Die
Signaturenlehre
oder
Lehre von den Signaturen
(lateinisch
signatura rerum
; von
signare
?bezeichnen, kennzeichnen“) ist die Lehre von den Zeichen in der Natur, die als Merkmale auf Ahnlichkeiten, Verwandtschaften und innere Zusammenhange hinweisen.
Analogien
bestehen demnach zwischen Form, Farbe, Charakter, Geruch, Geschmack, Standort, Entstehungszeit,
humoralpathologischen
und
astrologischen
Zuordnungen und vielen weiteren Aspekten. Die Signaturenlehre beruht auf einem kosmischen Denken in Entsprechungen (
universale Sympathie
bzw.
Mikrokosmos-Makrokosmos
-Lehre) ? eine
Bohne
habe eine Heilwirkung bei Nierenleiden; die Form der
Walnuss
pradestinierte sie fur Behandlungen des Gehirns; der gelbe Saft des
Schollkrauts
wirke bei
Gelbsucht
? und ist als typische Denkform nicht-naturwissenschaftlicher Welterklarungsmodelle weltweit zu finden. Als Prinzip herrscht sie in der Mehrzahl traditioneller Heillehren, die solche Kosmologien als Rahmen voraussetzen.
Die Signaturenlehre fand bereits im
Altertum
weite, unter anderem auch im alten
[2]
China, Anwendung und war im spaten Mittelalter in einer prototypischen Form als Denkungsart bereits stark verbreitet,
[3]
geht aber in ihrer konkreten schriftlichen Formulierung in Europa auf
Paracelsus
[4]
(etwa bei der Ergrundung der
Arcana
[5]
) und den neapolitanischen Arzt und
Alchemisten
Giambattista della Porta
(1538?1615) zuruck, der in seinem Buch
Phytognomonica
(eine ?
Physiognomik
der Pflanzen“) anhand von Signaturen ein System von Zusammenhangen zwischen Pflanzen, Tieren und Gestirnen aufzeigt.
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Die Signaturenlehre beruht auf der Grundannahme, dass samtliche Erscheinungen und Wesen miteinander in Beziehung stehen. Sie bilden quer zu der Einteilung in
Gattungen
und
Arten
Verwandtschaftssysteme mit gleichartigen Eigenschaften. Etwas modifiziert, aber mit gleichen Folgerungen, bestand die Signaturenlehre unter den Vorzeichen des Christentums: Die Welt war von Gott vollkommen und auf den Menschen hin geschaffen. Die Signaturen waren somit auch Werk dieses Schopfers. Dem Menschen kam es zu, diese Zeichen zu erkennen und richtig zu deuten.
Als Signaturen gelten unter anderem: Geruch, Geschmack, Farbe, Gestalt, Struktur, Beschaffenheit, Standort, Wachstumsphase und Lebensdauer. Diese werden verschiedenen Kategorien wie
Elementen
, Planeten oder Eigenschaften zugeordnet. Demnach hat eine bitter schmeckende Pflanze eine Beziehung zum Element Feuer, das mit der Sonne in Verwandtschaft steht und ? unter anderem ? Umwandlung und Anregung von
Stoffwechsel
prozessen bewirkt.
Die Signaturenlehre ist nicht nur in Europa bekannt. In der chinesischen und auch der
ayurvedischen Medizin
existieren ausgearbeitete Systeme der Zuordnungen nach Signaturen. So werden etwa in der
chinesischen Medizin
Geschmack, Geruch, Farbe, Tages- und Jahreszeiten, Elemente, Organe,
Sinnesorgane
und Korperteile unter anderem zu einem
diagnostischen
Konzept verbunden.
Verteidiger verweisen auf eine Reihe von Fallen, bei denen moderne wissenschaftliche Untersuchungen die Anwendungsbereiche der Signaturenlehre bestatigten. Die Walnuss ? wegen ihrer Ahnlichkeit mit einem menschlichen Hirn ein traditionelles Heilmittel bei Krankheiten des Kopfes ? enthalt tatsachlich fur das Gehirn wertvolle
Fettsauren
. Die
Herbstzeitlose
? wegen der Ahnlichkeit der Zwiebel mit einer gichtkranken Zehe gemaß der Signaturenlehre ein Mittel gegen
Gicht
? liefert tatsachlich wirksame Heilstoffe gegen diese Krankheit. Kritiker weisen jedoch auf die Zufalligkeit dieser Funde hin und fuhren an, dass sich fur jeden Erfolg auch mehrere Beispiele nicht wirksamer Zuordnungen nachweisen lassen. So konnte beim
Frauenmantel
keine der dieser Pflanze zugesprochenen Wirkungen bei
Frauenkrankheiten
nachgewiesen werden. Auch das
Lungenkraut
, das wegen seiner getupften Blatter bei Lungenkrankheiten Verwendung fand, hat sich nach wissenschaftlichen Untersuchungen bis jetzt als weitgehend wirkungslos erwiesen. Zu den Heilmitteln der Signaturenlehre gehoren zudem auch Mittel, die heute sehr seltsam anmuten. So empfahl
Nicolas Lemery
1697 in einem damals aufsehenerregenden
Arzneibuch
den getrockneten und pulverisierten Schadel eines gewaltsam zu Tode gekommenen Menschen als Heilmittel gegen Hirnkrankheiten.
[6]
- Guido Juttner
:
Signaturenlehre.
In:
Lexikon des Mittelalters
.
Band 7. Sp. 1889.
- Friedrich Ohly
:
Zur Signaturenlehre der fruhen Neuzeit. Bemerkungen zur mittelalterlichen Vorgeschichte und zur Eigenart einer epochalen Denkform in Wissenschaft, Literatur und Kunst.
Aus dem Nachlass hrsg. von
Uwe Ruberg
. Hirzel, Stuttgart u. a. 1999,
ISBN 3-7776-0952-8
- Henri Leclerc:
La medicine des signatures magiques.
In:
Janus.
Band 23, 1918, S. 5?28.
- Wolf-Dieter Muller-Jahncke
:
Signaturenlehre.
In:
Werner E. Gerabek
, Bernhard D. Haage,
Gundolf Keil
, Wolfgang Wegner (Hrsg.):
Enzyklopadie Medizingeschichte.
De Gruyter, Berlin/ New York 2005,
ISBN 3-11-015714-4
, S. 1330?1332.
- ↑
Hans Biedermann:
Medicina Magica. Metaphysische Heilmethoden in spatantiken und mittelalterlichen Handschriften.
2. Auflage. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1978,
ISBN 3-201-01077-4
, S. 33.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 5.
- ↑
Wie Friedrich Ohly und Michel Foucault gezeigt haben, s. angegebene Literatur.
- ↑
Kurt Quecke:
Die Signaturenlehre im Schrifttum des Paracelsus.
In:
Beitrage zur Geschichte der Pharmazie und ihrer Nebengebiete.
Band 1, 1955, S. 41?55 (=
Pharmazie.
Beiheft 2, hrsg. von
Otto Beßler
,
Hans Seel
und
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).
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 22.
- ↑
Die Geheimnisse der Heilpflanzen
S. 51 f.