Shikantaza

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Daruma sitzt der Wand gegenuber (Reigen Eto, 18. Jh.)

Shikantaza ( japanisch 只管打坐 shikan taza , im Deutschen meist als ?nur Sitzen“ ubersetzt) ist ein Schlusselbegriff in der S?t?-Tradition des Zen-Buddhismus . Er bezieht sich auf die in dieser Schule praktizierte Form der Sitz meditation ( Zazen ). Hierbei soll der Praktizierende seine Aufmerksamkeit nicht auf ein konkretes Objekt wie den Atem oder die Durchdringung eines K?ans richten, sondern ?einfach sitzen“.

Erstmals findet sich der Begriff bei D?gen (1200?1253), dem Begrunder der S?t?-Schule, der damit einen Ausdruck seines chinesischen Lehrmeisters Rujing ubernahm. Er steht in engem Zusammenhang mit der Lehre von der ?Stillen Erleuchtung“ ( japanisch 默照? mokush? zen ). Die beiden Konzepte sind zentral fur das Selbstverstandnis der S?t?-Schule, die sich damit insbesondere von der Rinzai-Schule und der dort praktizierten K?an-Meditation ( japanisch 看話禪 kanna zen ) abgrenzt.

Begriff [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Begriff Shikantaza ist die sinojapanische Lesung des chinesischen Ausdrucks Zh?gu?n d?zuo (只管打坐). Der erste Bestandteil zh?gu?n (只管, alternativ auch 祇管) lasst sich mit ?nur“, ?lediglich“ oder ?ausschließlich“ ubersetzen. Der zweite Bestandteil d?zuo (打坐) bedeutet ?sitzen“, wobei d? (打, wortlich ?schlagen“) zur Desubstantivierung dient. Als feststehender Ausdruck wird Shikantaza zumeist im Sinne von ?nur sitzen“ oder ?nichts als sitzen“ verstanden. Im Bendowa , dem Sh?b?genz? vorangestellt, verwendet D?gen auch die japanische Ubersetzung tadashi taza shite (ただし打坐して) .

Konzept [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Shikantaza bei D?gen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

D?gen zitiert mit dem Ausdruck den chinesischen Meister Tiantong Rujing ( 天童如淨 , Ti?ntong Rujing , jap. Tend? Nyoj?), bei dem er von 1225 bis 1227 die zweite Halfte seines Aufenthaltes in China verbrachte. Bevor D?gen zu Rujing in das Jingde-Kloster auf dem Tiantong-Berg kam, hatte er bereits zwei Jahre erfolglos nach jemandem gesucht, der ihm die authentische Chan -Lehre vermitteln konnte. Nach D?gens Darstellung war Rujing der einzige, die die zentrale Bedeutung des Sitzens in Zazen fur die Verwirklichung des Buddha- Dharma erkannte und predigte. Hierzu heißt es in D?gens Hauptwerk:

?Mein fruherer Meister, der ewige Buddha, sagte: ≪[Za]zen zu praktizieren bedeutet, Korper und Geist loszulassen. Wenn ihr einfach nur sitzt, ist die Verwirklichung von Anfang an da. Es ist nicht notwendig, Raucherwerk zu verbrennen, euch niederzuwerfen, Buddhas Namen zu rezitieren, zu bekennen oder S?tren zu lesen.≫ Es ist klar, dass in den letzten vier- oder funfhundert Jahren nur ein Mensch, namlich mein fruherer Meister, das Auge der Buddhas und Vorfahren erfasst und unmittelbar im Auge der Buddhas und Vorfahren gesessen hat. Sogar in China haben es nur wenige Menschen ihm gleichgetan. Nur sehr wenige Menschen wissen, dass nichts anderes zu tun als zu sitzen der Buddha-Dharma selbst ist, und dass der Buddha-Dharma selbst nichts anderes ist als nur zu sitzen. Auch wenn einige mit dem Korper verstanden haben, dass das Sitzen der Buddha-Dharma ist, hat niemand das Sitzen als das Nur-Sitzen erkannt.“

