Staatliches Archivlager Gottingen

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Das Staatliche Archivlager Gottingen war ein von 1953 bis 1978 in Gottingen bestehender Sammelpunkt fur mehrere Archive aus Ost- und Mitteldeutschland .

Infolge des Vorruckens der Roten Armee auf die deutschen Ostgebiete veranlassten die deutschen Behorden in den Jahren 1944 und 1945 eine Verlagerung wichtiger Archivalien aus dem Osten in ein Bergwerk bei Helmstedt . Nach der Kapitulation Deutschlands wurden diese Bestande von der britischen Besatzungsmacht beschlagnahmt. Das Staatliche Archivlager entstand folglich am 16. November 1953, als die wahrend des Zweiten Weltkrieges in den Westen verlegten ost- und mitteldeutschen Archive von den britischen Besatzungsbehorden an das Land Niedersachsen ubergeben wurden, nachdem sie zuvor in Goslar gesammelt worden waren. 1978 wurde das Archivlager aufgelost, die Bestande in das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem eingegliedert.

Der Bestand des Staatlichen Archivlagers setzte sich zu einem Großteil, laut dem langjahrigen Archivleiter Kurt Forstreuter zu mehr als 75 Prozent, aus dem Staatsarchiv Konigsberg zusammen. Verwahrt wurde dieser Teil der Bestande auf 1500 laufenden Regalmetern sowie in zwolf Kartenschranken. Die Materialien aus Konigsberg wurden 1957 Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz , die Verwaltung oblag allerdings weiterhin dem Archivlager in Gottingen. 1978 wurde die Zustandigkeit dem Geheimen Staatsarchiv PK ubertragen.

Die Bestande aus Konigsberg gliedern sich wie folgt:

1. Ordensarchiv 2. Herzogliches Archiv 3. Neue Archivbestande 4. Sammlungen und Deposita
a) Urkunden a) Herzogliche Briefe (HBA) a) Sammlungen
b) Ordensbriefe (OBA) b) Ostpreußische Folianten (Ostpr. Fol.) b) Deposita
c) Ordensfolianten (OF) c) Etatministerium c) Nachlasse

Die Bestande des Ordens an Urkunden umfassen etwa 6.300 Pergamenturkunden, die in die Herzogszeit hineinreichen. Diese sind in 1. Inneres, 2. Auswartige Beziehungen, 3. Papsturkunden, 4. Livlandische Sachen, 5. Urkunden des Bistums Kulm und 6. Deposita gegliedert. Die Abteilung der Ordensbriefe (OBA) beinhaltet etwa 30.000 Briefe, Papierurkunden, Rechnungen, Protokolle von Verhandlungen sowie Merkzettel aus den Jahren 1198 bis 1525; sie ist chronologisch angelegt. Der dritte Teil des Ordensarchivs, die Ordensfolianten (OF), enthalt 1. Briefe und Handlungen, 2. Geistliche Statuten, 3. Copiarie der Ordensprivilegien, 4. Gerichtsbucher, Stadtbucher etc., 5. Handfestenbucher, 6. Bestallung der Amter, Inventarien, Verzeichnisse und Visitationen, 7/8. Finanzen, 9. Heerwesen, 10. Miscellenbande, 11. Formelbucher, 12. Sammelbande von Abschriften und 13. Schriftgut der Deutschordensballei Bohmen.

Im Herzoglichen Briefarchiv (HBA) lagern a) etwa 100.000 Briefe, welche entsprechend ihrer geographischen, personlichen, sachlichen oder institutionellen Provenienz in die Abteilungen A bis K gegliedert sind. Die Uberlieferung zur inneren Verwaltung (I) hat dabei folgendes Muster: 1. Auswartige Beziehungen, 2. Standesachen, 3. Kammersachen, 4. Kirchliches, 5. Landesordnungen, 6. Einzelne Stadte und Dorfer, 7. Kanzleiwesen, 8. Reskriptenbucher, 9. Vasallentabellen, 10. Steuerveranlagung, 11. Spezialetats der Domanenamter, 12. Verschiedenes. Konzepte liegen in den Abteilungen H (Gesandtschaftssachen), I (Innere Verwaltung) und K (Herzogliches Haus) teilweise bei den Originalen. Ansonsten sind sie durchgangig ebenso nach A bis K gegliedert wie die Originale.

