Siemens Aktiengesellschaft
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Rechtsform
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Aktiengesellschaft
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ISIN
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DE0007236101
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Grundung
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1. Oktober 1847 in Berlin als
Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske
Siemens AG seit 1966
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Sitz
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Berlin
und
Munchen
,
Deutschland
Deutschland
|
Leitung
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Mitarbeiterzahl
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320.000 (2023)
[3]
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Umsatz
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77,8
Mrd.
Euro
(2023)
[3]
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Branche
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Mischkonzern
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Website
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siemens.com
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Stand: 2. Marz 2024
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Die
Siemens AG
ist ein deutscher
Mischkonzern
mit den Schwerpunkten Automatisierung und Digitalisierung in der Industrie, Infrastruktur fur Gebaude, dezentrale Energiesysteme, Mobilitatslosungen fur den Schienen- und Straßenverkehr sowie Medizintechnik.
[1]
Seinen Kern bildet die
borsennotierte
Siemens AG als herrschendes Unternehmen, dazu gehoren zahlreiche deutsche und internationale Konzernunternehmen. Der Konzern hat 125 Standorte in Deutschland und ist in 190 Landern vertreten.
Unternehmenssitz
sind
Berlin
und
Munchen
.
Der Konzern hat seine Wurzeln in der 1847 in
Berlin
gegrundeten
Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske
von
Werner Siemens
(ab 1888
nobilitiert
: ?von Siemens“) und
Johann Georg Halske
. Durch Fusion der drei Firmen Siemens & Halske AG,
Siemens-Schuckertwerke AG
und
Siemens-Reiniger-Werke AG
entstand 1966 die heutige Siemens AG.
Heute sind wiederum wesentliche Teile des Geschaftes in eigenstandigen Unternehmen wie
Siemens Healthineers
und
Siemens Mobility
organisiert. Das Energiegeschaft wurde im Jahr 2020 abgespalten, in die eigenstandige
Siemens Energy
AG uberfuhrt und wird nicht mehr von der Siemens AG
konsolidiert
. Im Bereich der
Automatisierungstechnik
gilt sie als Vorreiter und umsatzstarkstes Unternehmen der Welt.
[4]
[5]
Am 1. Oktober 1847 grundete Leutnant
Werner Siemens
, Ingenieuroffizier in der Berliner Artilleriewerkstatt und federfuhrender Kopf der
Preußischen Telegraphenkommission
, zusammen mit dem Feinmechanikermeister
Johann Georg Halske
die
Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske in Berlin
.
[6]
Grundlage bildet der von Siemens konstruktiv verbesserte
Zeigertelegraph
.
[7]
Das Berliner Unternehmen entwickelte sich innerhalb weniger Jahrzehnte von einer kleinen Werkstatt im Hinterhaus der Schoneberger Straße 33 in
Berlin-Schoneberg
,
[8]
die neben
Telegraphen
vor allem
Eisenbahn-Lautewerke
,
Drahtisolierungen
und
Wasserzahler
herstellte, zu einem der weltweit großten Elektrounternehmen.
Der Siemens-Konzern gehort zu den ersten multinationalen Industrieunternehmen Europas. Die Auslandsproduktion begann 1863 mit einem
Kabelwerk
in London-
Woolwich
. Woolwich war der Produktionsstandort des englischen Zweiges
Siemens Brothers & Co.
1882 folgte ein Kabelwerk in
Sankt Petersburg
. Die von
Arnold von Siemens
aufgebaute Wiener Filiale begann 1883 ebenfalls eine eigene Produktion. 1892 wurde die die
Siemens & Halske Japan Agency
in Tokio gegrundet; sie war die erste Siemens-Niederlassung in Ubersee.
Im Marz 1914 trat das
Kabinett Yamamoto I
wegen eines Bestechungsskandals (
Siemens-Skandal
) zuruck. Eine von Arnold 1892 mit zwei amerikanischen Partnern errichtete Fabrik fur Eisenbahnmotoren und Dynamomaschinen in
Chicago
, die
General Electric
Konkurrenz machen sollte, wurde im August 1894 durch einen Brand vollig zerstort.
[9]
Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 bestanden Produktionsstatten in Großbritannien, Russland, Osterreich-Ungarn, Frankreich, Belgien und Spanien. Insgesamt besaß Siemens in 49 Landern 168 Vertretungsburos.
Der erste Standort der
Siemens & Halske Maschinenfabrik und Telegraphenbauanstalt
etablierte sich in der Berliner
Friedrichstadt
an der Markgrafenstraße 88?94/Charlottenstraße 6?7. 1904 wurde das sogenannte Berliner Werk geschlossen. Ab dem Jahr 1883 wurde bereits am Salzufer in
Charlottenburg
durch den Kauf der ehemaligen
Maschinenfabrik von Freund
ein zweites Werk angelegt, das bis 1903 nach Planen von Siemens-Baudezernatsleiter
Karl Janisch
baulich erweitert wurde.
[10]
1890
[11]
schied Werner von Siemens aus der Geschaftsfuhrung aus, Inhaber waren nun Bruder Carl und die Sohne
Arnold
und
Wilhelm
. 1897 erfolgte die Umwandlung von Siemens & Halske in eine
Aktiengesellschaft
. Zunehmend entwickelte sich jedoch die
Allgemeine Electricitats-Gesellschaft
(
AEG
) zum Gegenspieler von Siemens auf dem deutschen Elektromarkt. Beide Unternehmen verschafften sich 1891 auf der
Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung
grenzubergreifende Aufmerksamkeit.
Die in Berlin liegenden Siemens-Fabriken wurden ab Ende der 1890er-Jahre, angefangen mit dem Kabelwerk Westend, vor die Stadtgrenze in den nordwestlich liegenden und bis 1920 selbststandigen
Stadtkreis Spandau
verlegt, wo auf einem brachliegenden Areal an den ?Nonnenwiesen“ ein spater
Siemensstadt
genannter eigener Stadtteil entstand.
Im 1906 gebauten ?Blockwerk I“ (Fertigung von
Blockeinrichtungen
der Eisenbahn) am Nonnendamm in der Siemensstadt baute S & H ab 1912 auch luftgekuhlte Flugmotoren (
Sh.III
, 1916) fur die
Luftstreitkrafte
des Deutschen Kaiserreiches.
[12]
Technologie-Campus ?Siemensstadt Square“ in Berlin
Im Oktober 2019 hat das Unternehmen die Weiterentwicklung der
Siemensstadt
in Berlin angekundigt. Der Schwerpunkt soll dabei die durchgehende Digitalisierung der Produktion sein und ein vernetztes Okosystem ?mit flexiblen Arbeitsbedingungen, gesellschaftlicher Integration und bezahlbarem Wohnraum geschaffen werden“. Das Unternehmen plant Investitionen in Hohe von 600 Millionen Euro und sieht die Entscheidung fur den Berliner Standort als Bekenntnis zu den Wurzeln des Unternehmens.
[13]
Das Vorhaben wird durch eine enge Kooperation mit dem
Land Berlin
und dem
Bezirk Spandau
unterstutzt. So soll beispielsweise die in den 1980er-Jahren stillgelegte
Siemensbahn
wieder aktiviert werden und den neuen Campus erschließen.
Im Januar 2020 wurde der Sieger des stadtebaulichen Wettbewerbs prasentiert und das weitere Vorgehen konkretisiert.
[14]
-
Wernerwerk-Hochhaus in Berlin-Siemensstadt
-
Wernerwerk II in Berlin-Siemensstadt
-
Wernerwerk XV in Berlin-Siemensstadt
-
Siemens-Turm in Berlin-Siemensstadt
Nach den Verlusten des
Ersten Weltkrieges
gehorte Siemens schon Mitte der 1920er-Jahre wieder zu den funf weltweit fuhrenden Elektrokonzernen. Kurzfristig kooperierte Siemens nach 1920 in der
Siemens-Rheinelbe-Schuckert-Union
unter der Fuhrung von
Hugo Stinnes
eng mit Unternehmen der Eisen-, Stahl- und Kohleindustrie. Spater wurden einzelne Produktbereiche in spezialisierte Tochter- und Beteiligungsgesellschaften ausgegliedert. So entstanden unter anderem die
Osram
G.m.b.H. KG
(1920), die
Siemens-Bauunion
(1921), die
Siemens-Reiniger-Veifa Gesellschaft fur medizinische Technik mbH
(1925, ab 1932
Siemens-Reiniger-Werke
AG
, SRW) und nach Ubernahme der
Eisenbahnsignal-Bauanstalt
Max Judel
& Co.
in
Braunschweig
die
Vereinigte Eisenbahn-Signalwerke
GmbH
(1929).
Die
Weltwirtschaftskrise
nach 1929 fuhrte auch bei Siemens zu erheblichen Umsatzeinbußen und Personalentlassungen, jedoch fuhrte nach der nationalsozialistischen
Machtergreifung
1933 die verstarkte Aufrustung von Wehrmacht, Luftwaffe und Marine bald wieder zu einer Steigerung der Auftragseingange. 1939 war Siemens mit 187.000 Beschaftigten großter Elektrokonzern der Welt. Neue Anwendungsbereiche wie die
Medizintechnik
, die
Rundfunktechnik
, elektrische Warme- und
Haushaltsgerate
oder auch das
Elektronenmikroskop
gewannen rasch an Bedeutung fur das Unternehmen.
Auch im Ausland expandierte Siemens: 1936 gab es in Europa 16 Fertigungsstatten (beispielsweise in Wien, Budapest, Mailand und Barcelona). Außerhalb Europas entstanden Produktions-
Joint-Ventures
in Tokio und Buenos Aires. In Japan wurde hierzu gemeinsam mit der
Furukawa Group
1923 die
Fuji Denki Seiz? K.K.
gegrundet. In die Zwischenkriegszeit fallen auch eine Reihe von internationalen Großprojekten, etwa der Ausbau der
Metro Athen
(1926?1928) und
U-Bahn Buenos Aires
(1933?1938). Besonders prestigetrachtig war das Wasserkraftwerk
Ardnacrusha
am
Shannon
(1925?1929) und die damit verbundene Elektrifizierung Irlands. Lediglich in den USA war Siemens aufgrund eines Austauschvertrags mit
Westinghouse Electric
nicht aktiv.
Nach dem Ausbruch des
Zweiten Weltkriegs
1939 waren die Siemens-Kapazitaten mit kriegswichtigen Bestellungen voll ausgelastet. Im Verlauf des Krieges wurden Produktionsstatten in alle Gegenden Deutschlands und in die besetzten Gebiete ausgelagert, wo auch Siemens in großem Umfang ?
