Schutzenpanzer
(kurz
SPz
) sind
Panzerfahrzeuge
, die die
Infanterie
ins Gefecht transportieren, ihr im Kampf wirksame Feuerunterstutzung geben und bauartbedingt den
Panzergrenadieren
den Kampf aus dem und vom Schutzenpanzer ermoglichen. Schutzenpanzer haben im Transportraum Platz fur meist bis zu zehn Infanteristen bzw. Panzergrenadiere und besitzen eine starkere Bewaffnung und Panzerung als
gepanzerte Mannschaftstransportwagen
. Schutzenpanzer sind gewohnlich
Kettenfahrzeuge
; einige
Radpanzer
fallen allerdings ebenfalls in dieselbe Kategorie
(Radschutzenpanzer)
.
Die
Organisation fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) definiert den Begriff ?Schutzenpanzer“ im
Vertrag uber Konventionelle Streitkrafte in Europa
(KSE-Vertrag) von November 1990 in Artikel II wie folgt:
[1]
?Der Begriff ?Schutzenpanzer (SPz)“ bezeichnet ein gepanzertes Kampffahrzeug, das in erster Linie fur den Transport einer
Infanteriegruppe konstruiert und ausgerustet ist, es den Soldaten normalerweise ermoglicht, geschutzt durch die Panzerung aus dem
Fahrzeug heraus zu schießen, und mit einer integrierten oder organischen Kanone von mindestens 20 Millimetern Kaliber sowie gelegentlich mit einem Abschußgerat fur Panzerabwehrflugkorper bewaffnet ist. Die Schutzenpanzer dienen als Hauptwaffensystem von gepanzerten, mechanisierten oder motorisierten Infanterietruppenteilen und Truppenteilen der Landstreitkrafte.“
?
Vertrag uber konventionelle Streitkrafte in Europa, II 1 (D)
Im deutschen Sprachgebrauch ist der Begriff
Schutzenpanzer
gebrauchlich. Im englischen Sprachraum werden derartige Fahrzeuge als
infantry fighting vehicle (IFV)
oder
mechanized infantry combat vehicle (MICV)
, im franzosischen Sprachraum als
vehicule de combat d’infanterie
bezeichnet. Im Russischen sind die Bezeichnungen
боевая машина пехоты
?
bojewaja maschina pechoty
? dt.:
Infanteriekampfwagen
, abgekurzt als
БМП
(BMP)
, ublich. Sinngemaß ubertragen handelt es sich dabei um ein
Kampffahrzeug der Infanterie
.
In der
Wehrmacht
wurden Fahrzeuge, die heute unter die Definition des gepanzerten Mannschaftstransportwagens fallen, als
Schutzenpanzerwagen
bezeichnet. Die
NVA
der DDR nutzte ebenfalls diese Bezeichnung, reihte darunter aber auch Fahrzeuge ein, die ursprunglich als
Spah
- und
Patrouillenfahrzeuge
konstruiert und eingesetzt wurden (
BRDM-1
bzw.
BRDM-2
). In Abgrenzung dazu wurden in der NVA der
BMP-1
bzw.
BMP-2
als Schutzenpanzer bezeichnet. In der Bundeswehr wurde der Begriff mit den
Schutzenpanzern
lang
und
kurz
eingefuhrt.
Zu unterscheiden von Schutzenpanzern sind
gepanzerte Mannschaftstransportwagen (MTW)
, die nach Definition der OSZE fur den Transport einer Infanteriegruppe konstruiert und ausgerustet sind und in der Regel mit einer integrierten oder organischen Waffe von weniger als 20 Millimetern Kaliber ausgerustet sind.
[2]
Als ?gepanzertes MTW-ahnliches Fahrzeug“ und ?SPz-ahnliches Fahrzeug“ werden gepanzerte Fahrzeuge bezeichnet, welche das gleiche Fahrwerk und ein ahnliches Außeres aufweisen wie ein gepanzerter Mannschaftstransportwagen beziehungsweise ein Schutzenpanzer, jedoch nicht mit einer Kanone oder einem Geschutz des Kalibers 20 mm und daruber ausgestattet sind und so gebaut oder verandert wurden, dass keine Infanteriegruppe damit transportiert werden kann.