Das Etatministerium ist nach Behordenprovenienz und Sachgesichtspunkten aufgebaut. Es umfasst 3.000 Aktenpakete aus dem Zeitraum 1525 bis 1804, enthalt aber trotz vollstandiger Verzeichnung noch manche andere Uberlieferungssplitter.

Die Ostpreußischen Folianten umfassen die Bestande: Auswartige Beziehungen (Nr. 1-115a), Standesachen (Nr. 116-911a), Kammersachen (Nr. 912-13670c), Kirchliches (Nr. 13671-13700), Landordnungen, Landrechte (Nr. 13741-13746), Einzelne Stadte und Dorfer (Nr. 13801-14131), Kanzleiwesen (Nr. 14201-14611), Reskriptenbucher der Kammer Konigsberg (Nr. 14700-14875?), Vasallentabellen (Nr. 14801-14874), Steuerveranlagung ab 1540 (Nr. 911a, Abtl. II), Spezialetats der Domanenamter (Nr. 15001-15168), Neuere Abgaben verschiedener Regierungen und anderer Behorden, darin die sog. Grundbucher (Privilegienabschriften) und anderes. Hinzu kommen als besonderer Bestand die sogenannten Prastationstabellen (18./19. Jh.) und die Hufenschossprotokolle.

In den Neuen Archivbestanden wurden alle Akten der Behorden des 18. bis 20. Jahrhunderts geordnet, diese umfassten bei der Inventarisierung von 1952/1953 1.200 Pakete. Zur Abteilung 4. a) gehorten beispielsweise Akten und Einzelstucke beruhmter adeliger Familien wie etwa Donhoff oder Dohna (Adelsgeschlecht) . Die Deposita setzen sich aus Restbestanden einiger Innungen und Stadten zusammen. Die Nachlasse umfassen nicht zuletzt die Genealogischen Sammlungen Gallandi und Moeller , die Zimmermannsche Kartei westpreußischer Mennonitensippen sowie den Nachlass von August Winnig .

Des Weiteren waren umfangreiche Teile der Stadtarchive aus Reval und Prenzlau sowie der Landesarchive von Mecklenburg , Anhalt und der Niederlausitz in Gottingen eingelagert. Aus diesen Archiven waren nur die wertvollsten Bestande, zum Beispiel die altesten Urkunden, Furstenbriefwechsel, auswartige Korrespondenzen und Burgerbucher , nach Niedersachsen uberfuhrt worden.

  • Kurt Forstreuter : Das staatliche Archivlager in Gottingen . In: Zeitschrift fur Ostforschung . Band 3, 1954, S. 92?94 ( doi:10.25627/195431194 ).
  • Kurt Forstreuter : Das Preußische Staatsarchiv in Konigsberg. Ein geschichtlicher Ruckblick mit einer Ubersicht uber seine Bestande . In: Veroffentlichungen der Niedersachsischen Archivverwaltung . Heft 3, Gottingen 1955, bes. S. 96?106.
  • Michael Kruppe : Das staatliche Archivlager in Gottingen (1953-1979): seine Geschichte, seine Bedeutung . In: Preußenland. Neue Folge. Jahrbuch der Historischen Kommission fur ost- und westpreußische Landesforschung und der Copernicus-Vereinigung fur Geschichte und Landeskunde Westpreußens sowie Mitteilungen aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz , Bd. 6 (2015), S. 126?162 .
  • Staatliches Archivlager in Gottingen . In: Minerva-Handbucher Archive: Archive im deutschsprachigen Raum , Berlin 1974, S. 334?339.