Fremdarbeiter
“ sowie
Zwangsarbeiter
(auch sogen. ?
Ostarbeiter
“) ausbeutete. Fur die Rustungsproduktion ließ Siemens & Halske ab Juni 1942 Fertigungsbaracken in unmittelbarer Nahe zum
Frauen-KZ Ravensbruck
errichten.
[15]
[16]
Es entstanden im
Siemenslager Ravensbruck
das Wernerwerk fur Fernsprechgerate (WWFG), Radio (WWR)
[17]
und Messgerate (WWM).
[18]
Das Lager leitete SS-Hauptscharfuhrer Grabow. Es wurde bald in zwei Schichten gearbeitet außer am Wochenende, weil in dem Betrieb auch Zivilarbeiterinnen beschaftigt waren. Diese Zivilarbeiterinnen der Firma Siemens-Halske unterstanden dem Betriebsleiter und Ingenieur Otto Grade als Angestellte.
Siemens produzierte in
Auschwitz
und
Lublin
mit von der
SS
angemieteten
KZ
-Haftlingen.
[19]
Zahlreiche Siemens-Produktionsstatten wurden durch den Krieg zerstort. Wahrend der
Schlacht um Berlin
kam es zur volligen Schließung der Werke in Berlin. Der von 1941 bis 1956 amtierende Firmenchef
Hermann von Siemens
wurde 1945 zeitweise im Nurnberger Kriegsverbrechergefangnis interniert und als Zeuge vernommen, jedoch kam es nicht zur Anklage. Er gab dem Unternehmen wichtige Impulse fur den raschen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg von Munchen und
Erlangen
aus.
Schon in den letzten Monaten des
Zweiten Weltkriegs
hatte sich das Unternehmen auf die militarische Niederlage des nationalsozialistischen
Deutschen Reiches
vorbereitet und regionale Unterorganisationen gebildet.
Bereits 1947 wurde
Erlangen
zum Sitz der
Siemens-Reiniger-Werke
und wegen der unsicheren Zukunft des Standortes Berlin, verstarkt durch die Mitte 1948 begonnene
Berlin-Blockade
, wurden zum 1. April 1949 der Verwaltungshauptsitz der Siemens-Schuckertwerke ebenfalls nach Erlangen und die Konzernzentrale der Siemens & Halske nach Munchen verlegt.
Bayern wurde somit zum neuen Hauptstandort des Siemens-Konzerns, nachdem die Werke in der
SBZ
und im Ausland verloren gegangen und die historisch angestammten Produktionsstatten in Berlin-Siemensstadt (nun
West-Berlin
) politisch unsicher und auf Grund der Entfernung zu den Absatzmarkten zu unwirtschaftlich geworden waren.
[20]
1950 erreichte das Unternehmen wieder 90 Prozent der Produktion von 1936. Dabei wurde die Produktpalette weiter ausgebaut, auch wenn Großprojekte und Investitionsguter an Bedeutung gewannen. Ab 1954 stieg Siemens in die Datenverarbeitung ein und produzierte
Halbleiterbauelemente
und Computer, etwa den
Siemens 2002
. Fur den Konsumguterbereich (beispielsweise Waschmaschinen, Fernsehgerate) wurde 1957 die
Siemens-Electrogerate AG
gegrundet. Auch in der Medizintechnik konnte Siemens etwa mit der Produktion von
Herzschrittmachern
die eigene Position ausbauen. 1962 beschaftigte der Konzern 240.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Jahresumsatz von 5,4 Mrd. DM. Dieser hatte sich damit innerhalb eines Jahrzehnts vervierfacht.
Mit Grundung der Siemens AG 1966 entstand ein neues integriertes Unternehmen, in dem die Aktivitaten der Siemens & Halske AG, der Siemens-Schuckertwerke AG und der Siemens-Reiniger-Werke AG gebundelt wurden. Im neuen Unternehmen wurden 1969 die Bereiche Bauelemente, Datentechnik, Energietechnik, Installationstechnik und Nachrichtentechnik und der Bereich Medizinische Technik aufgestellt. Funf ubergeordnete Zentralabteilungen (Betriebswirtschaft, Finanzen, Personal, Technik, Vertrieb) sollten eine geschlossene Fuhrung des Konzerns sicherstellen.
[21]
Es blieben jedoch auch zahlreiche sogenannte ?regionale Einheiten“ (Zweigniederlassungen, Auslandsniederlassungen) und ein umfangreiches Netz an Tochter- und Beteiligungsgesellschaften bestehen.
1967 ubernahm Siemens von
Brown, Boveri & Cie.
die
Zuse KG
zu 70 Prozent, zwei Jahre spater zu 100 Prozent. Gleichzeitig wurde der Haushaltsgeratesektor mit dem von Bosch zur
BSH Bosch und Siemens Hausgerate
GmbH zusammengelegt. 1969 erfolgte zusammen mit der AEG die Grundung der Tochterunternehmen
Transformatoren Union (TU)
und
Kraftwerk Union
(KWU). 1978 ging die
Osram
GmbH ganz in Siemens-Besitz uber. Andere Tochtergesellschaften wie die
Siemens-Bauunion
oder die
Siemens-Planiawerke
wurden jedoch abgestoßen.
Die Geschaftsentwicklung verlief ab den 1970er-Jahren keineswegs uneingeschrankt positiv. Zwischen 1971 und 1976 sowie zu Beginn der 1980er-Jahre sank die Zahl der Mitarbeiter um mehrere Tausend. Ein vorlaufiger Mitarbeiterhochststand wurde dann 1991 mit 427.000 Arbeitnehmern erreicht. 1985/86 kam es zudem zu einem kurzzeitigen Umsatzeinbruch von 14 Prozent (→
Karl Heinz Beckurts#Ermordung
). Vor allem der deutsche Heimatmarkt verlor im Vergleich zu den außereuropaischen Markten stark an Bedeutung. Schon Anfang der 1980er produzierte Siemens in 37 Landern in 141 Fabriken. Die nicht-deutschen Konzernumsatze waren schon um die 1980er-Jahre mit 50 Prozent stark am Konzernumsatz beteiligt. In den 1990er-Jahren stieg der auslandische Anteil auf zwei Drittel an. 1989 gehorte Siemens nach dem Volkswagen-Konzern und Veba zur großten
Publikumsgesellschaft
in Deutschland, deren Anzahl der Aktionare rund 538.000 betrug.
Von 1956 bis 1971 war
Ernst von Siemens
Aufsichtsratsvorsitzender
. Er grundete aus seinem Privatvermogen 1958 die
Carl Friedrich von Siemens Stiftung
, ihr folgten im Jahr 1972 die
Ernst von Siemens Musikstiftung
und 1983 die
Ernst von Siemens Kunststiftung
.
1971 ubernahm
Peter von Siemens
von seinem Onkel Ernst von Siemens den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bei Siemens. 1977 wurde gemeinsam mit
Allis-Chalmers
das Joint-Venture
Siemens-Allis
gegrundet, das im Januar 1978 den Betrieb aufnahm.
[22]
Zu den technischen Erfolgen der 1980er-Jahre gehort die 1980 gemeinsam mit den
Deutschen Telephonwerken
in Berlin produzierte weltweit erste digitale
Telekommunikationsanlage
. Auch im Schienenfahrzeugbau, der seit 1989 im Bereich Verkehrstechnik organisiert ist, war Siemens durch seine Beteiligung am
ICE
-Projekt erfolgreich. Hier wurde zudem das Projekt der Magnetschwebebahn
Transrapid
verfolgt. Von 1981 bis 1988 hatte
Bernhard Plettner
, ab 1971 Vorstandsvorsitzender, den Vorsitz im Aufsichtsrat bei Siemens.
Am 29. September 1986 wurde die
Domain
siemens.com registriert und zahlt somit zu den 30 altesten noch existierenden .com-Domains.
[23]
1986/87 war der Konzernumsatz auf 51,4 Mrd. DM angewachsen. 1987 wurde Siemens um die Unternehmensbereiche KWU ? dort war Siemens bereits ab 1977 Alleinaktionar ? und
Halbleiter
erweitert, bevor 1989/90 dann eine erneute
Umorganisation
umgesetzt wurde. Diese Gliederung entspricht noch weitgehend den heutigen, nun englisch bezeichneten, Konzernteilen.
Im Jahr 1989 wurde die Struktur der Siemens AG grundlegend weiterentwickelt. Im Wesentlichen sollten die Bereiche flexibler und schneller auf sich andernde Marktanforderungen reagieren konnen, ohne jedoch auf eine zentrale Steuerung durch Zentralabteilungen zu verzichten (Finanzen, Forschung und Entwicklung, Personal, Produktion und Logistik, Unternehmensplanung, Zentralstellen, Zentrale Dienste). Das Unternehmen wurde dazu in 15 kleinere Bereiche gegliedert:
- Anlagentechnik
- Daten- und Informationstechnik
- Medizinische Technik
- Private Kommunikationssysteme
- Offentliche Kommunikationsnetze
- Antriebs-, Schalt- und Installationstechnik
- Energieerzeugung
- Sicherungstechnik
- Automatisierungstechnik
- Energieubertragung und -verteilung
- Passive Bauelemente und Rohren
- Verkehrstechnik
- Automobiltechnik
- Halbleiter
- Peripherie- und Endgerate
Zudem gab es zwei sogenannte selbstandige Geschaftsgebiete und zwei Bereiche mit eigener Rechtsform, z. B. die
Osram
GmbH.
[24]
Siemens geriet 1992 in die Schlagzeilen, weil sie ein Waffenprogramm im Nahen Osten unterstutzte.
Im Fruhjahr 1996 wurde Siemens in Singapur wegen Korruptionsvorwurfen zusammen mit vier weiteren auslandischen Unternehmen fur funf Jahre von allen offentlichen Auftragen ausgeschlossen.
Im Oktober 1997 wurde die
Siemens Financial Services
GmbH (SFS) als Kompetenz-Center fur Finanzierungsthemen und das Management der Finanzrisiken des Siemens-Konzerns gegrundet.
1991 kaufte die Firmenleitung von
Texas Instruments
deren Abteilung fur Automatisierung.
1999 verkaufte Siemens die Hanauer Tochter
Vacuumschmelze
fur 360 Mio. Mark an
Morgan Crucible
, die sie im Jahr 2005 fur 360 Mio. Euro an die
One Equity Group
weiterveraußerte. Ebenfalls 1999 ausgegliedert wurde der Bereich der passiven Bauelemente und Rohren unter dem Namen
Epcos
AG und der Halbleiterbereich unter dem Namen
Infineon
Technologies AG. Die letzten Anteile an diesen beiden Unternehmen verkaufte Siemens im Jahr 2006.