[3]
Entsprechend den
Genfer Konventionen
vom 12. August 1949 ? zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkrafte im Felde ? haben
Sanitatsfahrzeuge
einen Sonderstatus. Daher gelten gepanzerte Sanitats-MTW nicht als gepanzerte Kampffahrzeuge oder gepanzerte MTW-ahnliche Fahrzeuge.
[3]
Vorhandene Typen werden im
Protokoll uber vorhandene Typen konventioneller Waffen und Ausrustungen
, das eine Anlage des Vertrag uber konventionelle Streitkrafte in Europa ist, aufgefuhrt. Das Protokoll wird regelmaßig fortgeschrieben. In popularwissenschaftlicher Literatur und im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff ?Schutzenpanzer“ jedoch nicht stringent angewandt. Schwierig ist auch die Einordnung von historischen Fahrzeugen, deren Nutzung vor Abschluss des Vertrages endete und die daher im Protokoll nicht aufgefuhrt sind. Nach 1990 verschwimmen teilweise die Grenzen zu gepanzerten Mannschaftstransportwagen.
Schutzenpanzer dienen in vielen Fallen als Basis fur Aufklarungs- und Fuhrungsfahrzeuge. Diese Fahrzeuge gelten nach Definition der OSZE als
gepanzerte SPz-ahnliche Fahrzeuge
. Verschiedentlich wurden bzw. werden Schutzenpanzer als Trager schwerer Waffensysteme verwendet. Sofern dabei eine Kanone mit einem Kaliber von mindestens 75 mm zum Schießen im direkten Richten integriert oder organisch mit dem Fahrzeug verbunden ist und dessen Leergewicht mindestens 6 Tonnen betragt, handelt es sich um ein
Kampffahrzeug mit schwerer Bewaffnung
.
[2]
Im Gegensatz dazu werden Waffen, die Bodenziele in erster Linie durch Schießen im indirekten Richten bekampfen konnen, als
Artillerie
bezeichnet.
[4]
Schutzenpanzer sind fur gewohnlich Kettenfahrzeuge; es gibt aber auch solche mit gummibereiften Radern. Diese sind meist schneller als Schutzenpanzer mit Kettenantrieb, besitzen dafur aber eine etwas schlechtere (wenn auch immer noch gute) Gelandegangigkeit. Bei modernen Schutzenpanzern hat sich der vorn angeordnete Motor durchgesetzt, der den Einbau von Turen oder Rampen im Heck des Fahrzeuges erlaubt. Dies ermoglicht das geschutzte Verlassen des Fahrzeuges. An den Motorraum schließt sich der Kampfraum an. Die Bewaffnung wird meist in einem Drehturm bzw. einer Waffenplattform zusammengefasst. Im hinteren Kampfraum finden die Infanteristen Platz. In vielen Fallen sind die Sitzbanke so angeordnet, dass die Infanteristen aufgesessen das Feuer aus ihren Handwaffen fuhren konnen. Bei drei- und vierachsigen Radpanzern sind mehrere Achsen als Lenkachsen ausgefuhrt, um einen geringen Wendekreis zu erreichen. Moderne Schutzenpanzer sind in vielen Fallen Teile einer Fahrzeugfamilie, identische oder ahnliche Baugruppen und Komponenten werden dabei in vielen Fahrzeugen genutzt. Schutzenpanzer haben im Allgemeinen hohe Fahrleistungen und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 85 km/h bei einer Reichweite von ca. 200 ? 450 km.
