Schluck und Jau
ist eine 1899 geschriebene
Komodie
des deutschen
Nobelpreistragers fur Literatur
Gerhart Hauptmann
.
Obwohl die Handlung teilweise an
Der Widerspenstigen Zahmung
erinnert und obwohl sich Gerhart Hauptmann offenbar von
Shakespeare
hat inspirieren lassen, sind die Namen Schluck und Jau nicht aus dem Namen des betrunkenen Kesselflickers Schlau komponiert. Hauptmann habe sie Anfang August 1897 von Fischern auf
Hiddensee
aufgeschnappt. Den Dialekt der beiden Titelhelden habe er von zwei
Salzbrunner
Vagabunden ubernommen. Der Einfluss von
Ludvig Holbergs
Stuck
Jeppe vom Berge oder Der verwandelte Bauer
(1722) sei erkennbar.
[1]
Das Werk entstand in der zweiten Jahreshalfte 1899.
[2]
Furst Jon Rand reitet mit Gefolge in sein Jagdschloss ein. Er lasst die beiden vor dem Schlosstor herumlungernden Landstreicher Schluck und Jau aufgreifen. Schluck ist lediglich angetrunken, doch Jau ist sternhagelvoll. Des Fursten
Seneschall
, der Junker Karl, uberredet seinen Herrn zu einem
Mummenschanz
. Den beiden Bettlern soll vorgegaukelt werden, sie seien Furst und Furstin.
So spielt Jon Rand den Leibarzt des alkoholkranken Jau. Frau Adeluz, die Witwe des Forsters, kennt die beiden mußigen Streuner von fruher. Nun Kammerfrau von Prinzessin Sidselill, der Geliebten des Fursten, wird Frau Adeluz ebenfalls zum Mitspiel genotigt. Es scheint, als ob Schluck, ein gelernter Schneider, der auch Scherenschnitte fabrizieren kann, das Rupelspiel
[3]
durchschaut. Er wird von der Kammerfrau uberredet, in dem Maskenscherz die Furstin an der Seite des Fursten Jau zu spielen. Jau, der im Gegensatz zu Schluck nur sporadisch zu erkennen gibt, dass er das Possenspiel durchschaut, schlupft so sehr in seine Herrscherrolle, dass Jon Rand das Spiel abbrechen muss. Dieser Zeitpunkt ist erreicht, als einer der Diener uber die Maßen mitspielt. Dieser Diener will nur noch Jau gehorchen. Jon Rand fuhlt sich entthront. Hanswurst regiert. Der Hofling Karl schlagt sofort in die Kerbe seines Herrn; herrscht Schluck an: ?Bettelpack, wie kommst du hier herein?“
[4]
Schluck, der wie gesagt weiß, wie der Hase bei Hofe lauft, konstatiert, nun werde er nicht mehr gebraucht. Jau, der weiter herrschen mochte, wird von Jon Rand mit einem Schlaftrunk aus dem Rennen genommen. Schluck wird vom Fursten mit Geld abgespeist. Gerhart Hauptmann bietet dem Zuschauer ein versohnlerisches Ende: Jon Rand hat reden horen, Jau sei trotz aller Faulheit klug. Also will er ihm ein Stuck Land zum Roden schenken. Jau will nicht begreifen, was mit ihm geschah. Karl hilft ihm besanftigend: ?Gib dich zufrieden, Mann! Du hast getraumt.“
[5]
Schluck und Jau
wurde am 3. Februar 1900 unter
Emil Lessing
im
Deutschen Theater Berlin
uraufgefuhrt. Der Premiere, die mit
Hanns Fischer
als Schluck,
Rudolf Rittner
als Jau,
Else Heims
als Sidselill und
Else Lehmann
als Frau Adeluz besetzt war, verlief erfolglos.
Otto Brahm
setzte das Scherzspiel nach dreizehn Auffuhrungen vom Spielplan ab.
[6]
Erst die Inszenierung
Max Reinhardts
am 18. Marz 1915 an derselben Buhne mit
Max Pallenberg
als Schluck und
Hans Waßmann
als Jau erreichte in den
Kriegsjahren
1915 und 1916 uber vierzig Auffuhrungen.
[7]
- 1952: Mayer meint, Hauptmann habe sich teilweise ziemlich an Holberg angelehnt. Bei Mayer stellt sich nach dem ?gutigen Abschluß“ Unbehagen ein; mit anderen Worten, Hauptmann habe seine beiden Helden ? anders als bei Shakespeare und Holberg ? nicht schlussig in den historischen Kontext
Feudalismus
eingebettet.
