Musicaldaten
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Titel:
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Show Boat
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Originalsprache:
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Englisch
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Musik:
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Jerome Kern
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Urauffuhrung:
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27. Dezember 1927
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Ort der Urauffuhrung:
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Ziegfeld Theatre
? New York City
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Ort und Zeit der Handlung:
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1880?1927: Natchez, Mississippi; Chicago, Illinois; Theaterschiff Cotton Blossom
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Rollen/Personen
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- Andy Hawks ? Kapitan der Cotton Blossom
- Parthy Ann Hawks = Ehefrau von Andy
- Magnolia Hawks/Ravenal = Tochter von Parthy und Andy
- Gaylord Ravenal = Glucksspieler, Magnolias Ehemann
- Kim Ravenal = Tochter von Gaylord und Magnolia
- Julie LaVerne = Schauspielerin, Sangerin
- Steve Baker = Schauspieler, Julies Ehemann
- Joe = Schiffsarbeiter, Queenies Ehemann
- Queenie = Kochin
- Ellie May Chipley = Soubrette, Franks Ehefrau
- Frank Schultz = Tanzer
[1]
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Show Boat
ist ein auf dem gleichnamigen Roman von
Edna Ferber
basierendes
Musical
in zwei Akten mit Musik von
Jerome Kern
und Text und Buch von
Oscar Hammerstein II
.
[2]
Show Boat
wurde seit der Premiere 1927 fast jede Dekade neu inszeniert. Die Versionen der ersten zwei Dekaden haben den großten Einfluss auf nachfolgende Inszenierungen genommen.
[3]
Edna Ferber war zunachst skeptisch, als Jerome Kern mit seinem Vorhaben,
Show Boat
in ein Musical zu verwandeln, an sie herantrat. Sie furchtete eine Reduzierung und humoristische Wandlung des Plots und konnte, so schließt Lauren Acton aus Ferbers Autobiographie, erst vollstandig uberzeugt werden, als sie den Song
Ol’ Man River
horte und davon tief beruhrt wurde.
[4]
Ferbers Roman beschaftigt sich mit ernsthaften Themen wie Rassismus, Eheproblemen und Alkoholismus, was in den 1920er Jahren keinesfalls als musicaltauglich angesehen wurde.
[5]
Auch der Produzent,
Florenz Ziegfeld
, hatte anfangs große Bedenken,
Show Boat
auf die Buhne zu bringen, obwohl das Textbuch ihn begeisterte. Noch wahrend der Premiere war er fest davon uberzeugt, das Musical sei eine Fehlinvestition gewesen. Letztlich jedoch wurde
Show Boat
zur erfolgreichsten Produktion seiner Karriere.
[6]
Show Boat
war der Wegbereiter fur das Goldene Zeitalter des
Broadway
-Musicals. In dieser Zeit festigte sich, was das amerikanische Musicaltheater von anderen Formen des Musicaltheaters abhebt: die Integration von Tanz, Gesang, Text, Gestaltung und Schauspiel zugunsten der Entfaltung der erzahlten Geschichte.
[7]
Kritiker waren sich von Anfang an einig, dass
Show Boat
ein Meilenstein in der Musicalgeschichte sei.
[8]
Als besonders werden die Gestaltung des Musicals als Drama und seine ernsthafte Thematik sowie die Zusammenfuhrung von
Musical Comedy
und
Operette
erachtet. Diese Verschmelzung ist der Grund, warum
Show Boat
oft als erstes
Musical Play
bezeichnet wird.
[9]
[10]
Das Musical Play zeichnet sich dadurch aus, dass es ein ernstes Thema im Alltag gewohnlicher Menschen behandelt und das Publikum dazu ermutigt, sich in die Thematik hineinzuversetzen. Es entfaltet sich in einem Dialog, welcher der naturlichen Art und Weise zu sprechen sehr nahe kommt. Alle Elemente tragen dazu bei, die Entwicklung der Geschichte in interessanter und steigender Dramatik vorwarts zu bringen.
