Stephane Mallarme
[
stefan mala?'me
]
(*
18. Marz
1842
in
Paris
als
Etienne Mallarme
; †
9. September
1898
in Valvins, Gemeinde
Vulaines-sur-Seine
,
Departement Seine-et-Marne
, nahe
Fontainebleau
) war ein
franzosischer Schriftsteller
.
Seine
Gedichte
gelten als Hauptwerke des
Symbolismus
. Zusammen mit
Charles Baudelaire
,
Paul Verlaine
und
Arthur Rimbaud
gilt er als einer der wichtigsten Wegbereiter der
modernen
Lyrik
.
[1]
Mallarme wurde als Sohn einer Beamtenfamilie aus
Sens
in Paris geboren. Nachdem 1847 seine Mutter gestorben war, wuchs er bei den Großeltern auf. Ab 1850 lebte er in Internaten, wurde 1855 wegen schlechten Betragens entlassen und besuchte ab 1856 eine Internatsschule in Sens. 1857 starb seine jungere Schwester. Von 1858 bis 1860 entstanden erste Gedichte (64 Gedichte unter dem Titel
Entre quatre murs
, dt.
Zwischen vier Wanden
). Kurz nach seiner Abiturprufung lernte er die Dichter
Emmanuel des Essarts
,
Jean Lahor
und
Eugene Lefebure
kennen und freundete sich mit diesen an. In dieser Zeit beschaftigte er sich auch erstmals mit
Charles Baudelaires
Les Fleurs du Mal
und veroffentlichte erste literaturkritische Artikel in zahlreichen verschiedenen Zeitschriften, spater auch erste eigene Gedichte. Er lernte das deutsche Kindermadchen Marie Gerhard aus
Camberg
, damals
Herzogtum Nassau
, kennen, das er 1863 in England heiratete, bevor er eine Anstellung als Englischlehrer in
Tournon-sur-Rhone
antrat (ein Beruf, den er bis zu seiner Pensionierung 1893 ausubte). 1863 wurde ihre Tochter Genevieve geboren. Zu seinen Freunden und Bekannten zahlten in dieser Zeit die
felibres
Theodore Aubanel
,
Joseph Roumanille
und
Frederic Mistral
, die in
provenzalischer Sprache
schrieben, sein Kollege, der Deutschlehrer und Lyriker
Charles Fournel
, sowie
Catulle Mendes
und
Auguste de Villiers de L’Isle-Adam
.
In einer personlichen und kunstlerischen Krise begann er 1864 sein ?Lebensprojekt“
Herodiade
, in dem er in einer Bearbeitung des biblischen
Salome
-Stoffs die Suche nach der Reinheit und Schonheit der Dichtung thematisiert. Sein langes, schließlich 110
Alexandriner
umfassendes Gedicht
L’apres-midi d’un faune
schrieb er ab 1865 in der Hoffnung, es im
Theatre Francais
in Paris zur Auffuhrung kommen zu lassen, was jedoch abgelehnt wurde. 1866 konnte er erstmals zehn Gedichte in der Zeitschrift
Le Parnasse Contemporain
des wichtigen Dichterkreises der
Parnassiens
um
Theophile Gautier
veroffentlichen, dessen Auffassung von Literatur er zunachst teilte. Zu seinen Bekannten zahlten
Leconte de Lisle
und
Jose-Maria de Heredia
. Er zog mehrmals um: 1866 nach
Besancon
, wo er eine Korrespondenz mit
Paul Verlaine
begann, und 1867 nach
Avignon
, von wo aus er mit der Veroffentlichung seiner
Prosagedichte
begann.
Im Juli 1871 wurde sein Sohn Anatole in Sens geboren. Kurz darauf gelang Mallarme der lange ersehnte Wechsel aus der Provinz in die Hauptstadt Paris. In dieser Zeit arbeitete er u. a. an Ubersetzungen der Werke
Edgar Allan Poes
. 1872 lernte er den jungen Dichter
Arthur Rimbaud
kennen. Ab 1873 setzte er sich verstarkt mit dem
Impressionismus
auseinander, angeregt durch seine Freundschaft mit dem Maler
Edouard Manet
. Auch
Emile Zola
lernte er durch Manet kennen. 1874 gab er ohne Erfolg einige Nummern der Zeitschrift
La derniere Mode
heraus, deren einziger Redakteur er war. Vorher mehrmals von Verlegern abgelehnt, erschien 1876 eine Ausgabe von
L’apres-midi d’un faune
mit Illustrationen Manets.