Als Panzerung kommt meist eine Stahlpanzerung zum Einsatz, die bei modernen Fahrzeugen durch eine
Verbundpanzerung
sowie aktive und weitere passive Elemente erganzt werden kann. Die Grundpanzerung hat eine Starke von ungefahr 30 mm und mehr und ist damit starker als die von gepanzerten Mannschaftstransportwagen. Einer weiteren Erhohung der Panzerung sind jedoch gewichts- und großenmaßige Grenzen gesetzt, wenn Schutzenpanzer mit Flugzeugen oder im Bahntransport verlegt werden sollen. Bei modernen Schutzenpanzern wird daher die Grundpanzerung bedrohungsabhangig durch zusatzliche Elemente erganzt. Angestrebt und auch erreicht wird bei neueren Fahrzeugen Sicherheit gegen Beschuss mit mittleren Kalibern sowie gegen Einwirkung von Artilleriesplittern (
155 Millimeter
) und
Bomblets
. Besonderer Wert wird in neuerer Zeit auf den Schutz vor Minen gelegt. Wie alle modernen Panzerfahrzeuge haben auch die Schutzenpanzer eine
ABC
-Schutzausstattung.
Als Bewaffnung werden schnellfeuernde Maschinenkanonen im Kaliber von zwanzig bis vierzig Millimeter in die Fahrzeuge eingerustet. Bei modernen Fahrzeugen sind
Nebelmittelwurfanlagen
vorhanden. Die Bewaffnung wird im Regelfall in einem Drehturm installiert. Bei modernen Fahrzeugen zeichnet sich ein Trend zu fernbedienbaren Waffenanlagen ab. Meist sind weiterhin
Granatmaschinenwaffen
eingerustet oder konnen installiert werden. Generell sind die Waffenanlagen stabilisiert, um auch wahrend der Fahrt eine hohe Trefferwahrscheinlichkeit zu ermoglichen.
Zwar sind Schutzenpanzer im Vergleich zu den modernen
Kampfpanzern
wesentlich schwacher bewaffnet und gepanzert, sie konnen jedoch auch schwere Panzerabwehrlenkwaffen mit sich fuhren, die gegenuber Kampfpanzern eine nicht zu unterschatzende Bedrohung darstellen. Die Bewaffnung mit Raketen hat aus Schutzenpanzern teilweise auch gefahrliche
Panzerjager
gemacht, so zerstorte der US-amerikanische
M2 Bradley
im
dritten Golfkrieg
im Fruhjahr 2003 mehr irakische Panzerfahrzeuge als der Kampfpanzer
M1 Abrams
.
Der deutsche
Marder
verfugt beispielsweise uber eine 20-mm-Bordmaschinenkanone (BMK)
MK 20 Rh 202
, ein
Turmmaschinengewehr
(TMG)
MG3
(7,62 mm) und eine
Nebelmittelwurfanlage
mit sechs Wurfbechern. Optional kann am Turm ein Lenkflugkorper (LFK) Typ
MILAN
angebracht und verschossen werden. Der amerikanische
M2 Bradley
besitzt eine 25 mm
M242 Bushmaster
-MK und Startbehalter fur das
TOW System
.
-
Zehnzylinder-Kompakttriebwerk mit Sechsgang-Wechselgetriebe des
SPz Puma
-
Luken zum Einsatz von Schutzenwaffen am BMP-1, daruber Winkelspiegel zur Beobachtung des Gefechtsfeldes
-
Bordmaschinenkanone, Panzerabwehrlenkflugkorper
Milan
und Nebelwurfanlage am Turm des Schutzenpanzer Marder
-
Maschinengewehr und 25-mm-Maschinenkanone des MLI-84 sind in einer Scheitellafette angeordnet
-
Abschuss einer TOW von einem M2
-
Heckrampe und hinterer Kampfraum des M2
-
Die zusatzlich angebrachte
Kafigpanzerung
an diesem polnischen KTO
Rosomak
soll vor Hohlladungsgranaten schutzen
Der Kampf kann entweder vom Fahrzeug aus (uber die Bordwand, aus Luken oder speziellen Feuerblenden heraus) oder abgesessen im rein infanteristischen Kampf stattfinden. Diese Kampfweisen werden als auf- bzw. abgesessener Kampf bezeichnet. Die Anzahl der Soldaten, die den Panzer verlassen konnen, um den abgesessenen Kampf zu fuhren, wird als
Absitzstarke
bezeichnet. Schutzenpanzer werden meist im Verbund mit
Kampfpanzern
zum
Gefecht der verbundenen Waffen
eingesetzt, dienen aber auch der Unterstutzung von Infanterie insbesondere im Kampf gegen Krafte in der
Asymmetrischen Kriegfuhrung
.