[11]
Dazu wird Musik komponiert, die weder den ublichen Kompositionsregeln der ariosen Operette noch der kurzgefassten, zumeist nur auf Hits, Amusement und Stars ausgelegten Musical Comedy entspricht.
[12]
Show Boat
wird nach Siedhoff als erstes Book Musical bezeichnet, da es, obwohl 1927 bereits
George Gershwins
Book Musical
Lady, Be Good
existierte, das erste Musical war, das sich intensiv mit der Theaterwelt beschaftigte und diese dem Publikum mit ihren schonen und hasslichen Seiten prasentierte.
[13]
Damit setzte es den fur das Book Musical charakteristischen Fokus auf die Charaktere, deren Gemutslage und die Situationen, in denen sie sich befinden.
[14]
Obwohl
Show Boat
nicht die erste Musicalproduktion war, die eine gemischte Besetzung mit schwarzen und weißen Kunstlern hatte, wurden dem Musical aufgrund seiner Popularitat und seines Bekanntheitsgrads seit seiner Premiere Vorwurfe des Rassismus und der Verstarkung von Stereotypen gemacht.
[15]
Folglich muss sich jede neue Inszenierung erneut der zeitgemaßen Umsetzung der fragwurdigen Szenen in dem Musical stellen (siehe Abschnitt ?Kritik: Rassismus“).
Ein weiterer fortwahrender Kritikpunkt richtet sich gegen den zweiten Akt des Musicals, denn dieser wirkt neben dem detailreichen und musikalisch brillanten ersten Akt farblos. Zu lange Zeitraume mussen im zweiten Akt zusammengefasst werden (1893?1927); die unrealistischen Aufeinandertreffen der Hauptcharaktere und das Happy End, bei dem alle Hauptcharaktere noch leben und ? ganz im Gegensatz zur Romanvorlage ? wiedervereint werden, wirken herbeigezwungen. Die Rolle von Kim, der Tochter von Gaylord (und Magnolia) Ravenal, bleibt unklar, ihre musikalischen Nummern werden uber die Jahre immer wieder verandert oder gar komplett gestrichen.
[16]
Trotz des wegweisenden Charakters von
Show Boat
herrschte anschließend fast zehn Jahre lang ?Funkstille“ und die Entwicklungen auf dem Gebiet des Musicals gingen zuruck in Richtung Operette und Musical Comedy. Erst Gershwins Broadway-Oper
Porgy and Bess
trat wieder in die Fußstapfen von
Show Boat
.
[17]
Show Boat
hat die am langsten anhaltende Auffuhrungsgeschichte in der Geschichte des Broadway-Musicals. Von großen Broadway-Revivals in fast jedem Jahrzehnt seit seiner Premiere bis hin zu kleinen Auffuhrungen uberall in den USA hat
Show Boat
trotz seines fast 90-jahrigen Bestehens offensichtlich nichts an seiner Faszination eingebußt.
[18]
In Deutschland wurde
Show Boat
unter dem Titel
Das Komodiantenschiff
(Ubersetzung: Janne Furch) zum ersten Mal 1970 in
Freiburg im Breisgau
aufgefuhrt.
[19]
Die erste eng an das Original von 1927 angelehnte deutschsprachige Fassung stammt von
Marcel Prawy
; sie wurde am 1. Marz 1971 in der
Volksoper Wien
uraufgefuhrt.
Wichtige Inszenierungen von
Show Boat
sind neben der Broadway-Premiere 1927 die erste Inszenierung in London im
Theatre Royal Drury Lane
1928, die Inszenierung von 1946, wie bei der Premiere ebenfalls im
Ziegfeld Theatre
in New York, mit Kern und Hammerstein II als Produzenten sowie die Broadway-Inszenierung von 1994 unter
Harold Prince
.
[20]
[21]
Show Boat
deckt nicht nur eine Zeitspanne von 40 Jahren an unterschiedlichen Orten ab, es befasst sich außerdem mit ethnischen Konflikten, zerbrochenen Ehen und Selbstreflexionen uber das Theaterleben.
