Spitze (Stoff)

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Rubens : Selbstbildnis mit seiner Ehefrau, 1609/10
Maria Theresia in einem Kleid aus Brabanter Kloppelspitze (Gemalde von Martin van Meytens , um 1752)

Im Zusammenhang mit Textilien und Kleidung ist Spitze ein Sammelbegriff fur sehr unterschiedliche dekorative Elemente, die nur aus Garn oder aus Garn und Stoff bestehen. Allen Erscheinungsformen der Spitze ist gemeinsam, dass sie durchbrochen sind, d. h. zwischen den Faden werden Locher unterschiedlicher Große gebildet, so dass sich ein Muster ergibt. Daher ist z. B. ein nur mit einem Motiv bestickter Stoff keine Spitze.

Das Wort Spitze leitet sich vom althochdeutsch   spizza, spizzi , mittelhochdeutsch   spitze ab, was ?Garngeflecht“ bzw. ?in Zacken auslaufende Borte“ bedeutet. [1]

Meistens wurden und werden Spitzen als Randverzierung an Kleidungsstucken verwendet; es gibt aber auch ?entre-deux-Spitzen“ als Einsatz zwischen zwei Stoffstucken, flachige Spitzenstoffe (sog. Plains) und vor allem seit Ende des 19. Jahrhunderts eigenstandige, von Kleidung unabhangige Objekte aus Spitze, z. B. als Fensterdekoration wie Macrames , Florentiner oder als Tischwasche .

Heute werden Spitzen fur die Bekleidung hauptsachlich fur Dessous , Nachtwasche , Damenoberbekleidung, Brautkleider und Trachten verwendet. Außerdem findet Spitze Verwendung bei der Fertigung von Tischwasche, Gardinen und liturgischen Gewandern. Die Region um Plauen bildet das deutsche Zentrum maschinengestickter Spitze (siehe Plauener Spitze ), wahrend die Region um St. Gallen als Schweizer Textilzentrum gilt (siehe St. Galler Spitze ).

Es werden zwei Arten von echten Spitzen unterschieden: Die Nadelspitze und die Kloppelspitze. Technisch gesehen hat sich die Nadelspitze aus der Durchbrucharbeit entwickelt, die Kloppelspitze aus dem Geflecht.

Die Herstellung von Spitze wurde sowohl fur Kroatien und Zypern als auch fur Frankreich als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt.

Venezianische Spitze, 1690/1710

Die ersten Nadelspitzen ( Reticella ) wurden im 15. Jahrhundert in Norditalien gefertigt und erlangten im Verlauf des 16. Jahrhunderts weite Verbreitung. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich daraus die Nadelspitzen-Technik, die zunachst in Venedig und Mailand gepflegt wurde. Spitzen wurden an Armelmanschetten angesetzt und dienten als Kragen fur Manner und Frauen. Der aufwendigen Herstellung wegen waren Nadelspitzen so extrem teuer, dass nur die Reichsten sie sich leisten konnten. Ihre Beliebtheit beim franzosischen Adel sorgte fur einen betrachtlichen Kapitaltransfer nach Italien, dem Ludwig XIV. dadurch gegensteuerte, dass er die Spitzenherstellung in Frankreich forderte.

Italienische Spitze auf Tullgrund, 1700/1710

Um 1700/1710 loste die billigere, weil schnellere Kloppeltechnik die Nadelspitze weitgehend ab. Waren die Spitzen anfangs noch dicht gemustert, setzte sich im Verlauf des Jahrhunderts der Tullgrund mit eingearbeitetem oder appliziertem Muster immer mehr durch. Tullgrundspitzen waren noch einmal schneller und billiger herzustellen als dicht gemusterte, so dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts sich auch weniger wohlhabende Burger Spitze zum Sonntagsstaat leisten konnten.

Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts entstand die Hakeltechnik , die in Irland von Heimarbeiterinnen zu hochster Vollendung entwickelt wurde. Occhispitze , die etwa zur gleichen Zeit entstand, spielte nur als hausliche Freizeitbeschaftigung eine Rolle.

Ab Anfang des 20. Jahrhunderts konnte man Kloppelspitze und Lochspitze auch maschinell fertigen, so dass die traditionellen Spitzentechniken vom Aussterben bedroht waren. Breitere Verwendung besitzen heute praktisch nur noch maschinell gefertigte Spitzen in Form maschineller Bohrspitze (Lochspitze), maschinengestickte Tullspitze, Atzspitze oder die grobere Macrame-Spitze.

