Schuler- und Studentenproteste in Bangladesch 2018

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Straße voller Menschen
Straßenblockade in Dhaka im Rahmen der Proteste

Die Studentenproteste in Bangladesch 2018 fanden Ende Juli und Anfang August 2018 landesweit statt, der Schwerpunkt lag in Dhaka . Ausloser war ein schwerer Busunfall, bei dem ein Schuler und eine Schulerin ums Leben gekommen waren. Die Protestierenden forderten eine harte Bestrafung des verantwortlichen Busfahrers, aber vor allem eine generelle Verbesserung der Verkehrssicherheit in Bangladesch. [1] Die internationale Presse berichtete von zehntausenden Teilnehmern an den Protesten. [2]

Am 29. Juli 2018 lieferten sich nach Augenzeugenberichten zwei Busse der Gesellschaft Jabal-e-Noor Paribahan auf der Ausfallstraße vom Stadtzentrum zum Flughafen ein Wettrennen. Dabei fuhr einer der Busse, auf dem Weg von Mirpur nach Uttara in eine Menge wartender Schuler und Studenten. Ein Schuler und eine Schulerin des Shaheed Ramiz Uddin Cantonment School and College starben direkt am Unfallort, sieben weitere wurden verletzt. Der Unfall ereignete sich gegen 12:30 Uhr Ortszeit. Bereits in der direkten Folge kam es zu ersten Demonstrationen. Die Straße war fur etwa eine Stunde blockiert, mehrere Busse wurden zerstort. Der Vater eines der Opfer, selbst Busfahrer, nannte als mogliche Unfallursache die mangelnde Qualifikation, bzw. die mangelnde Uberprufung derselben sowohl durch die Polizei, als auch durch die Busgesellschaft. [3]

Generell gilt der Verkehr in Bangladesch als gefahrlich und schlecht geregelt. Insbesondere die mangelnde Ausbildung und Qualifikation von Fahrern ist ein bekanntes Problem. [4]

Die Proteste erfolgen in einer Zeit wachsender Unruhen im Land. Erst vor einigen Monaten gab es Proteste gegen ein diskriminierendes Quotensystem bei der Einstellung von Beamten. Im weiteren Verlauf des Jahres stehen Wahlen an, auf die der Ausgang der Proteste Einfluss nehmen konnte. [5]

Familie mit Protestplakaten in bengalischer Schrift
Protestierende Schuler und deren Familien am 2. August 2018

Die Proteste wurden am Folgetag des Unfalls wieder aufgenommen und dauerten mehrere Tage an. Sie weiteten sich von Dhaka in andere Landesteile aus. Dabei errichteten die Protestierenden meist Straßenblockaden und kontrollierten die Papiere der Fahrer. Sie ubernahmen auch andere eigentlich der Verkehrspolizei zuzurechnende Aufgaben, wie die Verkehrsleitung in geordnete Spuren und ahnliches. Gelegentlich kam es zu Vandalismus und Zerstorungen von Bussen. Zu den immer wieder geaußerten Forderungen gehorte auch die Forderung nach einem Ende der Korruption. [6] [7]

Am Samstag, 4. August 2018, versuchte die Polizei die Studentenproteste unter Einsatz von Tranengas und Schlagstocken und anderen gewaltsamen Mitteln aufzulosen. Arzte vor Ort berichteten von uber 100 Verwundeten, teils mit schweren Verletzungen durch Gummigeschosse. [8] Laut Augenzeugenberichten kam es neben Polizeigewalt auch zu Gewalttaten durch Zivilisten, die, wie vermutet wurde, der regierenden Awami-Liga nahestanden. Ein Polizeisprecher verneinte gegenuber der AFP den Einsatz von Gewalt. [9]

Auch Journalisten vor Ort berichteten, sie seien von Zivilisten und Polizeiangehorigen aufgehalten und geschlagen worden und Ausrustung sei zerstort worden. Sie seien auch in Polizeigewahrsam geschlagen worden. Eine Journalistin des Daily Star berichtete von sexuellen Ubergriffen durch Zivilisten, die, wie sie vermutete, Anhanger der Awami-Liga seien. [10]

Gewaltsamen Auseinandersetzungen unter Beteiligung von Angehorigen der Bangladesh Chhatra League , einer Studentenorganisation der Awami-Liga, dauerten mehrere Stunden an. Geruchte uber Todesopfer und Vergewaltigungen kursierten und trugen zu Eskalationen bei, bestatigten sich jedoch bisher nicht. [11]

