Schiaparelli (Marslander)

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Schiaparelli
Phase : F / Status : eingestellt

Modell des Landers in Originalgroße im Kontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt, geplanter Zustand nach Abwurf des unteren und oberen Schutzschilds
Typ Marslander
Land Europa   Europa
Russland Russland
Organisation Europaische Weltraumorganisation ESA
Roskosmos   Roskosmos
COSPAR-Bezeichnung 2016-017A
Missionsdaten
Startdatum 14. Marz 2016
Startplatz Baikonur 200/39
Tragerrakete Proton-M
Enddatum 19. Oktober 2016
Allgemeine Raumfahrzeugdaten
Startmasse 577 kg
Abmessungen Durchmesser: 2,4 m,
Hohe: 1,8 m
Hersteller Thales Alenia Space
Spezifische Raumfahrzeugdaten
Antriebssystem dreimal je drei Hydrazin -Triebwerke
Nutzlastdaten
Instrumente

DREAMS
AMELIA
DECA
COMARS+
INRRI

Stark vereinfachtes Modell des Landers auf der Pariser Luftfahrtschau 2013, ohne Hitze­schutz­schild, ruckseitiger Abdeckkappe und Warme­isolierfolien, schrag von oben sichtbar: 3 Kugeltanks fur Hydrazin, 1 fur Helium, 2 von 3 Triebwerksdusentripel, am Plateau links der hohe Micro-ARES-Mast, daneben der kleinere Met(eorologie)-Mast mit 3 Instrumenten, mehrfach aufgestandert der Laserreflektor [1]

Schiaparelli war ein Mars - Lander der Europaischen Weltraumorganisation (ESA) und von Roskosmos , der als Demonstrationsmodul fur den [Atmospharen-]Eintritt, Abstieg und die Landung ( englisch Entry, descent and landing Demonstrator Module , kurz EDM ) entworfen wurde. Er wurde nach dem italienischen Astronomen Giovanni Schiaparelli benannt. [2]

Aufgrund technischer Probleme misslang am 19. Oktober 2016 die Landung. Gemaß offiziellem Untersuchungsbericht fuhrte ein Fehler bei einem Messgerat zur Uberlastung des Bordcomputers. In der Folge sturzte die Marssonde aus fast 4 km Hohe ungebremst auf die Oberflache des Roten Planeten und schlug dort mit einer Geschwindigkeit von 540 km/h auf. [3] [4]

Mit Hilfe des Gerates, das mit dem ExoMars Trace Gas Orbiter zu seinem Zielplaneten befordert wurde, sollten alle Technologien fur kunftige Landungen auf dem Mars erprobt werden. [5] Dazu gehoren besondere Materialien fur den Hitzeschutz, die Fallschirme, das Doppler-Radar zur Hohenbestimmung und die mit flussigem Treibstoff betriebenen Bremsraketen. Nach der Landung sollte Schiaparelli zwei bis vier Marstage lang auf der Oberflache arbeiten. Da Schiaparelli keine Solarzellen besaß, sondern nur Batterien zur Energieversorgung, war die Funktionstuchtigkeit auf wenige Tage begrenzt.

Der Start erfolgte am 14. Marz 2016 mit einer russischen Proton-Rakete vom Kosmodrom Baikonur . Wahrend der Reise zum Mars war Schiaparelli mit dem Orbiter fest verbunden und wurde in einen ?Tiefschlaf“ versetzt. Die geplante Mission war im Einzelnen wie folgt gegliedert:

  • Am 16. Oktober, drei Tage vor dem Erreichen der Marsatmosphare, trennte sich Schiaparelli vom Orbiter. [6] Mit den Hitzeschutzschilden hat er eine flachkegelige Scheibenform.
  • Wahrend der weiteren Reise zum Mars blieb der Lander vorerst im Tiefschlaf, um so Energie zu sparen.
  • Kurz vor dem Erreichen der Atmosphare wurden in 122,5 km Hohe bei einer Geschwindigkeit von etwa 21.000 km/h die Systeme aktiviert.
  • Ein Hitzeschild sollte Schiaparelli in der ersten Phase des Eintritts schutzen und abbremsen, sodass in einer Hohe von ungefahr 11 km bei einer Geschwindigkeit von etwa 1650 km/h der Fallschirm ausgelost werden konnte.
  • Anschließend sollte erst der vordere und dann der hintere Hitzeschutz abgeworfen werden.
  • Mit einem Doppler-Hohen- und -Geschwindigkeitsmesser sollte dann die Position in Bezug zur Marsoberflache bestimmt werden.
  • Schließlich sollte das Flussigkeitstriebwerk aktiviert und die Geschwindigkeit auf 15 km/h bis zu einer Hohe von 2 m reduziert werden. Sodann sollte das Triebwerk abgeschaltet werden, der Lander sollte auf den Grund fallen. Der Aufprall sollte von der plastisch komprimierbaren Struktur gedampft werden.
  • Mit einer Datenverbindung zum Orbiter sollten die wichtigsten Daten in Echtzeit zum Orbiter ubertragen werden. Zudem sollten die Daten innerhalb von 8 Marstagen nach der Landung vollstandig ubermittelt und die Mission von Schiaparelli danach beendet werden.

Als primare Landestelle war Meridiani Planum festgelegt worden. Der NASA-Rover Opportunity erforschte ebenfalls diese Region. Die Ebene ist von besonderem Interesse fur Wissenschaftler, da sie Hamatite enthalt ? ein Eisenoxid, das auf der Erde fast ausschließlich in Umgebungen mit flussigem Wasser entsteht.

Vorher-Nachher-Aufnahme der Marsoberflache durch den Mars Reconnaissance Orbiter der NASA: Die am 20. Oktober 2016 nachgewiesenen Flecke stehen fur den Absturzort von Lander (schwarz, oben) und Fallschirm (weiß, unten). Rechts am Rand eine vergroßerte Darstellung des gerahmten Bereichs.
Hoch auflosende MRO -Aufnahme: Vom Absturzort ausgehende, dunkle Strahlen werden als Hinweis ge­deutet, dass der Lander beim Aufprall einen Krater ver­ursacht hat (oben). Nah unterhalb des Fall­schirms ist der obere Hitzeschutzschild zu erkennen (unten). [7]

Schon kurz nach dem erwarteten Zeitpunkt der Landung war allerdings von der ESA bekanntgegeben worden, dass der Funkkontakt des Landers zu dem im indischen Pune befindlichen Giant Metrewave Radio Telescope (GMRT) wahrend der Landephase abgebrochen war. Zugleich war der Funkkontakt von Schiaparelli zur Raumsonde Mars Express abgebrochen. Die von beiden Quellen sowie vom Mutterschiff registrierten und zur Erde gesendeten Daten ergaben laut ESA, ?dass die Phasen des Eintritts und des Abstiegs in die Atmosphare wie erwartet verlaufen sind, die Ereignisse nach dem Abwurf des hinteren Hitzeschilds und des Fallschirms jedoch auf einen nicht planmaßigen Verlauf hindeuten. So scheint der Abwurf fruher als geplant erfolgt zu sein.“ [8] Zugleich teilte die ESA in einer ersten Analyse am 20. Oktober 2016 mit: ?Was die Triebwerke anbetrifft, kann zwar mit Sicherheit gesagt werden, dass sie fur eine kurze Zeit gezundet wurden, es aber danach aussieht, dass sie ihren Betrieb fruher als erwartet eingestellt haben.“ Das Fehlverhalten habe zur Folge gehabt, dass ?keine sanfte Landung erfolgte.“ [8]