Die einst hohe okonomische Bedeutung handgefertigter Spitze existiert heute praktisch nicht mehr. Von wenigen Spezialanfertigungen im Tourismus-, Museums-, Schul-, Schmuck- und Kunstbereich erfolgt die Produktion handgefertigter Spitze heute fast ausschließlich als Freizeittatigkeit durch Laien. Die Weitergabe der teils außerst komplizierten Herstellungstechniken erfolgt dabei ? zumeist ehrenamtlich ? in speziellen Vereinen, Schulen und Kursen verschiedener Bildungseinrichtungen und Museen, neuerdings auch vermehrt via sozialen Medien. Dennoch sind insbesondere komplexere und nur mit extrem hohem zeitlichen Aufwand zu erlernende und herzustellende Formen der Nadel- und Kombinationsspitze , wie Point de Venise oder Duchessespitze , akut vom Aussterben bedroht.

Arten von Spitze/Stickerei (Auswahl)

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Handgearbeitete Spitze

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Reticella-Spitze

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Die Reticella-Spitze ( italienisch rete ‚Netz‘ ) ist ab der 2. Halfte des 16. Jahrhunderts in Italien entstanden. Sie hat sich aus der Durchbrucharbeit entwickelt. Aus einem leinwandbindig gewebten Stoff werden Faden ausgezogen und die so entstandenen Stege mit Knopflochstich umstickt, die Locher mit diagonalen Faden ausgefullt, die wiederum umstickt werden. Man kann zwischen einem einfachen und einem doppelten Durchbruch unterscheiden. Dabei werden entweder nur Kett- oder Schussfaden aus dem Gewebe gezogen oder Kett- und Schussfaden. Wenn so viele Faden ausgezogen werden, dass von dem Grundstoff fast nichts ubrigbleibt, spricht man von Punto in Aria (ital.: Stickerei in der Luft). Als Muster finden sich Ranken, Bluten und Blatter. Aus der Reticella entwickelte sich die Nadelspitze.

Reticella

Nadelspitze (franzosisch: Guipure )

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Nadelspitzen sind die vom Arbeitsaufwand her anspruchsvollsten Spitzen. Ihre Herstellung erfordert jahrelange Ubung, gute Augen, hochwertiges Garn, viel Licht, eine ruhige Hand und sehr viel Zeit und Geduld.

Die Herstellung von Nadelspitze erfolgt in mehreren Schritten:

Zunachst wird auf einen Karton , Pergament oder Papier das spatere Muster gezeichnet. In einem zweiten Schritt wird der Rand dieses 'Kartons' dann einen in mehrere Lagen gelegten Leinen- oder Baumwollstoff geheftet, so dass eine stabile, aber biegsame und leicht nachgiebige Unterlage entsteht. In einem dritten Schritt werden auf der Vorderseite des 'Kartons' uber der Musterzeichnung die Trassierfaden mit Uberfangstichen befestigt, die durch Karton und Stoffschichten fuhren. Da die Uberfangstiche spater wieder entfernt werden mussen, werden sie haufig in einem etwas dunneren, andersfarbigen Garn ausgefuhrt. Die Trassierfaden bilden spater das Gerust der Spitze. In einem vierten Schritt wird dieses Grundgerust aus Trassierfaden dann in Knopflochstich umstickt. Danach werden in einem funften Schritt weitere Verbindungsfaden gezogen und die Flachen dazwischen mit ebenfalls aus dem Knopflochstich abgeleiteten Fullstichen ausgefullt. In einem sechsten Schritt konnen dann auf Teile des Grundgitters zusatzliche Trassierfaden gelegt und umstickt werden, oder ganze zusatzliche Lagen von Spitze angearbeitet werden, wodurch eine reliefierte oder sogar dreidimmensionale Oberflache erreicht wird. In einem siebten Schritt werden die anfangs um die Tressierfaden gelegten Fassstiche ruckseitig aufgeschnitten. Danach werden Papier- und Stofflagen entfernt und in einem letzten Schritt die Reste der Fasstiche sorgfaltig herausgezupft. Eventuell kann die fertige Nadelspitze nun auch noch zusatzlich bestickt oder anderweitig nachbearbeitet werden.