Bereits vor dem
Zweiten Weltkrieg
wurden in verschiedenen Landern Konzepte fur eine bewegliche Gefechtsfuhrung entworfen, die sich auf mechanisierte Krafte stutzte. Wahrend des Krieges entwickelte sich die
mechanisierte Infanterie
, die gestutzt auf
gepanzerte Mannschaftstransportwagen
im Zusammenwirken mit Panzereinheiten eingesetzt wurde. Typische Vertreter dieser Mannschaftstransportwagen waren der amerikanische
M3
und die als
Schutzenpanzerwagen
bezeichneten deutschen
Sd.Kfz. 250
und
Sd.Kfz. 251
. Die
Halbkettenfahrzeuge
waren ausreichend schnell und gelandegangig, um Panzern im Gefecht folgen zu konnen. Die Panzerung schutzte die aufgesessenen Infanteristen vor Handfeuerwaffen und Granatsplittern, die eingerusteten
Maschinengewehre
boten ihnen bei abgesessenem Kampf Feuerschutz. Ein aufgesessener Kampf der Infanterie war nicht vorgesehen. Im Lauf des Krieges wurden weitere derartige Fahrzeuge entwickelt, dabei wurden auch nicht mehr benotigte Jagdpanzer und Artillerietrager zu Transportpanzern umgerustet.
Nach dem Ende des Krieges wurden mit den zahlreich vorhandenen Fahrzeugen die neu aufgebauten Streitkrafte europaischer Staaten ausgerustet. Teilweise waren diese Fahrzeuge noch im
Koreakrieg
im Einsatz. Nachdem in den 1940er Jahren noch Halbkettenfahrzeuge entwickelt und gebaut worden waren, setzten sich ab den 1950er Jahren gepanzerte Mannschaftstransportwagen auf Vollketten- bzw. Radfahrgestell durch. An den Einsatzgrundsatzen dieser Fahrzeuge anderte sich zunachst nichts.
Die
Bundeswehr
entwickelte die amerikanischen Vorstellungen weiter. Der gepanzerte Mannschaftstransportwagen sollte nicht nur zum Transport der Infanterie dienen, sondern zum Gefechtsfahrzeug weiterentwickelt werden, das auch einen aufgesessenen Kampf der
Panzergrenadiere
ermoglichte. Der
HS 30
wurde nach diesen Vorstellungen entwickelt. Der hintere Kampfraum war geschlossen. Die Panzerung wurde gegenuber herkommlichen Transportpanzern verstarkt und schutzte gegen Geschosse des Kalibers 20 mm. Der HS 30 war deutlich niedriger als vergleichbare westliche Fahrzeuge und war daher auf dem Gefechtsfeld schwerer zu erkennen und zu bekampfen. Erstmals kam bei einem derartigen Fahrzeug eine Maschinenkanone zum Einsatz, die auch zum Kampf gegen Hubschrauber, Panzerabwehrwaffen und leicht gepanzerte Fahrzeuge geeignet war. Der HS 30 erfullte jedoch nicht alle Anforderungen. Da der Motor im Heck untergebracht war, musste die Besatzung im hinteren Kampfraum im Gefecht uber die Seitenwande absitzen. Zum Feuerkampf vom Fahrzeug mussten die Dachluken geoffnet werden. Dies erschien problematisch, da in einem Krieg vom Einsatz von nuklearen, chemischen und biologischen Waffen ausgegangen werden musste. Daneben wies das Fahrzeug zahlreiche konstruktive Mangel auf, so dass die Fahrzeuge nach gut zehnjahriger Dienstzeit ab 1971 außer Dienst gestellt wurden.
