Saturnin Arloing
(*
3. Januar
1846
in
Cusset
,
Departement
Allier
; †
21. Marz
1911
in
Lyon
) war ein
franzosischer
Tierarzt
,
Infektiologe
und Professor fur
Anatomie
und
Physiologie
. Er identifizierte unter anderem den Erreger des
Rauschbrands
(
Clostridium chauvoei
) und leistete Pionierarbeit bei der Pravention der
Rindertuberkulose
.
Arloing wurde am 3. Januar 1846 in Cusset in der
Auvergne
als Sohn eines
Hufschmieds
geboren, der dieses Gewerbe bereits in der dritten Generation ausubte. Sein Vater uberzeugte den intelligenten Jungen, Tiermedizin zu studieren und sich danach als Tierarzt in Cusset niederzulassen.
Mit elf Jahren trat Arloing ins
College
von Cusset ein, wo er sich als sehr guter Schuler erwies. Bereits mit 16 Jahren bestand er das Eintrittsexamen fur die Studienzulassung und studierte von 1862 bis 1866 an der
Ecole nationale veterinaire
in
Lyon
(ENVL) Tiermedizin. Da aber sein Vater inzwischen verstorben war und die Familie die Schmiede verkauft hatte, kehrte er nicht nach Cusset zuruck, sondern nahm unter
Auguste Chauveau
eine Stelle als
chef de service
der Anatomie und Physiologie in Lyon an. Dort arbeitete er unter anderem uber die Anatomie des
Nervus laryngeus recurrens
, des
Beckens
und des
Hufes
der
Pferde
sowie uber die Geschlechtsorgane der
Hasenartigen
.
1869 erhielt Arloing einen
Ruf
als Professor fur Anatomie und Physiologie an der
Universitat Toulouse
. Dort
promovierte
er neben seiner Forschungsarbeit an der medizinischen Fakultat zum Doktor der Medizin und erhielt das
Lizenziat
der Naturwissenschaften. Wahrend des
Deutsch-Franzosischen Kriegs
war er in der
Bretagne
stationiert und untersuchte dort einen Ausbruch der
Rinderpest
.
1876 kehrte Arloing als Professor fur Anatomie nach Lyon zuruck, wo er eng mit seinem ehemaligen Lehrer Chauveau zusammenarbeitete, zum Chef der experimentellen Medizin der Universitat Lyon aufstieg und vom
Institut de France
ausgezeichnet wurde. Hier promovierte er 1879 mit zwei Arbeiten zum Doktor der Naturwissenschaften: je eine uber den
Schluckakt
bei
Saugetieren
und
Vogeln
und eine uber die Vermehrung der
Kakteen
durch
Stecklinge
.
[1]
Zusatzlich erhielt er einen weiteren Doktor der Medizin fur seine Untersuchungen zur
anasthetischen
Wirkung von
Chloral
,
Chloroform
und
Ather
. 1880
habilitierte
er sich mit einer Arbeit uber die Bildung von
Haaren
und
Nageln
.
[2]
Zusatzlich zu seiner Professur fur Anatomie wurde Arloing 1884 Professor fur allgemeine Physiologie an der naturwissenschaftlichen Fakultat. Er behielt diesen Posten aber nur zwei Jahre: Nachdem Chauveau 1886 als Generalinspekteur der Tierarzneischulen nach Paris berufen worden war, wurde Arloing zum Rektor der
Ecole nationale veterinaire
in Lyon und ubernahm auch Chauveaus dortige Professur fur Physiologie.
[3]
1887 ubernahm er auch Chauveaus Professur fur experimentelle Medizin an der medizinischen Fakultat.
1898 grundete Arloing zusammen mit Cadeac und Mathis die veterinarmedizinische Gesellschaft von Lyon. 1900 begrundete er das Institut fur Bakteriologie in Lyon, dessen erster Direktor er wurde.
[4]
[5]
Zusatzlich war er Vorsitzender des
Alumni
-Vereins der ENVL, Mitglied des
Conseil departemental d'hygiene
des
Departement Rhone
und diverser anderer beruflicher Zusammenschlusse im Bereich Medizin und
Agrarwissenschaften
.