Historisch entwickelte sich die geschilderte Technik der Nadelspitzenherstellung im fruhen 16. Jahrhundert auf Basis der Reticellaspitze und wurde insbesondere in und um Venedig hergestellt. Folgten die in dieser neuen Technik gefertigten Stucke anfangs noch den streng den geometrischen Vorbildern der Reticellaspitze, und wurden deren 'leere' Flachen zunachst nur sporadisch mit Fullstichen ausgefullt, so ermoglichte die veranderte Technik rasch auch die Herstellung großerer gefullter Flachen mit unterschiedlichen Stichen und Mustern, sowie die Herstellung farblich und in ihrer Textur und Musterung abgesetzter, geschwungener Formen, wie Ranken und Bluten . Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war die Technik schließlich so verfeinert worden, dass sich quasi jede zweidimensionale Form, inklusive ganzer Landschafts- und Figurengruppen, abbilden ließ. Auch wurden ab diesem Zeitpunkt diese zweidimensionalen Darstellungen zunehmend um weitere, dreidimensionale Elemente erganzt, indem auf einzelne Partien eine oder mehrere zusatzliche Lagen umstickter Trassierfaden oder ganze zusatzliche Lagen von Nadelspitze ?aufgearbeitet“ wurden.

Die Herstellung von Nadelspitzen erforderte dabei deutlich mehr Ubung und war sehr viel material- und zeitaufwandiger als jene der vergleichsweise 'einfachen' Reticellaspitze. Dies fuhrte ab Mitte des 17. Jahrhunderts dazu, dass der Hochadel die teurere und damit auch prestigetrachtige Nadelspitze als Distinktions symbol bevorzugte und immense Summen fur sie ausgab, wahrend die deutlich gunstigere Reticellaspitze nach und nach zu einer Spitze des niederen Adels und des Burgertums 'herabsank'.

Ahnlich wie bei Glas und Spiegeln , gelang es der Republik Venedig bis Mitte des 17. Jahrhunderts durch die Konzentration und Isolation der Hersteller von Nadelspitze in abgelegenen und streng uberwachten Waisenhausern, Klostern und auf abgelegenen Inseln der Lagune, ein weitgehendes Monopol auf die Herstellung von Nadelspitze aufrechtzuerhalten und damit ? trotz des aufwandigen Herstellungsprozesses ? enorme Gewinne zu erwirtschaften. Nach Mitte des 17. Jahrhunderts gelang es jedoch gleich mehreren Staaten, darunter insbesondere Frankreich unter Ludwig XIV. , durch Spionage und gezielte Abwerbung von geubten Nadelspitzenherstellern das venezianische Spitzenmonopol, und damit die Abwanderung großer Geldsummen ins Ausland, zu brechen und eine eigene Spitzenindustrie aufzubauen. In der Folge entwickelten sich insbesondere das franzosische Alencon und Brussel zu bedeutenden Zentren der Herstellung von Nadelspitze, die sich fortan in mehrere lokale Varianten und Techniken weiterentwickelte und aufspaltete.

Bekannte Sorten von Nadelspitzen sind Point de Venise , Point d’Alencon , Point de neige oder Point rose .

Im 19. Jahrhundert verbreitete sich die Technik der Nadelspitzenherstellung dann durch europaische Auswanderer global bis nach Nord- und Sudamerika und Australien. Gleichzeitig fuhrten erste maschinelle Spitzenerzeugnisse zu einer raschen Abwendung der meisten Konsumenten von der nur unter extremem Lern- und Zeitaufwand herzustellenden und daher stets sehr teuren, handgemachten Nadelspitze.

Ende des 19. Jahrhunderts hielten lediglich Großburgertum und reicher Adel an der Verwendung des Luxusguts handgemachter Nadelspitze fest. Extreme Verarmung der Bevolkerung in Folge der Industrialisierung und einige, aus heutiger Sicht eher eigennutzige, 'Hilfsprojekte' adliger und großburgerlicher Liebhaber handgefertigter Nadelspitze fuhrten dennoch noch Ende des 19. Jahrhunderts zur Grundung gleich mehrerer Schulen und Manufakturen , in der die zu diesem Zeitpunkt beinahe ausgestorbene Technik der Nadelspitzenherstellung fur wenige Jahrzehnte wiederbelebt und auf kommerziell bedeutsamen Niveau betrieben wurde.

Spatestens mit dem sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg der 1950er und 1960er Jahre sowie der maschinellen Massenherstellung gunstiger Tull- und Atzspitze auf Synthetikbasis endete jedoch auch diese Periode.