? D?gen : Sh?b?genz?, Kap. 72 (Zanmai ? zanmai)

D?gen verwendet den Begriff des Shikantaza stets im Zusammenhang mit einem weiteren Ausdruck von Rujing: ?Korper und Geist fallen ab“ ( 身心脫落 , sh?nx?n tu?luo bzw. jap. shinjin datsuraku ). Dieser Satz, den Rujing an einen Monch richtete, der bei der Meditation eingeschlafen war, loste bei D?gen eine fundamentale Einsicht in die Natur der Dinge aus. In seinen Schriften verwendet D?gen den Ausdruck, um die Erleuchtungserfahrung zu charakterisieren, die sich durch die Praxis des Nur-Sitzens verwirklicht.

Weitere wichtige Leitsatze, die D?gen im Hinblick auf Zazen aufstellte, sind Shoshin Tanza , die regelmaßige Ubung, und Hishiry? , das ?Denken aus dem Grunde des Nicht-Denkens“. Wahrend D?gen diese Maximen allerdings im Rahmen seiner praktischen Unterweisungen fur die Zazen-Praxis explizit erwahnt, findet sich der Begriff des Shikantaza in diesem Zusammenhang nicht. Er taucht vielmehr nur dann auf, wenn D?gen uber das Verhaltnis von Sitzen und Verwirklichung des Buddha-Dharma spricht.

?Zen der stillen Erleuchtung“ [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Rujing gehorte der Caodong-Schule ( 曹洞 , Caodong ; jap. S?t?) des Chan-Buddhismus an, die wahrend der sudlichen Song-Zeit in China an Einfluss gewonnen hatte. Hierbei war insbesondere der Caodong-Monch Hongzhi Zhengjue ( 宏智正覺 , Hongzhi Zhengjue , jap. Wanshi Sh?gaku) von Bedeutung, der ab 1129 als Abt ebenjenes Klosters auf dem Tiantong-Berg amtierte. Neben dessen Ausbau trieb Hongzhi auch die Erneuerung der Caodong-Lehre voran. Auf ihn geht das ?Zen der stillen Erleuchtung ( 默照禪 , mo zhao chan , jap. moku sh? zen) zuruck, welches bei der Meditation das beharrliche Betrachten der Essenz des Selbst in den Mittelpunkt stellt, in dem sich bereits die Erleuchtung manifestiere. Honghzi verwendet hierfur die Metapher ?das leere Feld der Buddha-Natur bestellen“.

Die von Rujing gelehrte Methode durfte der von Hongzhi gelehrten ?Meditation der stillen Erleuchtung entsprechen. D?gen zitiert in seinen Werken Hongzhi mehr als jeden anderen Chan-Meister mit Ausnahme von Rujing. Obgleich D?gen sich als Uberbringer einer allgemeingultigen Chan-Lehre sah und keine bestimmte Schule begrunden wollte, wurde die auf ihn zuruckgehende Bewegung in Japan als S?t?-Zen bekannt. Shikantaza und mokush? zen wurden fur diese Schule zu einem identitatsstiftenden Merkmal. Sie sieht sich hierin in der Tradition des historischen Buddha Shakyamuni , welcher der Legende nach unter einem Bodhi-Baum sitzend zur Wahrheit erwachte, sowie des legendaren Zen-Patriarchen Bodhidharma , der neun Jahre lang den Blick auf eine Felswand gerichtet meditiert haben soll.