Wahrend seiner Karriere war Arloing
Gastdozent
in
Lille
(1872),
Nantes
(1875),
Basel
(1889),
Berlin
(1890, 1902 und 1907),
Washington, D.C.
,
Philadelphia
(1908) und
Stockholm
(1909). 1889 wurde er korrespondierendes Mitglied der
Academie des sciences
.
[6]
Am 21. Marz 1911 verstarb Arloing in Lyon an einem
Herzinfarkt
, vermutlich als Komplikation einer
Grippeinfektion
. Ihm zu Ehren ist eine Straße in Lyon benannt. Im Ehrenhof der tiermedizinischen Fakultat in Lyon steht seit 1923 ein Denkmal fur ihn.
[7]
In seiner Heimatstadt Cusset wurde ihm ebenfalls ein Denkmal gesetzt und eine Straße nach ihm benannt.
Arloing war seit 1873 mit Mlle Roux verheiratet, die er vier Jahre zuvor in Lyon kennengelernt hatte. Ihr gemeinsamer Sohn
Fernand Arloing
(1876?1944) wurde ebenfalls Bakteriologe und Professor fur Medizin.
[8]
Arloings Forschungsinteressen lagen vor allem in der Anatomie, Physiologie und Infektiologie.
In der Anatomie interessierte er sich fur die Anatomie der Einhufer, die Geschlechtsorgane der Hasenartigen sowie fur die Anatomie des
Schadels
der
Hunde
.
[9]
Er gab die 2.?4. Auflage von Chauveaus
Traite d'anatomie des animaux domestiques
heraus, eines
Lehrbuchs
der Tieranatomie.
[10]
In der Physiologie erforschte Arloing die sensible Funktion des
Nervus laryngeus recurrens
beim Pferd, die Auswirkungen des
Sympathikus
im Halsbereich auf die
Tranen
- und
Schweißbildung
und die Funktion des
Nervus vagus
bei der Innervation von
Magen
und
Herz
. Außerdem wies er in verschiedenen Tierarten die Existenz von zwei verschiedenen
Typen von Muskelfasern
nach, namlich der schnell kontrahierenden weißen und der langsam kontrahierenden roten Fasern.
In der
Anasthesiologie
beschrieb Arloing die Auswirkungen verschiedener
Anasthetika
auf die
Korpertemperatur
, die
Atmung
und den
Blutkreislauf
unter besonderer Berucksichtigung der
Blutversorgung des Gehirns
.
In der Infektiologie galt Arloings hauptsachliches Interesse vier Krankheiten, namlich dem
Rauschbrand
, dem
Gasbrand
, dem
Puerperalfieber
und der
Tuberkulose
. Daneben untersuchte er auch die Moglichkeit der Gewinnung von
Diphtherie
-
Antitoxin
aus Pferden, das Wachstum von Bakterien auf verschiedenen Nahrboden und den Einfluss des Lichts auf die
Virulenz
von
Bacillus anthracis
, den Erreger des
Milzbrands
.
Zusammen mit Thomas und Cornevin isolierte er den Erreger des Rauschbrands, einer Krankheit, die damals oft mit dem
Milzbrand
verwechselt wurde, und belegte so die unterschiedliche Ursache der beiden Krankheiten. Zu Ehren seines Lehrers benannte er den Erreger als
Bacterium chauvoei
. Spater wurde dieser aus taxonomischen Grunden zu
Clostridium chauvoei
umbenannt. Gemeinsam mit Thomas und Cornevin entwickelte Arloing sodann eine
Impfung
sowie ein Serum zur
passiven Immunisierung
gegen Rauschbrand.
Fur den Gasbrand hatte bereits
Louis Pasteur
eine bakterielle Ursache beschrieben. Chauveau und Arloing bestatigten dessen Rolle bei der Entstehung der Krankheit und entwickelten vorbeugende und therapeutische Maßnahmen zur Anwendung in Krankenhausern.
