Selbstbewusstsein

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Selbstbewusstsein ist ein Begriff, der in mehreren Fachdisziplinen verwendet wird, etwa in der Philosophie , in der Soziologie , in der Psychologie oder der Geschichtswissenschaft . Der Begriff Selbstbewusstsein hat mehrere Bedeutungsebenen. Es gibt ein Selbstbewusstsein des Individuums, aber auch ein kollektives Gruppenselbstbewusstsein.

Zum einen wird darunter das aktive, durch innere Denkvorgange herbeigefuhrte, Erkennen der eigenen Personlichkeit verstanden (Selbstbewusstheit, englisch self-awareness ). Die Frage: ?Wer oder was bin ich?“ kann als Ergebnis dieses Denkvorgangs beantwortet werden. Auch eine passive Zuschreibung, die Attribuierung durch anders denkende Mitglieder der Gruppe, fuhrt zum Erkennen und Definieren der eigenen Person bzw. Personlichkeit und tragt zur Entwicklung des Selbstkonzepts bei.

Zum anderen beschreibt Selbstbewusstsein etwas, was im Englischen self-confidence oder self-assurance heißt. Confidence heißt ?Vertrauen, Zuversicht“; assurance heißt ?Gewissheit, Sicherheit, Vertrauen“. Ein selbstbewusster Mensch verspurt diese vier Dinge in so starkem Maße, dass er seiner Zukunft relativ optimistisch, angstfrei, sorglos und unbekummert entgegensieht ? also mit einem stark ausgepragten Selbstvertrauen .

Allgemein wird Selbstbewusstsein als ?das Uberzeugtsein von seinen Fahigkeiten, von seinem Wert als Person, das sich besonders in selbstsicherem Auftreten ausdruckt“, definiert. [1]

Umgangssprachliche Begriffsverwendung

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Selbstbewusstsein heißt das Bewusstsein seiner selbst .

Umgangssprachlich wird Selbstbewusstsein meist als positives Wertgefuhl einer Person oder einer Gruppe in einem sozialen Wertkontext verstanden. Selbstbewusstsein wird demnach oft synonym verwendet fur den Begriff Selbstwert . In Redewendungen wie ?er hat ein starkes Selbstbewusstsein“ oder ?sie ist sehr selbstbewusst“ liegt die Bedeutung naher an den Begriffen Selbstsicherheit oder Selbstvertrauen .

Selbstbewusstsein ist immer auf einen Wertehorizont und ? in anerkennender oder nicht anerkennender Weise ? eine wertende Umgebung bezogen: Im ersten Fall wird das Selbstbewusstsein durch Eigenschaften und Fahigkeiten bestimmt, die den jeweils allgemein geltenden Wertvorstellungen mehr oder weniger entsprechen. Selbstbewusst ist, wer sich im Hinblick auf diese anerkannt fuhlt. Selbstbewusst sein meint hier ein fur gewohnlich vorkritisches soziales Selbstwertgefuhl, das man entweder hat oder eben nicht. Und das durch Aneignen von Fahigkeiten und sozial erwunschten Eigenschaften wie Kollektivbewusstsein , Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit gesteigert, oder im Fall des Misslingens, verringert werden kann. Als in besonderem Maße selbstbewusst gilt aber auch derjenige, der sich als Individuum der wertekonformen Gruppe gegenuberstellt.

Der affirmativen (positiven) Konnotierung im allgemeinen Sprachgebrauch des Begriffs steht der reine Wortsinn gegenuber: Denn ein Modus des Selbstbewusstseins in Sinne eines "seiner Selbst bewusst sein" (engl. self awareness) umfasst eine Gesamtheit von Eigenschaften (traits): die Reflektions-, Einsichts- und Anderungsfahigkeit (Bewusstheit uber das eigene Ich, der Auswirkungen des eigenen Handels auf sich selbst und die Umwelt und die Fahigkeit zur Veranderung im Handeln und Denken), aber auch das Verstehen der eigenen Emotionalitat und der Umgang mit Starken und Schwachen.

