Sonderforschungsbereich 1120 ?Bauteilprazision durch Beherrschung von Schmelze und Erstarrung in Produktionsprozessen“

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Der Sonderforschungsbereich 1120 (SFB 1120) ist ein an der RWTH Aachen angesiedelter Sonderforschungsbereich , bei dem sich verschiedene Institute zusammengefunden haben, um gemeinsam an der Thematik ?Bauteilprazision durch Beherrschung von Schmelze und Erstarrung in Produktionsprozessen“ zu arbeiten.

Bei der Herstellung hochpraziser Bauteile durch Fertigungsverfahren, bei denen der zu bearbeitende Werkstoff eine schmelzflussige Phase durchlauft, werden Geometrie und Oberflache des Bauteils durch die Bedingungen des Schmelzflusses und der Schmelzerstarrung bestimmt. Ziel der Zusammenarbeit im Sonderforschungsbereich ist es, fur schmelzbehaftete Fertigungstechnologien Maßnahmen zur Erhohung und Erzielung der Prazision abzuleiten. Prazision beschrankt sich dabei nicht nur auf kleine Bauteile, sondern umfasst zudem oft große Bauteile, bei denen eine hohe Fertigungsprazision mit einer verkurzten Prozesskette ohne Nacharbeit durch die hohen Bauteilkosten besondere wirtschaftliche Vorteile nach sich zieht. Neben konstruktiven sowie fertigungstechnischen Faktoren beeinflussen dabei vor allem thermische Effekte die Genauigkeit eines Bauteils. Diese thermischen Effekte resultieren aus Erstarrungsvorgangen, Warmeubergang zwischen Schmelze und Werkzeug, Warmeableitung im Bauteil sowie durch Kristallisationsprozesse und Gefugeanderungen .

Der Sonderforschungsbereich

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Das Ziel des Sonderforschungsbereiches ist es, fur schmelzebasierte Fertigungstechnologien (Urformen, Fugen, Trennen, Generative Fertigung, Beschichten) eine Strategie zu entwickeln, mit der die Prazision um mindestens eine Großenordnung bezogen auf Geometriefehler, innere Bauteilfehler und Oberflachengenauigkeiten gesteigert werden kann.

Eine Hauptforderung der produzierenden Unternehmen ist hochste Prazision in der Fertigung in moglichst einfachen Prozessketten und wenigen Prozessschritten, um zu wettbewerbsfahigen Kosten eine stabile und nachhaltige Produktion in Hochlohnlandern wie Deutschland erhalten und ausbauen zu konnen.

Zentrale Fragen die die Umsetzung dieses Vorhabens betreffen, beziehen sich auf die physikalischen Effekte und Prozesse die die Schmelz- und Erstarrungsprozesse beeinflussen, wie deren Interaktion bezogen auf die erzielbare Prazision ist und sich diese Prozesse selektiv und pradiktiv zur Erhohung der Bauteilprazision beeinflussen lassen. Das zentrale Ergebnis des Sonderforschungsbereiches ist die multiskalige Beherrschung der Schmelze und eine pradiktive Prozessfuhrung bei schmelzebasierten Fertigungsprozessen, ausgehend von der Schmelzeentstehung uber den Schmelzefluss bis zur Erstarrung als Voraussetzung fur die Erhohung der Prazision und die Vermeidung von Prozessfehlern in und an schmelztechnisch hergestellten Bauteilen.

Organigramm des Sonderforschungsbereichs 1120

Dem Vorstand ist eine Geschaftsfuhrung bestehend aus Geschaftsfuhrung als auch Finanzgeschaftsfuhrung zugeordnet, die sowohl die finanziellen Belange des SFB regeln, als auch fur organisatorische Fragen, wie Workshops, Summerschools, Kooperationen mit anderen Forschungsgruppen, Veroffentlichungen und Veranstaltungen und ahnliches zustandig sind. Fur die wissenschaftliche Ausrichtung ist dem Sonderforschungsbereich ein externer Beirat zugeordnet, der im Wesentlichen aus Industrievertretern besteht, aber auch Vertreter aus anderen Forschungsinstitutionen aufweisen kann.