Shikantaza und K?ans [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Hongzhi wurde fur die Lehre von der ?Stillen Erleuchtung“ von Dahui Zonggao ( 大慧宗? , Dahui Zonggao ; jap. Daie S?k?), einem Monch der Linji-Schule, scharf angegriffen. Nach Dahuis Meinung konnte wahre Erleuchtung nur durch die K?an-Ubung erlangt werden; die entsprechende Methode wird als ?Meditation der K?an-Betrachtung“ ( 看話禪 , kan-hua chan , jap. kanna zen) bezeichnet. Sie wurde spater insbesondere pragend fur die japanische Rinzai-Schule, wo sie durch Hakuin Ekaku eine Erneuerung erfuhr. Die Kritik Dahuis wurde spater auch von Anhangern der Rinzai-Schule aufgegriffen. So wurde das im S?t? praktizierte Shikantaza bisweilen abfallig als ?Zen ohne Ziel“ ( mui zen ) oder ?Zen des Nichtstuns“ ( buji zen ) bezeichnet, bei dem der Ubende sich schon im Besitz der Erleuchtung wahne. Zudem wurden Parallelen zum ?Polieren des Geistesspiegels“ gezogen, das der Sechste Patriarch Huineng als graduelle Erleuchtung geschmaht hatte. Umgekehrt warfen die S?t?-Anhanger der K?an-Methode vor, sie fuhre zu einem ?Zen der Erleuchtungserwartung“ ( taigo zen ). Den Vorwurf des Gradualismus richteten sie ihrerseits gegen das von Hakuin installierte Rinzai-Lehrsystem, bei dem der Novize von seinem Meister K?ans steigenden Schwierigkeitsgrades gestellt bekommt, was sie als ?schrittweises Zen“ ( hashigo zen ) kritisierten. Vielmehr entspreche Shikantaza gerade Huinengs Lehre, dass die Buddha-Natur bereits allen Menschen inharent ist und es deswegen ?nichts zu erlangen“ gibt.

Dass D?gen sich mit dem Begriff des Shikantaza spezifisch gegen den Einsatz von K?an aussprechen wollte, ist in seinen Werken nicht belegt. Tatsachlich brachte D?gen selbst K?an-Sammlungen von seiner Chinareise mit, die er ins Japanische ubersetzte. Ebenso wurde eine der wichtigsten klassischen Zusammenstellungen von K?ans, das Congrong-lu ( 從容錄 , Congrong lu , jap. Sh?y?roku ) von Hongzhi kompiliert. Die Verwendung von K?ans in der S?t?-Schule nahm insbesondere zum Ende des 18. Jahrhunderts stark ab, da sie als Rinzai-typisch wahrgenommen wurden. Eine treibende Kraft hinter dieser Reformbewegung war Gent? Sokuch?, dem 50. Abt des von D?gen begrundeten Klosters Eiheiji .

Das Verhaltnis von Shikantaza und K?ans ist seit einigen Jahren Gegenstand der religionswissenschaftlichen Forschung. So kommt etwa Foulk auf der Grundlage einer Textanalyse zu dem Schluss, dass D?gen tatsachlich nicht die Art von Zazen lehrte (oder sich auch nur ausdachte), die ihm von modernen Soto-Gelehrten und Zen-Lehrern gemeinhin als Shikantaza zugewiesen wird. Er weist darauf hin, dass Dogens Anweisungen furs Zazen diesen Ausdruck nicht verwenden und auch keine Methode empfehlen, die sich mit dem deckt, was heutige Forscher uber Nur-Sitzen sagen. Vielmehr habe D?gen Rujings Ermahnung zum ?Nur-Sitzen“ als K?an im Sinne eines ?Erlange nur Erwachen!“ verstanden.

Praxis [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In der modernen Zen-Praxis wird Shikantaza oft als eine Methode ohne Methode bezeichnet. Es richtet sich an die Geisteshaltung der Zen-Praktizierenden und stellt eine vertiefende Methode der Zen-Meditation dar. Anders als andere Meditationstechniken gibt es hier nichts zu tun als einfach nur in bewusster Achtsamkeit zu sitzen. Dabei soll nicht uber das Sitzen selbst nachgedacht werden, sondern es soll sich ein Eins-Werden mit dem Da-Sitzen einstellen. Zu diesem Zweck mussen die schon bald schier endlos auf den Ubenden einsturmenden Gedanken losgelassen werden, bis sie sich nach und nach immer seltener ausbilden. Keineswegs ist es jedoch das Ziel, die Gedanken aktiv im Geist zu unterdrucken oder wegzuschieben, bis das Denken ?leer“ geworden ist. Vielmehr soll entdeckt werden, was ?hinter“ den Gedanken liegt, wenn man bereit ist, diese aufzugeben. Anders als etwa im Schlaf - oder Dammerzustand ist man wahrend des Ubens bei besonders klarem und prasenten Bewusstsein , welches allerdings frei von diskursivem Denken ist.