Die Fertigung am Greifswalder Siemens-Standort sollte 2002 geschlossen werden. Dies konnte jedoch durch die Arbeitnehmervertretungen und das lokale Management durch ein
Management-Buy-out
verhindert werden. Die ursprungliche Fertigung firmiert daher seit 2002 erfolgreich unter dem Namen
ML&S
als eigenstandiges Unternehmen. Der verbleibende Standort wurde 2007 im Zusammenhang mit der Zusammenfuhrung der Telekommunikationsnetztechnik mit Nokia in die
Nokia Siemens Networks
GmbH & Co KG eingebracht.
2001 erwarb Siemens eine Mehrheitsbeteiligung an der
Atecs Mannesmann
AG, deren Unternehmensaktivitaten
Dematic
,
VDO
und
Demag
in den Bereich
Siemens Dematic
(spater Logistics and Assembly Systems, L&A) umgewandelt wurden. Dieser wurde am 1. Oktober 2005 wieder aufgelost. Seine Teilgeschaftsgebiete
Postal Automation (PA)
und
Airport Logistics (AL)
wurden in den Bereich
Industrial Solutions and Services (I&S)
integriert. Das Geschaftsgebiet
Electronic Assembly Systems (EA)
gehort nun
Automation and Drives (A&D)
an.
Distribution and Industry (DI)
,
Material Handling and Production (MHP)
und
Customer Services (CS)
wurden zur Dematic GmbH & Co. KG. Diese rechtlich eigenstandige Gesellschaft war eine 100-prozentige Tochter von Siemens und nahm am 1. Januar 2006 ihre Tatigkeit auf. Hauptgrunde fur diesen Umbau waren anhaltende operative Verluste, hauptsachlich der ausgegliederten Geschaftsgebiete. Im Juni 2006 gab Siemens schließlich den Verkauf von Dematic an den europaischen
Private-Equity
-Investor
Triton
bekannt.
Im Jahr 2004 wurde die Trench Group mit 1.800 Mitarbeitern gekauft. Trench ist ein Hersteller von Hochspannungswandlern, welche in der Hochspannungsubertragung genutzt werden. Der Kaufpreis betrug 285 Millionen Euro. Trench produziert in Europa neben dem deutschen Standort in Bamberg noch in Osterreich, in der Schweiz, in Großbritannien und Frankreich. Weltweit ist die Gruppe in China und Brasilien und Kanada aktiv.
[25]
Nach der Abspaltung von Siemens Energy wurde Trench Teil der Siemens Energy.
Am 25. Juli 2007 entschied der Siemens-Aufsichtsrat, die Tochter
VDO Automotive
fur 11,4 Mrd. Euro an die
Continental AG
zu verkaufen und fur 5 Mrd. Euro
Dade Behring
zu ubernehmen.
Die ebenfalls im Rahmen der Ubernahme der Atecs erhaltenen Anteile an
Krauss-Maffei Wegmann
wurden bereits 2010 wieder abgegeben.
[26]
Am 1. Dezember 2004 ubernahm Siemens den danischen Windturbinenhersteller Bonus A/S (gegrundet 1979). Die Sparte firmiert unter dem Namen
Siemens Gamesa
.
Im Marz 2005 ubernahm Siemens die
A. Friedr. Flender Aktiengesellschaft
und damit einen der weltweit fuhrenden Getriebehersteller mit uber 80 Jahren Erfahrung im Getriebebau. Bis zum Jahr 2010 fand die vollstandige Eingliederung in den
Sector Industry
? Drive Technologies der Siemens statt.
Siemens war 2006 an dem Projekt zur Entwicklung der europaischen Suchmaschine
Quaero
beteiligt,
[27]
deren deutscher Teil Ende 2006 in das
Forschungsprogramm Theseus
uberging.
[28]
Die Anteile am Joint-Venture Fujitsu Siemens Computers (PC-Hardware, Software, IT-Services) wurden am 1. April 2009 vollstandig an Fujitsu ubertragen.
Die Beteiligung an der Transrapid International GmbH & Co. KG endete mit deren Schließung nach der Beendigung des
Transrapid-Projektes
am 1. Oktober 2008.
[29]
Angesichts der
Nuklearkatastrophe von Fukushima
im Jahr 2011 beschloss Siemens, sich vollkommen aus der Kernkrafttechnologie zuruckzuziehen.
[30]
Die geplante Kooperation mit
Rosatom
kam deswegen nicht zustande.
[31]
Die bestehende Grundstruktur wurde im Laufe der Zeit geandert, u. a. wurden Anfang der 1990er-Jahre englische Abteilungsbezeichnungen eingefuhrt. Zum 1. Januar 2008 wurde die Struktur grundsatzlich neu aufgestellt. Das Geschaft wurde zunachst in drei Sektoren gebundelt:
Industry
,
Energy
,
Healthcare
. Im Jahr 2011 kam ein neuer Sektor hinzu:
Infrastructure & Cities
. Die bisherigen
Divisionen
wurden teilweise neu geschnitten und jeweils einem der Sektoren zugeordnet. Hinzu kamen
Corporate Units
,
Cross-Sector Services
und die sektorubergreifenden Einheiten
Siemens IT Solutions and Services
und die
Siemens Financial Services
.
[32]
- Energy Sector:
Fossile Energietrager, Windenergie, Sonnenenergie & Wasserkraft, Ol & Gas, Energieubertragung, Energiespezifische Dienstleistungen
- Healthcare Sector:
Klinikprodukte, Bildgebende Verfahren & Therapiesysteme, Labordiagnostika, Kundenspezifische Losungen
- Industry Sector:
Antriebstechnologien, Industrieautomatisierung, Industrielle Dienstleistungen
- Infrastructure & Cities Sector:
Gebaudetechnik, Mobilitat und Logistik, Eisenbahn-Infrastruktur, Intelligentes Stromnetz, Nieder- und Mittelspannungstechnik
Jeder Sektor wurde von einem
CEO
verantwortlich gefuhrt. Auch fur die jeweils zugeordneten Divisionen und die dazu gehorenden Business-Units wurden CEO und CFO berufen. Zum 1. Oktober 2014 wurde die Sektorebene wieder aufgelost.
[33]
Ab 1. Juli 2010 wurde die
SIS
wieder aus dem Konzern ausgegliedert und in eine eigenstandige Gesellschaft umgewandelt. In diesem Zuge wurden bei SIS bis Mitte 2011 weltweit etwa 4.200 der 35.000 Stellen abgebaut, davon in Deutschland rund 2.000 von etwa 9.700 Stellen.
[34]
Am 14. Dezember 2010 wurde bekanntgegeben, dass Siemens und
Atos Origin
eine ?strategische Partnerschaft“ eingehen, in deren Zuge die SIS an Atos Origin verkauft wurde. Dieser Ubergang zu Atos Origin fand am 4. Juli 2011 statt und beinhaltete das Re-Branding des IT-Unternehmens zu Atos. Atos hatte zum Stand Mai 2012 74.500 Mitarbeiter in 42 Landern. Siemens halt weiterhin eine 15-Prozent-Beteiligung an Atos. Gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprogramme sowie der Betrieb der Siemens-IT durch Atos sind weitere Bestandteile der oben zitierten ?strategischen Partnerschaft“.
Seit etwa 2010 befindet sich der Konzern wieder in einer Phase grundlegenden Umbaus. Ziel ist es, das Unternehmen starker auf die Schwerpunkte Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung zu fokussieren. Etliche Geschafte wurden verkauft, andere in eigenstandige Unternehmen organisiert, an denen die Siemens AG Beteiligungen halt. Diese werden in der aktuellen Struktur als
Strategic Companies
bezeichnet. Andere Geschafte werden weiterhin innerhalb der Siemens AG gefuhrt und in diesem Rahmen
Operating Companies
genannt.
Am 8. Juli 2013 wurden Anteile an Osram an die Borse gebracht. Siemens blieb zunachst mit 17 Prozent an der
Osram Licht AG
beteiligt.
[35]
Im Mai 2015 erfolgte die Ausgliederung von der Division Healthcare in eine rechtlich eigenstandige GmbH. 2018 wurde diese Gesellschaft unter dem Namen
Siemens Healthineers AG
an die Borse gebracht, Siemens hielt nach dem Borsengang zunachst weiterhin 85 Prozent der Anteile.
[36]
Mittlerweile hat Siemens den Anteil auf rund 75 % reduziert.
[37]
Im Januar 2015 verkaufte Siemens seine Anteile an der
BSH Hausgerate
GmbH an die
Robert Bosch GmbH
.
[38]
Im Oktober 2017 wurde die Sparte
Siemens Mechanical Drives
aus der Siemens AG ausgegliedert und als 100%ige Tochtergesellschaft der Siemens AG mit der Bezeichnung
Flender, A Siemens Company
gefuhrt. Im Jahr 2021 wurde Flender fur rund 2 Mrd. Euro an die Carlyle Group veraußert.
[39]
Die Division Mobility wurde dafur zum 1. August 2018 samt zugehorigen Konzernfunktionen wie Personal und Controlling aus der Siemens AG herausgelost und sollte mit dem franzosischen Konzern
Alstom
fusioniert werden. Seitdem agiert sie als eigenstandige
Siemens Mobility GmbH
.
[40]
Der Siemens-Konzern (inkl. Joint Ventures und Beteiligungen) beschaftigte 2018 weltweit rund 378.000 Mitarbeiter.
[41]
Dabei ist eine Entwicklung hin zum
Offshoring
zu erkennen. So sank der Anteil der in Deutschland tatigen Siemens-Mitarbeiter von 41 Prozent im Jahr 2001 auf 31 Prozent im Jahr 2018. Gleichzeitig schuf Siemens in Osteuropa und Asien neue Beschaftigung.
Ab Ende 2017 sollten in der Energiesparte weltweit 6.900 Arbeitsplatze (von 46.800) gestrichen werden, davon die Halfte in Deutschland. Das Turbinenwerk in Gorlitz und das Kompressorenwerk in Leipzig
[42]
sollten geschlossen werden. Durch geplante Zusammenlegung der Werke in Erlangen und Offenbach sollte der Standort Offenbach mit rund 700 Beschaftigten geschlossen werden. In der Kraftwerksparte allein fielen 6.100 Stellen weg, davon 2.600 in Deutschland. Bei den elektrischen Antrieben werden 760 Arbeitsplatze abgebaut, der uberwiegende Teil davon in Berlin.