Auch am Sonntag, den 5. August 2018 wurden die Proteste fortgesetzt. Erneut kam es zu Versuchen der Polizei, die Versammlung der friedlich demonstrierenden Schuler und Studenten mit Tranengas aufzulosen. [12] Wieder kam es auch zu gewaltsamen Ubergriffen auf Journalisten. Der renommierte Fotograf und Menschenrechtsaktivist Shahidul Alam wurde gegen 22:00 Uhr von Polizisten in Zivil aus seinem Haus abgeholt und in Untersuchungshaft gebracht. In einem Interview, das wenige Stunden zuvor auf Al Jazeera ausgestrahlt worden war, hatte er uber die Proteste gesprochen. Ihm wurde provozierende Aussagen, die nach § 57 des Information Communications Technology Act Bangladeschs strafbar seien, vorgeworfen. Er wurde am Montag dem Gericht vorgefuhrt, Augenzeugen berichteten, er sei nach Misshandlungen im Gefangnis nicht in der Lage gewesen selbst zu gehen. Zunachst war die Haftdauer auf sieben Tage festgesetzt. Amnesty International forderte die Freilassung von Shahidul Alam. [13] Mitte August wurde bekannt, dass ein Gericht die Haft auf noch unbestimmte Zeit verlangert hatte. Eine Haftstrafe von bis zu vierzehn Jahren ist gesetzlich moglich. [14]

Am Montag, den 6. August 2018 kam es erneut zu gewaltsamen Angriffen auf protestierende Studenten vor der privaten East West University. Manner mit Stocken schlugen nach Augenzeugenberichten auf die Studenten ein. Als die Studenten sich in das Innere der Universitat zuruckzogen, setzte die Polizei erneut Tranengas ein, um die Proteste aufzulosen. Auch an diesem Tag gibt es Berichte von Angriffen auf Journalisten, bei denen Zivilisten und Polizei zusammenwirkten. So berichtete eine Journalistin der Tageszeitung Prothom Alo , ihr sei das Smartphone, mit dem sie die Vorgange filmte von nicht uniformierten Mannern abgenommen wurden, die sie dann zu einer Polizeidienststelle brachten. Dort seien die Daten ihres Smartphones von der Polizei geloscht worden. [15]

In den Folgetagen flaute die Protestwelle allmahlich ab.

Politische Reaktionen

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Das Erziehungsministerium ordnete am Donnerstag, den 2. August 2018 die Schließung aller hoheren Schulen an, in der Hoffnung dies wurde zu einer Beruhigung der Situation fuhren. [16]

Am 3. August 2018 ubergab Premierministerin Sheikh Hasina den trauernden Angehorigen der getoteten Jugendlichen jeweils Sparbriefe im Wert von 2.000.000 Taka , entsprechend etwa 20.400 Euro. Sie horte die Familien an und versprach, angemessene Maßnahmen zu treffen, um solche Unfalle in der Zukunft zu vermeiden. Diese Maßnahmen sollten vor allem garantieren, dass keine verkehrsuntauglichen Fahrzeuge mehr eingesetzt wurden und dass alle Fahrer auch tatsachlich eine Fahrerlaubnis haben. Auch Ruheraume fur Fahrer auf Langstrecken seien vorgesehen. [17]

Am Abend des 4. August 2018 kam es landesweit zu Einschrankungen des Mobilfunknetzes, womoglich um die Verbreitung von Bildern der Unruhen im Internet zu verhindern. Die Bangladesh Telecommunication Regulatory Commission verneinte, dass es Anweisungen dazu gegeben habe und versicherte, dass das Internet voll funktionsfahig sei. Dem widersprechen allerdings Meldungen, dass landesweit 3G- und 4G-Verbindungen nicht verfugbar waren. [18] [19]

Am Sonntag, 5. August 2018, gab Minister Asaduzzaman Khan Kamal bekannt, dass die Forderungen der Protestierenden akzeptiert worden seien. Er verkundete eine sogenannte Verkehrswoche fur das ganze Land und bat Schuler und Studenten in ihre Klassenzimmer zuruckzukehren. [20]

Am gleichen Tag bat Premierministerin Sheikh Hasina insbesondere Studenten und junge Menschen offentlich, Geruchten und Propaganda nicht zu glauben und den Wahrheitsgehalt von Nachrichten zu uberprufen. [21] Sie gab des Weiteren Plane bekannt, allen offentlichen Verkehr zukunftig durch nur sechs Unternehmen durchfuhren zu lassen, um eine bessere Kontrolle zu gewahrleisten. [22]