Auch in der
Sowjetunion
setzte man sich mit dem Konzept eines Gefechtsfahrzeuges fur die Infanterie auseinander. Im Ergebnis verschiedener Entwicklungen wurde 1966 der
BMP-1
in die Bewaffnung der
Sowjetarmee
ubernommen. Fur ahnliche Anforderungen wie der HS 30 konstruiert, wies er jedoch zahlreiche Neuerungen auf. Die aufgesessenen Infanteristen konnten aus dem geschlossenen Fahrzeug das Gefechtsfeld uber
Winkelspiegel
beobachten und den Feuerkampf mit ihren Schutzenwaffen durch verschließbare Luken fuhren. Da der Motor im Bug des Fahrzeuges untergebracht war, konnten sie das Fahrzeug uber zwei große Turen im Heck verlassen. Neuartig war auch die Fahigkeit der Panzerbekampfung. Mit der aus der
SPG-9
entwickelten ruckstoßfreien 73-mm-
Glattrohrkanone
2A28 konnten
Hohlladungsgranaten
verschossen werden, die eine Panzerung in der Starke von 280 bis 350 mm durchschlugen. Dies war mehr als die Starke der Frontpanzerung der von der
NATO
zu Beginn der 1970er Jahre eingesetzten Kampfpanzer. Daneben konnten mit der Kanone auch Splittersprenggranaten zum Kampf gegen weiche und halbharte Ziele verschossen werden. Fur die Feuerunterstutzung im Nahbereich war ein achsparallel zur Kanone montiertes Maschinengewehr
PK
vorhanden. Herausragendste Neuigkeit war jedoch die Moglichkeit zum Einsatz von Panzerabwehrlenkflugkorpern. Von der oberhalb der Kanone montierten Startvorrichtungen konnten die Lenkflugkorper
9M14
des Panzerabwehrlenkraketenkomplexes 9K11
Maljutka
verschossen werden, die Panzerungen bis zu einer Starke von 400 mm durchschlugen. Die Panzerung schutzte frontal gegen Geschosse des Kalibers 23 Millimeter aus 500 m Entfernung, rundum war ein Schutz gegen Geschosse des Kalibers 7,62 mm gegeben. Das Fahrzeug besaß einen hermetisierbaren Kampfraum und schutzte die Besatzung fur begrenzte Zeit vor radioaktiv, chemisch und biologisch (bakteriologisch) verseuchter Außenluft. Mit dem BMP-1 stand der Sowjetarmee und den verbundeten Streitkraften ein bewegliches, vergleichsweise stark gepanzertes Fahrzeug zur Verfugung, dessen Feuerkraft die der westlichen Transportpanzer zur damaligen Zeit deutlich uberstieg und zum Kampf gegen Panzer in der Lage war. Mit der Einfuhrung der 20×139-mm-Munition Ende der 1970er Jahre bei der NATO reichte die Panzerung des BMP nicht mehr aus. Diese Wuchtgeschosse konnten die Panzerung des BMP-1 auf 800 bis 1000 m Entfernung durchschlagen. Praktisch hatte sich auch schon im
Yom-Kippur-Krieg
gezeigt, dass die Panzerung von 12,7-mm-Geschossen durchschlagen werden konnte. Als problematisch hatte sich auch die Glattrohrkanone erwiesen. Fur eine wirksame Feuerunterstutzung war der mitgefuhrte Kampfsatz an Splittersprenggranaten zu gering, im Kampf gegen gepanzerte Ziele waren die Hohlladungsgranaten konzeptionsbedingt sehr windanfallig, was auf großere Entfernungen die Trefferwahrscheinlichkeit stark reduzierte. Beim
BMP-2
wurde sie daher durch die
30-mm-Maschinenkanone 2A42
ersetzt, die durch die hohe Kadenz eine wirksame Feuerunterstutzung und durch den großen vertikalen Richtbereich auch den Kampf gegen Luftziele ermoglicht. Hauptwaffe zum Kampf gegen Panzer wurden die Panzerabwehrlenkflugkorper. Die 9M14 wurde beim BMP-1P durch die 9M111 des Panzerabwehrlenkraketenkomplexes
9К111
Fagot
ersetzt, beim BMP-2 durch die 9M114
Kokon
des Komplexes
9K113 Konkurs
. Trotz aller Mangel waren der BMP-1 und BMP-2 richtungsweisende Konstruktionen fur die Entwicklung von Schutzenpanzern.
