche Ehe nach der gemaß dem Internationalen Privatrecht anwendbaren Rechtsordnung wirksam zustande gekommen ist (s. o. die unter Ziff. 1 und 2 genannten Staaten), ist sie auch vor deutschen Gerichten als wirksam anzusehen.
  2. Bei der zweiten Fallgruppe wird dem Vertreter sogar die Auswahl des Ehepartners ermoglicht (?Vertretung im Willen“). Nutzt ein Vertreter eine solche rechtliche Moglichkeit tatsachlich aus und wurde diese Ehe nach der gemaß dem Internationalen Privatrecht anwendbaren Rechtsordnung wirksam sein (s. o. die unter Ziff. 2 genannten Staaten), ware sie jedenfalls im deutschen Rechtsraum dennoch als unwirksam anzusehen, weil sie mit dem ordre public Deutschlands nicht vereinbar ist ( Art. 6 EGBGB). Der Grund fur die Annahme des ordre-public-Verstoßes wird darin gesehen, dass diese Art der Handschuhehe gegen das aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG resultierende Verbot des Eheschließungszwangs verstoßt. Diesem Verbot entspricht es, dass die Ehe nur zwischen Partnern geschlossen werden kann, die sich aufgrund freien Entschlusses und ubereinstimmenden Willens selbst gewahlt haben. In der Folge ist bei der Frage der Wirksamkeit von Handschuhehen in solchen Landern stets zu prufen, ob die Vollmacht zur Eheschließung soweit eingeschrankt und konkretisiert war, dass keine Stellvertretung im Willen mehr vorlag. [10]

Die rechtliche Beurteilung einer Handschuhehe hangt nicht davon ab, ob diese in einem Vertragsstaat des CIEC-Ubereinkommens vom 10. September 1964 zur Erleichterung der Eheschließung im Ausland ( Deutschland , Griechenland , die Niederlande , Spanien und die Turkei ) geschlossen wurde oder nicht. Denn das CIEC-Ubereinkommen enthalt keinerlei Regelung zur Handschuhehe.

Es ist umstritten, inwieweit die Anerkennung von im Ausland gultig geschlossenen Handschuhehen ein Schlupfloch fur Zwangsehen sein konnte. [11]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Jorg von Uthmann: Die Diplomaten. Affaren und Staatsaffaren von den Pharaonen bis zu den Ostvertragen (= dtv 10926 dtv-Geschichte ). Deutscher Taschenbuch-Verlag, Munchen 1988, ISBN 3-423-10926-2 , insb. S. 107.

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Prokuration . In: Meyers Großes Konversations-Lexikon . 6. Auflage. Band   16 : Plaketten?Rinteln . Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1908, S.   377 ( Digitalisat. zeno.org ).
  2. Eherecht . In: Meyers Großes Konversations-Lexikon . 6. Auflage. Band   5 : Differenzgeschafte?Erde . Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1906, S.   405?407 ( Digitalisat. zeno.org ). ?Das alte Sonderrecht von Personen, die aus landesherrlicher oder nach 1815 noch landesherrlich gewesener deutscher Familie stammen, ihre Ehen durch einen Stellvertreter (per procurationem) einzugehen, gilt nur noch, sofern dies zu Neujahr 1900 durch besondere Vorschrift ihrer Hausverfassung oder der Gesetze ihres Landes bestimmt war.“
  3. Beschreitung des Ehebettes . In: Heinrich August Pierer , Julius Lobe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit . 4. Auflage. Band   2 : Aug …?Bodmer . Altenburg 1857, S.   670 ( Digitalisat. zeno.org ).
  4. Jorg von Uthmann: Die Diplomaten. 1988, S. 107.
  5. Franz Gruß: Geschichte des Bergischen Landes. Neu bearbeitet von Klaus Herdepe . Vollstandig uberarbeitete Neuauflage. Bucken Sulzer, Overath u. a. 2007, ISBN 978-3-936405-06-4 , S. 247.
  6. Marie Antoinette historicum.net
  7. Peter C. Hartmann (Hrsg.): Franzosische Konige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498?1870 . 2. Auflage. Beck, Munchen 2006, ISBN 3-406-54740-0 , S. 276 f. (= Beck’sche Reihe , Band 1724)
  8. § 1311 BGB
  9. Die Ehe zwischen Ingrid Bergman und Roberto Rossellini wurde 1950 als Handschuhehe in Mexiko geschlossen, wobei sich beide vertreten ließen. (Aussage Isabella Rossellini in der Dokumentation ?Ingrid Bergman ? zum Gedenken“ uber ihre Mutter Ingrid Bergman auf der DVD Indiskret )
  10. OLG Zweibrucken , Beschluss vom 8. Dezember 2010 - 3 W 175/10 ( Memento des Originals vom 5. Marz 2016 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www3.mjv.rlp.de .
  11. Hochzeit ohne Brautigam. In: Focus. 6. April 2012, abgerufen am 19. Marz 2018 .