Am 6. August 2018 gab die Regierung zunachst bekannt, eine Gesetzesanderung zu erwagen, nach dem die Verursacher von Unfallen mit todlichem Ausgang mit der Todesstrafe bestraft werden konnten. Bisher liegt die entsprechende Hochststrafe bei drei Jahren Gefangnis. [23] Spater am gleichen Tag legte sie Plane fur eine umfangreichere Gesetzesanderung vor, die eine Hochststrafe von 5 Jahren fur Unfalle mit todlichem Ausgang vorsehen. Weiter sind in diesem Plan eine Erhohung der Strafen fur das Fuhren von nicht registrierten oder nicht straßentauglichen Fahrzeugen, sowie fur das Fahren ohne Fahrerlaubnis vorgesehen. Auch eine mogliche Beschrankung der Anzahl der Fahrzeuge in einem bestimmten Gebiet, sowie Geldzahlungen an die Opfer von Angehorigen bei Unfallen sind in dem Gesetzesentwurf enthalten. Der Gesetzesentwurf lag bereits seit Marz letzten Jahres vor, wurde aber erst anlasslich der laufenden Proteste wieder zur Vorlage gebracht. [24]

Commons : Schuler- und Studentenproteste in Bangladesch 2018  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Bangladesh teenagers demanding road safety paralyse Dhaka. BBC , abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  2. Unrest in Bangladesh as student road safety protests turn violent. The Guardian , 5. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  3. Kamrul Hasan, Arifur Rahman Rabbi: 2 students killed, 7 injured in Airport Road accident. Dhaka Tribune , 29. Juli 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  4. Traffic and Road Conditions in Bangladesh. Country Reports, 5. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  5. 115 students injured in Dhaka as police fire rubber bullets, tear gas at protestors demanding road safety. Hindustan Times , 5. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  6. Lalon Sander: Kinder machen Dhakas Straßen sicher. Die Tageszeitung , 2. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 .
  7. Schuler demonstrieren fur Verkehrssicherheit. Deutschlandfunk , 3. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 .
  8. Drbyos: Demonstranten lahmen Teile von Bangladesch, nachdem ein Schnellbus zwei Studenten umgebracht hat. Nachrichten Welt, 4. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 .
  9. ls, dj/rc: Bangladesh students injured as police clash with road safety protesters. Deutsche Welle , 4. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  10. Staff Correspondent: 4 Daily Star journalists assaulted. The Daily Star (Bangladesch) , 5. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  11. Staff Correspondent: BCL in its element. The Daily Star (Bangladesh), 5. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  12. Bangladesh clashes continue as protests intensify. Al Jazeera , 5. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  13. Michael Safi: Photographer charged as police crackdown in Bangladesh intensifies. The Guardian, 6. August 2018, abgerufen am 6. August 2018 (englisch).
  14. RSF calls for Bangladeshi photographer’s immediate release. Reporter ohne Grenzen , 13. August 2018, abgerufen am 13. August 2018 (englisch).
  15. Staff Correspondent: Clashes in front of East West University. bdnews24.com, 6. August 2018, abgerufen am 6. August 2018 (englisch).
  16. Students injured in Bangladesh as teen protests turn violent. The Daily Telegraph , 4. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  17. Dia's father urges students to go home. The Daily Star (Bangladesch), 3. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  18. Staff Correspondent: Authorities slow mobile internet to quell student protests. bdnews24.com, 4. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  19. Staff Correspondent: 3G, 4G internet connections suspended across Bangladesh. Dhaka Tribune, 4. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  20. Traffic Week begins. The Daily Star (Bangladesch), 5. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  21. UNB, Dhaka: Don’t pay heed to rumours, PM urges countrymen. The Daily Star (Bangladesh), 5. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  22. PM orders transport system to be operated under 6 companies. Bangla Tribune, 5. August 2018, abgerufen am 5. August 2018 (englisch).
  23. Serajul Quadir and Ruma Paul: Bangladesh government considers death penalty for fatal traffic accidents. The Independent, 6. August 2018, abgerufen am 6. August 2018 (englisch).
  24. Shakhawat Liton und Tuhin Shubhra Adhikary: Causing Death by Rash Driving: Maximum 5 years' jail. The Daily Star (Bangladesch), 7. August 2018, abgerufen am 11. August 2018 (englisch).