Die folgenden zehn Einrichtungen der RWTH Aachen sind am Sonderforschungsbereich beteiligt:

  • Institut fur Oberflachentechnik IOT
  • Institut fur Schweißtechnik und Fugetechnik ISF
  • Lehrstuhl fur Computergestutzte Analyse Technischer Systeme CATS
  • Lehr- und Forschungsgebiet Nichtlineare Dynamik der Laser-Fertigungsverfahren NLD
  • Lehrstuhl fur Lasertechnik LLT
  • Institut fur Kunststoffverarbeitung IKV
  • Lehrstuhl fur das gesamte Gießereiwesen und Gießerei-Institut GI
  • Lehrstuhl fur Mikrostrukturanalytik und Gemeinschaftslabor fur Elektronenmikroskopie GFE
  • ACCESS e. V. An-Institut an der RWTH Aachen ACCESS
  • Graduiertenschule am Aachen Institute for Advanced Study in Computational Engineering Science AICES
  • Lehrstuhl fur Digitale Additive Produktion DAP

Industriebeirat

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Fur die wissenschaftliche Ausrichtung des Forschungsprogramms wird dem Sonderforschungsbereich ein externer Industriebeirat als strategisches Beratungsgremium zugeordnet. Der Industriebeirat besteht im Wesentlichen aus ausgewiesenen Personlichkeiten aus der industriellen Forschung und Entwicklung, kann aber auch international renommierte Vertreter aus anderen Forschungsinstitutionen aufweisen (Industrievertretern). Er wird fur eine Forderperiode von vier Jahren durch den Vorstand berufen und hat derzeit 23 Mitglieder. Der Industriebeirat beobachtet und begleitet die Umsetzung der zentralen Forschungsfragen sowie die allgemeine Entwicklung des SFBs hinsichtlich der wissenschaftlichen und insbesondere der anwendungsorientierten Forschung und berat den Vorstand in allen Fragen, welche die konzeptionelle Weiterentwicklung betreffen. Sowohl Hilfen in der Zieldefinition in den einzelnen Teilprojekten als auch eine wissenschaftlich-technische Bewertung der Forschungsergebnisse werden durchgefuhrt. Neben der Reflexion der Inhalte des SFB unterstutzt der Industriebeirat insbesondere den fruhen Erkenntnistransfer in die Wirtschaft. Der Transfer wird dabei inhaltlich stark durch die dem Industriebeirat ubermittelten Berichte bestimmt, wobei die aktuellen Erkenntnisse gemeinsam mit dem Vorstand in regelmaßigen Sitzungen zur Diskussion gestellt werden.

Zur Umsetzung des skalen- und prozessubergreifenden Ansatzes zur Analyse, Beschreibung und Beherrschung der ablaufenden und sich gegenseitig beeinflussenden Teilvorgange bei schmelzebasierten Fertigungsprozessen sowie zur Erforschung geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung von Prozessfehlern wird die Arbeit des SFB in zwei Projektbereiche und drei thematische Saulen untergliedert. Die thematischen Saulen stellen dabei den Kern des Sonderforschungsbereiches dar, der den grundsatzlichen Ansatz Analysieren, Verstehen, Beherrschen widerspiegelt.

Die beiden Projektbereiche tragen mit ihren unterschiedlichen Großenskalen, Verfahren und Werkstoffen zu einem gesamtumfassenden Bild des Verstandnisses und der Kontrolle schmelzebasierter Fertigungsprozesse bei.

Projektbereich A

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Mikroskalige Schmelzdimension

Im Projektbereich A widmen sich die geplanten Projekte mikroskaligen Schmelzdimensionen, bei denen lediglich ein kleiner Teilbereich des Bauteils in eine schmelzflussige Phase ubergeht. Entsprechend liegen die Schwerpunkte dieses Projektbereiches in der schnellen Zufuhrung der Energie sowie in den Einflussen schneller Erstarrung durch die Warmeabfuhr in das Massivbauteil sowie starker Gradienten in Temperatur und Oberflachenspannung. Beides fuhrt zu hohen antreibenden Kraften in der schmelzflussigen Phase sowie zu inneren Spannungen nach der Erstarrung.

Projektbereich B

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Makroskalige Schmelzdimension

Der Projektbereich B befasst sich mit dem Schwerpunkt makroskaliger Schmelzevolumina, bei denen das gesamte Bauteilvolumen schmelzflussig ist und das Massivbauteil innerhalb einer Form erst nach Erstarrung entsteht. Hier werden die Verfahren Druckguss, Kokillenguss und Spritzguss betrachtet, bei denen Fragen zur Prazision vor allem von der Ableitung der thermischen Energie durch die Form, den hierbei auftretenden Gradienten, partiellen Erstarrungsvorgangen sowie dem jeweiligen Design der Bauteile abhangen.