[43]
Im Mai 2019 teilte der Konzern mit, dass das Unternehmen die Abspaltung der Energiesparte in ein eigenstandiges Unternehmen plant. Zuletzt waren die Aktivitaten in der Siemens AG als
Operating Company
Gas and Power und der eigenstandigen
Strategic Company
Siemens Gamesa Renewable Energy
organisiert. Beide sollen in das neue Unternehmen uberfuhrt werden.
[44]
Am 16. Oktober 2019 hat der Konzern bekannt gegeben, dass das neue Unternehmen
Siemens Energy
heißen soll. Demnach soll die Energiesparte zum April 2020 in eine rechtlich eigenstandige Einheit ausgegliedert und umbenannt werden. In der Unternehmensprasentation der Siemens AG vom Juni 2020 wird Siemens Energy seit dem zweiten Quartal 2020 unter
Discontinued Operations
gefuhrt.
[45]
Am 21. Oktober 2019 gab Siemens Gamesa bekannt, dass wesentliche Teile des Windanlagenbauers
Senvion
fur 200 Mio. Euro ubernommen werden. Die Transaktion sollte bis Ende Marz 2020 abgeschlossen sein.
[46]
Etwa ein halbes Jahr vor der geplanten
Ausgrundung
der Energiesparte wurde bekannt, dass
Christian Bruch
von
Linde
CEO des neuen Unternehmens werden soll. Der aktuelle Vorstandsvorsitzende der Siemens AG,
Joe Kaeser
, soll der Vorsitzende des Aufsichtsrates werden.
[47]
Auf einer
außerordentlichen Hauptversammlung
der Siemens AG am 9. Juli 2020 haben ihre Aktionare der Aufspaltung des Unternehmens zugestimmt.
[48]
Seit dem 28. September 2020 wird die Aktie der Siemens Energy AG an der Borse gehandelt. Damit halt Siemens nur noch gut 35 % der Anteile an Siemens Energy.
[49]
Die Herstellung von Halbleiterbauelementen und passiven Bauelementen wurde 1999/2000 in die eigenstandigen Unternehmen
Infineon
und
Epcos
ausgegliedert. Die Ausgliederung des Halbleitergeschafts 1999 der Siemens AG fuhrte im Jahr 2000 zum
Borsengang
des Halbleiterherstellers Infineon. An beiden Unternehmen ist Siemens seit 2006 nicht mehr beteiligt. Die
Siemens Enterprise Communications Manufacturing
, Nachfolgeunternehmen des 1990 ubernommenen Leipziger RFT-Fernmeldewerks, wurde 2005 an ein Siemens-
Joint-Venture
ausgegliedert, 2012 in
Leesys
umbenannt
[50]
und 2014 ganzlich verkauft.
[51]
Bereits 1848 baute Siemens die erste Telegraphenlinie Europas uber weite Entfernung zwischen Berlin und Frankfurt am Main. Fruh war das Unternehmen auch international tatig: Werners Bruder
Carl Wilhelm Siemens
eroffnete 1850 eine Reprasentanz des Unternehmens in London, die spater in das selbststandige Unternehmen
Siemens Brothers & Co. Ltd
umgewandelt wurde. Auf der ersten
Weltausstellung
in London 1851 erhielt Siemens & Halske eine
Council Medal
als Auszeichnung. Ab 1851 war das Unternehmen in Russland am Bau eines Telegraphennetzwerks beteiligt. 1855 eroffnete Siemens eine Zweigniederlassung in Sankt Petersburg, die von
Carl Siemens
(ab 1895: von Siemens), einem weiteren Bruder, geleitet wurde. Internationale Großprojekte wie der Bau der
Indo-Europaischen Telegraphenlinie
(1867?1870) und ein mit Siemens Brothers verlegtes
Transatlantikkabel
(1874) fuhrten zu steigenden Umsatzen.
Nach der Vorstellung der ersten Telefonapparate vor der
Reichspost
durch
Emil Rathenau
1880 verbesserte Siemens die amerikanische Erfindung und produzierte in großem Umfang fur die Post- und Telegraphenverwaltungen in Deutschland, Luxemburg und der Schweiz. Durch die anhaltenden Erfindungen der spater in einem Großlabor konzentrierten Forschungs- und Entwicklungsaktivitaten erkampfte sich Siemens & Halske einen technologischen Vorsprung im Telefongeschaft gegenuber seinen Konkurrenten, wie etwa der
AEG
. So war es Siemens, die in
Hildesheim
1908 die erste
elektromechanische Ortsvermittlungsstelle
im Deutschen Reich ubergeben konnte und 1913/14 zwischen Berlin, dem Ruhrgebiet und dem Rheinland als erstes uberregionales Telefon-
Fernkabel
das ?Rheinlandkabel“ fertigte und verlegte.
[52]
Im Bereich der drahtlosen
Telegraphie
grundete Siemens 1903 gemeinsam mit der AEG die ?Gesellschaft fur drahtlose Telegraphie m.b.H., System
Telefunken
“, um die andauernden Streitigkeiten um Patente zu beenden.
Siemens & Halske hatte wesentlichen Anteil an der technischen Modernisierung des Telefonsystems nach dem Ersten Weltkrieg (Automatisierung der Ortsvermittlungen, Halbautomatisierung des Regionalverkehrs in den Ballungsgebieten, Verkabelung der Fernleitungen durch Fernkabel). Fur das seit 1920 reichsweit einheitliche Eisenbahnnetz der
Deutschen Reichsbahn
baute S & H nach 1923 das erste halbautomatische bahninterne Telefonnetz, die
Bahnselbstanschlussanlage
Basa. Der in dieser Zeit erreichte technische Vorsprung wurde erfolgreich in einem intensiven Auslandsgeschaft weiterverfolgt. Ein Kennzeichen der Zwischenkriegszeit war die weitgehende
Kartellierung
der Lieferbeziehungen innerhalb Deutschlands zwischen den wesentlichen Konkurrenten, Siemens und dem Hauptauftraggeber, der Reichspost ebenso wie im internationalen Geschaft. Kartelle bestanden etwa fur die Fertigung und Verlegung von Fernkabeln in Form der
Deutschen Fernkabelgesellschaft
DFKG, oder fur den Bau von Ortsvermittlungen. Internationale Kartelle fur Europa und Sudamerika wurden im Telefongeschaft mit
ITT
,
General Electric
,
AT&T
und
Ericsson
abgeschlossen.
Um im Bereich EDV-Technik konkurrenzfahig zu bleiben, erwarb Siemens 1990 einen Anteil von 51 Prozent an der
Nixdorf Computer
AG und brachte den Siemens-Unternehmensbereich mit in die
Siemens Nixdorf
Informationssysteme AG ein. Das Unternehmen wurde jedoch 1999 wieder ausgegliedert und firmiert seit den 2010er-Jahren als
Wincor Nixdorf
International GmbH. Lediglich die PC-Sparte wurde in die
Fujitsu Siemens Computers
GmbH integriert, die 1999 aus dem Joint Venture der
Fujitsu
Computers Europe mit
Siemens Computer Systems
hervorging. Diese Verbindung wurde 2008 gelost.
Der Ubernahme des Ostberliner
Elektroamtes
1990 durch Siemens folgte 1991 das fruhere
DDR
-Unternehmen
VEB Nachrichtenelektronik Greifswald
(kurz NEG), das 1993 in den Geschaftsbereich
Information and Communication Networks (ICN)
eingegliedert wurde. Der Greifswalder Siemens-Standort spezialisierte sich auf die Entwicklung und Fertigung von Netzzugangstechnik (Access) fur Telefonie und Datenubertragung und den erforderlichen Service und wurde weltmarktfahig.
Zum 1. Oktober 2004 wurden die Siemens Bereiche ICM und ICN zum neuen Bereich Communications (Com) zusammengefasst. So entstand der großte Einzelbereich der Siemens AG. Zum 3. Marz 2005 ubernahm die
a&o Gruppe
aus Neuss die
SBS
-Tochter Sinitec. Dieser Verkauf wird als Beginn einer Umstrukturierung innerhalb des Siemens-Konzerns angesehen und wurde seinerzeit als richtungsweisend bezeichnet. Im Juli 2007 musste die
a&o iTec
(seinerzeit Sinitec) Insolvenz anmelden, wodurch am 1. Oktober 2007 der Geschaftsbetrieb endgultig eingestellt wurde.
Weiterhin gab der Vorstand von Siemens am 19. Juni 2006 bekannt, die Konsolidierung in der Enterprise-Communications-Industrie (Netzwerkgeschaft mit Geschaftskunden) aktiv zu verfolgen. Siemens war nach eigenen Angaben in Verhandlungen mit mehreren Interessenten zur Umsetzung dieser Strategie. Das Wireless-Modules-Geschaft (Geschaft mit drahtlosen Funkmodulen in der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation beispielsweise in Verkaufsautomaten) sollte zum 1. Oktober 2006 in den Siemens-Bereich
Automation and Drives
integriert werden. Durch diese Umstrukturierungen loste Siemens den (Com)-Geschaftsbereich somit knapp zwei Jahre nach seiner Grundung wieder auf.
Am 7. Juni 2005 gab das Unternehmen den Verkauf der Handysparte
Siemens Mobile
an das taiwanische Unternehmen
BenQ
mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 bekannt. BenQ fuhrte das Mobilfunkgeschaft mit einer Zentrale in Munchen kurz weiter, bis BenQ im Herbst 2006 die Zahlungen fur die Mobilfunksparte einstellte und diese insolvent wurde. Tausende Arbeitsplatze, vor allem in Munchen, Ulm und
Kamp-Lintfort
/Nordrhein-Westfalen, gingen verloren.
Im Februar 2006 kamen Geruchte auf, der Siemens-Vorstand erwage den Verkauf oder die Ausgliederung von Teilen des Com-Bereichs. Am 19. Juni 2006 gab Siemens die Zusammenlegung seiner Sparten fur das Geschaft mit Netzbetreibern mit dem finnischen Konkurrenten
Nokia
in einem neuen, rechtlich eigenstandigen Unternehmen bekannt. Zum 1. Januar 2007 sollte durch dieses
Joint Venture
ein global fuhrender Infrastrukturanbieter fur Fest- und Mobilnetze unter dem Namen
Nokia Siemens Networks
entstehen, an dem Nokia und Siemens je zur Halfte beteiligt waren. Durch das Bekanntwerden der Korruption im großen Stil im Dezember 2006 verzogerte sich dieses Vorhaben um ein Quartal, sodass das Gemeinschaftsunternehmen zum 1. April 2007 startete. Sitz der in den Niederlanden registrierten Gesellschaft wurde
Espoo
, Finnland.