[22]
Es spielt entlang des Flusses
Mississippi
sowie in
Chicago
und behandelt sowohl das Leben der armen schwarzen Schiffsarbeiter als auch das der weißen Kunstlertruppe.
Alles beginnt im Jahr 1880 mit einer Szene an Deck der Cotton Blossom, eines Theaterschiffs, wie es zu dieser Zeit in den USA viele gab. Mit großem Schauspiel und Glamour kundigt die Cotton Blossom die Auffuhrungen der nachsten Tage fur die Bewohner von Natchez an. Als der Sheriff von Natchez herausfindet, dass Julie LaVerne, der Star des Schiffs, einen schwarzen und einen weißen Elternteil hat, sind Cap’n Andy und seine Frau Parthy dazu gezwungen, sie des Schiffes zu verweisen. Es kommt zur ersten ethnischen Fragestellung, als Julies Ehemann Steve ihr in den Finger schneidet und das Blut ableckt als Zeichen, dass er nun auch schwarzes Blut in sich habe und die Ehe somit nicht unrechtmaßig sei. Um die Auffuhrungen zu retten, ersetzt die Tochter des Kapitans, Magnolia, die Rolle von Julie zusammen mit dem attraktiven Glucksspieler Gaylord Ravenal, der Steves Part einnimmt. Die beiden verlieben sich ineinander, heiraten und verlassen schließlich die Cotton Blossom, um in Chicago zu leben.
Andy und Parthy besuchen Magnolia und Gaylord anlasslich der Weltausstellung 1893. Parthy ist immer noch skeptisch Gaylord gegenuber ? zu Recht, denn Gaylords Spielsucht nimmt kein Ende, und als seine Schulden zu groß werden, verlasst er Magnolia und deren gemeinsame Tochter Kim. Zwei alte Freunde aus der Kunstlergruppe der Cotton Blossom, Frank und Ellie, die das typische amusante secondary couple darstellen,
[23]
sind erfolgreiche Vaudeville-Stars geworden und treffen zu dem Zeitpunkt bei Magnolia ein, als diese von Gaylord verlassen wurde. Sie helfen ihr in ihrer Not, indem sie Kontakt zum Trocadero herstellen, wo sie sich um die Anstellung als Sangerin bewirbt, welche die zur Alkoholikerin gewordene Julie LaVerne innehat. Diese verschwindet Magnolia zuliebe, als sie sie beim Vorsingen erkennt. Am Silvesterabend gibt Magnolia ihr Debut im Trocadero, wo sich auch Captain Andy im Publikum befindet und den Auftritt durch sein Vertrauen in seine Tochter rettet.
1927 sind Magnolia und Kim erfolgreiche Sangerinnen. Andy trifft zufallig auf Gaylord Ravenal und ladt diesen zur großen Reunion der alten Cotton-Blossom-Kunstlertruppe ein. Als Magnolia und Gaylord sich sehen, scheint fur beide die jahrelange Trennung vergessen. Im Hintergrund der Haupthandlung verlauft die Geschichte von Joe, dem farbigen Schiffsarbeiter, und seiner Frau Queenie, der Kochin der Cotton Blossom, die sich in der von Weißen dominierten (Theater-)Welt abschuften und dennoch kaum Beachtung finden und wie der Fluss Mississippi alles erdulden und einen Tag nach dem anderen verleben.
[24]
[25]
Folgende Szenen finden sich in der Fassung von 1946:
[26]
Szene
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Nummer
|
Besetzung
|
1. Akt
, Szene 1: 1880 ? Uferdamm des Mississippi von Natchez, Show Boat Cotton Blossom
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Cotton Blossom
,
Where’s the Mate for Me?