Der Aufprallort des Landers und des abgeworfenen Fallschirms wurde am 20. Oktober 2016 anhand von Fotografien der Marsoberflache durch MRO -Aufnahmen nachgewiesen; [9] zugleich berichtete die ESA am 21. Oktober 2016: ?Es wird geschatzt, dass Schiaparelli aus einer Hohe zwischen 2 und 4 km gefallen ist und somit mit einer Geschwindigkeit von mehr als 300 km/h aufgeschlagen ist.“ Es sei moglich, ?dass das Landegerat beim Aufprall explodiert ist, da die Treibstofftanks wahrscheinlich noch gefullt waren.“ [10] [11] Der im Mai 2017 von der ESA vorgelegte abschließende Untersuchungsbericht fuhrte das Scheitern der weichen Landung schließlich auf eine Abfolge von Fehlfunktionen zuruck. Auslosend war demnach die Fehlfunktion der Inertial Measurement Unit (IMU) , einem Messgerat, das die Eigenbewegung der Sonde uberwachen sollte. Offenbar bewegte sich Schiaparelli beim Eintritt in die Marsatmosphare starker als erwartet hin und her, so dass IMU uberlastet wurde und ? wesentlich langer als fur einen solchen Fall vorgesehen ? nicht betriebsbereit war. Wahrend dieser Ausfallzeit wurden falsche Hohenangaben berechnet, die ? obwohl vollig unplausibel eine Position bereits unterhalb der Marsoberflache ausweisend ? dazu fuhrten, dass die Fallschirme abgeworfen und die Bremsraketen kurz gezundet wurden. Daraufhin fiel Schiaparelli ungebremst mit einer Geschwindigkeit von 540 km/h zu Boden. [4]

Das Scheitern der Landung hatte jedoch keine grundlegenden Folgen fur das im Jahr 2020 geplante Absetzen des europaischen ExoMars Rovers . Am 2. Dezember 2016 gab die ESA die benotigten Gelder frei. [12]

Wie auch TGO leitete sich das Design von Schiaparelli von fruheren Studien im Rahmen des ExoMars -Projektes ab. Eine Reihe von Sensoren sollten die wesentlichen Parameter der zu testenden Schlusseltechnologien aufzeichnen. Dazu gehorten insbesondere der Hitzeschutz, der Fallschirm, das Doppler-Radar und die mit flussigem Treibstoff betriebenen Bremstriebwerke. Die Daten sollten anschließend zur Erde ubermittelt werden und kunftigen europaischen Missionen zugutekommen. Der Aufbau im Detail:

  • Durchmesser: 2,4 m mit Hitzeschild, 1,65 m ohne
  • Masse: 600 kg
  • Material des Hitzeschildes: Kohlenstofffaser -Sandwichstruktur mit 90 Norcoat-Liege -Isolierkacheln (eine Isolation auf Kork -Basis) [13]
  • Struktur: Aluminium-Sandwich mit Deckschichten aus kohlenstofffaserverstarktem Kunststoff
  • Fallschirm: Disk-Gap-Band-Kappe, 12 m Durchmesser
  • Antrieb: dreimal je drei Hydrazin-Triebwerke (jedes 400 N), betrieben im Pulse-Mode
  • Elektrische Energie: Akkus
  • Kommunikation: UHF-Link mit zwei Antennen zum Orbiter

Die europaischen Industrie unter Leitung von Thales Alenia Space entwickelte die Sonde fur die ESA.

Wissenschaftliche Instrumente

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Die Messinstrumente wurden 2011 noch gemeinsam von NASA und ESA ausgewahlt. Diese waren in zwei Aufgabengebiete aufgeteilt: DREAMS umfasste alle oberflachengebundenen Experimente und AMELIA diejenigen, die wahrend des Abstiegs Informationen uber das Verhalten des Landers liefern sollten. Daruber hinaus sollte mit COMARS+ der Warmefluss im Hitzeschild aufgezeichnet und mit der Abstiegskamera DECA ( de scent ca mera) die Landestelle fotografiert sowie die Transparenz der Atmosphare bestimmt werden. Die Kamera kam aus dem Bestand des Herschel-Weltraumteleskop -Programms. Die Oberseite von Schiaparelli enthielt ein Array von Laserreflektoren fur Ortungen aus dem Orbit. [14]