Orientalische Nadelspitze (franzosisch: dentelle oya, englisch: Needle Lace, turkisch: Igne Oyasi )

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Orientalische Nadelspitze ist auch bekannt als Armenische Spitze, Griechische Nadelspitze oder Bebilla, Smyrna- oder Palastina-Spitze, turkische Nadelspitze (Oya), Nazareth Spitze und Knotenspitze. Gefertigt wird die orientalische Nadelspitze mit Nadel, Faden und Schere, mithilfe derer Knoten und Verbindungen dazwischen erstellt werden. Unterschiede in der Technik, der Anzahl der Fadenumwicklung um die Nadel und die Lange der Verbindung zwischen den Knoten fuhren zu unterschiedlichen Ergebnissen. Mit der Nadelspitze gestaltet man ein Netz, das verschiedene Formen annehmen kann. Entweder setzt man am Saum eines Stoffstucks an oder man beginnt freihandig mit der Spitze. Es wird immer die Nadel vom Korper weg in den Stoff bzw. die Schlinge gefuhrt und halb stecken gelassen; dann legt man das Fadenende in Arbeitsrichtung quer vor die Nadel, nimmt beide Endfaden, die durch das Nadelohr gehen, mit Daumen und Zeigefinger auf und wickelt damit zweimal (im Uhrzeigersinn oder entgegen dem Uhrzeigersinn) uber die Nadelspitze oben. Nun zieht man vorsichtig die Nadel hoch und achtet darauf, dass der Knoten offen bleibt, bis der Faden ganz durchgezogen ist. So setzt man in Abstanden von etwa 5 mm Knoten nebeneinander. Durch Wenden, Auslassen von Bogen und mehrere Knoten in einem Bogen wird die Spitze gestaltet. Es ist ein Vorgehen wie beim Hakeln , aber filigraner. Was beim Hakeln die Luftmaschenkette oder das Stabchen ist, ist bei der Nadelspitze der Faden selbst, der nicht dunner als Knopflochgarn sein sollte. Der Faden muss einen starken Drall haben.

Oya geht auf altgriechisch ??, ??, ?α oa , deutsch ‚Rand, Randverzierung‘ [2] zuruck. Die Technik trat im vorgeschichtlichen Armenien auf. Abbildungen der armenischen Koniginnen mit dieser Spitze geschmuckt gehen bis ins 14. Jahrhundert zuruck. Geschichtlich tritt sie im 19. Jahrhundert in Form von bunten Bluten aus Seide in Erscheinung. In der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts ist sie im gesamten Osmanischen Reich, in Kleinasien, auf dem Balkan, den Inseln der Agais, in Palastina und Agypten zu finden. Wahrend in Europa Spitzen dem Adel vorbehalten waren, fand die Nadelspitze beim Volk große Verbreitung als Umrandung von Kopftuchern, Rander von Hemden und Handtuchern, aber auch Broschen, Beutel und Deckchen bis zu Tischdecken. Fur Frauen war diese Handarbeit eine sehr beliebte Beschaftigung.

Beim Kloppeln werden Faden nach einem bestimmten Muster verkreuzt bzw. verdreht, den sogenannten Schlagen. Auf rollenformigen (traditionell vor allem in Deutschland) oder flachen Kloppelkissen (traditionell vor allem Frankreich und Belgien) oder Kombination von beiden wird eine Musterzeichnung festgesteckt, der Kloppelbrief. Das Garn wird auf Kloppel gewickelt, mit Nadeln paarweise auf dem Kloppelsack befestigt und dann durch Kreuzen und Drehen der Kloppel verzwirnt , verflochten bzw. verwebt. Die Verkreuzungsstellen werden an den durch das Muster vorgegebenen Nadelpunkten mit dunnen Nadeln am Platz gehalten, bis ihre Position durch die nachfolgenden Schlage fixiert ist. Am Ende einer Kloppelarbeit wird diese mit Haar- oder Spezialspray (Neuzeit) oder Waschestarke fixiert.

