Siegfried Czapski
(*
28. Mai
1861
auf dem Gut Obra bei
Koschmin
, Provinz
Posen
; †
29. Juni
1907
in
Weimar
) war ein deutscher
Physiker
.
Czapski war der Sohn von Simon Czapski (1826?1908) und dessen Ehefrau Rosalie Goldenring (1830?1916). 1870 erlitt der Vater einen schweren Unfall, in dessen Folge er berufsunfahig wurde. Die Familie verkaufte das Gut und zog nach
Breslau
um, wo ab 1872 der elfjahrige
Czapski
das
Maria-Magdalenen-Gymnasium
besuchte. 1879 machte er dort Abitur (zusammen mit
Wilhelm Prausnitz
,
Richard Reitzenstein
sowie
Felix Skutsch
) und begann sein Studium fur ein Semester an der
Universitat Gottingen
: Er horte Vorlesungen bei
Eduard Riecke
(
Physik
),
Moritz Abraham Stern
(
Mathematik
) und
Rudolf Hermann Lotze
(
Philosophie
). Ab seinem zweiten Semester studierte er an der
Universitat Breslau
Physik bei
Oskar Emil Meyer
,
Ernst Dorn
und
Felix Auerbach
, Mathematik bei
Jakob Rosanes
und Philosophie bei
Jacob Freudenthal
. Seit dieser Zeit war er mit
Arthur Heidenhain
(1862?1941) befreundet, mit dem ihn eine lebenslange Brieffreundschaft verband.
1881 wechselte Czapski an die
Universitat Berlin
, um dort bei den Physikern
Hermann von Helmholtz
und
Gustav Robert Kirchhoff
zu studieren. Er stand in Kontakt mit
Leopold Loewenherz
. Sein Interesse galt der
Experimentalphysik
und so belegte er auch praktisch-handwerkliche Kurse. 1882 arbeitete Czapski fur die
Normal-Eichungskommission
unter Leitung des
Astronomen
Wilhelm Julius Foerster
. Ab Herbst arbeitete er an seiner
Promotion
bei Hermann von Helmholtz, in deren Rahmen er eine helmholtzsche Theorie experimentell uberprufte. Seine
Dissertation
reichte er im November 1883 bei Helmholtz und Kirchhoff ein. Im Dezember schlossen sich die Doktorprufungen an, in Physik bei Helmholtz und Kirchhoff, in Mathematik bei
Leopold Kronecker
und in Philosophie bei
Eduard Zeller
. Im Februar 1884 schloss er seine Promotion mit dem
Rigorosum
ab.
Zu seinem Interesse fur die
physikalische
und
technische Optik
passte es, dass er ab dem 1. Juli fur
Carl Bambergs
Werkstatte fur wissenschaftliche Pracisions-Instrumente
(spater
Askania Werke
) arbeiten konnte. Um diese Gebiete auszuloten, wandte er sich an
Ernst Abbe
von den
Zeiss-Werken
in Jena. Abbe machte Czapski kurzerhand zu seinem Assistenten, was er bis 1886 blieb und bezog ihn in seine Diskussionen mit dem Physiker
Leonhard Sohncke
von der
Universitat Jena
ein. Nachdem Czapski bis 1886 als Assistent noch eine relativ lose Anbindung an die Firma Zeiss hatte und parallel immer noch Auftrage fur Bamberg annahm, anderte sich diese Situation mit einem festen Vertrag, der ihn (mit Zustimmung
Carl
und
Roderich Zeiss
') zu Abbes engstem Mitarbeiter machte.
Bereits ab 1885 bezog Abbe Czapski in seine theoretischen Arbeiten mit ein, die dieser in den folgenden Jahren publizierte, weil Abbe selbst durch die Entwicklungsarbeit zu sehr in Anspruch genommen, dazu weder Zeit noch Geduld aufbringen konnte oder wollte. 1893 schaffte er es nach funf Jahren endlich seinen Beitrag fur
Adolf Winkelmanns
Handbuch der Physik
fertigzustellen:
Theorie der optischen Instrumente nach Abbe
. Das 300-seitige Werk erschien als Sonderdruck aus Band II des Handbuchs noch im selben Jahr und fand Anerkennung als Grundlagenwerk fur die technische Optik.