DREAMS
Der Name steht fur Dust Characterisation, Risk Assessment, and Environment Analyser on the Martian Surface ( englisch fur Staubbestimmung, Risikobewertung und Umweltmessgerat auf der Marsoberflache ). Die Bestandteile waren: MetWind (Windgeschwindigkeit und -richtung), DREAMS-H (Feuchtigkeit, englisch humidity ), DREAMS-P (Druck, englisch pressure ), MarsTem (Temperatur nahe der Oberflache), Solar Irradiance Sensor, SIS (Sonneneinstrahlung, Transparenz der Atmosphare) und Atmospheric Radiation and Electricity Sensor, MicroARES (Strahlung und elektrische Aufladung in der Atmosphare). Es sollten genauere Erkenntnisse uber den Einfluss von elektrischen Kraften, auch in Abhangigkeit von der Feuchtigkeit, auf den Staub gewonnen werden. Mit diesem Mechanismus werden Staubsturme ausgelost.
AMELIA
Dieser Name steht fur Atmospheric Mars Entry and Landing Investigation and Analysis (englisch fur Atmospharische Marseintritts- und Marslandeuntersuchung und -Analyse ). Bestimmt werden sollten atmospharische Bedingungen wie Dichte und Wind von großer Hohe bis hin zur Oberflache.
DECA
Die Landekamera wiegt etwa 600 g bei Abmessungen von etwa 9 cm × 9 cm × 9 cm. Sie sollte hochauflosende Fotos von der Landestelle liefern und die Grundlage fur ein dreidimensionales topographisches Modell der Region bilden. Nachdem der vordere Hitzeschutz abgeworfen war, sollten die Aufnahmen beginnen. Es sollten 15 Bilder in einem Intervall von 1,5 Sekunden aufgenommen und gespeichert werden. Um elektrostatische Entladungen wahrend des Fluges durch die Atmosphare zu vermeiden, sollten sie erst nach einer mehrere Minuten dauernden Verzogerung zum Orbiter gesendet werden.

Der Laserreflektor (INRRI ? IN strument for Landing ? R oving Laser R etroreflector I nvestigations ) bestand aus einer kuppelformigen Anordnung von acht Wurfeleckenreflektoren (CCR) aus Quarzglas Suprasil 1. Er ware der erste Vermessungsreflektor gewesen, der auf dem Mars platziert worden ware und sollte als rein passives Element langer funktionieren. Er sollte daneben auch zum Messen des Niederschlags von Staub und seines Wieder-Weggeblasen-Werdens durch den Wind dienen. [14]

Commons : Schiaparelli  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. ExoMars Trace Gas Orbiter and Schiaparelli Mission (2016). Bei: Exploration.ESA.int. 16. Oktober 2016, u. a. mit Detailbildern von Schiaparelli.
  2. Ticker zur Mars-Landung: Die letzte Hoffnung ist ein Reset. Bei: HNA.de. 20. Oktober 2016, mit dem Abschnitt Mars-Landung: Woher die Landekapsel Schiaparelli ihren Namen hat.
  3. Mars-Sonde. Computer war schuld an ?Schiaparelli“-Crash. Bei: Spiegel.de. 24. Mai 2017.
  4. a b ExoMars 2016 ? Schiaparelli Anomaly Inquiry. Bei: Exploration.ESA.int. 18. Mai 2017.
  5. Schiaparelli: The ExoMars Entry, Descent and Landing Demonstrator Module. Bei: Exploration.ESA.int. 16. Oktober 2016.
  6. ESA Operations: Flight Director Michel Denis: confirmed separation! Bei: Twitter .com. 16. Oktober 2016.
  7. Detailbilder von Schiaparelli und seiner Hardware nach der Landung auf dem Mars. Bei: esa.int. 27. Oktober 2016.
  8. a b Analyse der Abstiegsdaten von Schiaparelli ist im Gang. Bei: ESA.int. 20. Oktober 2016.
  9. Mars Reconnaissance Orbiter sieht Schiaparelli Landestelle. Bei: ESA.int. 21. Oktober 2016.
  10. Esa-Mission ?ExoMars“. Softwarefehler ließ ?Schiaparelli“ absturzen. Bei: Spiegel.de. 26. Oktober 2016.
  11. Computing glitch may have doomed Mars lander. Bei: Nature .com. 25. Oktober 2016.
  12. Europe moves ahead with Mars mission, kills asteroid lander. Bei: sciencemag.org. 2. Dezember 2016.
  13. Hitzeschilde fur ExoMars sind fertig. Bei: Aerosieger.de. 8. Juli 2014.
  14. a b Schiaparelli science package and science investigations. Bei: Exploration.ESA.int. 19. Oktober 2016.