[17]
- 1995: Leppmann schreibt, Max Pallenberg und in den 1930er Jahren
Heinrich George
und
Eugen Klopfer
hatten mit ihrer Komik dem Stuck doch noch zum Durchbruch verholfen.
[18]
- 1998: Marx gibt noch einen Grund fur den Abbruch der Posse durch Jon Rand an. Der Furst bemerkt wohl, die ?vitale Prasenz“ von Schluck und Jau erotisiert Sidsellil. Hauptmann bleibe mit seinem Fursten Jon Rand durchaus nicht bei Shakespeares Lord und Holbergs Baron stehen. Sidsellil, seine Geliebte, stehe fur die
Dekadenz
des
Fin de Siecle
.
[19]
- 2004: Sprengel hingegen tut das Stuck als ?Shakespeare-Variation“ ab.
[20]
- 2012: Sprengel schreibt,
Oscar Blumenthal
habe Gerhart Hauptmann ?Shakespeare-Imitation“ vorgeworfen. Nach
Paul Schlenther
ware die Urauffuhrung erfolgreich geworden, wenn die beiden Titelfiguren ?mit ganz echten Komikern besetzt“ worden waren.
[21]
Nach
Alfred Kerr
habe der Autor zur Urauffuhrung ein unfertiges Werk vorgelegt.
[22]
- Erstausgabe:
- Schluck und Jau.
S. Fischer, Berlin 1900
[23]
- Verwendete Ausgabe:
- Schluck und Jau. Komodie.
S. 289?393 in Gerhart Hauptmann:
Ausgewahlte Dramen in vier Banden. Bd. 2.
465 Seiten. Aufbau-Verlag, Berlin 1952
- Gerhart Hauptmann:
Ausgewahlte Dramen in vier Banden. Bd. 1.
Mit einer
Einfuhrung in das dramatische Werk Gerhart Hauptmanns
von
Hans Mayer
. 692 Seiten. Aufbau-Verlag, Berlin 1952
- Wolfgang Leppmann
:
Gerhart Hauptmann. Eine Biographie.
Ullstein, Berlin 1996 (Ullstein-Buch 35608), 415 Seiten,
ISBN 3-548-35608-7
(identischer Text mit
ISBN 3-549-05469-6
, Propylaen, Berlin 1995, untertitelt mit
Die Biographie
)
- Friedhelm Marx
:
Gerhart Hauptmann
. Reclam, Stuttgart 1998 (RUB 17608, Reihe Literaturstudium). 403 Seiten,
ISBN 3-15-017608-5
- Peter Sprengel
:
Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1900?1918. Von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Ersten Weltkriegs.
C.H. Beck, Munchen 2004,
ISBN 3-406-52178-9
.
- Peter Sprengel:
Gerhart Hauptmann. Burgerlichkeit und großer Traum. Eine Biographie.
848 Seiten. C.H. Beck, Munchen 2012 (1. Aufl.),
ISBN 978-3-406-64045-2
- ↑
Sprengel bemerkt, in der
Weimarer Republik
habe sich das dem Naturalismus zuruckhaltend gegenuberstehende Dresdner Theater solchen Stoffen ?von der Welt des Traums“ zogernd zugewandt (Sprengel anno 2012, S. 711).
- ↑
Marx, S. 104 Mitte
- ↑
Marx, S. 104 oben
- ↑
Mayer, S. 60,9. Z.v.u.
- ↑
Verwendete Ausgabe, S. 381, 15. Z.v.o.
- ↑
Verwendete Ausgabe, S. 391, 14. Z.v.u.
- ↑
Marx, S. 104 unten
- ↑
Sprengel anno 2012, S. 495 oben
- ↑
Sprengel anno 2012, S. 612
- ↑
Eintrag
DDB
- ↑
Sprengel anno 2012, S. 671
- ↑
Eintrag
DDB
- ↑
Eintrag
bei nwbib.de und Leppmann, S. 229 unten
- ↑
Leppmann, S. 229
- ↑
Goebbels, zitiert nach
Hans Daiber
(?Gerhart Hauptmann oder Der letzte Klassiker“, Wien 1971) bei Marx, S. 105, 19. Z.v.o. sowie S. 372, 2. Eintrag
- ↑
Eintrag
bei ard.de/ard-chronik
- ↑
Margot Thyret (* 5. Juni 1931; † 24. April 2000)
- ↑
Mayer, S. 60
- ↑
Leppmann, S. 229, 15. Z.v.u.
- ↑
Marx, S. 105?106
- ↑
Sprengel anno 2004, S. 524, 3. Z.v.u.
- ↑
Sprengel anno 2012, S. 316 bis 319
- ↑
Sprengel anno 2012, S. 328 oben
- ↑
Erstausgabe
S. Fischer, Berlin 1900