Mit Abbe und
Otto Schott
in Jena sowie
Leopold Dippel
in
Darmstadt
war Czapski gleich zu Beginn seiner Jenaer Zeit an der Konstruktion und Herstellung einer neuen
Mikroskop
-Optik beteiligt. Spater folgte die technische Realisierung eines binokularen Mikroskops nach Ideen des amerikanischen Biologen
Horatio S. Greenough
. Die Produktpalette der expandierenden Firma wuchs: 1890 begann die Produktion von fotografischen Objektiven, 1892/93 optische Messgerate, 1893/94 maßgeblich von Czapski mitentwickelte Prismen-
Feldstecher
, 1897 astronomische Instrumente und 1901 Bildmessgerate.
Die wachsende Produktpalette, der weit uber die Grenzen Deutschlands hinausreichende Bekanntheitsgrad der Firma und die mit all dem verbundene standig steigende Mitarbeiterzahl forderten Czapski mehr und mehr. Ab 1891 war er einer von drei
Geschaftsfuhrern
der Firma Carl Zeiss.
Nach der Grundung der
Carl-Zeiss-Stiftung
1889 durch Abbe und 1891 der vollstandigen Uberfuhrung der Firma Zeiss ins Eigentum der Stiftung sowie der Halfte der
Firma Schott
wurde Czapski stellvertretender Bevollmachtigter der Stiftung. Neben Abbe und einem Stiftungskommissar aus dem Großherzoglich-Sachsischen Staatsministerium in
Weimar
(zuerst war das
Karl Rothe
, ab 1899 der
Geheime Regierungsrat
Max Vollert
) ubernahm Czapski mehr und mehr Funktionen in der Firmenleitung, worunter seine Gesundheit zunehmend litt. Abbe bezog neben dem
Universitatskurator
Heinrich von Eggeling
und dem Juristen
Eduard Rosenthal
auch Czapski in die Ausarbeitung des
Stiftungs-Statuts
ein, wodurch jener sich zunehmend mit Fragen und Problemen der Arbeiterschaft beschaftigen musste. Die Arbeiten am Statut wurden 1895/96 abgeschlossen.
Czapskis Leben anderte sich 1885, als er Margarete Koch kennen und lieben lernte. Margarete (eigentlich Marguerite) war die Enkelin von Abbes Lehrer, dem Mathematiker und Physiker
Karl Snell
. Der Vater Margaretes war in
Paris
Professor an einem Gymnasium und ein Neffe von
Juliette Drouet
, der Lebensgefahrtin von
Victor Hugo
. Seine Ehefrau Ottilie Koch geb. Snell war des Ofteren in Begleitung ihrer Tochter bei ihrem Vater in Jena zu Besuch. Ottilie war zudem die Schwester von Else Abbe, der Frau Abbes. Es konnte nicht ausbleiben, dass sich der 24-jahrige Czapski und die 19-jahrige Margarete Koch kennenlernten. Sie verlobten sich ? zuerst heimlich ? nachdem sie sich erst wenige Wochen kannten. Die Hochzeit sollte erst zwei Jahre spater nach dem 21. Geburtstag von Margarete stattfinden: Am 11. August 1887 heirateten sie.
Aus der Ehe gingen acht Kinder hervor:
- 1888 Charlotte (?Lotte“), verheiratet mit
Herbert Koch
- 1889 Hans
- 1891?1968
Helene
, verh. Holzman
- 1892 Ewald
- 1894
Elisabeth
, verheiratet mit
Wilhelm Flitner
- 1896 Dorothea
- 13. Juli 1902 Reinhardt
- 22. Dezember 1903 Anna-Maria (?Anni“)
Czapskis Gesundheit war seit jeher angeschlagen. Dazu trug auch seine enorme berufliche Belastung bei. Am 29. Juni 1907 starb er an einer Lungenembolie in Folge einer Blinddarmoperation. So uberlebte er seinen vaterlichen Freund Ernst Abbe, dessen Weggefahrte und Nachfolger er war, nur um zweieinhalb Jahre.
[1]
- Andreas Flitner
, Joachim Wittig (Hrsg.):
Optik ? Technik ? Soziale Kultur. Siegfried Czapski, Weggefahrte und Nachfolger Ernst Abbes. Briefe, Schriften, Dokumente
, Hain-Verl., Rudolstadt 2000,
ISBN 3-930215-91-8
- Friedrich Stier:
Czapski, Siegfried.
In:
Neue Deutsche Biographie
(NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957,
ISBN 3-428-00184-2
, S. 456 f. (
Digitalisat
).
- ↑
Andreas Flitner, Joachim Wittig (Hrsg.):
Optik ? Technik ? Soziale Kultur. Siegfried Czapski, Weggefahrte und Nachfolger Ernst Abbes. Briefe, Schriften, Dokumente
, Hain-Verl., Rudolstadt 2000,
ISBN 3-930215-91-8
, S. 57.