,
Make Believe
,
Ol’ Man River
|
Chor, Gaylord Ravenal, Magnolia und Gaylord, Joe
|
2. Szene ? Kuche der Cotton Blossom
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Can’t Help Lovin’ Dat Man
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Julie LaVerne
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3. Szene ? Spielsalon in Flussnahe
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Till Good Luck Comes My Way
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Gaylord
|
4. Szene ? Zuschauerraum der Cotton Blossom
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Mis’ry’s Comin’ Aroun’
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Queenie
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5. Szene ? Theaterkasse auf dem Vordeck
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Life on the Wicked Stage
,
Queenie’s Ballyhoo
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Ellie May Chipley, Queenie
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6. Szene ? Zuschauerraum und Buhne wahrend des III. Aktes von The Parson’s Bride
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7. Szene ? Oberdeck
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You Are Love
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Magnolia und Gaylord
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8. Szene ? Uferdamm des Mississippi von Natchez, Show Boat Cotton Blossom
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Finale I
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Chor
|
2. Akt
, Szene 1, 1893 ? Vergnugungspark der Expo Chicago
|
At the Fair
,
Why Do I Love You?
,
In Dahomey
|
Chor, Magnolia und Gaylord, Chor
|
2. Szene, 1904 ? Vergnugungspark der Expo Chicago
|
|
|
3. Szene ? St. Agatha Kloster, Chicago
|
Convent Scene
|
Chor
|
4. Szene ? Proberaum des Trocadero
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Bill
,
Reprise: Can’t Help Lovin’ Dat Man
|
Julie, Magnolia
|
5. Szene ? Ecke im Foyer des Sherman House
|
|
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6. Szene ? Trocadero fur den Neujahrsabend dekoriert
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Trocadero Opening Chorus
,
After the Ball
,
Goodbye, My Lady Love
|
Chor, Magnolia, Ellie und Frank
|
7. Szene ? Straße vor dem Zeitungsburo des Natchez, Evening Bulletin
|
Reprise: Ol’ Man River
,
Hey, Feller!
|
Joe, Queenie und Chor
|
8. Szene ? Oberdeck
|
Reprise: You Are Love
|
Gaylord
|
9. Szene, 1927 ? Uferdamm von Natchez, mit der modernisierten Cotton Blossom
|
Reprise: Cotton Blossom
,
Nobody Else But Me
,
Finale Ultimo
|
Chor, Kim, Joe und Chor
|
Bereits nach der Premiere wurde
Show Boats
Originalitat und Wichtigkeit fur die Entwicklung des Musicals von den Kritikern erkannt. Die haufigste Kritik richtet sich bis heute gegen das
Libretto
, vor allem gegen die Uberbruckung der Zeitspanne von 40 Jahren, die unrealistischen Zufalle des Wiedersehens im zweiten Akt sowie das durchaus kitschige Ende, das als Zugestandnis an die gangige Musical Comedy gewertet wird.
[27]
Dennoch bleibt die Prazision der Musiktheaterdramaturgie des ersten Aktes ein Meisterstuck. In einer Zeit, in der die Musical Comedy zumeist nur das Ziel des oberflachlichen Amusements des Publikums verfolgte, hatte Jerome Kern die Vision des Musicals als eines allumfassenden, ganzheitlichen und komplexen Kunstwerks. In Zusammenarbeit mit Hammerstein II zeigte er, wie vom Textbuch ausgehend Musik, Text, Gestaltung und Schauspiel vereint und verflochten werden konnten. Das Textbuch war fur ihn die Grundlage, auf der eine Partitur erst entstehen konnte.
[28]
Besonders gut zu sehen ist dies am Anfang des ersten Aktes: Die Stimmung wird bereits innerhalb der ersten Szenen durch die Songs und Ensemblenummern gefarbt, die Charaktere und Problematiken konnen sich auf dieser Basis zu Dreidimensionalitat und Dramatik entfalten.
[29]
Wird ein emotionaler, atmospharischer oder dramatischer Hohepunkt erreicht, so gipfelt dieser in einer Musiknummer und entpuppt
Show Boat
als wahres Book Musical.