Seit 1877 veranstaltete Mallarme seine bald schon bekannten
Mardis
(Dienstagstreffen), bei denen er jahrelang junge Dichter wie
Emile Verhaeren
,
Maurice Maeterlinck
,
Oscar Wilde
,
Joris-Karl Huysmans
,
Paul Valery
,
Andre Gide
,
W. B. Yeats
,
Rainer Maria Rilke
und
Stefan George
in seiner Wohnung in der Rue de Rome empfing. 1878 lernte er
Victor Hugo
kennen.
Sein Schuler Paul Valery sagte: ?Mallarme lebte fur einen ganz bestimmten Gedanken: Er war besessen von der Vorstellung eines absoluten Werkes, das fur ihn das hochste Ziel, die Rechtfertigung seines Daseins, den einzigen Zweck und den einzigen Sinn des Weltalls bedeutete.“
[2]
1879 starb sein Sohn Anatole im Kindesalter. 1883 wurde Mallarmes Werk durch Verlaines
Poetes maudits
einer großeren Offentlichkeit nahergebracht. Von 1884 bis 1889 verband ihn eine Freundschaft und Liebesbeziehung mit
Mery Laurent
. 1886 veroffentlichte er sein erstes Gedicht ohne Satzzeichen,
M’introduire dans ton histoire
, und wurde im gleichen Jahr nach Verlaines Tod zum
Prince des Poetes
gewahlt. Nach seiner Pensionierung zog er 1894 nach Valvins um, wo er einige Jahre an verschiedenen literarischen und theoretischen Projekten arbeitete und 1898 starb. Stephane Mallarme wurde auf dem Friedhof von
Samoreau
(
Departement Seine-et-Marne
) begraben.
Durch die Lekture
Hegels
kam Mallarme zur Auffassung, dass, wenn ?der Himmel tot“ sei, das
Nichts
der Ausgangspunkt des Schonen und Idealen sein musse. Zu dieser Philosophie gehorte seiner Meinung nach eine in
Rhythmus
,
Satzbau
und
Wortschatz
neuartige Poesie. Uber das
L’art pour l’art
der Dichter um Gautier hinausgehend sah er in der poetischen Sprache einer
poesie pure
(
reinen Dichtung
) die einzige Moglichkeit, zu
reinen Ideen
vorzudringen. Die wirklichkeitsnahe, beschreibende Lyrik des
Realismus
lehnte Mallarme ab, vielmehr betrachtete er die
Suggestion
als Grundlage der neuen Poesie.
Als
Symbolismus
bezeichnet, ahnelte seine Auffassung von Literatur dem
Impressionismus
in der
bildenden Kunst
. Aufgrund der extremen Auspragung der suggestiven Sprache in Mallarmes Werk wurde er auch als ?der Symbolistischste der Symbolisten“ bezeichnet. Als Erneuerer der franzosischen
Lyrik
halt Mallarmes Einfluss bis heute an. Seine Zweifel an der herkommlichen Funktion von Sprache machten ihn zum Wegbereiter der modernen Lyrik. Viele seiner Ideen wurden spater von Vertretern des
Dadaismus
,
Surrealismus
,
Futurismus
und
Dekonstruktivismus
(etwa
Jacques Derrida
) wieder aufgegriffen.
Durch den oft absichtlich unklaren
Stil
und die subtile Beziehung von Schrift, Klang und Bedeutung gilt sein Werk als schwer ubersetzbar. Beim lauten Lesen werden Assoziationen und Bedeutungen horbar, die in der Schriftform nicht offensichtlich sind, zum Beispiel konnen die Worte ?ses purs ongles“ (?ihre reinen Nagel“) beim Horen als ?c’est pur son“ (?das ist reiner Klang“) aufgefasst werden.
Nicht zuletzt die klangliche, musikalische Qualitat der Sprache Mallarmes inspirierte bedeutende Komponisten zu Vertonungen seiner Werke. Ein Hauptwerk des musikalischen
Impressionismus
ist
Claude Debussys
frei nach Mallarme komponiertes
Prelude a l’apres-midi d’un faune
fur Orchester (1894), von dem Mallarme begeistert war und in einem Brief an Debussy schrieb:
Ihre Illustrierung des ?Apres-midi d’un Faune“ bildet keine Dissonanz zu meinem Text, sie ubertrifft ihn wahrlich eher an Sehnsucht, und an Licht, mit ihrer Feinheit, ihrer Schwermut, ihrem Reichtum.