In der S?t?-Schule werden Shikantaza und Zazen-Praxis nur gemeinsam gelehrt. Shikantaza kann damit nicht losgelost von der Zazen -Haltung und der Grundeinstellung, an keinem erlebten Zustand oder Gefuhl haften zu bleiben, verstanden werden. Die Ubung wird als endlose Vertiefung aufgefasst. Selbst ein Erleuchteter soll nicht an dem ?Zustand“ der Erleuchtung, die sich im Sitzen manifestiert, anhaften, sondern selbst diese Erfahrung hinter sich lassen und die Ubung weiter vertiefen. Die Begleitung ernsthaft Shikantaza praktizierender durch einen erfahrenen (Zen-)Meister oder Lehrer wird nach dieser Lehre als notwendig angesehen, um einer Reihe von Fehlentwicklungen vorzubeugen. Als eine Gefahr bei dieser Meditationsmethode wird bisweilen das Festhalten an der Zazen-Praxis selber gesehen, wie es Shunry? Suzuki in seinem Buch Zen-Geist / Anfanger Geist beschreibt. Einige S?t?-Anhanger sprechen zudem bewusst nicht von Kensh? oder Satori , um keine Erwartungen zu wecken.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Dogen: Shobogenzo: Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges . Ubersetzt von Gudo Wafu Nishijima / Ritsunen Gabriele Linnebach. Band   1 : Kap. 1-21. Werner Kristkeitz, 2014, ISBN 978-3-921508-90-9 .
  • Dogen: Shobogenzo: Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges . Ubersetzt von Gudo Wafu Nishijima / Ritsunen Gabriele Linnebach. Band   3 : Kap. 42-72. Werner Kristkeitz, 2014, ISBN 978-3-921508-92-3 .
  • T. Griffith Foulk: “Just Sitting”? D?gen’s Take on Zazen, Sutra Reading, and Other Conventional Buddhist Practices . In: Steven Heine (Hrsg.): D?gen: Textual and Historical Studies . Oxford University Press, Ney York 2012, ISBN 978-0-19-975446-5 , S.   75–106 .
  • T. Griffith Foulk: D?gen’s Use of Rujing’s “Just Sit” (shikan taza) and Other K?ans . In: Steven Heine (Hrsg.): D?gen and S?t? Zen . Oxford University Press, New York 2015, ISBN 978-0-19-932485-9 , S.   23–45 .
  • Steven Heine: Dogen and the Koan Tradition: A Tale of Two Shobogenzo Texts . State University of New York Press, New York 1994, ISBN 0-7914-1773-5 .
  • Taigen Dan Leighton: Cultivating the Empty Field. The Silent Illumination of Zen Master Hongzhi . Tuttle Publ., Boston / Rutland VT / Tokyo 2000, ISBN 0-8048-3240-4 .
  • Robert E. Buswell Jr., Donald S. Lopez, Jr. (Hrsg.): The Princeton Dictionary of Buddhism . Princeton University Press, Princeton NJ 2014, ISBN 978-1-4008-4805-8 .
  • Shunryu Suzuki : Zen-Geist, Anfanger-Geist . 9. uberarb. Auflage. Theseus, Berlin 2000, ISBN 3-89620-131-X , Kapitel: Fehler in der Praxis.
  • Sheng Yen: The Method of No-Method: The Chan Practice of Silent Illumination . Shambhala, 2008, ISBN 978-1-59030-575-1 .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]