Arbeitskreisgruppen

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In der wissenschaftlichen Struktur des Sonderforschungsbereiches wird neben den beiden prozessspezifischen Projektbereichen eine Arbeitskreisstruktur angelegt, die sich den technologischen und methodischen Fragen der Analyse, der Prozessbeschreibung und der Kompensation bzw. Steuerung und Regelung von Prozessparametern und thermischen bzw. werkstofflichen Effekten widmet.

Es bestehen insgesamt drei Arbeitskreisgruppen (Diagnose, Modellbildung, Kompensation), von denen jede in vier Arbeitskreise aufgeteilt ist.

Die Arbeitskreisgruppe ?Diagnosemethoden“ befasst sich mit der Diagnostik und Analyse des Schmelzeflusses, des Warmeflusses und der zeitlichen und ortlichen Ausbildung des Erstarrungsvorgangs. Die Diagnose der einzelnen Teilprozesse der schmelzebasierten Verfahren ist Voraussetzung fur eine quantitative Modellierung der Prozesse in Abhangigkeit von den jeweiligen Einflussfaktoren und soll einen wichtigen Beitrag zum Verstandnis und zur Bewertung der Prozesse und Prozessparameter liefern. Mit in-situ -Methoden, die nicht nur die Oberflache eines Prozesses abbilden, sondern auch die innere Struktur in und an der Schmelze, sollen Aussagen zum Energietransfer, zur Erstarrungsdynamik, zur Durchmischung und zum Aufbau innerer Spannungen gewonnen werden.

Die Arbeitskreisgruppe ?Modellbildung und Simulation“ befasst sich mit den unterschiedlichen Methoden zur Beschreibung und qualitativen wie quantitativen Modellierung der verschiedenen schmelzebasierten Prozesse. Uber dynamische Anpassung der Modellierungsrandbedingungen und Simulationsdiskretisierungen sollen einerseits Rechenzeiten verkurzt und andererseits die Genauigkeit der Beschreibungsergebnisse erhoht werden.

Die Arbeitskreisgruppe ?Kompensationsmethoden“ befasst sich mit dem Steuern des Schmelzeflusses, der gezielten prozessabhangigen Modifikation des Warmeflusses und damit der Manipulation des Erstarrungsvorgangs. Daruber hinaus werden in diesem Arbeitskreis Mechanismen zur Kompensation auftretender Fehler in Bezug auf Verzug, Lunker -Bildung, Ausbildung von Oberflachenfehlern und anderen qualitatsmindernden Effekten bei schmelzbasierten Fertigungsprozessen diskutiert. Entsprechend der Struktur des SFBs spiegelt diese AKG die Moglichkeiten zur Erfullung der Zielsetzung bzgl. Verringerung der Fehlerrate und Verbesserung der Fertigungsgenauigkeit wider.

Nachwuchsforderung

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Ab Sommer 2017 haben Abiturientinnen und Abiturienten die Moglichkeit, sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in einem individuell gestaltbaren Praktikum an den am SFB 1120 beteiligten Instituten zu orientieren und einen Einblick in die Welt der Werkstoff- und Produktionstechnik zu bekommen.

Den Abiturientinnen und Abiturienten soll mit diesem Angebot die Moglichkeit gegeben werden, erste praktische Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern knupfen zu konnen. Insbesondere sehr jungen Schulabgangern ermoglicht der im Rahmen des SFB 1120 geleistete Bundesfreiwilligendienst, sich zu orientieren und die Richtung ihrer kunftigen Entwicklung auszuloten. Die wissenschaftlich-technischen Tatigkeiten konnen in drei- bis sechsmonatigen Einheiten abgehalten werden und werden durch zuverlassiges wissenschaftliches Fachpersonal betreut. Das Spektrum moglicher Tatigkeiten erstreckt sich von der Planung und Durchfuhrung von Versuchen, uber die Wartung und Instandhaltung von Geraten und Anlagen, bis hin zur Dokumentation der erzielten Ergebnisse.

Einrichtungen, an denen im Rahmen des BFD die wissenschaftlich-technische Tatigkeit vorgenommen werden kann, sind folgende Institute des SFB 1120 und der RWTH Aachen:

  • CATS (Lehrstuhl fur computergestutzte Analyse technischer Systeme)
  • IKV (Institut fur Kunststoffverarbeitung)
  • IOT (Institut fur Oberflachentechnik)
  • ISF (Institut fur Schweißtechnik und Fugetechnik)
  • LLT (Lehrstuhl fur Lasertechnik)