Simon Beresford-Wylie
, vormals Executive Vice President und General Manager von Nokia Networks, ubernahm den Vorstandsvorsitz von Nokia Siemens Networks. Das neue Unternehmen Nokia Siemens Networks beschaftigte rund 60.000 Mitarbeiter. Angestrebt wurden Synergieeffekte von rund 1,5 Mrd. Euro bis zum Jahr 2010 (etwa 10 Prozent des summierten Pro-Forma-Umsatzes der beiden Unternehmensteile im Jahr 2005), auch durch den Abbau von Personal (geschatzt 9.000 Stellen sollten ab Anfang 2007 entfallen).
[53]
Im Juli 2013 wurden die verbliebenen Anteile fur 1,7 Mrd. Euro an Nokia verkauft und das Unternehmen in
Nokia Solutions and Networks
umbenannt.
[54]
Am 1. August 2008 gab der Siemens-Vorstand den Verkauf von 80,2 Prozent seiner Anteile der Kommunikationssparte ?Siemens Home and Office Communication Devices (SHC)“ an den Starnberger Finanzinvestor
Arques Industries
zum 1. Oktober 2008 bekannt. Die restlichen 19,8 Prozent sollen fur zunachst zwei Jahre im Unternehmensbesitz verbleiben, wobei Arques berechtigt war, zwei weitere Jahre die Produkte unter dem Namen ?Siemens“ zu vertreiben. Eine Beschaftigungsgarantie wurde den 1.650 Mitarbeitern der abgetretenen Sparte an den Standorten Bocholt und Munchen fur drei Jahre zugesichert. Der Verlust der Transaktion belief sich nach Unternehmensinformationen auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Um eine ahnliche Pleite wie die nach der Abtretung der Handy-Sparte an BenQ Mobile zu verhindern, wurde eine Mitgift von 50 Mio. Euro der SHC-Sparte vereinbart. Dadurch sollte auch ein positives Signal in Richtung der Belegschaft in Bezug auf Jobsicherung gesendet werden.
[55]
Ein wesentlicher Faktor fur die Entwicklung des Unternehmens war die Entdeckung des
dynamoelektrischen Prinzips
durch Werner Siemens im Jahr 1866, das die Voraussetzungen fur die Nutzung der Elektrizitat zur Kraftversorgung schuf (siehe
Elektrischer Generator
, Siemens baute die ersten Generatoren ohne Dauermagneten).
[56]
Dadurch erschlossen sich fur die Gesellschaft neue Geschaftsfelder wie beispielsweise bei der
Elektrifizierung von Eisenbahnen
sowie der Produktion von Gluhlampen. Eine bedeutende Rolle spielten die Erfindungen des Chefkonstrukteurs
Friedrich von Hefner-Alteneck
.
Als es nach der Jahrhundertwende zu einem Konzentrationsprozess in der Branche kam, entschloss sich Siemens, den eigenen Starkstrombereich 1903 zusammen mit der Nurnberger
Elektrizitats-AG, vormals
Schuckert & Co.
in die gemeinsamen
Siemens-Schuckertwerke
(SSW) einzubringen.
Bereits im Jahr 1882 wurde ein elektrisch angetriebener Kutschenwagen als
Elektromote
benannter Oberleitungswagen gebaut und der Betrieb auf einer 540 Meter langen Versuchsstrecke in
Halensee
bei Berlin getestet; wegen der schlechten Straßen wurde der Versuch nach sechs Wochen beendet. Den Namen ?Elektromote“ schuf Werner Siemens selbst. Der Strom wurde von der zweipoligen
Oberleitung
durch einen Kontaktschlitten (
Trolley
), der oben auf den Fahrleitungsdrahten fuhr, entnommen. Durch ein biegsames Kabel wurde der Kontaktschlitten mit seinen acht kleinen Radern vom Fahrzeug auf der Oberleitung nachgezogen. Dieser elektrisch betriebene Kutschenwagen gilt mit seinen Merkmalen als der erste
Oberleitungsbus
der Welt.
Ebenfalls 1882 wurde die erste elektrische
Grubenlok
der Welt fur den Steinkohlenbergbau in
Zauckerode
, (heute
Freital
) gebaut. Die Dorothea (griechisch: Geschenk Gottes) getaufte Lokomotive, nahm im August 1882 ihren Betrieb im
Oppelschacht
der
Koniglichen Steinkohlenwerke Zauckerode
auf. Sie war dort bis 1927 in Dienst und damit die erste
Elektrolokomotive
im Dauerbetrieb.
1883 wurde die
Lokalbahn Modling?Hinterbruhl
in der Nahe von Wien eroffnet. Das Stromsystem dieser ersten
Uberlandstraßenbahn
bestand aus einer zweipoligen
Fahrleitung
in Kupferrohren mit kleinem Durchmesser und einem Schlitz an der Unterseite (
Schlitzrohrfahrleitung
). In dieser liefen zwei
Kontaktwagelchen
, die von dem
Triebwagen
nachgezogen wurden. Das gleiche System wurde von Siemens 1884 auch fur die erste kommerziell betriebene elektrische
Straßenbahn
in Deutschland der
Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft
(FOTG) zwischen
Offenbach am Main
und
Frankfurt am Main
verwendet. Das
Kraftwerk der FOTG
wurde auch zum ersten Elektrizitatswerk fur
Oberrad
. Letztlich war diese Verbindung wegweisend fur die kombinierte Aufgabe kommunaler
Energieversorgungsunternehmen
, die
Elektrizitatswerke
zur Stromerzeugung und elektrische Bahnen fur den
offentlichen Personennahverkehr
betrieben.
1898 baute
Siemens & Halske
einen sogenannten
Elektrischen Straßenbahn-Omnibus
, der eine Mischung zwischen elektrischer Straßenbahn und
Batteriebus
darstellte und bis 1900 versuchsweise in Berlin eingesetzt wurde. Innovativ war die Zusammenarbeit mit der Deutschen Reichsbahn ab 1927. Es wurden neuartige
Seilablaufanlagen
zur Optimierung der Rangierbahnhofe in Dresden und
Chemnitz
entwickelt.
[57]
Der Flugmotorenbau ging 1926 in das eigenstandige
Siemens-Flugmotorenwerk, Berlin-Spandau
uber und wurde 1933 Teil der neuen
Siemens Apparate und Maschinen GmbH
(SAM). 1936 stieg der Konzern ganz aus dem Motorenbau aus (siehe auch
Brandenburgische Motorenwerke
).
Im September 2017 gaben Siemens AG und
Alstom S.A.
bekannt, ihre jeweiligen Bahntechnikaktivitaten zusammenlegen zu wollen. Dabei sollte die borsennotierte Alstom S.A. den Kern einer fusionierten Siemens-Alstom S.A. bilden. Siemens wollte an diesem erweiterten borsennotierten Unternehmen knapp uber 50 Prozent und damit die Kontrolle ubernehmen. Die Division
Mobility
wurde dafur zum 1. August 2018 samt zugehorigen Konzernfunktionen wie Personal und Controlling aus der Siemens AG herausgelost. Seitdem agiert sie als eigenstandige
Siemens Mobility GmbH
[40]
und sollte im weiteren Verlauf der Fusion auf Alstom ubergehen. Am 6. Februar 2019 untersagte die zustandige
EU-Kommissarin
Margrethe Vestager
die Fusion jedoch, sie konnte nicht vollzogen werden.
[58]
Die Siemens Mobility GmbH bleibt zunachst eine 100%-Tochter der Siemens AG und Teil des Siemens-Konzerns und wird als
Strategic Company
gefuhrt.
In der langen Geschichte des Unternehmens wurde die Struktur immer wieder angepasst. Wesentliche Treiber waren sich andernde Marktbedingungen und die Ausrichtung des Unternehmens. Neben vielen kleinen und mittleren Anpassungen gab es in den letzten Jahrzehnten einige grundsatzliche Neuausrichtungen der Siemens AG. Ziel war es, das Unternehmen starker auf die Schwerpunkte Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung zu fokussieren. Den
Divisionen
sollte dazu mehr Freiraume fur ihre Entwicklung eingeraumt werden.
[59]
Nach der Abspaltung und dem Borsengang der
Siemens Energy
AG im Jahre 2020 ergibt sich fur die Siemens AG diese Organisationsstruktur:
[1]
Aufsichtsrat
|
Vorstand
|
Smart Infrastructure
|
Digital Industries
|
Mobility
(*1)
|
Siemens Advanta
|
Portfolio Companies
|
Siemens Healthineers
(*2)
|
Lander
|
Service and Governance
|
Stand 1. Oktober 2020
(*1)
Die ehemalige Division Mobility wurde zum 1. August 2018 in Vorbereitung der geplanten Fusion mit franzosischen Konzern Alstom in die Siemens Mobility GmbH umgewandelt. Nach dem Scheitern des Vorhabens bleibt diese Gesellschaft eine 100%ige Siemens-Tochter
(*2)
Die ehemalige Division Healthcare ging 2018 an die Borse und ist eine eigenstandige Aktiengesellschaft, an der Siemens die Mehrheit der Aktien halt.
[60]
|
Zur Produktpalette des Konzerns zahlen im Wesentlichen:
- Automatisierungs- und Antriebstechnik fur Prozess- und Fertigungsindustrie (
SIMATIC
,
Sinumerik
,
Sitrans
)
- Getriebe
- Kupplungen
- Postautomation,
Telematik
- Medizintechnik
, beispielsweise
Rontgensysteme
,
Computertomographen
,
Kernspintomographen
,
Positronen-Emissions-Tomographen
- Niederspannungsschalttechnik: Schaltgerate fur Verbraucherabzweige, Komponenten zur Energieverteilung, Befehls- und Meldegerate, komplette Schranksysteme (
Leistungsschalter
etc.)
- Schienenfahrzeuge
wie der
ICE
,
Lokomotiven
,
Triebwagen
fur
U-Bahnen
,
S-Bahnen
und
Straßenbahnen
, außerdem Bahn-
Betriebsleittechnik
, (beispielsweise
Stellwerke
) und Elektrifizierung, siehe
Siemens Mobility
- Sicherheitstechnik:
Brandmeldetechnik
,
Einbruchmeldetechnik
,
Videouberwachung
,
Zutrittskontrolle
, Feuerloschtechnik
- Software, insbesondere
Product-Lifecycle-Management
-Software (PLM) beispielsweise
Tecnomatix Plant Simulation
- Stahlwerke
Der Siemens-Vorstand besteht aus funf Personen (Stand: 16. Mai 2023):
[61]
- Roland Busch
(Vorstandsvorsitzender/CEO)
- Ralf P. Thomas
(CFO, Controlling and Finance, Financial Services, Real Estate Services)
- Cedrik Neike
(CEO Digital Industries, Siemens Advanta, IT und Cybersecurity)
- Matthias Rebellius (CEO Smart Infrastructure, CEO Siemens Schweiz)
- Judith Wiese
(Human Resources, Global Business Services, Sustainability)
Der Siemens-Aufsichtsrat hat 20 Mitglieder (Stand: 16. Mai 2023):
[62]
- Jim Hagemann Snabe
(Vorsitzender, Vorsitzender des Verwaltungsrats der
A.P. Møller?Mærsk A/S
)
- Birgit Steinborn
* (1. stellvertretende Vorsitzende, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Siemens AG)
- Werner Brandt
(2. stellvertretender Vorsitzender, Vorsitzender des Aufsichtsrats der
RWE AG
)
- Tobias Baumler* (stellvertretender Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Siemens AG)
- Regina E. Dugan (Vorsitzende der Wellcome Leap Inc.)