[30]
Ol’ Man River
ist nicht nur der bekannteste Song des Musicals und ein Evergreen, er beschreibt auch den inhaltlichen Tenor des Musicals: eine Gegenuberstellung der Lebensverhaltnisse der weißen und schwarzen Kunstler und Arbeiter rund um die Cotton Blossom. Textlich stellt er die beklemmenden, diskriminierenden Umstande und das Ringen mit diesen Gegebenheiten der schwarzen Bevolkerung dar, ohne jedoch den offensichtlichen Rassismus anzuprangern oder zum Protest gegen diese Verhaltnisse anzustiften.
[31]
Ol’ Man River
ist das Herzstuck der Partitur. Der Song stellt zum einen den Fluss Mississippi in den Mittelpunkt, zum anderen druckt er ? gesungen von dem schwarzen Schiffsarbeiter Joe ? durch die musikalisch wie textlich brillante Mischung aus Resignation und Zerrissenheit Gefuhle der Unterdruckung und Diskriminierung aus: ?I’m tired of livin’, but scared of dyin’“.
[32]
Unaufhorlich wie das Fließen des Flusses bewegt sich die Melodie wellenformig auf und ab, stellenweise heiter, dann wieder melancholisch, mit dramatischen Anstiegen, die immer wieder in das gleichformige Stromen des Mississippi enden: ?but Ol’ Man River, he just keeps rollin’ along“.
Old Man River
wird vier Mal im Laufe des Musicals als musikalisches Thema wiederholt und ist das wichtigste Leitmotiv fur die Unveranderlichkeit des Lebens der Schwarzen.
[33]
Dass der erste Reim ?cotton ? forgotten“ erst auf dem durch einen Vorschlag hinausgezogerten verminderten
Septakkord
erscheint, stellt den uber Jahrhunderte ausgehaltenen Schmerz kunstvoll durch zwei Akkorde und zwei Worte dar.
[34]
Ol’ Man River
weist mit der pentatonischen Melodie und dem harmonischen Pendeln Elemente von
Spiritual
und
Blues
auf. Der Song erfordert einen großen Stimmumfang und eine kraftvolle Stimme wie die von
Paul Robeson
.
[35]
Kern stellt den Mississippi, der die Personifikation der schwarzen Arbeiter an Bord des Schiffes darstellt, wiederholt durch das Intervall einer reinen Quarte vor, wie beispielsweise in
Cotton Blossom
,
Ol’ Man River
oder im
Mis’ry Thema
. Als Parthy das erste Mal auftritt, wird das Intervall der reinen Quarte durchbrochen und dadurch symbolisiert, dass Parthy nicht Teil der naturlichen Lebensweise des Flusses ist, sondern das kunstliche Leben einer Weißen fuhrt.
[36]
Die Musik in
Show Boat
ist eine Mischung aus afroamerikanischer Musik sowie Stilrichtungen und Techniken, die in Europa zuhause sind ? theatralische und musikalische Ausdrucksweisen der 1880er bis 1920er Jahre.
[37]
Die Bandbreite der Stile erstreckt sich uber von der
Tin Pan Alley
inspirierte Songs (
Why Do I Love You?
,
Hey, Feller
) uber romantische, an Operetten angelehnte Balladen (
You are Love
,
Make Believe
) bis hin zu bluesbasierte Nummern (
Can’t Help Lovin’ Dat Man
).
[38]
Um den epischen Charakter von
Show Boat
zu betonen, integrierte Kern verschiedene musikalische Nummern in die Erzahlung, welche die jeweilige Epoche vertraten. Fur die Neujahrsabendszene benutze er z. B. die in den 1880ern und 1890ern bekannten Songs
After the Ball
,
Goodbye My Lady Love
,
Washington Post March
und
At a Georgia Camp Meeting
.
[39]
Zusammengefasst lasst sich sagen, dass
Show Boat
Seiten der Operette, der Musical Comedy und des
Vaudeville
und der Oper in sich vereint.
[40]
Durch
Leitmotive
werden die Charaktere musikalisch begleitet und ihre Anwesenheit und Eigenschaften verdeutlicht.
[41]
Ravenals Auftreten wird beispielsweise durch ein Thema, das seine Ziel- und Rastlosigkeit harmonisch darstellt, untermalt: eine uneindeutige Begleitung, die kein
tonales Zentrum
finden mag; dies geschieht erst, als er auf Magnolia trifft.
