Seyyed Hassan Taqizadeh

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Seyyed Hassan Taqizadeh

Seyyed Hassan Taqizadeh ( persisch ?????? ???‌???? ; * September 1878 in Tabris ; † 28. Januar 1970 Teheran ) war ein iranischer Wissenschaftler, Publizist, Abgeordneter, Minister, Diplomat und Botschafter Irans .

Kindheit und Jugend

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Seyyed Hassan Taqizadeh (als Abgeordneter des ersten iranischen Parlaments, um 1906)

Seyyed Hassan Taqizadehs Vater war ein schiitischer Geistlicher, der in seinem Sohn ebenfalls einen Geistlichen sah. Ab seinem 5. Lebensjahr begann Seyyed Hassan seine Ausbildung mit Koranstudien, Astronomie und Arabisch. Daruber hinaus bildete er sich in traditioneller Medizin aus. Diese traditionelle Ausbildung wurde von seinem Vater uberwacht und gefordert. Heimlich lernte er franzosisch und spater in der American Memorial School englisch und beschaftigte sich intensiv mit der europaischen Literatur. Mehrere Jahre lebte er ein Doppelleben . Tagsuber besuchte er das schiitische Seminar und abends beschaftigte er sich mit der Geistesgeschichte des Westens und mit neueren iranischen Veroffentlichungen, die Moderne und Veranderung auch im Iran forderten. Es waren vor allem Exiliraner, die die Einfuhrung von Demokratie und rechtsstaatlichem Denken im Iran forderten. Kritisiert wurden Ruckstandigkeit und Traditionalismus, der vor allem der Geistlichkeit angelastete wurde, die fur die kulturelle Unabhangigkeit Irans eintrat. Demgegenuber vertraten die Modernisten die Auffassung, dass nur eine Hinwendung zum Westen und die Ubernahme westlicher Werte den Iran sowohl wirtschaftlich wie gesellschaftlich voranbringen konnten. Taqizadeh sollte zum Advokaten eines modernen, westlich gepragten Irans werden.

Mit 20 Jahren versuchte er 1898 nach dem Tod seines Vaters zusammen mit seinem Freund Mohammad Ali Tarbiyat in Tabris eine sakulare Schule zu grunden. Die Geistlichen, die bis dahin mit ihren Koranschulen ein Bildungsmonopol besaßen, waren schockiert und organisierten den Widerstand gegen die Plane Taqizadehs, so dass dieser seine Plane zunachst aufgeben musste. Wenig spater gelang es ihm aber einen Buchladen fur moderne Literatur zu eroffnen, in dem Bucher uber Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Reformen angeboten wurden. Ab 1902 gab er fur die Dauer eines Jahres die Zeitschrift Majmou-eye Fonoun (Almanach der Wissenschaften) heraus, in der Artikel uber neue wissenschaftliche Entwicklungen sowie Ubersetzungen und Auszuge aus der europaischen Literatur erschienen.

Konstitutionelle Revolution

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Seyyed Hassan Taqizadeh in den USA, 1914

Ab 1904 begab sich Taqizadeh auf eine Bildungsreise. Er besuchte alle bedeutsamen Stadte des Nahen Ostens (Istanbul, Damaskus und Kairo) sowie die Kaukasusregion. Er traf Schriftsteller und Wissenschaftler und kehrte mehr denn je uberzeugt von seinen politischen Ideen, der Iran musse sich durch eine Hinwendung zu westlichen Ideen erneuern, zuruck in den Iran. Dort war inzwischen die Konstitutionelle Revolution ausgebrochen, was zunachst einmal dazu fuhrte, dass sein Buchladen in Tabris von seinen Gegnern niedergebrannt worden war. Taqizadeh unterstutzte die Revolution und wurde nach der Grundung des ersten Parlaments 1906 als Abgeordneter von Tabris gewahlt. Taqizadeh wurde Anfuhrer einer radikalen Fraktion, die fur eine Erganzung der 1906 verabschiedeten Verfassung eintrat. Er entwarf die die Verfassung erganzenden Artikel, in denen es um die Ausgestaltung der Burgerrechte und der Teilung der Gewalt zwischen Regierung, Parlament und Rechtsprechung ging. Damit stellte er sich klar gegen die Geistlichkeit, die in der Verfassungsanderung vor allem auf die Vereinbarkeit der vom Parlament verabschiedeten Gesetze mit dem Islam abzielte. Am Ende stand ein Kompromiss. Sowohl der Verfassungszusatz der Geistlichen wie die Entwurfe von Taqizadeh wurden am 7. Oktober 1907 vom Parlament angenommen. Zu diesem Zeitpunkt konnte Taqizadeh nicht ahnen, dass am Ende sein Gegenspieler Fazlollah Nuri sich durchsetzen sollte. Nuri erklarte 1907: ?Die konstitutionelle Bewegung hat die Worte Freiheit und Gleichheit auf die Fahnen geschrieben. Diese beiden Forderungen widersprechen dem Islam. Der Islam verlangt Gehorsam und nicht Freiheit, Ungleichheit und nicht Egalitat.“ Taqizadeh musste vor seinen Gegner in die britische Botschaft fliehen und verließ wenig spater unter britischem Schutz den Iran. In London fand er eine neue Heimat und lehrte an der Universitat Cambridge .