- Andrea Fehrmann* (Gewerkschaftssekretarin,
IG-Metall
-Bezirksleitung Bayern)
- Bettina Haller* (Vorsitzende des Konzernbetriebsrats der Siemens AG)
- Harald Kern* (Vorsitzender des Siemens-Europabetriebsrats)
- Jurgen Kerner* (Hauptkassierer und geschaftsfuhrendes Vorstandsmitglied der
IG Metall
)
- Benoit Potier
(Vorstandsvorsitzender (Chairman und CEO) der
Air Liquide S.A.
)
- Hagen Reimer* (Gewerkschaftssekretar beim Vorstand der
IG Metall
)
- Keryn Lee James (Vorsitzende des Verwaltungsrats der OPUS Talent Solutions)
- Kasper Rørsted
- Christian Pfeiffer (Innovationsmanager bei der Siemens Mobility GmbH, Mitglied im Konzernbetriebsrat der Siemens AG und im Gesamtbetriebsrat der Siemens Mobility GmbH)
- Nathalie von Siemens (Aufsichtsratsmitglied)
- Michael Sigmund* (Vorsitzender des Siemens-Konzernsprecherausschusses und des Gesamtsprecherausschusses der Siemens AG)
- Dorothea Simon* (Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Siemens Healthcare GmbH)
- Grazia Vittadini
(CTO und Mitglied des
Airbus
Executive Committee)
- Matthias Zachert
(Vorstandsvorsitzender der
Lanxess AG
)
- Martina Merz
(Vorsitzende des Vorstands (CEO) der
Thyssenkrupp AG
)
- Arbeitnehmervertreter
Siemens ist unter anderem an folgenden Gesellschaften beteiligt:
Hinzu kommt eine Vielzahl an Landesgesellschaften. In Osterreich ist z. B. die
Siemens AG Osterreich
tatig. Mit der Ubernahme von
VA Technologie
2005 wurden rund 8 Mrd. Euro Umsatz erzielt und rund 34.000 Mitarbeiter beschaftigt. Im Geschaftsjahr 2017 betrug der Umsatz 3,4 Mrd. Euro und es wurden etwa 10.300 Mitarbeiter beschaftigt.
[66]
Siemens-Aktien sind seit dem 8. Marz 1899 an der Borse notiert. Gelistet wird die Aktie der Siemens AG heute unter anderem in den Indizes
DAX
,
DivDAX
und
EURO STOXX 50
. Das
Grundkapital
der Gesellschaft ist aufgeteilt in 850 Millionen
Namensaktien
.
[67]
Großter Einzelaktionar ist die
Grunderfamilie von Siemens
mit 6 Prozent, sodann diverse institutionelle Anleger mit insgesamt 65 Prozent, Privataktionare mit 21 Prozent und sonstige oder nicht identifizierbare Anleger mit 8 Prozent. (Stand: November 2021)
[68]
Aufgrund der uber die Jahre konstant uberdurchschnittlich hohen Dividendenrendite ist Siemens bereits seit 2009 ununterbrochen im
DivDAX
vertreten.
[69]
Im September 2019 beschaftigte Siemens rund 117.000 Mitarbeiter in Produktions- und Fertigungsniederlassungen in uber 50 deutschen Stadten.
[70]
Hinzu kommen rund 7.900 Auszubildende und dual Studierende.
In
Berlin
unterhalt Siemens den altesten Standort.
[71]
Berlin ist gemeinsam mit
Munchen
Hauptsitz der Gesellschaft
[72]
und galt im Jahr 2011 mit rund 13.000 Mitarbeitern als der großte Produktionsstandort des Konzerns.
[73]
Im Jahr 2019 hat das Unternehmen das Projekt
Siemensstadt 2.0
gestartet um wesentliche Teile der Produktionsflachen in einen Zukunftscampus weiterzuentwickeln.
Erlangen
bildet mit rund 23.000 Mitarbeitern
[74]
den weltweit großten Standort.
[75]
Erlangen ist ein zentraler Verwaltungsstandort der Siemens AG, Einheiten der Industriesparte, die Energietechnik, Forschung und Entwicklung, die borsennotierte Tochter Healthineers und wesentliche Teile der ebenfalls eigenstandigen Tochter Mobility sind hier angesiedelt.
[76]
In
Hamburg
unterhielt Siemens im Jahr 2011 eine Hauptniederlassung am Lindenplatz sowie verschiedene Betriebsstatten mit insgesamt 1.300 Mitarbeitern,
[77]
weitere 330 sollten hinzukommen.
1894 hatte Siemens beim Bau des
Flusskraftwerks Wynau
erstmals Schweizer Personal eingestellt. Das Unternehmen eroffnete 1900 eine Vertretung in
Zurich
, 1913 in
Lausanne
und 1920 in
Bern
. 1922 wurde mit der
Albiswerk Zurich
AG die erste Schweizer Produktionsstatte in
Albisrieden
eroffnet. 1971 erfolgte die Umbenennung in
Siemens-Albis
und 1996 in
Siemens Schweiz AG
mit dem Hauptsitz in Zurich-Albisrieden.
[78]
[79]
Seit dem Verkauf der Stromsparte der
ABB
im Jahr 2020 ist Siemens der großte Industriearbeitgeber der Schweiz.
[80]
Siemens stand zwischen 2006 und 2008 im Mittelpunkt eines der großten
Korruptions
-/
Schmiergeldskandale
der deutschen
Wirtschaftsgeschichte
, in dessen Folge der Vorstandsvorsitzende
Klaus Kleinfeld
und der Aufsichtsratsvorsitzende
Heinrich von Pierer
das Unternehmen verließen. Die Gesamtkosten mit erwarteten und bereits verhangten Strafen, Beraterkosten und Steuernachzahlungen beliefen sich auf 2,9 Mrd. Euro.
[81]
Am 15. November 2006 durchsuchten 200 Beamte, Steuerfahnder und Staatsanwalte mehr als 30 Burogebaude an allen großen Siemens-Standorten, außerdem Privatwohnungen von ranghohen Mitarbeitern, wegen des Verdachts der
Untreue
. Dabei wurden Akten gepruft und Unterlagen sichergestellt. Anschließend wurde neben anderen das ehemalige Vorstandsmitglied
Thomas Ganswindt
vorubergehend in
Untersuchungshaft
genommen. Ein Strafprozess gegen ihn vor dem
Oberlandesgericht Munchen
wurde im Mai 2011 gegen Zahlung einer Geldauflage von 175.000 Euro eingestellt. 2012 erhielt der Konzern von Ganswindt einen Schadensersatz in Hohe von 500.000 Euro.
[82]
Die Ermittlungen ergaben, dass bei Siemens uber langere Zeit ein System von Schmiergeldzahlungen existierte. Uber eine angeblich bis 1997 bei Siemens fur Anweisungen zu Schmiergeldzahlungen benutzte Verschlusselung zur Umwandlung von Ziffern in Buchstaben berichtete am 31. Januar 2007
The Wall Street Journal
. Der ehemalige Siemens-Manager Michael Kutschenreuter soll der Staatsanwaltschaft Munchen berichtet haben, dass zum Beispiel die Anmerkung ?Legen Sie das in der Datei APP ab“ bedeutet habe, Schmiergelder in Hohe von 2,55 Prozent des Preises seien genehmigt (A=2, P=5). Den zehn Buchstaben des Schlusselworts ?MAKEPROFIT“ sei die Ziffernfolge ?1234567890“ zugeordnet gewesen. Ein Siemens-Sprecher erklarte, dass ihm davon nichts bekannt sei. Der Code konnte sich als entscheidendes Hilfsmittel fur die Staatsanwaltschaft erweisen,
[83]
da er auf Dokumenten als Hinweis auf Anweisungen zu Schmiergeldzahlungen dienen kann.
Die Korruptionsaffare hatte unter anderem zahlreiche personelle Konsequenzen:
Heinrich von Pierer
stellte am 25. April 2007 den Aufsichtsratsvorsitz zur Verfugung, und zum 30. Juni 2007 legte
Klaus Kleinfeld
sein Amt als Vorstandsvorsitzender nieder.
[84]
Neuer Aufsichtsratsvorsitzender wurde
Gerhard Cromme
,
Peter Loscher
folgte als Vorstandsvorsitzender nach. Sie bestellten zum 1. Juli einen neuen
Chief
Compliance
Officer
, beschlossen ein Anti-Korruptionsprogramm und anderten die Anti-Korruptionsrichtlinien.
Im Oktober 2007 wurde das Unternehmen vom
Landgericht Munchen
wegen Schmiergeldzahlungen im Bereich der Telekommunikationssparte Com zu einer Geldbuße in Hohe von 201 Mio. Euro verurteilt. Siemens akzeptierte das Urteil.
[85]
Neben der Korruptionsaffare war Siemens mit verschiedenen anderen Vorwurfen konfrontiert. Im Januar 2007 wurden elf multinationale Konzerne wegen illegaler Preisabsprachen von der EU zu Geldstrafen von insgesamt uber 750 Mio. Euro verurteilt (EU-Wettbewerbskommissarin
Neelie Kroes
:
?Diese Unternehmen haben ein
Kartell
gebildet, das offentliche Versorgungsunternehmen und Verbraucher mehr als 16 Jahre lang betrogen hat“
). Knapp 400 Mio. Euro dieser Geldstrafe entfielen auf den Siemens-Konzern.
[86]
Dies ist die zweithochste Geldstrafe, zu der ein Unternehmen innerhalb der EU verurteilt wurde.
ThyssenKrupp
wurde wegen Bildung eines Preiskartells zu rund 479 Mio. Euro verurteilt (
Liftkartell
).