[5]
[6]
Ebenfalls zu Beginn der 1960er Jahre begann in den USA die Entwicklung eines modernen Schutzenpanzers. Die Entwicklung wurde jedoch durch hohe Anforderungen, aber auch durch technische Probleme und Kurzung von Haushaltsmitteln nachhaltig verzogert. Der im Rahmen des
Mechanized Infantry Combat Vehicle
-Programms 1965 in funf Prototypen gebaute XM701 (auch als MICV-65 bezeichnet) wurde nicht weiterentwickelt, da er fur den Transport sowohl in der
Lockheed C-130
als auch der
Lockheed C-141
zu groß und zu schwer war.
[7]
Auch der 1967 von der Food Machinery Corporation (FMC) vorgestellte XM765 wurde von der
US Army
abgelehnt, war aber immerhin Basis fur das im Export erfolgreiche
Advanced Infantry Fighting Vehicle
.
[8]
1972 erhielt schließlich die Ordnance Division von FMC den Auftrag fur die Entwicklung eines neuen Schutzenpanzers. Aus dem Projekt XM723 ging schließlich der
M2/M3
Bradley
hervor. Von Anfang an war dabei die Entwicklung eines Schutzen- und eines
Spahpanzers
geplant, die technisch weitgehend identisch aufgebaut sein sollten. Konzeptionell lehnte sich das Fahrzeug eng an den BMP an. Auch hier bestand die Bewaffnung aus Panzerabwehrlenkflugkorpern, einer Maschinenkanone und einem Maschinengewehr. Ebenso wie beim BMP konnte die Besatzung das Gefechtsfeld aus dem hinteren Kampfraum beobachten und den Feuerkampf vom Fahrzeug aus fuhren. Die 25-mm-Kanone
M242 Bushmaster
ist jedoch deutlich leistungsfahiger als ihr sowjetisches Gegenstuck. Bei der Panzerung wurden mit einer Verbundpanzerung konstruktiv neue Wege beschritten. Die Grundpanzerung besteht aus Aluminiumlegierungen und bietet im Vergleich zu einer Stahlpanzerung gleicher Starke nur einen geringeren Schutz. Seitlich wird der M2/M3 daher durch eine zusatzliche
Schottpanzerung
aus Panzerstahl geschutzt, der Turm besteht ebenfalls aus einer Aluminiumkonstruktion mit aufgenieteten Stahlplatten. Bei weiteren Versionen wurde die Panzerung nochmals verstarkt.
[9]
Der 1963 eingefuhrte britische
FV 432
ist konstruktiv eigentlich ein Transportpanzer und war ursprunglich nur mit einem 7,62-mm-MG bewaffnet. In der Ausfuhrung AFV 432
RARDEN
war er jedoch mit der
gleichnamigen 30-mm-Kanone
ausgerustet. Von dieser Ausfuhrung wurden jedoch nur wenige Fahrzeuge fur die
Berlin Brigade
gebaut.
[10]
Erst der 1985 eingefuhrte
Warrior
[11]
erfullte die Anforderungen an einen modernen Schutzenpanzer. Konzeptionell naherte er sich stark an amerikanische bzw. sowjetische Schutzenpanzer an, auf die Moglichkeit des Einsatzes von Panzerabwehrlenkflugkorpern wurde jedoch verzichtet. Da britische Einsatzgrundsatze einen aufgesessenen Kampf der Infanterie nicht vorsehen, wurde auf Luken fur Schutzenwaffen verzichtet. Diese sind bei modernen Fahrzeugen grundsatzlich problematisch, da sie das Anbringen zusatzlicher Panzerelemente erschweren. Bei modernen Konstruktionen und Kampfwertsteigerungen wird daher zunehmend auf diese verzichtet bzw. ihre Zahl eingeschrankt.