Nach wenigen Monaten kehrte er jedoch in den Iran zuruck und kampfte 1908 an der Seite von Sattar Khan gegen Mohammed Ali Schah , der das Parlament aufgelost hatte und die alte absolutistische Ordnung wiederherstellen wollte. Nach dem Sieg der konstitutionellen Bewegung wurde Taqizadeh in das neu konstituierte Parlament gewahlt. Als Mitglied eines regierenden Triumvirats war an der formellen Absetzung Mohammad Ali Schahs und der Einsetzung Ahmad Schahs als dessen Nachfolger. Als es im Verlauf der spateren Auseinandersetzungen zur Ermordung eines Geistlichen kam, wurde Tarqizadeh beschuldigt, an dem Attentat beteiligt gewesen zu sein. Wiederum musste er seine Heimat verlassen und ging nach London.

Aufenthalt in den USA und Berlin

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Seyyed Hassan Taqizadeh in Berlin, 1916

1913 ubersiedelte Taqizadeh in die USA, wo er die nachsten zwei Jahre verbrachte. Inzwischen war der Erste Weltkrieg ausgebrochen. Taqizadeh wurde von deutschen Agenten kontaktiert, die ihn nach Berlin einluden. Taqizadeh nahm die Einladung an, zog nach Berlin und gab zusammen mit Mohammad Ali Dschamalzade und Mohammad Ghazvini die Zeitschrift Kaveh heraus, die als eine der besten jemals erschienen Exilzeitschriften gilt. Er grundete zusammen mit anderen Exiliranern am 29. Januar 1917 die ? Deutsch-Persische Gesellschaft E.V.

Die Redaktion von Kaveh nannte die Zeitung ein "Organ der persischen Nationalisten". Die Zeitung erschien zweimal im Monat. Ziel der Publikation war es,

?unter unseren Landsleuten in Persien und im Auslande die Anschauung zu verbreiten, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo Persien seine Unabhangigkeit wiedergewinnen kann, und der Zeitpunkt, in dem die englischen und russischen Eindringlinge aus dem Lande vertrieben werden konnen. ... Unsere Zeitung tritt fur eine neue große Erhebung ein, die die heutigen fremden Knechter Persiens aus dem Lande vertreiben soll. [1]

Taqizadeh vertrat in seinen Artikeln die Auffassung, dass die Iraner sich von Grund auf mit Hilfe westlicher Werte neu orientieren mussten.

Als Beilagen zu Kaveh erschienen auch Mohammad Ali Dschamalzades ?Farsi Shekar Ast“ und ? Ganj Shaygan“ . Mohammad Ali Dschamalzade war einer der bekanntesten persischen Literaten und Erzahler von Kurzgeschichten.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Kaveh von der deutschen Reichsregierung nicht weiter finanziert, so dass die Zeitung 1921 ihr Erscheinen einstellen musste.

Nachdem Kaveh sein Erscheinen eingestellt hatte, grundete Hossein Kazemzadeh in der Nachfolge von Kaveh in Berlin den Orientalischen Zeitschriftenverlag Iranschahr (Iranschahr, Benennung Irans zur Zeit der Sassaniden ). Die in diesem Verlag erschienenen Schriften sowie die Zweimonatsschrift Iranschahr hatten großen Einfluss auf die Entwicklung eines iranischen Nationalgefuhls.