  • Echte, also handgefertigte Kloppelspitzen werden traditionell in creme/weiß oder schwarz aus Leinen, Baumwolle oder aus cremefarbener Seide ( Blonde ) gemacht; heute werden auch farbige Faden verwendet. Das Kloppeln erfreut sich heute noch großer Beliebtheit und hat weltweit verschiedene Zentren. Im Erzgebirge, einem traditionellen Zentrum deutscher Spitzenherstellung, wird Handkloppelspitze noch gepflegt. Bekannte Kloppelspitzen sind etwa Mechelner, Brusseler, Honiton, Valenciennes, Torchon oder Schneeberger.
  • Mechelener Spitze: Rokokospitze, bei der ein starker Konturfaden aus Leinen das Muster umrandet.
  • Brusseler Spitze: Sie gibt es in Kloppel- und Nadeltechnik. Besonderes Merkmal ist die gesonderte Herstellung von Grund mit der Nadel und dem feinen Muster, welches gekloppelt wurde. Erkennungszeichen ist ihr feines bandartiges Relief. Sie wird auch Points d’Angleterre (englische Spitze) genannt, weil sie illegal nach England verschifft und dort als landeseigene Ware verkauft wurde.
  • Torchon: Ab der 2. Halfte des 19. Jahrhunderts, ursprunglich eine Kloppelspitze mit geometrischem Muster, die schließlich maschinell hergestellt wurde.

Technologische Begriffe bei Nadel- und Kloppelspitzen

  • Flechte/Flechtschlag ( Kloppeln ): Vier Fadenelemente werden kontinuierlich gekreuzt und gedreht.
  • Formenschlag (Kloppeln): Ein (aktiver) Faden wird uber drei passive Faden hin und her gefuhrt. Der Effekt ist der eines leinwandbindigen Gewebes mit Schusseffekt. Er dient zur Darstellung von rechteckigen Formen und Bandern.
  • Leinenschlag (Kloppeln): Ein (aktives) Fadenpaar wird durch mehrere (passive) Fadenpaare gefuhrt. Der Effekt ist der eines leinwandbindigen Gewebes.
  • Picot: Kleine Stabchen, die in der Nadel- und Kloppelspitze zur Auszier von Motiven, Stegen und Randabschlussen gearbeitet werden.
  • Steg: Bei Nadel- und Kloppelspitzen die Verbindung zwischen den Motiven. Fullen sie in der Nadelspitze eine großere Flache, spricht man von Steggrund.
Handgearbeitete Tullspitze

Ein maschinell gefertigter Tullgrund wird stickereiahnlich mit Faden durchzogen. Da diese Technik leicht maschinell nachgeahmt werden konnte, ist Tullspitze ? auch Webspitze oder Bobinetspitze genannt ? heute noch weit verbreitet und im Kurzwarenhandel zu finden.

Taschentuch mit Hakelspitze
Irische Hakelspitze

Hakelspitze ahmt die Muster der Nadelspitze in Hakeltechnik nach. Besonders bekannt ist die Irische Hakelspitze oder Irische Guipure, die im 19. Jh. der verarmten irischen Landbevolkerung ein Zubrot einbrachte.

Unter Csetneker Spitze versteht man eine bestimmte Technik der Hakelspitzenanfertigung. Dabei werden die mit Figur ausgestatteten Teile jeweils gesondert gehakelt, dann auf ein mit der Skizze des Spitzenmusters versehenes Papierblatt oder Gewebe angeheftet und mit einem in ihrer Position gehakelten Netzwerk befestigt.

Occhi (Frivolitaten)

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Occhi (ital. ?Augen“, auch bekannt als Frivolitatenarbeit oder Schiffchenspitze) wird aus einem Faden geknupft, der auf ein Schiffchen gewickelt wurde. Dabei werden ringformige (die ?Augen“) und bogenformige Figuren gebildet und untereinander zu großeren Formen verbunden.

bildet durchbrochene Muster in Stricktechnik .

Taschentuch mit Lochspitze
Richelieuarbeit

In feinen weißen Leinen- oder Baumwollstoff werden Locher gebohrt, geschnitten oder durch Fadenziehen gebildet und die Kanten der Locher dann mit weißem Garn dicht umstickt. Die Technik wurde v. a. in Sachsen besonders fein und kunstvoll ausgefuhrt, so dass das Produkt als Point de Saxe oder Dresden lace zum Exportschlager wurde.