[42]
Can’t Help Lovin’ Dat Man
ist der Song, der durch sein typisches zwolftaktiges Blues-Schema, die
Blue Notes
sowie die klassische AABA-Form der Tin Pan Alley das ruhige, landliche Amerika Ende des 19. Jahrhunderts bis zum wilden, stadtischen Amerika des 20. Jahrhunderts in
Show Boat
am besten symbolisiert.
[43]
Als Magnolia versucht, den Song nachzuahmen, entsteht eine lustige Szene, die den Zuschauer glauben lasst, dass in der Musikwelt Schwarze und Weiße trotz der Grenze der Hautfarbe gut miteinander auskommen. Die Nachahmung zeigt aber gleichermaßen wie auch die spatere
Blackface
-Nummer
Gallivantin’ Aroun‘
aus dem 1936er-Film, dass zur damaligen Zeit die Art und Weise, wie Weiße schwarze Songs sangen, stets kunstlich wirkte und den bitteren Beigeschmack der Verhohnung mit sich brachte.
[44]
Es existieren insgesamt drei Verfilmungen von
Show Boat
aus den Jahren 1929 (Universal),
1936 (Universal)
und
1951 (MGM)
in
Technicolor
. Die erste Verfilmung aus dem Jahr 1929 ? zunachst als Stummfilm erhaltlich ? orientierte sich vor allem an dem Roman von Edna Ferber. Es wurden jedoch einige Nummern aus dem Musical hinzugefugt, da dieses bereits zwei Jahre nach der Premiere enorm einflussreich und erfolgreich war. 1936 wurde schließlich eine vollstandige Filmadaption des Musicals veroffentlicht.
[45]
Diese Verfilmung ahnelt der Broadway Show weitaus mehr als die 1951er Verfilmung, weshalb sie von Musical-Liebhabern oft als die authentischere erachtet wird.
[46]
Wie die anderen drei Musicals, die nach Hoffman das amerikanische Musical revolutioniert haben (
Oklahoma!
,
A Chorus Line
und
West Side Story
), behandelt auch
Show Boat
ethnische Probleme.
[47]
Show Boat
wird von einigen Kritikern als rassistisches Musical bewertet, von anderen als eine ? fur die damalige Zeit ? realistisch-kritische, aber dennoch sensible Darstellung der Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen.
[48]
Ublicherweise erwarteten Zuschauer im ersten Akt eines Musicals attraktive Showgirls, doch bei
Show Boat
sahen sie stattdessen schwarze Dockarbeiter, die von ihrem anstrengenden Leben ? im Kontrast zu dem heiteren und zwanglosen Leben der Weißen ? sowie der Arbeit am Fluss sangen.
[49]
Die ethnische Botschaft des Musicals war von Anfang an deutlich: Schwarze ermoglichen der weißen Gesellschaft ihr Leben in Komfort und Luxus. Der Eroffnungschor war direkt durch sein erstes Wort ?Niggers“ dazu bestimmt, eine emotionale Reaktion im vorwiegend weißen Publikum hervorzurufen.
[50]
Show Boat
wollte auf der einen Seite die Tragik des Rassismus der 1880er hinterfragen, auf der anderen Seite verstarkte es unweigerlich die stereotype Sichtweise auf die schwarze Bevolkerung.
[51]
Der Eroffnungschor kann als Veranschaulichung fur die Veranderungen im Laufe der Jahre dienen. In der Produktion von 1927 hieß es: ?Niggers all work on de Mississippi“, wahrend schwarze Hafenarbeiter große Baumwollballen uber die Buhne schoben. Das Wort ?Nigger“ wurde im Laufe der Jahre durch ?Darkies“, ?Here we all“, ?Colored folk“ ersetzt bzw. der Eroffnungschor ganz weggelassen.