Auch weitere in den 1970er und 1980er Jahren entwickelten Schutzenpanzer wie der AMX-10P, der
VCC-80
, der SPz
Marder
oder der MOWAG
Tornado
wurden nach den mittlerweile etablierten Grundsatzen konstruiert. Schutzenpanzer hatten sich jedoch mittlerweile zu komplexen und damit auch teuren Waffensystemen entwickelt, so dass auch großere Streitkrafte ihre mechanisierte Infanterie nicht vollstandig mit diesen Gefechtsfahrzeugen ausrusten konnten. Neben ihnen wurden nach wie vor Transportpanzer eingesetzt. Fur kleinere Staaten erwies sich die Entwicklung und Produktion derartiger Fahrzeuge als praktisch unmoglich. Daher wurde versucht, herkommliche Transportpanzer mit einer starkeren Bewaffnung auszurusten. Wenn auch der Panzerschutz derartiger Fahrzeuge hohen Anforderungen nicht entsprach, war jedoch eine wirksame Feuerunterstutzung moglich. Beispiele sind der norwegische NM-135, die australischen M113AS oder die italienischen VCC-1 und VCC-2 (die von der OSZE allerdings als gepanzerte Mannschaftstransportwagen eingestuft wurden).
Der in den 1980er Jahren entwickelte BMP-3 zeichnet sich durch eine vergleichsweise starke Panzerung und eine Waffenanlage aus, die aus einer 100-mm-Kanone, einer 30-mm-Maschinenkanone, drei Maschinengewehren und einer Nebelwurfanlage besteht. Mit der 100-mm-Kanone konnen auch Panzerabwehrlenkflugkorper verschossen werden. Da der Motor im Heck angeordnet wurde, mussen die Infanteristen wieder uber die Seitenwande absitzen. Diese Entwicklungslinie wurde in anderen Landern jedoch nicht weiter verfolgt.
Das
Protokoll uber vorhandene Typen konventioneller Waffen und Ausrustungen
fuhrt folgende Schutzenpanzer auf:
[12]
- UdSSR
- Bulgarien
- Rumanien
- Bundesrepublik Deutschland
- Vereinigtes Konigreich
- Frankreich
- USA
- Niederlande
- Norwegen
-
BMP-1
-
BRM-1
-
BMP-2
-
BMP-3
-
BMD-1
-
BMD-2
-
BMP-23
-
MLI-84
-
Marder
-
Warrior
-
AFV-432 Rarden
-
AMX-10P
-
M2 Bradley
-
YPR-765 (25 mm)
Ab den 1990er Jahren nahm die Bekampfung durch
asymmetrisch kampfende Gegner
an Bedeutung zu. Demgegenuber trat die Bedeutung des Kampfes gegen gepanzerte und mechanisierte Krafte zuruck. Folgerichtig wurde auch in vielen Streitkraften die Zahl der gepanzerten Verbande und damit auch die Anzahl der Schutzenpanzer drastisch reduziert.
Die zu Beginn der 1990er Jahre vorhandenen Typen wurden weiter genutzt und durch standige Modernisierungen den Anforderungen angepasst. Allgemein steht dabei die Verbesserung des ballistischen Schutzes, insbesondere gegen Minen, im Vordergrund. Neue Vollkettenfahrzeuge wurden nur noch in geringer Anzahl entwickelt. Der
SPz Puma
zeichnet sich durch eine modulare Panzerung, eine hohe Beweglichkeit, eine moderne Feuerleit- und Zielausrustung und die Bewaffnung mit einer 30-mm-Maschinenkanone und dem Panzerabwehrlenkflugkorper
Spike
-L
aus. Auch dieses Fahrzeug folgt konzeptionell eingefuhrten Vorstellungen, nutzt aber die Moglichkeiten moderner Techniken aus. Daraus resultieren jedoch ein sehr hoher Preis und auch ein sehr hohes Gewicht, was den Lufttransport verkompliziert. Das Projekt wurde im Jahr 1996 begonnen, 2012 wurden die ersten zehn Fahrzeuge ausgeliefert. Aufgrund der Anderung des Aufgabenspektrums der Bundeswehr beschafft diese nur noch 350 Fahrzeuge.