Eine auch heute noch beliebte Form der Weißstickerei ist die sogenannte Richelieu- oder Ausschnittstickerei. Zuerst werden die Konturen der Motivteile mit einem Festonstich (auch Languetten- oder Schlingstich ) dick nachgestickt, anschließend werden dann bestimmte Teile ausgeschnitten. Stege in den Offnungen und eingestopfte Spinnen an den Kreuzungspunkten geben der Arbeit zusatzlichen Halt. [3]

Lochspitze (auch Bohrspitze, Baumwoll- oder Waschespitze genannt) ist eine Unterart der Weißstickerei. In eine Grundlage aus weißem Batist werden mit einer Ahle runde Locher gebohrt und dann dicht mit einem weißen Baumwollfaden umstickt. Lochspitze war Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts als Randverzierung an Unterwasche beliebt, daher der Name ?Waschespitze“. Die maschinell gefertigte Variante nennt man Bohrspitze; sie ist heute noch u. a. im Kurzwarenhandel zu finden.

Maschinenspitze

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Voraussetzung fur die mechanische Herstellung von Spitzen war die Erfindung der Strumpfwirkmaschine von William Lee 1589 in England. Allerdings konnte erst 200 Jahre spater eine erste zufriedenstellende Maschinenspitze hergestellt werden. Entscheidend hierfur war ein Patent von Thomas und John Morris und William Betts 1764. Es war nun moglich, ein tullartiges Netz auf der Maschine zu produzieren. Diese Erfindung wurde allerdings nicht weitergefuhrt.

Erst mit der Erfindung der Bobinettullmaschine von John Heathcoat 1808 konnte ein glatter ungemusterter Tull gefertigt werden. Dieser wurde dann durch Handstickerei verziert. 1828 erfand Josua Heilmann die erste mechanische Stickmaschine, die die Arbeit der Handstickerinnen ersetzte. [4]

Maschinengekloppelte Spitze

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Maschinell auf der Spitzenkloppelmaschine hergestellte Spitze hat einfache geometrische Formen mit meist volkstumlicher Musterung. Sie wird oft als ?Torchon lace“ bezeichnet und ist nur schwer von der handgekloppelten Spitze zu unterscheiden. Zu den bedeutenden deutschen Produktionsstandorten gehort seit den Anfangen um 1900 die Stadt Wuppertal .

Maschinengekloppelte Spitze
Stickmaschine

Luftspitze/Atzspitze

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entsteht durch maschinelles Ubersticken eines Stoffgrundes und anschließendes Beseitigen des uberflussigen, nicht uberstickten Grundes. Das Ergebnis ist ein durchbrochener Stoff, der aus einer gewissen Entfernung aussieht wie Nadelspitze. Heute besteht der Stickgrund aus einem wasserloslichen bzw. nicht temperaturbestandigen Material.

Applikationsspitze

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Auf einen maschinell gefertigten Netzgrund werden handgekloppelte Elemente aufgenaht.

Immaterielles Kulturerbe der Menschheit

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Das Anfertigen von Spitzen wurde bereits mehrfach in der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit berucksichtigt. 2009 wurde Kroatiens Antrag angenommen, [5] der Nadelspitze aus Pag ebenso enthalt wie Kloppelspitze aus Lepoglava und Aloe -Spitze aus Hvar . Das Material fur diese Variante wird aus jungen Aloeblattern gewonnen. Im gleichen Jahr wurden die zypriotischen Lefkaritiko in das Weltkulturerbe eingeschrieben. [6] In diesen Arbeiten werden Hohlsaum, Schnittarbeiten, Satinstichfullungen und Nadelspitzenkanten verbunden. Ein Antrag Frankreichs wurde 2010 berucksichtigt, indem die ?Handwerkskunst der Nadelspitze in Alencon “ anerkannt wurde. [7] 2018 kam ?Herstellung von Kloppelspitze aus Slowenien“ hinzu. [8] In diesem Antrag wird die kreative und therapeutische Seite der Arbeit hervorgehoben.