Selbstbewusstsein in der Philosophie

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Selbstbewusstsein entsteht durch Beobachtung und Reflexion seiner selbst oder anders ausgedruckt: des eigenen Ich , der eigenen Personlichkeit. Der sich selbst Betrachtende ist hierbei gleichzeitig Objekt und Subjekt . Kant : ??Ich bin mir selbst ein Gegenstand der Anschauung und des Denkens’ ist ein synthetischer Satz a priori und der Grundsatz der Transzendentalphilosophie .“ (Vorlesungen uber Metaphysik ).

?Der synthetische Satz: daß alles verschiedene empirische Bewußtsein in einem einigen Selbstbewußtsein verbunden sein musse, ist der schlechthin erste und synthetische Grundsatz unseres Denkens uberhaupt.“ [2] ( Kritik der reinen Vernunft )

In einer seiner bedeutendsten philosophischen Schriften, der Phanomenologie des Geistes , vor allem im beruhmten Kapitel ? Selbststandigkeit und Unselbststandigkeit des Selbstbewusstseins; Herrschaft und Knechtschaft “ fuhrt Hegel aus, dass das Selbstbewusstsein als Ergebnis der Anerkennung durch den Anderen sich herausbildet und sich in Abhangigkeit eines Gegenuberstehenden formt bzw. verwandelt. Der Knecht ist gezwungen, fur den Herrn zu arbeiten, der die Fruchte der Arbeit genießt und dabei in der Naturlichkeit seines Daseins verharrt. Der Knecht dagegen formt mit der Bearbeitung der Dinge die außere und seine eigene Natur um. Er lernt sich durch die Arbeit selbst kennen und entwickelt daraus ein Selbstbewusstsein. Hegel beschreibt das Selbstbewusstsein als die Summe der Erfahrung der Dialektik von Selbststandigkeit und Unselbststandigkeit , bildlich auch in Form eines Konflikts um Anerkennung zwischen Herr und Knecht.

?Ich ist der Inhalt der Beziehung, und das Beziehen selbst.“ [3] und
?In dem Bewusstsein, das auf sich selbst reflektiert, sind sich Subjekt und Objekt gleich.“
  • J.-L. Bermudez: The Paradox of Self-Consciousness. MIT Press, Cambridge MA 1998.
  • Wolfgang Brauner: Das prareflexive Cogito. Sartres Theorie des unmittelbaren Selbstbewusstseins im Vergleich mit Fichtes Selbstbewusstseinstheorie in den Jenaer Wissenschaftslehren. Herbert Utz Verlag, Munchen 2007.
  • Manfred Frank (Hrsg.): Analytische Theorien des Selbstbewußtseins. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1994.
  • Manfred Frank (Hrsg.): Selbstbewusstseinstheorien von Fichte bis Sartre. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991.
  • Manfred Frank: Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis. Reclam, Stuttgart 1991.
  • Karen Gloy:: Bewusstseinstheorien. Zur Problematik und Problemgeschichte des Bewusstseins und Selbstbewusstseins, Freiburg, Munchen 1998, 3. Aufl. 2004; ISBN 3-495-48117-6 , 360 S.
  • Dieter Henrich : Selbstbewußtsein: Kritische Einleitung in eine Theorie. In: F. Bubner (Hrsg.): Hermeneutik und Dialektik. Teil I, Tubingen 1970, DNB 456967257 , S. 257?284.
  • Bjorn Kralemann: Umwelt, Kultur, Semantik ? Realitat. (= Das Bewusstsein verstehen. Band 1). Leipziger Universitatsverlag, Leipzig 2006, ISBN 3-86583-136-2 .
  • David Papineau: Thinking about Consciousness. Oxford UP, Oxford/ New York 2002.
  • Wolfgang Prinz, Jurgen Schroder: Selbst im Spiegel. Die soziale Konstruktion von Subjektivitat. Suhrkamp, Berlin 2013, ISBN 978-3-518-58594-8 .
  • Winfrid Trimborn: Der Verrat am Selbst. Zur Gewalt narzisstischer Abwehr . In: Psyche . Band   57 , Nr.   11 , 2003, S.   1033?1056 .
  • Ernst Tugendhat : Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung. Sprachanalytische Interpretationen. 1979.
Wiktionary: Selbstbewusstsein  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen
  1. Duden | Selbstbewusstsein | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. Abgerufen am 4. Marz 2023 .
  2. Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 087. Abgerufen am 12. Juli 2022 .
  3. Deutsches Textarchiv ? Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phanomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807. Abgerufen am 12. Juli 2022 .