Der Ausdruck
Signifikat
(franzosisch
signifie
) oder
Signatum
, deutsch auch
Bezeichnetes
, bezeichnet in der
strukturalistischen
Sprachwissenschaft
(Linguistik) und Zeichentheorie (
Semiotik
) die
Inhaltsseite
eines
Zeichens
? gegenuber dessen
Ausdrucksseite
als
Bezeichnendem
oder
Signifikant
. Beide, sowohl Signifikat als auch Signifikant, sind vom
Gegenstand
und dem
wirklichen
Ding
zu unterscheiden.
Im
semiotischen Dreieck
, dem vereinfachten Modell fur Beziehungen eines Zeichens, wird dessen Ausdruck (Signifikant) vermittels seines Inhalts (Signifikat) auf einen Gegenstand (Referenzobjekt) bezogen, sodass der Ausdruck auf den Gegenstand verweist (referiert). Diese vermittelnde Inhaltsseite wird mit
unterschiedlicher Terminologie
als das Signifikat, das Signatum, das Bezeichnete, das
Denotat
, der Inhalt, der
Begriff
oder die
Bedeutung
aufgefasst,
[2]
beziehungsweise als der
Sinn
oder als mentales Bild einer Vorstellung.
Hingegen ist der
Signifikant
als außerlich fassbare Form die Ausdrucksseite eines Zeichens, etwa ein
Lautbild
, eine
Zeichenkette
von Buchstaben einer
Schrift
oder auch eine verabredete
Gebarde
. In einer Sprache ist einem bezeichnenden Ausdruck ein bezeichneter Inhalt zugeordnet, als das innerlich auffassbare
Signifikat
. So kann ein sprachlicher Ausdruck wie
Apfel
mit der mentalen Vorstellung eines Apfels verknupft werden.
[3]
Diese Verknupfung von Bezeichnendem und Bezeichnetem ist ? so
Ferdinand de Saussure
, der die Begriffe von Signifikant und Signifikat entscheidend gepragt hat ? willkurlich (
arbitrar
) und wird durch
Konvention
festgelegt. Das Signifikat des Wortes
Augapfel
gleicht beispielsweise dem von
Bulbus oculi
.
Andererseits kann ein gleicher Signifikant in Verbindung mit unterschiedlichen Signifikaten auftreten.
Zum Beispiel wird ein Wort wie
Hut
schriftlich als Folge von drei Buchstaben angegeben, die eine Abfolge von Lauten wiedergeben konnen. Mit diesem Zeichenausdruck konnen im Deutschen allgemein die Bedeutungen von ?Schutz“ oder ?Bedeckung“ verbunden werden. Dabei kann mit
der Hut
beispielsweise eine ?Art von Kopfbedeckung“ gemeint sein, mit
die Hut
aber eine ?Art von Obhut“. Das
artikulierte Gerausch
, das vom Sprecher erzeugt wurde, ist der realisierte Signifikant. Fur einen Sprecher ist der sprechbare Ausdruck auch dann Signifikant, wenn er nicht mit
Phonation
ausgesprochen wird, sondern etwa dessen Lautbild empfunden, vorgestellt, gedacht wird.
An welche ?Art von
Kopfbedeckung
“ beispielsweise dabei die Sprechenden jeweils denken ? sei es der
Hut
, oder
Akubra
,
Bergere
,
Borsalino
,
Chapeau Claque
,
Dreispitz
,
Fedora
,
Florentinerhut
,
Glockenhut
,
Homburg
,
Kalabreser
,
Kastorhut
,
Melone
,
Panamahut
,
Porkpie
,
Schuhut
,
Schute
,
Sombrero
,
Stetson
,
Strohhut
,
Topfhut
,
Zylinder
et cetera
? ist ein Signifikat. Ob eben dieses, was der
Sprecher
sich
vorstellt
, wenn er
Hut
sagt
oder
schreibt
, auch beim
Horer
oder
Leser
zum Signifikat wird, ist eine Frage der sprachlichen Interaktion, denn versprachlichende Menschen konnen eigene Vorstellungen bilden. Manche
Missverstandnisse
werden erst in Situationen mit
Handlungsvollzug
offenbar (siehe auch
Pragmatik
).
Der Zusammenhang zwischen Bezeichnetem (Signifikat, Zeicheninhalt) und Bezeichnendem (Signifikant, außere Zeichenform) ist beliebig oder
arbitrar
. Beliebig bedeutet hier nicht, dass jede Person frei einen Signifikanten fur ein Signifikat aussuchen kann, sondern dass die ursprungliche Festlegung eines Zeichens unmotiviert ist. Zeichen fur die
Kommunikation
zwischen Menschen bedurfen der ?Verabredung“, einer
Konvention
. Ist das Zeichen erst einmal zur Konvention geworden, bleibt es mehr oder weniger fest zugeordnet.
[4]
Dennoch ist
Bedeutung
eines
Zeichens
mehr oder weniger uber die gesamte
Signifikantenkette
verteilt. Die
Sprache
ist ahnlich der
Musik
ein Vorgang in der Zeit (
Zeitpfeil
). Bei der Versprachlichung ist der Sprachproduzent nicht in der Lage, alle Worte gleichzeitig zu artikulieren oder zu rezipieren.
Der
Sinn
eines versprachlichten, gesprochenen oder geschriebenen
Satzes
lasst sich nicht erfassen, indem man ein
Wort
und seine Bedeutung an das nachste fugt. Damit die Worter einen relativ koharenten Sinn ergeben konnen, muss jedes Wort eine inhaltliche Verkettung zum vorangegangenen Wort erzeugen oder in sich tragen und sich fur Verknupfungen zu den nachsten Wortern freihalten; sich zu einem
Text
verbinden. Jedes Zeichen ist in dem
sprachlichen Netz
von einem anderen abhangig.
Die Bedeutung konstituiert sich nur fur den augenblicklichen, situativen
Kontext
, wenn man in einem bestimmten Moment das Wort ≪Hut≫ vernimmt, dann kann das fur denselben
Rezipient
zu einem spateren Zeitpunkt eine vollig andere Bedeutung haben.
Das Zeichen als solches immer reproduzierbar, etwa die Lautfolge, der
Phoneme
≪
h
,
u
,
t
≫ hingegen ist die Identitat des Zeichens aufgesplittert, da es immer wieder in einem neuen kommunikativen Kontext wiederholt werden kann, der seine Bedeutung verandert.
- ↑
Johannes Kabatek; Claus D. Pusch:
Spanische Sprachwissenschaft.
Narr Francke Attempto, Tubingen 2009,
ISBN 978-3-8233-6404-7
, S. 43?45
- ↑
Hadumod Bußmann
(Hrsg.):
Lexikon der Sprachwissenschaft.
3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Kroner, Stuttgart 2002,
ISBN 3-520-45203-0
, S. 123.
- ↑
Roland Harweg
:
Studien zum Verbum und seinem Umfeld. Aufsatze.
Sprache-Kommunikation-Wirklichkeit, Linguistische Studien zur Semantik und Pragmatik, Bd. 7, LIT, Berlin 2014,
ISBN 978-3-643-12597-2
, S. 19
- ↑
Serebrinnikow:
Allgemeine Sprachwissenschaft.
Band 1, Existenzformen, Funktion und Geschichte der Sprache, Wilhelm Fink, Verlag Munchen/Salzburg, S. 79ff.