Im Zusammenhang mit der Verhaftung ihres Beraters
Wilhelm Schelsky
am 14. Februar 2007
[87]
bestatigte ein Siemens-Sprecher, dass Schelsky seit 2001 unter anderem fur Beratungsleistungen und Mitarbeiterschulungen uber 14 Mio. Euro erhalten habe. Laut Siemens habe Schelsky aber seine Leistungen als Unternehmensberater nicht ausreichend nachgewiesen, weswegen das Unternehmen Ende 2006 seinen Beratervertrag fristlos gekundigt habe. Schelsky war zuvor mit Siemens beteiligt an der
ML&S GmbH
in Greifswald und der
NSG Netzwerk-Service GmbH
in Feldkirchen bei Munchen, die heute unter dem Namen
NSG ICT Service GmbH
als Teil des
Cancom
-Konzerns ihren Sitz in Jettingen-Scheppach hat. Schelsky war Vorsitzender der
Arbeitsgemeinschaft Unabhangiger Betriebsangehoriger
(AUB), einer Arbeitnehmervereinigung, die sich als ?die andere Gewerkschaft“ darstellt
[88]
und wurde von der AUB uber 20 Jahre lang mit sehr großen Mehrheiten siebenmal wiedergewahlt, bevor er sein Amt im Fruhjahr 2007 niederlegte und die AUB ihm Ende Mai 2008 seine Mitgliedschaft aberkannte.
Siemens-Vorstand
Johannes Feldmayer
wurde nach Unternehmensangaben am 27. Marz 2007 festgenommen. Laut einer Siemens-Sprecherin stand die Verhaftung im Zusammenhang mit der Affare um die AUB. Am 4. April 2007 wurde Feldmayer mit Auflagen aus der Untersuchungshaft wieder entlassen.
Ab Juni 2008 wurde dem ehemaligen leitenden Siemens-Mitarbeiter Reinhard Siekaczek vor dem
Landgericht Munchen I
der Prozess wegen
Untreue
gegenuber seinem Ex-Arbeitgeber gemacht. Die Staatsanwaltschaft Munchen trug insgesamt vergleichbare 58 Falle der Untreue vor. Siekaczek war zuvor Chef der Siemens-Telefonsparte ICN.
[89]
Im Mai 2010 wurde er wegen Untreue in 49 Fallen zu zwei Jahren Haft auf
Bewahrung
und einer
Geldstrafe
von 108.000 Euro verurteilt.
[90]
Im Dezember 2008 einigte sich Siemens mit dem
US-Justizministerium
auf die Zahlung einer Geldbuße in Hohe von 450 Mio. US-Dollar und mit der
United States Securities and Exchange Commission
(SEC) auf eine weitere Gewinnabschopfung in Hohe von 350 Mio. US-Dollar.
[91]
In Deutschland erließ die Staatsanwaltschaft in Munchen parallel dazu einen
Bußgeldbescheid
uber 395 Mio. Euro. Siemens stimmte auch der Verpflichtung von
Ex-Finanzminister
Theo Waigel
als unabhangigem ?Compliance Monitor“ zu.
[92]
Im April 2010 wurde Michael Kutschenreuter, ehemaliger Bereichsvorstand der Siemens-Kommunikationssparte Com,
[93]
vom Landgericht Munchen I zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewahrung und einer Geldstrafe in Hohe von 60.000 Euro verurteilt. Der ebenfalls angeklagte ehemalige
Buchhalter
Kutschenreuters wurde zu 18 Monaten auf Bewahrung verurteilt.
[94]
Auf diese Strafen erkannte der Vorsitzende Richter
Hans-Joachim Eckert
nach Gestandnissen der beiden Angeklagten, wobei er einen weiteren Anklagepunkt, namlich
Beihilfe
zur
Bestechung
, fallen ließ. Beide Beschuldigten hatten in einem
Deal
zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigern eingeraumt, Schmiergeldzahlungen gedeckt zu haben. Kutschenreuter bedauerte offentlich, die illegale Praxis der schwarzen Kassen gedeckt zu haben. Zugleich relativierten seine Anwalte insofern, als Schmiergeld ein selbstverstandlicher Teil der Firmenstrategie bei Siemens gewesen sei.
[95]
Um nach Aufarbeitung der Korruptionsaffare den neuen Stellenwert einer ethischen Kultur des Unternehmens zu beglaubigen, grundete Siemens im September 2008 die
Siemens Stiftung
, die das
gesellschaftliche Engagement
der Siemens AG durch Projektarbeit in Europa, Lateinamerika und Subsahara-Afrika nachhaltig ausbauen soll.
Ein Verfahren gegen den ehemaligen Siemens-
Finanzvorstand
Heinz-Joachim Neuburger
wurde im Juli 2011 eingestellt.
[96]
Er hatte ein Angebot der Staatsanwaltschaft akzeptiert und 400.000 Euro an gemeinnutzige Organisationen gezahlt. In einem Zivilverfahren wurde Neuburger 2013 verurteilt, an Siemens 15 Mio. Euro Schadenersatz zu zahlen, da er wahrend der Korruptionsaffare seine Aufsichtspflichten verletzt habe. Einen zuvor vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich mit seinem ehemaligen Arbeitgeber hatte er abgelehnt.
[97]
2014 einigten sich Neuburger und Siemens darauf, dass Neuburger nur noch Schadenersatz in Hohe von 2,5 Mio. Euro zu leisten hatte und keine personliche Schuld auf sich nehmen musse. Die
Hauptversammlung
der Siemens AG stimmte der Vereinbarung am 27. Januar 2015 zu. Wenige Tage nach dieser Einigung beging Neuburger
Suizid
.
[98]
In einem der letzten Prozesse in Deutschland gegen fruhere Vorstandsmitglieder von Siemens wurde Uriel Sharef, als Vorstand zustandig fur
Lateinamerika
, im Mai 2014 vom Landgericht Munchen I vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Die Vorsitzende Richterin Jutta Zeilinger begrundete das Urteil mit unzureichenden Beweisen und kritisierte die Arbeit der Staatsanwaltschaft. Sharef hatte die Anklagepunkte im Zusammenhang mit der Bestechung von argentinischen Regierungsvertretern im Jahr 2003 immer bestritten.
[99]
Gemaß einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofs
vom September 2016 muss das Verfahren in Teilen neu verhandelt werden. Die Bundesrichter folgten insofern einigen Argumenten der Munchner Staatsanwaltschaft, die gegen das Urteil vom Mai 2014
Revision
eingelegt hatte. Der Bundesgerichtshof rugte eine Passage des Landgerichtsurteils als ?rechtsfehlerhaft“.
[100]
Sie betraf den Vorwurf, dass Sharef eine von ihm in Sudamerika angelegte und bis 1996 verwaltete schwarze Kasse mit einem Guthaben in Hohe von 35 Mio. US-Dollar nicht aufgelost und das Geld an Siemens zuruck transferiert habe. Das Landgericht Munchen war Sharefs Einlassungen, vom weiteren Fortbestand der Kasse keine Kenntnis gehabt zu haben, unter Hinweis auf die geanderten Compliance-Strukturen bei Siemens gefolgt.
[101]
Da Sharef noch 2004 von einem sudamerikanischen Siemens-Vertreter um Hilfe bei der Auflosung der Kasse gebeten worden war, lag hier nach Auffassung des Bundesgerichtshofs eine fehlerhafte Beweiswurdigung vor,
[102]
so dass eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Munchen den Vorwurf einer Untreue durch Unterlassung neu gegen Sharef verhandeln muss.
[103]
Im November 2014 wurde von einem Berufungsgericht in Athen gegen 64 Beschuldigte Anklage wegen Bestechung und Geldwasche erhoben.
[104]
Den Angeklagten, darunter 13 Deutsche,
[105]
wurde vorgeworfen, Schmiergeldzahlungen in Hohe von 70 Mio. Euro geleistet zu haben, um Siemens einen Auftrag des staatlichen Telekommunikationsunternehmens
OTE
uber 464,5 Mio. Euro zu verschaffen.
[106]
Der Vertrag zwischen Siemens und OTE wurde 1997 unterzeichnet.
[107]
Am 12. Juli 2016 wurde das Verfahren auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, da keine hinreichenden Ubersetzungen der Prozessdokumente vorlagen.
[108]
In der Folge ordnete das
Oberste Gericht
eine Untersuchung an.
[109]
Im Juli 2017 wurde der fruhere Verkehrsminister Griechenlands, Tassos Mantelis, wegen Geldwasche schuldig gesprochen. Ein Siemens-Vorsitzender in Griechenland wurde wegen Bestechung und Geldwasche zu 12 Jahren auf Bewahrung verurteilt.
[110]
Ein 800-seitiges Manuskript, auf Initiative von Siemens gefertigt, wird unter Verschluss gehalten.
[111]
Im 2010 veroffentlichten
Schwarzbuch Markenfirmen
? Die Machenschaften der Weltkonzerne
wurde Siemens die Massenvertreibung und Zerstorung der Lebensgrundlagen durch Staudammprojekte vorgeworfen. Ebenso wurde Siemens eine Beteiligung am
nordkoreanischen Atomprogramm
unterstellt.
[112]
Am 17. September 2006 wurde bekannt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende von Pierer die Vorstandsgehalter um durchschnittlich 30 Prozent erhohen wollte. Da fur manche Siemens-Mitarbeiter Lohnkurzungen unterstellt wurden und durch eine vermutete Zusammenlegung von Bereichen mit Nokia Tausende Arbeitsplatze hatten wegfallen konnen,
[113]
gab dies Anlass zu Kritik aus der Politik, Wirtschaft und von Kirchen.
[114]
Den Gehaltsanteil aus der Erhohung verwendete der Vorstand medienwirksam zugunsten eines Hilfsfonds fur Arbeitnehmer des abgespalteten Unternehmens
BenQ Mobile
.
[115]
Dieses musste in Deutschland am 29. September 2006 Insolvenz anmelden, nachdem der Mutterkonzern BenQ die Zahlung an seine deutsche Tochter einstellte.
[116]
Siemens stand, neben anderen deutschen Unternehmen, durch Geschafte mit dem
Iran
in der Kritik. Die
USA
etwa forderten weltweit Unternehmen ? darunter auch Siemens ? auf, Geschafte mit dem Iran einzustellen, bis dieser sein umstrittenes
Atomprogramm
aufgibt.
[117]
[118]
Die
Jerusalem Post
meldete 2008, das gesamte Handelsvolumen des Siemens-Konzerns mit dem Iran betrage jahrlich mehr als 500 Millionen US-Dollar.
