Schacht 371

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Fordergerust des Schachtes 371 im Herbst 2004

Schacht 371 ist der Hauptschacht des stillgelegten Bergbaubetriebes Aue (vormals Objekt 09 ) der SDAG Wismut , einem Uran - Bergwerk im Westerzgebirge . Das Bergwerk war mit einer Gesamtteufe von mehr als 1.800 m bis zur Schließung das tiefste Bergwerk Deutschlands. Es ist Bestandteil der Montanregion Erzgebirge/Kru?noho?i , welche seit 2019 zum UNESCO-Welterbe gehort. [1]

Der Schacht 371 befindet sich im Poppenwald im Tal der Zwickauer Mulde auf der Flur der Stadt Hartenstein im sachsischen Landkreis Zwickau , an der Grenze zum Erzgebirgskreis . Er liegt an der Straße Hartenstein? Bad Schlema und an der Bahnstrecke Schwarzenberg?Zwickau , an welcher der Schacht zwischen 1960 und dem Ende der DDR mit dem Haltepunkt Poppenwald eine Bahnstation fur den Berufsverkehr der SDAG Wismut besaß. [2]

UNESCO-Infotafel Schachtkomplex 371 (Hartenstein)
Schacht 371 (Hartenstein), Seilscheibe

Der Bergbau im Schlematal begann im 15. Jahrhundert auf Kupfer , Silber und Eisen . Die ebenfalls schon im 15. Jahrhundert entdeckten reichen Silbervererzungen in Schneeberg sind mit Kobalt , Nickel und Wismut vergesellschaftet. Als die Silberausbeute zuruckging, wurden diese Erze, insbesondere Kobalt, Gegenstand des Schneeberger Bergbaus. Zusammen mit den Silbererzen trat gehauft ein schweres schwarzes Mineral unbekannter Zusammensetzung auf, das wegen seiner Farbe und seines Glanzes Pechblende genannt wurde. 1789 entdeckte Martin Heinrich Klaproth in einer Pechblendestufe der Johanngeorgenstadter Grube Georg Wagsfort das Element Uran . Am 1. Marz 1896 entdeckte Antoine Henri Becquerel zufallig die Radioaktivitat des Urans. Marie Curie und ihr Ehemann Pierre Curie entdeckten 1898 in Abfallerzen aus Joachimsthal die Elemente Polonium und Radium . Dies war der Ausloser fur die Errichtung eines Heilbades im bohmischen St. Joachimsthal, das im Jahr 1906 eroffnet wurde. Es nutzte die radioaktiven Wasser der dortigen Uran-Silber-Lagerstatte. Das florierende Heilbad auf bohmischer Seite erweckte Begehrlichkeiten auf sachsischer Seite. Daraufhin begannen Carl Schiffner und Max Weidig von der Bergakademie Freiberg im Auftrag des Koniglich-Sachsischen Finanzministeriums mit der Suche nach radioaktiven Wassern in Sachsen . 1909 wurden durch Richard Franz Friedrich in Oberschlema starke Quellen im Radiumort des Marx-Semler-Stollns entdeckt, der das Schneeberger Revier entwassert. Daraufhin wurde in Oberschlema am 2. August 1916 mit dem Bau eines Heilbades begonnen, das am 16. Mai 1918 eroffnet wurde.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden diese Quellen in Oberschlema sowie die bekannten Uranvorkommen in Schneeberg und Johanngeorgenstadt Ausgangspunkt fur die sowjetischen Erkundungsarbeiten auf Uran in Sachsen fur das sowjetische Kernwaffenprogramm . Im Jahr 1946 wurde mit der Aufwaltigung alter Gruben in Oberschlema ( Objekt 02 ) und Schneeberg (ab 1947 Objekt 03 ) begonnen und das erste Erz gefordert. Im Zuge der Untersuchungsarbeiten der Flanken der Lagerstatten Schneeberg und Oberschlema durch das Objekt 21 entdeckte man in den Jahren 1948/1949 die Fortsetzung der Oberschlemaer Lagerstatte nach Norden in den Bereich Niederschlema und Aue - Alberoda . Fur den Abbau dieser Lagerstatte wurde im Herbst 1948 das Objekt 09 gegrundet. Das Objekt 09 entwickelte sich schnell zum bedeutendsten Uranproduzenten im Erzgebirge. Die Vererzungen lagen deutlich tiefer als in Schneeberg und Oberschlema. Dies und die Große der Lagerstatte machten moderne Schachtanlagen notig, die primitiven Anlagen aus der Anfangszeit des Uranbergbaus waren fur die weitere Entwicklung der Lagerstatte ungeeignet. Daher wurden in den 1950er-Jahren mehrere moderne Forder- und Wetterschachte in Betrieb genommen. Am 4. April 1956 begann das Objekt 11 der SDAG Wismut mit den Teufarbeiten fur den Schacht 371. Am 1. Mai 1959 wurde der Schacht als ?Jugendschacht 1. Mai“ an die Produktion ubergeben. Im Laufe der 1960er-Jahre wurden die oberen Sohlen bis zur -540-m-Sohle der Lagerstatte Niederschlema großtenteils ausgeerzt und die Forderung auf den fur jene Sohlen verantwortlichen Schachten eingestellt. Ab 1972 verblieb Schacht 371 als letzter Forderschacht auf der Lagerstatte. Im Falle einer Havarie konnte aber der Schacht 366 die Aufgaben von Schacht 371 zeitweilig ubernehmen. Das hochste Forderergebnis wurde 1963 mit 4.553 t Uran im Jahr erreicht. Danach sank die Produktion allmahlich ab. 1989, im letzten kompletten Betriebsjahr, wurden rund 1,4 Millionen Tonnen Erz mit einem Urangehalt von 442 t Uran an die Aufbereitungsbetriebe geliefert. Die Gewinnungskosten lagen bei 364,62 Mark/Kilogramm, der Bergbaubetrieb Aue war damit der zweitteuerste von 7 aktiven Bergbaubetrieben der SDAG Wismut in jenem Jahr. Die planmaßige Urangewinnung wurde zum 31. Dezember 1990 eingestellt, ein Restabbau wurde bis zum 1. Marz 1991 betrieben, um die Kontaktflache zwischen Uranerz und Flutungswasser zu minimieren. Insgesamt lieferte die Lagerstatte in 44 Betriebsjahren 73.125 t Uran.

