Spitzenrefinanzierungsfazilitat

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Wichtige Leitzinsen (Stand: 6. Juni 2024)
Zinssatz Hohe
Europaische Zentralbank (gultig ab: 12. Juni 2024)
Einlagesatz (deposit facility rate) 3,75 %
Hauptrefinanzierungssatz (main refinancing operations rate) 4,25 %
Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending facility rate) 4,50 %
Schweizerische Nationalbank (gultig ab: 21. Juni 2024)
SNB Leitzins 1,25 %
Federal Reserve System (gultig ab: 27. Juli 2023)
Federal-Funds-Rate -Zielband 5,25 bis 5,50 %
Primary Credit Rate 5,50 %
Bank of Japan (gultig ab: 19. Marz 2024)
Overnight Call Rate 0,10 %
Bank of England (gultig ab: 3. August 2023)
Official Bank Rate 5,25 %
Chinesische Volksbank (gultig ab: 21. August 2023)
Diskontsatz (one-year lending rate) 3,45 %
Reserve Bank of India (gultig ab: 8. Februar 2023)
Repo rate 6,50 %

Die Spitzenrefinanzierungsfazilitat ( SRF ) ( englisch marginal lending facility ) ist eine Moglichkeit fur Geschaftsbanken im Euroraum , sich kurzfristig (uber Nacht) Geld bei der Europaischen Zentralbank (EZB) zu beschaffen. Als Preis fur die Inanspruchnahme der SRF zahlen sie den von der Zentralbank vorgegebenen Spitzenrefinanzierungssatz ( SRS ). Die SRF stellt somit ein wichtiges geldpolitisches Instrument der EZB dar.

Bis zur Grundung der Europaischen Zentralbank (EZB) im Juni 1998 haben die nationalen europaischen Zentralbanken, wie etwa die Deutsche Bundesbank , ihren angeschlossenen Kreditinstituten im Rahmen der Geldpolitik Lombardkredite gegen die Beleihung lombardfahiger Wertpapiere zur Verfugung gestellt ( Lombardpolitik ). Dadurch konnen sich die Kreditinstitute benotigte Liquiditat beschaffen. Die beliehenen Wertpapiere mussen im Eigentum der Kreditinstitute stehen ( Depot A ). Bei der Bundesbank war die Gewahrung eines Lombardkredites an die Kreditinstitute auf eine Laufzeit von drei Monaten begrenzt. Der Zinssatz beim Lombardkredit wurde Lombardsatz genannt und war ein wichtiger Indikator fur den Geldmarkt.

Mit dem Ubergang der Zustandigkeit fur die Geldpolitik auf die EZB hat die Spitzenrefinanzierungsfazilitat den fruheren Lombardkredit im Januar 1999 abgelost. Die EZB ist nach Art. 18.1 EZB-Satzung befugt, mit den angeschlossenen Kreditinstituten Kreditgeschafte gegen ?ausreichende Sicherheiten“, so genannte notenbankfahige Sicherheiten, abzuschließen. Fur notenbankfahige Sicherheiten gilt seit Januar 2007 ein einheitlicher Rahmen (?einheitliches Sicherheitenverzeichnis“), der marktfahige sowie nicht marktfahige Sicherheiten umfasst. Bei notenbankfahigen Sicherheiten werden Beleihungsgrenzen in Abhangigkeit von Liquiditatskategorien, Restlaufzeiten und Verzinsungsarten sowie Schwankungsmargen angewendet wie beim Lombardkredit.

Die Initiative zu Spitzenrefinanzierungsgeschaften geht von den Geschaftsbanken aus. Sind diese fur Transaktionen mit der EZB zugelassen, so konnen sie sich bei der Zentralbank kurzfristig benotigtes Geld durch Verpfandung von notenbankfahigen Sicherheiten ( Wertpapieren ) beschaffen. Aufgrund der kurzen Fristigkeit solcher Geschafte bezeichnet man diese Form der Finanzierung auch als Ubernachtkredit oder Overnight-Money.

Hat die Bank am Tagesende offene Sollsalden auf den ESZB -Konten, werden diese automatisch zu Spitzenrefinanzierungsfazilitaten. Als Preis fur die Inanspruchnahme der SRF zahlen sie den Spitzenrefinanzierungssatz [1] (teilweise auch Spitzenrefinanzierungsfazilitatssatz und Spitzenrefinanzierungszinssatz [2] ).

Spitzenrefinanzierungsfazilitaten werden dauerhaft und in unbegrenztem Volumen angeboten; daher bezeichnet man sie auch als standige Fazilitat . Das Wort Fazilitat (von lat. facilitas Leichtigkeit) entstammt dem Bankenglisch (facility) und bezeichnet die Moglichkeit, innerhalb festgelegter Grenzen kurzfristig Kredite in Anspruch zu nehmen oder Guthaben anzulegen.

Leitzinssatze der EZB und Fed seit Bestehen der EZB

Der Spitzenrefinanzierungssatz wird ublicherweise als einer der drei Leitzinsen der EZB bezeichnet. Der Zinssatz wird vom EZB-Rat festgelegt und bildet die Obergrenze des Zinskorridors . In der Regel liegt er dabei immer einen Prozentpunkt uber dem Hauptrefinanzierungssatz. Davon wich die EZB jedoch kurz nach der Euroeinfuhrung und seit der Finanzkrise ab 2007 ab. Die Spitzenrefinanzierung ist das Gegenstuck der Einlagefazilitat . Langerfristige Liquiditat wird den Banken vor allem uber das Hauptrefinanzierungsinstrument zur Verfugung gestellt.

Mit dem Ubergang der Zustandigkeit fur die Geldpolitik auf die EZB hat die Spitzenrefinanzierungsfazilitat den fruheren Lombardkredit abgelost.

Bedeutung fur den Geldmarkt

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Inanspruchnahme der Spitzen­refinanzierungs­fazilitat bei der EZB

Die SRF erfullt vor allem zwei Funktionen:

Die erste Bedeutung dieses Finanzierungsinstrumentes liegt im Gegensatz zum Hauptrefinanzierungsgeschaft vor allem darin, dass die Geschaftsbanken von sich aus jederzeit Liquiditat beschaffen und damit Liquiditatsengpasse vermeiden konnen. Sinn und Zweck dieses Instrumentes ist also vornehmlich die Liquiditatssicherung der Geschaftsbanken und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zur Mindestreserve .

Zweitens hat die SRF eine geldpolitische Bedeutung: Grundsatzlich konnen sich Geschaftsbanken auch uber den Geldmarkt ( Interbankenmarkt ) mit Ubernachtkrediten versorgen. Allerdings mussen dort angebotene Ubernachtkredite zwangslaufig billiger (d. h. niedriger verzinst) sein als die SRF, da ansonsten auf dem Interbankenmarkt keine Geschafte zustande kommen. Daher bildet die SRF die obere Grenze der fur Ubernachtkredite erhobenen Zinsen. Erhoht (Senkt) die EZB den SRS, so erhohen (senken) auch die Geschaftsbanken ihren Zins fur Ubernachtkredite ? folglich dient der SRS auch zur Durchsetzung der Zinspolitik am Markt.

Wiktionary: Spitzenrefinanzierungsfazilitat  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Zum Begriff Spitzenrefinanzierungssatz siehe Deutsche Bundesbank, standige Fazilitaten, abgerufen am 27. April 2011 ( Memento vom 19. November 2010 im Internet Archive )
  2. Finanz-Lexikon, abgerufen am 27. April 2011.