[119]
Weitere Kritik gab es auch wegen der Lieferung moderner Uberwachungstechnologie an die iranische Regierung im Jahr 2008 durch das Gemeinschaftsunternehmen
Nokia Siemens Networks
, besonders infolge der Proteste der Opposition nach den laut Vorwurf manipulierten iranischen Prasidentschaftswahlen im Juni 2009.
[120]
Diese Uberwachungstechnologie kann vom iranischen Regime dazu eingesetzt werden, Gesprache im Fest- und Mobilfunknetz zu uberwachen, beispielsweise um Oppositionelle aufzuspuren und zu verhaften. Der genaue Umfang der gelieferten Technologie ist unklar ? laut Presseberichten ist davon auszugehen, dass damit auch das Internet uberwacht werden kann (?
Deep Packet Inspection
“).
Bei der Hauptversammlung im Januar 2010 gab der Konzern bekannt, ab Mitte des Jahres 2010 keinerlei Geschafte mehr mit dem Iran zu machen.
[121]
2009 bestrafte die
Weltbank
ein russisches Tochterunternehmen von Siemens: Die Firma habe sich in Verbindung mit einem Verkehrsprojekt in Moskau an ?betrugerischen und korrupten Praktiken“ beteiligt und zwischen 2005 und 2006 rund drei Mio. US-Dollar an Schmiergeldern gezahlt.
[122]
[123]
Im August 2010 stoppten Zollbeamte am Frankfurter Flughafen eine Siemens-Sendung mit Schalterkomponenten und Rechenmodulen. Das Paket war fur eine Tochter des russischen Atomkonzerns
Rosatom
bestimmt, die Nuklearfirma Atomstroyexport, die am Bau des iranischen
Atomreaktors in Buschehr
beteiligt war. Atomstroyexport wiederum wollte die Siemens-Sendung nach Informationen deutscher Behorden von Frankfurt uber Moskau zum Kernkraftwerk Buschehr weiterleiten. Die Weiterleitung der Siemens-Komponenten hat nach Auffassung der Behorden gegen das EU-Iran-Embargo verstoßen. Siemens geriet in diesem Zusammenhang in Erklarungsnot. Siemens habe nicht gewusst, dass die Module uber den russischen Empfanger weiter in den Iran transportiert werden sollten, sagte ein Konzernsprecher.
[123]
[124]
Zwei Wochen nach der
Krim-Annexion durch Russland
und nachdem die Europaische Union
Wirtschaftssanktionen gegen Russland
verhangt hatte, reiste Siemens-Chef Joe Kaeser nach Moskau, um sich mit dem russischen Prasidenten
Wladimir Putin
und dem Eisenbahnchef
Wladimir Jakunin
zu treffen, der personlich auf der Sanktionsliste der EU steht. In Moskau lobte Kaeser die ?vertrauensvollen Beziehungen“ zu Russland und sagte, dass Siemens sich in seinen Geschaften nicht von ?kurzfristigen Turbulenzen“ leiten lasse. Der Zeitpunkt des Besuchs sowie Kaesers Außerungen und Auftreten vor den Kameras gaben Anlass zur Kritik, dass Siemens die Bedeutung der Krim-Annexion herunterspiele und den eigenen Profit uber das Volkerrecht und die Interessen Europas stelle.
[125]
[126]
[127]
[128]
Siemens stand 2014 den Russland-Sanktionen der EU ablehnend gegenuber.
[129]
Siemens wird verdachtigt, Sanktionen durch die Lieferung von Gasturbinen auf die
Krim
verletzt zu haben.
[130]
[131]
[132]
Die EU, die Vereinigten Staaten und andere Lander haben wegen der Krim-Annexion den Export bestimmter Guter auf die von Russland besetzte Halbinsel verboten, vor allem fur die Energieforderung. Im Marz 2015 bestellte Technopromexport, eine Tochterfirma des russischen Staatskonzerns
Rostec
, vier Kraftwerksturbinen von Siemens. Laut Vertrag waren sie fur ein neues Elektrizitatswerk im sudrussischen
Taman
vorgesehen. Dabei handele es sich aber um eine Formalitat, um die Krim-Sanktionen zu umgehen, wie die russische Zeitung
Wedomosti
im Juni 2015 unter Berufung auf hohe russische Beamte mitteilte.
[131]
[132]
[133]
Tatsachlich seien die Turbinen fur die von Russland annektierte Krim bestimmt und Siemens wolle sie trotz Sanktionen an ihre eigentlichen Bestimmungsorte in Sewastopol und Simferopol liefern, berichteten internationale Medien.
[130]
Siemens dementierte die Berichte und versicherte, das Unternehmen wurde sich an die Sanktionsbeschlusse halten.
[131]
[132]
2016 wurde am vertraglich vereinbarten Bestimmungsort Taman der Bau des Gaskraftwerks abgesagt, wohingegen auf der Krim der Bau der Elektrizitatswerke voranging.
[134]
[135]
Trotz dieser Entwicklungen versicherte Siemens 2016 erneut, dass die Turbinen in Taman und nicht auf der Krim zum Einsatz kommen wurden.
[136]
Im Juli 2017 bestatigte Siemens Medienberichte, dass die Gasturbinen auf die Krim transportiert wurden. Die Lieferung sei jedoch ?gegen den Willen“ des Konzerns geschehen.
[130]
[136]
[137]
[138]
Der russische Abnehmer Technopromexport raumte ein, die Siemens-Turbinen umgerustet und auf die Krim gebracht zu haben.
[139]
Technopromexport behauptet außerdem, Siemens wurde vor der Lieferung der Gasturbinen auf die Krim ein Ruckkauf der Gerate angeboten. Das deutsche Unternehmen habe das Angebot jedoch abgelehnt.
[140]
Siemens bestreitet das und sieht sich von seinen Geschaftspartnern hintergangen, da der Vertrag eine Lieferung an die Krim untersagt hatte. Der Konzern reichte vor einem Moskauer Gericht Anzeige gegen zwei Rostec-Tochterunternehmen ein,
[130]
das Moskauer Gericht wies die Klage vorerst aus formalen Grunden ab.
[141]
Siemens fordert zudem von der Montagefirma ZAO Interautomatika, an der Siemens zu 46 Prozent beteiligt ist, Auftrage auf der Krim sofort zu stoppen und hat angekundigt, sich von der Minderheitsbeteiligung ganz zu trennen.
[130]
[138]
[140]
Die Bundesregierung rugte den Konzern. ?Es liegt in der Verantwortung des Unternehmens, dass Exportgesetze und Sanktionen eingehalten werden“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums.
[136]
Uber mogliche Konsequenzen eines solchen ?ganzlich inakzeptablen“ Vorganges werde beraten, sagte Regierungssprecher
Steffen Seibert
.
[142]
Am 20. August 2017 wurde bekannt, dass das Moskauer Schiedsgericht die Beschlagnahme vier sanktionswidrig auf die Krim gelieferte Turbinen ablehnte; Siemens hatte den Empfanger Technopromexport auf Rucklieferung oder Ruckabwicklung verklagt.
[143]
Im November 2018 teilte die Hamburger Staatsanwaltschaft mit, dass in der Affare um den illegalen Export von Gasturbinen auf die Krim gegen drei Deutsche, die fur Siemens in Sankt Petersburg arbeiten, ermittelt wird. Die Staatsanwaltschaft sprach von sieben Turbinenanlagen im Wert von 213 Mio. Euro, die uber den
Hamburger Hafen
an Technopromexport verschifft worden seien. Siemens hatte bis dato von vier Turbinen gesprochen.
[144]
[145]
Im Mai 2022 teilte Konzernchef Roland Busch mit, dass Siemens sich nach 170 Jahren wegen des
russischen Uberfalls auf die Ukraine
vom russischen Markt zuruckziehen werde. Busch erklarte: ?Wir verurteilen den Krieg in der Ukraine und haben beschlossen, unsere industriellen Geschaftsaktivitaten in Russland in einem geordneten Prozess zu beenden.“ Laut Angaben des Magazins
Spiegel
erzielte der Konzern zuletzt rund ein Prozent seines Umsatzes in Russland und
Belarus
.
[146]
Siemens bestatigte im Dezember 2019 einen Auftrag zur Lieferung von Signaltechnik fur die Bahnlinie des
Steinkohlebergwerks Carmichael
in Australien. Der Auftrag stoßt bei Umweltverbanden, Anwohnern, Politikern und indigenen Gruppen weltweit auf Kritik. Am Freitag, den 10. Januar 2020, fanden von
Fridays for Future
unter dem Motto ?Stop
Adani
“ in ganz Deutschland Proteste gegen die Siemens-Lieferung vor Firmeneinrichtungen statt. Dabei wurde auch eine Petition mit uber 57.000 Unterschriften gegen die Lieferung ubergeben.
[147]
Siemens-Chef Joe Kaeser zeigte sich kooperationsbereit und stimmte einem Gesprach mit den Klimaaktivisten
Luisa Neubauer
und Nick Heubeck zu.
Am 12. Januar 2020 teilte Kaeser mit, dass Siemens an dem Liefervertrag festhalten werde. Er begrundete die Entscheidung in einer Pressemitteilung auch mit notiger Vertragstreue gegenuber den Kunden und der Verantwortung fur die Arbeitsplatze bei Siemens.
[148]
Nach dieser Entscheidung kam es zu weiteren Protesten.
[149]
Im Mai 2021 forderte eine Gruppe Europaabgeordneter Siemens dazu auf, die Kooperation mit der Regierung des
belarussischen
Diktators
Aljaksandr Lukaschenka
einzustellen. Zur Jahreswende 2019/2020 hatte Siemens zusammen mit dem belarussischen staatlichen Energieunternehmen RUE Vitebskenergo die Lieferung von Gasturbinen fur zwei Kraftwerke beschlossen. Siemens hatte angekundigt, die Menschenrechtssituation in Belarus genauer zu beobachten. Die Lieferung von Gasturbinen wurde aus der Sicht des Unternehmens lediglich die Entwicklung der Energieinfrastruktur des Landes unterstutzen.
[150]
[151]
Siemens nutzt die Erfahrungen und das Netzwerk von Politikern fur
Lobbyarbeit
. Seit Oktober 2009 ist der ehemalige deutsche Bundesaußenminister, Vizekanzler und Grunen-Vorsitzende
Joschka Fischer
als Lobbyist fur Siemens tatig. Ebenso arbeitete die ehemalige Außenministerin der USA,
Madeleine Albright
, fur den Konzern; sie beriet Siemens ?in außenpolitischen und unternehmensstrategischen Fragen“.
[152]
Leiter der Siemens-Vertretung bei der EU in Brussel ist seit 2007 der ehemalige EU-Botschafter der deutschen Bundesregierung,
Wilhelm Schonfelder
.
[153]
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