1912 verwendete auch
Vaslav Nijinsky
das Werk als Grundlage seines fur die
Ballets Russes
choreografierten
Balletts
L’Apres-midi d’un faune
. Claude Debussy,
Maurice Ravel
,
Darius Milhaud
,
Pierre Boulez
,
Paul Hindemith
und weitere Komponisten vertonten Gedichte Mallarmes als
Lieder
. Zu spaten Werken, wie dem als eine Wortpartitur angelegten Poem
Un coup de des
und dem Fragment gebliebenen
Igitur
, gibt es musikalische Annaherungen von
Michael Denhoff
.
- Herodiade
(Fragmente seit 1864,
Scene de Herodiade
veroffentlicht 1896)
- L’apres-midi d’un faune
(1865, endgultige Version 1887, dt.
Nachmittag eines
Fauns
)
- Les mots anglais
(1878)
- Les dieux antiques
(1879)
- Prosa
(1880)
- Avant-dire
, in
Rene Ghil
:
Traite du Verbe
, Giraud, Paris 1886, S. 5?7.
- Ubersetzungen von Werken
Edgar Allan Poes
(1888)
- Pages
(1891)
- Jules Huret:
Enquete sur l’evolution litteraire
, Gesprach mit Mallarme. In:
Echo de Paris. Journal litteraire et politique du matin
, 14. und 19. Marz 1891.
- La musique et les lettres
(1891)
- Le Tombeau de Charles Baudelaire
(1895)
- Divagations
(1897)
- Tombeau
(auch
Tombeau de Verlaine
; 1897)
- Un Coup de des jamais n’abolira le Hasard
(1897)
Außerdem schrieb er zahlreiche literaturtheoretische Artikel. Posthum erschienen u. a.
Poesies
(1899),
Pour un tombeau d’Anatole
(1962) sowie Briefe (1959?1971).
- Herodias
. Ubersetzt von
Stefan George
. In:
Zeitgenossische Dichter.
Berlin 1929.
- Samtliche Dichtungen. Franzosisch und deutsch; mit einer Auswahl poetologischer Schriften.
Ubersetzung der Dichtungen von Carl Fischer. dtv, Munchen 1995,
ISBN 3-423-02374-0
(franzosisch und deutsch).
- Gedichte
, herausgegeben, ubersetzt und kommentiert von
Gerhard Goebel
(Werke. 1). Schneider, Gerlingen 1993,
ISBN 3-7953-0906-9
.
- Kritische Schriften
, Hrsg. von Gerhard Goebel und Bettina Rommel (Werke. 2). Schneider, Gerlingen 1998,
ISBN 3-7953-0907-7
(franzosisch und deutsch).
- Ubersetzungen der Gedichte u. a. von Franz J. Nobiling,
Fritz Usinger
,
Remigius Netzer
,
Richard von Schaukal
,
Kurt Reidemeister
,
Paul Zech
- Giulia Agostini (Hrsg.):
Mallarme. Begegnungen zwischen Literatur, Philosophie, Musik und den Kunsten
, Passagen Verlag, Wien 2019,
ISBN 978-3-7092-0297-5
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. In: Deutsch-Franzosisches Institut Ludwigsburg (Hrsg.):
Deutschland ? Frankreich. Ludwigsburger Beitrage zum Problem der deutsch-franzosischen Beziehungen
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Veroffentlichungen des Deutsch-Franzosischen Instituts Ludwigsburg e. V.
Band 2), Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1957, S. 180?188.
- Jurgen Buchmann
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- Frederic Chase St. Aubyn:
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- Winfried Wehle
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. In:
Revue d’histoire litteraire de la France
, revue trimestrielle, Band 119, 2019, S. 851?864;
ku-eichstaett.de
(PDF)
- Winfried Wehle: Mallarme. Der Wurfelwurf. Winter, Heidelberg 2022,
ISBN 978-3-8253-4964-6
.
- ↑
Maike Albath:
Stephane Mallarme. Der heimliche Furst unter den Dichtern.
In:
Deutschlandfunk
,
18. Marz 2017, abgerufen am 13. November 2023.
- ↑
Walter Schmiele
:
Dichter uber Dichtung in Briefen, Tagebuchern und Essays
, Darmstadt 1955, S. 159.