Literatur zur Nadelspitze

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  • Priscilla Armenian Lace Book. The Priscilla Publishing Co., Boston, Mass. 1923 ( antiquepatternlibrary.org ).
  • Alice Odian Kasparian: Armenian Needlelace and Embroidery: A Preservation of Some of History’s Oldest and Finest Needlework. EPM Publications Inc., McLean, Va. 1983, ISBN 0-914440-65-9 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Filet. In: Handarbeitstechnik. Band 4. Verlag fur die Frau, Leipzig, S. 49?51 ( booklooker.de ).
  • Elena Dickson: Knotted Lace in the Eastern Mediterranean Tradition. Illustrierte, uberarbeitete Ausgabe. Sally Milner Pub., Burra Creek, N.S.W. 2000, ISBN 1-86351-121-0 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Gerard J. Maizou, Kathrin Muller: OYA. Von osmanischer Mode zu turkischer Volkskunst. Hrsg. von der Gesellschaft der Freunde Islamischer Kunst und Kultur e. V., Munchen 2011, ISBN 978-3-00-034471-8 ( freunde-islamischer-kunst.de [27. Mai 2011, zuletzt aktualisiert am 7. April 2013]).
  • Midori Nishida, CRK Design: The Beaded Edge. Inspired designs for crocheted edgings and trims. Interweave, Loveland, CO 2011, ISBN 978-1-59668-300-6 .
  • Midori Nishida, CRK Design: The Beaded Edge 2: More Inspired Designs for Crocheted Edgings and Trims. Interweave, Loveland, CO 2012, ISBN 978-1-59668-559-8 .
  • Beyhan Ecevit, Kader Demirpehlivan: Acıklamalı ??ne Oyası Rehberi. Tuva, Istanbul 2013, ISBN 978-605-5647-54-4 ( tuvayayincilik.com ( Memento vom 27. Januar 2019 im Internet Archive )).
  • Elisabeth Hamel: Nadelspitze. Eine alte Technik aus dem Orient neu angewandt. Leopold Stocker Verlag, Graz 2018, ISBN 978-3-7020-1746-0 .
  • Die Wiener Spitzenausstellung 1906. Hrsg. vom k.k. Osterreichischen Museum fur Kunst und Industrie in Wien in zwei Teilen, 30 [60 sic!] Lichtdrucktafeln und Einleitung von Dr. M. Dreger . In: Ornamentale und kunstgewerbliche Sammelmappe. Serie IX und X. Verlag von Karl W. Hiersemann, Leipzig 1906.
  • Marie Schuette : Alte Spitzen. Nadel- und Kloppelspitzen. Ein Handbuch fur Sammler und Liebhaber. Berlin 1913; Klinkhardt & Biermann, Munchen 1981.
  • Marie Schuette: Spitzen von der Renaissance bis zum Empire. Die Sammlung Helene Vieweg-Brockaus. Karl W. Hiersemann, Leipzig 1929, DNB 362555869 .
  • Friedrich Schoner: Spitzen. Enzyklopadie der Spitzentechniken. VEB Fachbuchverlag, Leipzig 1982 (4. Auflage. Ebenda 1988, ISBN 3-343-00273-9 ).
  • Willy Erhardt: Das Gluck auf der Nadelspitze. Vogtland-Verlag, Plauen 1995, ISBN 3-928828-13-4 .
  • Ingrid Loschek : Reclams Mode und Kostumlexikon. 5., aktualisierte und erweiterte Ausgabe, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-010577-3 (6., erw. und akt. Auflage. Ebenda 2011, ISBN 978-3-15-010577-1 ).
  • Beate Schad: Maschinenspitze-Tradition und Innovation. Internationale Fachtagung am 27. Oktober 2011 in Plauen
  • Birgitt Borkopp-Restle (Hrsg.): Textile Schatze aus Renaissance und Barock aus den Sammlungen des Bayerischen Nationalmuseums. Hrsg. von Renate Eikelmann . Bayerisches Nationalmuseum, Munchen 2002, ISBN 3-925058-48-6 (Bestandskatalog).
  • Skript zum Spitzenkurs von Thessy Schoenholzer-Nichols an der TU Munchen , Lehrstuhl fur Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft, Februar 2002.
Commons : Spitze  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Ingrid Loschek : Reclams Mode und Kostumlexikon. 5., aktualisierte und erweiterte Ausgabe. Stuttgart 2005, Stichwort ?Spitze“.
  2. ?α. In: perseus.tufts.edu, abgerufen am 28. November 2020.
  3. Eintrag in: Jutta Lammer: Das grosse Ravensburger Lexikon der Handarbeiten. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1983, ISBN 3-473-42363-7 , S. 250.
  4. Beate Schad: Maschinenspitze-Tradition und Innovation. Internationale Fachtagung am 27. Oktober 2011 in Plauen.
  5. Lacemaking in Croatia. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2009, abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).
  6. Lefkara laces or Lefkaritika. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2009, abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).
  7. Craftsmanship of Alencon needle lace-making. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2010, abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).
  8. Bobbin lacemaking in Slovenia. UNESCO Intangible Cultural Heritage, 2018, abgerufen am 3. Februar 2024 (englisch).