[52]
Die Kritik an
Show Boat
fokussiert folgende Aspekte: Afroamerikaner werden in untergeordneten Rollen und stereotypisch dargestellt; vor allem die zwei Hauptfiguren Queenie und Joe zeigen keinerlei Charakterentwicklung in den Jahrzehnten, die das Musical umfasst, und sprechen in kindischem, vereinfachten und verkurztem Englisch, außerdem sind sie fur die eigentliche Haupthandlung nebensachlich.
[53]
Die weißen Charaktere sind privilegiert ? allein aufgrund ihrer Hautfarbe ?, ihre eigene Zukunft gestalten zu durfen, sie durfen wahlen, wie sie auftreten, wie sie sich darstellen wollen, wohingegen den schwarzen Charakteren dieser Luxus nicht gewahrt wird, sie verbleiben auf dem gleichen sozialen und okonomischen Status.
[54]
In der Szene der Chicagoer Weltausstellung werden schwarze Sanger dargestellt, die wild tanzend dem weißen Publikum ihre Unzivilisiertheit vorspielen, wahrend sie sich eigentlich nur nach ihrem Zuhause, New York, sehnen. Um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu konnen, mussen sie quasi in einer Art doppeltem blackface auftreten und verstarken durch ihr Schauspielen unrealistische Vorurteile der Weißen gegenuber der schwarzen Bevolkerung.
[55]
Auch in der ersten Inszenierung war die Thematik des blackface aktuell, denn die Kochin Queenie wurde im blackface von einer weißen Schauspielerin gespielt.
[56]
In keiner Szene jedoch kommt der Rassismus so pointiert zum Ausdruck wie in der Szene, in der Julies Herkunft ? Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters ? enthullt wird und sie daraufhin mit ihrem weißen Mann aufgrund ihrer interkulturellen Ehe das Boot verlassen muss.
[57]
- Show Boat, Original cast
(1928): Showstoppers: Historic Victor Recordings. BMG 9590-2 R (CD). Enthalten: ‘Ol’ Man River’ (Paul Robeson), ‘Bill’ (Helen Morgan).
- Show Boat, Original revival cast
(1946). Jan Clayton, Carol Bruce, Charles Fredericks, Kenneth Spencer, Helen Dowdy, Edwin McArthur (Dirigent). Sony 53330 (CD).
- Show Boat, Original Lincoln Center revival cast
(1966): Barbara Cook, Constance Towers, Stephen Douglass, David Wayne, William Warfield, Franz Allers (Dirigent). RCA LSO 112 (CD).
- Show Boat, London cast
(1971): Cleo Laine, Thomas Carey, Lorna Dallas, Kenneth Nelson, Andrew Jobin, Ena Cabayo, Ray Cook (Dirigent). Stanyon Records 10048 (LP).
- Show Boat, Studio cast
(1988): Frederika von Stade, Teresa Stratas, Jerry Hadley, Paige O’Hara, David Garrison, Bruce Hubbard, John Mc Glinn (Dirigent). EMI/Angel CDS 7-49108-2 (CD).
- Show Boat, 1993 Toronto Revival Cast
(1994): Rebecca Luker, Lonette McKee, Mark Jacoby, Elaine Stritch, Michel Bell, Gretha Boston, Robert Morse, Jeffery Huard (Dirigent). Quality 257 (CD).
- The Ultimate Show Boat, 1928 - 1947
(Original, Revival and Studio Cast Anthology) (1999). Pearl GEMS 0060 (CD).
Die Aufnahme von 1988 unter dem Dirigat von John McGlinn wird vielerorts gelobt und gibt einen guten Uberblick uber alle Produktionen zwischen 1927 und 1946 und dem 1936er Film.
[58]
Quelle:
[59]
- Edna Ferber
:
Show Boat. Roman
(Originaltitel:
Show Boat
). Deutsch von
Gertrud von Hollander
. Lubbe, Bergisch Gladbach 1990, 352 S.
ISBN 978-3-404-11552-5
. ? fruhere Ausgaben dieser Ubersetzung wurden auch unter dem Titel
Das Komodiantenschiff
veroffentlicht
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