Das Puerperalfieber war in den Geburtsabteilungen der Lyoner Krankenhauser zu Arloings Zeit weit verbreitet. Chauveau und Arloing beschrieben
Streptokokken
als hauptsachliche Ursache und entwickelten auch hier prophylaktische und therapeutische Maßnahmen.
Die
Tuberkulose
war ab 1868 eines der hauptsachlichen Interessengebiete Arloings. Ab 1868 erforschte er auf der Basis der Arbeiten von
Jean-Antoine Villemin
die Ubertragung der Krankheit sowie in Zusammenarbeit mit Chauveau auch deren verschiedene Verlaufsformen. Arloing und Chauveau bewiesen dabei, dass eine Infektion uber den
Magen-Darm-Trakt
moglich ist und beschrieben die verschiedenen Erreger der
menschlichen
sowie der
Rinder-
und
Vogeltuberkulose
.
Als Folge dieser Forschungen wurden in Frankreich ab 1872 neue Methoden der Vorbeugung gegen die Rindertuberkulose eingefuhrt, auch wenn die Debatte uber die verantwortlichen Erreger noch weiter ging: So vertrat beispielsweise
Robert Koch
die Ansicht, dass eine Ansteckung des Menschen mit Rindertuberkulose nicht moglich sei, da es sich beim Erreger um ein anderes Bakterium handle. Ihre Ansicht war dabei wohl auch von Interessen der deutschen Rinderzuchter beeinflusst, die gegen die Importverbote tuberkuloser Rinder nach Frankreich opponierten. Unterstutzung erhielt Arloing beispielsweise durch
Edmond Nocard
, der 1895 in
Les tuberculoses animales
weitere Belege fur Arloings Sicht publizierte. Auch Emil von Behring, mit dem er in brieflichem und personlichen Austausch stand, unterstutzte seine Rindertuberkuloseforschung.
[11]
Arloing debattierte das Thema an mehreren Kongressen mit Koch, den er 1908 schließlich durch seine Experimente vom
zoonotischen
Charakter der Rindertuberkulose uberzeugen konnte.
[12]
Arloing erforschte auch die Moglichkeit, die verschiedenen Tuberkuloseerreger durch aus erkrankten Menschen und Tieren gewonnenes
Immunserum
zu
agglutinieren
. Im Rahmen seiner Forschungen untersuchte er auch das von Robert Koch entdeckte
Tuberkulin
und versuchte auf der Basis dieser Substanz eine Schutzimpfung gegen Rindertuberkulose zu entwickeln. 1911 verfugte er uber einen Impfstoff, der drei Viertel der geimpften Rinder vor der Ansteckung schutzen konnte, wahrend samtliche Tiere in der
Kontrollgruppe
erkrankten. Durch seinen Tod spater im selben Jahr konnte er das Projekt nicht mehr abschließen.
- Le berceau de l’enseignement veterinaire ? Creation et evolution de l’enseignement veterinaire
. Imprimerie Pitrat aine, Lyon 1889.
- Als Herausgeber von Chauveaus
Traite d’anatomie comparee des animaux domestiques
. 2. bis 5. Auflage.
- Caracteres osteologiques differentiels de l’ane, du cheval et de leurs hybrides
. 1882.
- Cours elementaires d'anatomie generale et notions de technique histologique
, Paris 1890.
- Les virus.
Felix Alcan, Paris 1891.
- Lecons sur la tuberculose et certaines septicemies
, Paris 1892.
- Sur l'obtention de cultures et d'emulsions homogenes du bacille de la tuberculose humaine en milieu liquide et sur une variete mobile de ce bacille.
In:
Comptes rendus de l’Academie des sciences.
Paris 1898, 126, S. 1319?1321.
- Ein vollstandiges Verzeichnis der Publikationen Arloings findet sich in
Archives internationales de pharmacodynamie et de therapie.
1911, 22, S. 3?25.
- Harry W Paul:
From Knowledge to Power. The Rise of the Science Empire in France, 1860?1939.