Taqizadeh heiratete 1923 in Berlin eine Deutsche. Das Paar blieb kinderlos.

Abgeordneter und Berater von Reza Schah

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1921 reiste Taqizadeh in den Iran und wurde Teil der Delegation, die den neuen Vertrag zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und Iran, den Sowjetisch-iranischen Freundschaftsvertrag von 1921 , aushandelte. Premierminister Reza Khan, der spatere Reza Schah Pahlavi , lud Taqizadeh ein, im Iran zu bleiben. Taqizadeh zahlte zu Reza Schahs engsten Beratern, obwohl er in der entscheidenden Parlamentssitzung, in der Reza Pahlavi zum Schah bestimmt werden sollte, zu den vier Abgeordneten zahlte, die sich gegen diesen Schritt aussprachen. Er war nicht gegen die Ernennung Reza Pahlavis zum Schah, Taqizadeh sprach sich lediglich gegen das gewahlte Verfahren aus, dass der Wechsel an der Spitze des Staates einzig durch eine einfache Verfassungsanderung erfolgte. Taqizadeh schlug vor, dass man eine Kommission von Verfassungsexperten einsetzen solle, die eine entsprechende Empfehlung fur das Parlament ausarbeiten sollten. [2]

Gouverneur und Botschafter

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Seyyed Hassan Taqizadeh als Senator

1929 wurde Taqizadeh zunachst Gouverneur von Chorasan , dann Botschafter in London, dann Verkehrsminister und Finanzminister. 1933 wurde er als Botschafter nach Paris entsandt. 1941, nach der Abdankung Reza Schahs, wurde als Botschafter nach London entsandt und blieb dort fur die kommenden sechs Jahre.

1950 wurde Taqizadeh Mitglied des neu gegrundeten Senats . Taqizadeh begann zudem an der Universitat Teheran Vorlesungen an der neu gegrundeten theologischen Fakultat zu halten. Er grundete die Bibliothek des Senats und machte sie zu einer der wichtigsten wissenschaftlichen Bibliothek Irans. Er unterstutzte die Grundung eines modernen Verlagshauses mit Druckerei, ?Sherkate Offset“ , und er veroffentlichte weiter Artikel im Bereich Wissenschaft und Kultur.

Im Alter erlitt Taqizadeh einen Herzinfarkt und benutzte fortan einen Rollstuhl. Hassan Taqizadeh starb am 28. Januar 1970 in Teheran.

  • S. H. Taqizadeh, u. a.: Kaveh. Organ der persischen Nationalisten. Nachdruck der Ausgaben von 1916?1921, Berlin-Charlottenburg. Teheran, 1977.
  • S. H. Taqizadeh: Old Iranian Calendars . Royal Asiatic Society, London, 1938.
  • Payam Nabarz, und S. H. Taqizadeh, The Persian 'Mar Nameh': The Zoroasterian 'Book of the Snake', Omens and Calendar and The Old Iranian Calendar (Twin Serpents, Oxford, 2006). ISBN 1-905524-25-0 , ISBN 978-1-905524-25-9 .
  • Abbas Milani: Eminent Persians. Syracuse University Press, 2008, S. 321?326.
  • Sepehr H. Joussefi: Seyyed Hasan Taqizadeh: a Political Biography in the Context of Iranian Modernization . (Master Thesis) University of Utrecht, The Netherlands, 1988 (joussefi.jouwweb.nl/seyyed-hasan-taqizadeh-a-political-biography-in-the-context-of-iranian-modernization)
  • A locust's leg. Studies in honour of S. H. Taqizadeh . Percy Lund, Humphries & Co., London 1962.

Weitere Bilddokumente

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Einzelnachweise

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  1. Kaveh. (Organ der persischen Nationalisten). (Nachdr. d. Ausgb. Berlin-Charlottenburg, 1916-1921 in 1 Bd. Teheran, 1977.
  2. Cyrus Ghani: Iran and the rise of Reza Shah. I.B. Tauris, 1998, S. 369.