Im Jahr 1991 begannen die Sanierungsarbeiten auf der Lagerstatte Niederschlema mit umfangreichen Maßnahmen unter und uber Tage. Schadstoffe wurden entfernt, Grubenbaue gesichert, Gebaude abgerissen sowie Halden konturiert und abgedeckt. Weiterhin wurde eine Wasserbehandlungsanlage fur das Grubenwasser errichtet. Wahrend dieser Zeit war es fur Besucher moglich, auf Schacht 371 bis zur -540-m-Sohle einzufahren. Der Schacht war damit einige Zeit das tiefste europaische Besucherbergwerk. Im Jahr 1997 erreichte das Flutungswasser die -540-m-Sohle und die Arbeiten auf Schacht 371 wurden eingestellt. Der Schacht wurde 2011 mittels einer Betonplombe verwahrt. Die Gebaude dienen aber weiterhin der Wismut GmbH, Niederlassung Aue als Betriebspunkt fur die Sanierung der Betriebsflachen in der Umgebung. Weiterhin befindet sich die mineralogische Lagerstattensammlung der Wismut GmbH auf Schacht 371 und ist fur die Offentlichkeit zuganglich. [3]

Seit 2019 gehort der Schachtkomplex 371, bestehend u. a. aus den Tagesanlagen der Schachtgebaude mit einem 50 m hohem Stahl-Fordergerust, dem Maschinenhaus mit Fordermaschine und einem großen Funktions- und Verwaltungsgebaude zur Bergbaulandschaft Uranerzbergbau der UNESCO-Welterbe -Region Montanregion Erzgebirge/Kru?noho?i .