Ein anderer neu entwickelter, eng an den BMP angelehnter Schutzenpanzer ist der chinesische
ZBD97
. Auch das
Combat Vehicle 90
folgt einem konventionellen Design ? Entwicklungsbeginn war bereits in den 1980er Jahren,
[14]
besitzt aber mit einer 40-mm-Maschinenkanone bei den schwedischen Streitkraften eine fur westliche Konstruktionen großkalibrige Hauptbewaffnung.
Eine relativ neue Entwicklungslinie stellen Schutzenpanzer auf Radfahrgestellen dar. Derartige Fahrzeuge haben eine ausreichende Gelandegangigkeit, jedoch im Vergleich zu Vollkettenfahrzeugen wesentlich geringere Beschaffungs- und Betriebskosten. Kostensenkend wirkt meist auch die Moglichkeit, auf der Grundlage einer Plattform Spah- und Schutzenpanzer sowie Mannschaftstransportwagen, Transportfahrzeuge, Flugabwehrpanzer Artillerie-Selbstfahrlafetten zu entwickeln. Schutz, Waffenanlage, Sensoren und weitere Ausrustung unterscheiden sich prinzipiell nicht von Schutzenpanzern mit Kettenfahrgestell.
Gegenwartig werden folgende Typen von Schutzenpanzern eingesetzt oder befinden sich kurz vor der Einfuhrung:
- Sudafrika
- Ratel
(6x6 Radpanzer ? auch Transportpanzer)
- Christopher F. Foss
,
Jane's armoured personnel carriers
, Janes Publishing Company Ltd, 1985,
ISBN 0710603541
(englisch)
- Christopher F. Foss,
Janes Armour and Artillery 1986?1987
, Janes Publishing Company Ltd, 1986,
ISBN 0-7106-0833-0
(englisch)
- Christopher F. Foss,
Jane's tank & combat vehicle recognition guide
, Harper Collins Publishers, New York, 2002,
ISBN 9780007127597
(englisch)
- Philip Trewhitt:
Panzer. Die wichtigsten Kampffahrzeuge der Welt vom Ersten Weltkrieg bis heute.
Neuer Kaiserverlag, Klagenfurt 2005,
ISBN 3-7043-3197-X
.
- T. J. O’Malley:
Fighting Vehicles: Armoured Personnel Carriers and Infantry Fighting Vehicles.
Greenhill Books, 1996,
ISBN 1-85367-211-4
(englisch)
- The International Institute for Strategic Studies:
The Military Balance 2007 .
London, 2007,
ISBN 1-85743-437-4
(englisch)
- Vertrag uber konventionelle Streitkrafte in Europa
- ↑
Vertrag uber konventionelle Streitkrafte in Europa
- ↑
a
b
Vertrag uber konventionelle Streitkrafte in Europa, II 1 (D)
- ↑
a
b
Vertrag uber konventionelle Streitkrafte in Europa, II 1 (S)
- ↑
Vertrag uber konventionelle Streitkrafte in Europa, II 1 F
- ↑
zum BMP-1 siehe Janes Armour and Artillery 1986?1987, S. 392 ff. (englisch)
- ↑
zum BMP-2 siehe Janes Armour and Artillery 1986?1987, S. 390 ff. (englisch)
- ↑
siehe Janes Armour and Artillery 1986?1987, S. 435 (englisch)
- ↑
zum M2 siehe Janes Armour and Artillery 1986?1987, S. 439 ff. (englisch)
- ↑
zum M2 siehe Janes Armour and Artillery 1986?1987, S. 435 ff. (englisch)
- ↑
siehe Janes Armour and Artillery 1986?1987, S. 415 ff. (englisch)
- ↑
siehe Janes Armour and Artillery 1986?1987, S. 413 ff. (englisch)
- ↑
in der Aufzahlung werden aus Grunden der Vergleichbarkeit die im Protokoll benutzten Bezeichnungen verwandt, aus Grunden der Ubersichtlichkeit wurden die Fahrzeuge nach Entwicklern/Herstellern gruppiert
- ↑
siehe
Scandinavian Armour, NM-135
(englisch)
- ↑
siehe
Janes Armour and Artillery 1986?1987.
S. 377 ff. (englisch)