S. 95.
- Laurence J Street, H S J Lee:
Dates in Infectious Diseases- A Chronological Record of Progress in Infectious Diseases.
S. 66.
- Anton Sebastian:
A Dictionary of the History of Medicine.
S. 68.
- Anonym:
Expose des titres et des travaux de S. Arloing.
Imprimerie Pitrat aine, Lyon, 1887.
- Anonym:
Publications principales de S. Arloing sur la physiologie normale et pathologie, animale et vegetale, l’anatomie et la teratologie
. Manuscrit de la bibliotheque de l’Ecole veterinaire de Lyon, 1911.
- Anonym:
Publications principales de S. Arloing.
In:
Arch. Int. Pharmacodyn. Ther.
XXII, 24 p., 1912.
- G. Rollet:
Biographies veterinaires. Manuscrit de la bibliotheque de l’Ecole veterinaire de Lyon.
1994.
- V. Krogmann:
L’enseignement a l’Ecole veterinaire de Lyon aux XVIIIe et XIXe siecles.
Dissertation
. Lyon 1996.
- ↑
Application de la methode graphique a l'etude du mecanisme de la deglutition chez les mammiferes et les oiseaux. Suivi de Recherches anatomiques sur le bouturage des cactees / Saturnin Arloing.
(
Memento
des
Originals
vom 3. Marz 2016 im
Internet Archive
)
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@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/jubilotheque.upmc.fr
- 1877 - Bibliotheque universitaire Pierre et Marie Curie (BUPMC)
- ↑
M. Roussel:
Eloge du professeur Arloing.
In:
Bull. Acad. vet. Fr.
(1932); LXXXV, S. 429?448.
- ↑
T. Violet:
Nomination de M. Chauveau comme Inspecteur general des Ecoles veterinaires.
In:
J. Med. Vet. Zootech.
(1886); XXXVII, S. 114?115.
- ↑
M. Bertrand:
La Societe des Sciences Veterinaires et de Medecine Comparee de Lyon : origines et vocations.
In:
Sci. Vet. Med. Comp.
(1986); 88, S. 3?5.
- ↑
M. Bertrand:
La Societe des Sciences Veterinaires et de Medecine Comparee de Lyon.
In:
Sci. Vet. Med. Comp.
(1987); 89, S. 217?224.
- ↑
Verzeichnis der Mitglieder seit 1666: Buchstabe A.
Academie des sciences,
abgerufen am 3. Oktober 2019
(franzosisch).
- ↑
F.X. Lesbre:
Compte-rendu de la ceremonie d’inauguration a l’Ecole veterinaire de Lyon du monument a S. Arloing.
et des bustes de L. Bredin, C.J. Bredin, F. Lecoq et C. Cornevin. J. Med. Vet. Lyon. (1923) LXIX, S. 435?541.
- ↑
Quai Arloing
(
Memento
des
Originals
vom 5. Oktober 2012 im
Internet Archive
)
Info:
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@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/ruesdelyon.wysiup.net
, abgerufen am 29. Januar 2013.
- ↑
F.X. Lesbre
:
Notice necrologique sur le Professeur S. Arloing
. Societe d’Agriculture, Sciences et Industries de Lyon. (1911) Imprimerie A. Rey, Lyon, 7 p.
- ↑
F.X. Lesbre:
Etude historique de la nomenclature anatomique veterinaire en langue francaise depuis Bourgelat jusqu’a nos jours.
In:
Soc. Sci. Vet. Lyon.
(1911), XIV, S. 286?373.
- ↑
Vgl. Briefwechsel zwischen Saturnin Arloing bzw. Fernand Arloing und Emil von Behring aus den Jahren 1905 und 1906. (Behring-Archiv Marburg, EvB/B 6/2 ? EvB/B 6/6, sowie EvB/B 1/13.)
- ↑
Courmont, zitiert in M. Roussel:
Eloge du professeur Arloing.
In:
Bull. Acad. vet. Fr.
(1932); LXXXV, S. 429?448.