Schachtanlage und Grubenfeld

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Schacht 371 bei Hartenstein, Tagesanlagen

Schacht 371 diente als Seilfahrts -, Forder -, Material- und einziehender Wetterschacht. Er wurde als Rundschacht mit einem lichten Durchmesser von 6,20 m angelegt. Der Schachtausbau besteht aus Schalbeton. Die Rasenhangebank liegt bei 355  m u. NN , die Endteufe von 1.090,60 m bei 735,6  m unter NN , mit Anbindungen an die -540- und -990-m-Sohle, wobei sich die Sohlenbezeichnungen auf die Marx-Semler-Sohle als 0-m-Sohle beziehen. Uber ein Uberhauen wurde die Schachtrohre zur Entwasserung an die -1080-m-Sohle angeschlossen. Schacht 371 besaß als Schachtforderung zwei parallele Koepeanlagen : Eine Gefaßforderanlage ( Skip ) mit einer Nutzlast von 7,5 t, einer Forderkapazitat von 250 t/h und einer maximalen Fordergeschwindigkeit von 16 m/s. Die zweite Anlage war eine Gestellforderanlage mit 4 Etagen fur jeweils 2 Forderwagen (0,63 m³), wovon bei Seilfahrt 3 Etagen fur je 20 Personen genutzt wurden. Mit einer Nutzlast von 8 t und einer Forderkapazitat von 160 t/h. Die Fordergeschwindigkeit lag bei 12 m/s bei Seilfahrt (Personenforderung) oder 16 m/s im normalen Forderbetrieb.

Der vertikale Sohlenabstand betrug im oberen Bereich bis zur -540-m-Sohle 30 m und unterhalb dieser 45 m. Sohlen unterhalb der -540-m-Sohle waren durch mehrere Blindschachte angebunden. Als tiefste Sohle wurde ab 1986 die -1.800-m-Sohle vorgerichtet. Das vorherrschende Abbauverfahren war der Firstenstoßbau mit Versatz. Bei diesem Verfahren wird der Gang zwischen zwei Sohlen von unten nach oben abgebaut und mit taubem Gestein verfullt. Die horizontale Forderung in der Grube wurde gleisgebunden durchgefuhrt. Zum Einsatz kamen auf den Hauptstrecken oberleitungsgebundene E-Loks der Typen El 30 und EL 30 T und auf den Nebenstrecken Akkuloks der Typen B 360 und B 660 . Die eingesetzten Forderwagen hatten ein Volumen von 0,63 m³. Neben den 4 Frischwetterschachten 366, 371, 382 und 383 gab es die vier Abwetterschachte 372, 373, 208 W und 208. Die Frischwetter fur die tiefen Sohlen mussten gekuhlt werden, um akzeptable Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dazu befanden sich an den Schachten 382 und 383 sowie auf den Sohlen -1485 und -1620 große Kuhlanlagen. Neben der Bewetterung der Grube war die Wasserhaltung eine weitere Herausforderung. Die beiden Hauptpumpenstationen am Schacht 38 -546-m-Sohle und am Schacht 371-540-m-Sohle hoben, das gesammelte Wasser zur Tagesoberflache, von wo es in die Vorfluter abgegeben wurde. Zwischen 1965 und 1989 waren dies durchschnittlich 20.696 m³ pro Tag.

Das Erz wurde bis 1965 untertagig vorsortiert und in Kisten verpackt zutage gefordert. 1965 ging am Schacht 371 die Radiometrische Aufbereitungsfabrik (RAF) in Betrieb, welche Stufenerz (0,1 bis 1 % Urangehalt) und Fabrikerz (0,01 bis 0,1 % Urangehalt) vorsortierte. Ab 1980 wurde nach der Aufbereitung der Fabrikerze in der RAF diese mit dem Stufenerz verschnitten und auf einem durchschnittlichen Urangehalt von 0,4 % gebracht. Dieses Erz ging per Eisenbahn an die Aufbereitungsanlage in Crossen und ab 1989 nach Seelingstadt . Die Erze wurden dort nass-mechanisch angereichert und in die Sowjetunion geschickt. Ab 1980 wurde die Verschickung von Stufenerz eingestellt und alle Erze in Crossen oder Seelingstadt zu chemischem Urankonzentrat in Form von Yellow Cake verarbeitet. Taubes Material wurde mittels eines Schragaufzuges auf eine Anhohe hinter der Schachtanlage gefordert und von dort mittels LKW auf die beiden Halden 371/I und 371/II verteilt, welche teilweise in zwei kleinen Talern geschuttet wurden. Halde 371/I hatte bei Betriebseinstellung ein Volumen von 9,3 Millionen m³ und Halde 371/II ein Volumen von 3,7 Millionen m³.

