In der
Differentialtopologie
und in der
Algebraischen Topologie
bezeichnet die
Schnittzahl
oder
Schnittmultiplizitat
eine ganze Zahl, welche den Schnittpunkten orientierter Untermannigfaltigkeiten bzw. Homologieklassen von
orientierten
Mannigfaltigkeiten
zugeordnet werden kann.
In der Differentialtopologie betrachtet man zuerst Schnittzahlen von Abbildungen mit Untermannigfaltigkeiten. Schnittzahlen von Untermannigfaltigkeiten komplementarer Dimensionen werden als Schnittzahl der Inklusionsabbildung der einen Untermannigfaltigkeit mit der anderen Untermannigfaltigkeit berechnet.
Seien
differenzierbare Mannigfaltigkeiten
,
kompakt
sowie
eine Untermannigfaltigkeit und sei
ein differenzierbare Abbildung, die zu
transversal
ist. Zudem gelte
. Dann heißt
![{\displaystyle I(f,Z):=\sum _{x\in f^{-1}(Z)}\mathrm {sign} (x)}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c6c1692b80797d127ea64f81a11100b19248126a)
die
Schnittzahl
der Abbildung
mit
.
Transversalitat und Kompaktheit garantieren, dass die Summe endlich ist.
Das Signum
ist folgendermaßen definiert:
, falls
als direkte Summe von orientierten Vektorraumen die Orientierung erhalt,
, falls
als direkte Summe von orientierten Vektorraumen die Orientierung umkehrt.
Mit Hilfe des
Homotopietransversalitatssatzes
kann die Definition auch auf Abbildungen ausgedehnt werden, die nicht transversal sind:
Seien
differenzierbare Mannigfaltigkeiten
,
kompakt
sowie
eine Untermannigfaltigkeit und sei
ein differenzierbare Abbildung. Zudem gelte
. Nach dem Homotopietransversalitatssatz gibt es eine differenzierbare Abbildung
, welche transversal zu
und
homotop
zu
ist. Man setzt:
.
- Sei
eine kompakte differenzierbare
Mannigfaltigkeit mit Rand
und sei
eine differenzierbare Abbildung. Dann gilt fur
fur jede Untermannigfaltigkeit
von
, dass
.
- Die Schnittzahlen homotoper Abbildungen stimmen uberein.
Fur den Fall, dass
kompakte orientierte Untermannigfaltigkeiten einer orientierten differenzierbaren Mannigfaltigkeit sind, mit
, lasst sich die Schnittzahl
definieren, wobei
die kanonische Inklusionsabbildung bezeichnet.
Man kann zeigen, dass
gilt. Im Falle
, ist also die
Selbstschnittzahl
definiert und fur ungerade
folgt damit
.
Sei nun
eine kompakte orientierte Mannigfaltigkeit,
bezeichne die Diagonale. Nach der vorangehenden Uberlegung ist
wohldefiniert und man kann mit Hilfe der
Lefschetz-Fixpunkttheorie
zeigen, dass
mit der
Euler-Charakteristik
der Mannigfaltigkeit ubereinstimmt.
Die
Schnittzahl
ist unabhangig von einer Orientierung der Mannigfaltigkeiten, das in der Definition der Schnittzahl vorkommende Signum ist
und die Berechnung der Schnittzahl
reduziert sich auf das Zahlen der Schnittpunkte
. Dies erlaubt naturlich nicht so genaue Aussagen wie mit der Schnittzahl orientierter Mannigfaltigkeiten, ermoglicht aber dafur auch die Berechnung bei nicht-orientierbaren Mannigfaltigkeiten.
Als Anwendung wird gezeigt, dass das
Mobiusband
nicht orientierbar ist.
bezeichne die Mittellinie des Mobiusbandes, welche diffeomorph ist zur Kreislinie
. Die Selbstschnittzahl
von
ist 1. Ware das Mobiusband orientierbar, dann musste aber
gelten.
, also kann das Mobiusband nicht orientierbar sein.
Die Algebraische Topologie ermoglicht die Ausdehnung des Begriffes der Schnittzahl auf orientierte topologische Mannigfaltigkeiten, wo die Schnittzahlen mit Hilfe der
singularen Homologie
definiert werden.
- John W. Milnor:
Topology from the differentiable viewpoint.
Revised edition, 1st printing. Princeton University Press, Princeton NJ 1997,
ISBN 0-691-04833-9
.
- Victor Guillemin
, Alan Pollack:
Differential topology.
Prentice-Hall, Englewood Cliffs NJ 1974,
ISBN 0-13-212605-2
.
- Ralph Stocker,
Heiner Zieschang
:
Algebraische Topologie. Eine Einfuhrung.
2. uberarbeitete und erweiterte Auflage. B. G. Teubner, Stuttgart 1994,
ISBN 3-519-12226-X
.