Sirimavo Ratwatte Dias Bandaranaike
(*
17. April
1916
in
Balangoda
; †
10. Oktober
2000
bei
Colombo
) war eine
sri-lankische
Politikerin
aus der Bevolkerungsmehrheit der
Singhalesen
. Sie war die
erste frei gewahlte Regierungschefin der Erde
.
Bandaranaike hatte drei Mal das Amt des
Premierministers
Ceylons bzw. Sri Lankas inne, in den Jahren 1960?1965, 1970?1977 und 1994?2000. Sie war Vorsitzende der
Sri Lanka Freedom Party
. Ihr Ehemann war der fruhere Premierminister
S. W. R. D. Bandaranaike
. Ihre Tochter
Chandrika Kumaratunga
war von 1994 bis 2005 Prasidentin des Landes.
Nach der Ermordung ihres Ehemanns durch einen politisch radikalen buddhistischen Monch im September 1959 kam es zunachst zu einer Phase der politischen Instabilitat. Unter Interimspremier
Dahanayake
fiel die Regierungskoalition auseinander, so dass fur den Marz 1960 Neuwahlen ausgerufen wurden. Die von ihrem Mann gegrundete und 1956 von ihm zum Wahlsieg gefuhrte SLFP bat Sirimavo Bandaranaike um Auftritte im Wahlkampf. Obwohl diese ein positives Echo hervorriefen, wurde die SLFP nur zweitstarkste Partei hinter der UNP (
United National Party
), die eine
Minderheitsregierung
unter
Senanayake
bildete. Da diese aber ohne Unterstutzung im Parlament blieb, mussten bereits fur den Juli erneute Neuwahlen ausgerufen werden.
Aus diesen Wahlen am 20. Juli 1960 ging die SLFP mit Sirimavo Bandaranaike als Spitzenkandidatin als klare Siegerin hervor und diese ubernahm damit als weltweit erste Frau das Amt des Premierministers. Sirimavo Bandaranaike, die den Vorsitz ihrer Partei bis zu ihrem Lebensende im Jahr 2000 beibehalten sollte, fuhrte die
sozialistische
Politik ihres Mannes fort und
verstaatlichte
Unternehmen in wirtschaftlichen Schlusselsektoren wie dem Banken- und Versicherungsbereich. Auf Grund der instabilen okonomischen und politischen Lage des Landes rief sie noch im selben Jahr den
Notstand
aus. Als Folge ihrer Entscheidung, Englisch als Amtssprache abzuschaffen und generell durch
Sinhala
, die Sprache der singhalesischen Bevolkerungsmehrheit, zu ersetzen, kam es zu einer Kampagne des
zivilen Ungehorsams
durch Angehorige der
tamilischen
Minderheit. Viele Tamilen betrachteten die Sprachgesetze als diskriminierend und als Versuch, sie vom Zugang zur Beschaftigung im Staatsdienst und zu den Gerichten und Amtern auszuschließen. Dieser ?singhalesische Chauvinismus“ war eine der Ursachen fur den spateren Zusammenschluss mehrerer tamilischer Parteien zur
Tamil United Liberation Front
(TULF), die die Schaffung eines eigenen tamilischen Staates (
Tamil Eelam
) im Norden und Osten der Insel forderte.
Weitere Probleme erwuchsen Bandaranaikes Regierung, als sie auslandische Unternehmen verstaatlichte. Vor allem die
USA
und
Großbritannien
reagierten scharf und verhangten ein
Embargo
uber auslandische Hilfen fur das damals noch Ceylon genannte Land. In der Folge fuhrte sie die Politik des Landes zwar naher an
China
und die
Sowjetunion
heran, Ceylon blieb aber ein
blockfreier Staat
.
1963 konnte sie einen
Militarputsch
abwehren, verlor aber 1964 eine Vertrauensabstimmung und auch die darauf folgende Wahl. Bereits bei den nachsten Wahlen im Jahr 1970 gewann sie mit großem Vorsprung die Mehrheit zuruck und wurde erneut als Premierministerin vereidigt.
Wahrend ihrer zweiten Amtsperiode wurde eine neue
Verfassung
beschlossen, mit der neben anderem der Name des Landes von
Ceylon
auf
Sri Lanka
geandert wurde. Die Verbindungen zur fruheren Kolonialmacht Großbritannien wurden fast zur Ganze aufgelost. Schon 16 Monate nach der Wahl ware ihre Regierung beinahe durch einen bewaffneten Aufstand linksgerichteter Gruppen gesturzt worden. Die kleine, vor allem fur zeremonielle Zwecke ausgerustete
Armee
des Landes war nicht in der Lage, die Situation zu beruhigen. Bandaranaike bat die Regierungen befreundeter blockfreier Staaten um Hilfe.
Indien
und
Pakistan
schickten gemeinsam Truppen nach
Colombo
, denen es gelang, den Aufstand niederzuschlagen.
Die
Olkrise
1973 traf die Wirtschaft Sri Lankas schwer. Westliche Hilfe war wegen des andauernden Embargos nicht zu erwarten und die Wirtschaftspolitik der Regierung zeigte kaum Wirkung. Bandaranaike selbst erwies sich Kritik gegenuber als zunehmend intolerant und veranlasste schließlich sogar die Schließung unabhangiger Medien, die zu ihren scharfsten Kritikern gehorten. Schon fruher hatte sie die großte Zeitung des Landes (?Lake House“) verstaatlicht, die fortan als Sprachrohr der Regierung diente.
1976 wurde Bandaranaike zur Vorsitzenden der Bewegung der blockfreien Staaten gewahlt. Wahrend sie international weitgehend anerkannt und respektiert wurde, verlor sie allerdings in ihrer Heimat zusehends an Ruckhalt in der Bevolkerung, insbesondere nachdem sie sich mit dem Vorwurf der Korruption konfrontiert sah und die Wirtschaft des Landes in eine immer tiefere Krise glitt. Die Wahlen 1977 verlor Sirimavo Bandaranaike mit großem Abstand. 1980 wurde ihr wegen Amtsmissbrauchs fur sieben Jahre das Recht zur Ausubung eines offentlichen Amtes aberkannt.
Wahrend der folgenden 14 Jahre verblieb sie in der Opposition und wehrte, obwohl ihre Partei keine Wahl gewinnen konnte, immer wieder Versuche ab, sie von der Spitze der Partei zu verdrangen, darunter auch die ihrer eigenen Kinder. Ihrer Tochter Chandrika Kumaratunga gelang es schließlich im Jahr 1994, ihre Mutter zu uberflugeln, als sie zur Prasidentin Sri Lankas gewahlt wurde. Zugleich trat Sirimavo Bandaranaike ihre dritte Amtszeit als Premierministerin an. Sie verblieb in diesem Amt bis zwei Monate vor ihrem Tod im Jahr 2000.
- Birgit Muller:
Sirimavo Bandaranaike (Sri Lanka).
In: Elke Wandel (Hrsg.):
Witwen und Tochter an der Macht: Politikerinnen der Dritten Welt
(= Rororo, 8874). Rowohlt TB, Reinbek bei Hamburg. 1991,
ISBN 3-499-18874-0
, S. 37?55.