Uranerz aus Niederschlema-Alberoda

Schacht 371 selbst befindet sich außerhalb der eigentlichen Lagerstatte Schneeberg-Schlema-Alberoda . Der Schachtansatzpunkt wurde bewusst so gewahlt, dass durch den Schachtsicherheitspfeiler kein Vorratsverlust eintrat. Die Uranlagerstatte Niederschlema-Alberoda befindet sich wie die meisten Uranlagerstatten der Region auf der Gera-Jachymov- Storungszone . Sie besteht aus mehr als 1.000 vererzten hydrothermalen Gangen, die auf durchschnittlich 5 % ihrer Flache mit Uran vererzt sind. Die Gange befinden sich in einer Serie aus palaozoischen Amphiboliten , Schwarzschiefern , Quarziten und Skarnen . Unterlagert wird die Lagerstatte von einem variszischen Granit , der selbst kaum vererzte Gange enthalt. Die uranerzfuhrenden Gange streichen meist Nord-Nordost/Sud-Sudwest und haben eine Machtigkeit von einigen Zentimetern bis wenigen Metern. Haupturanmineral ist Pechblende und untergeordnet Coffinit in Dolomit - und Quarz - Kalzit -Gangen. Nebenbestandteile der Gange sind Fluorit , Hamatit , Buntmetallsulfide, Pyrit sowie untergeordnet verschiedene Wismut-, Kobalt-, Nickel-, Silber- und Selenminerale . Die Vererzung wurde bis zu einer Teufe von mehr als 2.000 m nachgewiesen, allerdings lagen die großten Uranvorkommen zwischen 500 und 1.500 m Teufe. Insgesamt wurden Vorrate von mehr als 82.000 t Uran in der Lagerstatte Niederschlema-Alberoda geloscht, woraus 73.105 t Uran gewonnen wurden. 1991 wurden Restressourcen inklusive Reserven von 2.049 t Uran ausgewiesen. Zusammen mit den geloschten Vorraten auf den sudlichen Teillagerstatten Oberschlema und Schneeberg sowie vermuteten Ressourcen im Erkundungsfeld Bernsbach betrug der gesamte Uraninhalt der Lagerstatte nahezu 100.000 t Uran. Sie ist damit die großte Gangtyp-Uranlagerstatte weltweit.

  • Wismut GmbH (Hrsg.): Chronik der Wismut. Chemnitz 1999.
  • Johannes Bottcher: Seilfahrt ? Auf den Spuren des sachsischen Uranerzbergbaus. Bode-Verlag, Haltern 2001, ISBN 3-925094-40-7 .
  • Oliver Titzmann : Radiumbad Oberschlema . Eigenverlag, Schlema 1995.
  • Axel Hiller, Werner Schuppan: Geologie und Uranbergbau im Revier Schlema-Alberoda (=  Bergbaumonographie . Band   14 ). LfUG, Freiberg 2008, ISBN 978-3-9811421-3-6 .
Commons : Schacht 371  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Der Schachtkomplex 371 auf der Webseite der Montanregion Erzgebirge/Kru?noho?i
  2. Der Haltepunkt Poppenwald auf www.sachsenschiene.net
  3. Schacht 371 bekommt einen Korken verpasst , Freie Presse , 17. Mai 2010 (kostenpflichtig)

Koordinaten: 50° 37′ 55,1″  N , 12° 41′ 4,7″  O