Saturnin Arloing

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Saturnin Arloing

Saturnin Arloing (* 3. Januar 1846 in Cusset , Departement Allier ; † 21. Marz 1911 in Lyon ) war ein franzosischer Tierarzt , Infektiologe und Professor fur Anatomie und Physiologie . Er identifizierte unter anderem den Erreger des Rauschbrands ( Clostridium chauvoei ) und leistete Pionierarbeit bei der Pravention der Rindertuberkulose .

Arloing wurde am 3. Januar 1846 in Cusset in der Auvergne als Sohn eines Hufschmieds geboren, der dieses Gewerbe bereits in der dritten Generation ausubte. Sein Vater uberzeugte den intelligenten Jungen, Tiermedizin zu studieren und sich danach als Tierarzt in Cusset niederzulassen.

Mit elf Jahren trat Arloing ins College von Cusset ein, wo er sich als sehr guter Schuler erwies. Bereits mit 16 Jahren bestand er das Eintrittsexamen fur die Studienzulassung und studierte von 1862 bis 1866 an der Ecole nationale veterinaire in Lyon (ENVL) Tiermedizin. Da aber sein Vater inzwischen verstorben war und die Familie die Schmiede verkauft hatte, kehrte er nicht nach Cusset zuruck, sondern nahm unter Auguste Chauveau eine Stelle als chef de service der Anatomie und Physiologie in Lyon an. Dort arbeitete er unter anderem uber die Anatomie des Nervus laryngeus recurrens , des Beckens und des Hufes der Pferde sowie uber die Geschlechtsorgane der Hasenartigen .

1869 erhielt Arloing einen Ruf als Professor fur Anatomie und Physiologie an der Universitat Toulouse . Dort promovierte er neben seiner Forschungsarbeit an der medizinischen Fakultat zum Doktor der Medizin und erhielt das Lizenziat der Naturwissenschaften. Wahrend des Deutsch-Franzosischen Kriegs war er in der Bretagne stationiert und untersuchte dort einen Ausbruch der Rinderpest .

1876 kehrte Arloing als Professor fur Anatomie nach Lyon zuruck, wo er eng mit seinem ehemaligen Lehrer Chauveau zusammenarbeitete, zum Chef der experimentellen Medizin der Universitat Lyon aufstieg und vom Institut de France ausgezeichnet wurde. Hier promovierte er 1879 mit zwei Arbeiten zum Doktor der Naturwissenschaften: je eine uber den Schluckakt bei Saugetieren und Vogeln und eine uber die Vermehrung der Kakteen durch Stecklinge . [1] Zusatzlich erhielt er einen weiteren Doktor der Medizin fur seine Untersuchungen zur anasthetischen Wirkung von Chloral , Chloroform und Ather . 1880 habilitierte er sich mit einer Arbeit uber die Bildung von Haaren und Nageln . [2]

Statue zu Ehren Arloings in Lyon

Zusatzlich zu seiner Professur fur Anatomie wurde Arloing 1884 Professor fur allgemeine Physiologie an der naturwissenschaftlichen Fakultat. Er behielt diesen Posten aber nur zwei Jahre: Nachdem Chauveau 1886 als Generalinspekteur der Tierarzneischulen nach Paris berufen worden war, wurde Arloing zum Rektor der Ecole nationale veterinaire in Lyon und ubernahm auch Chauveaus dortige Professur fur Physiologie. [3] 1887 ubernahm er auch Chauveaus Professur fur experimentelle Medizin an der medizinischen Fakultat.

1898 grundete Arloing zusammen mit Cadeac und Mathis die veterinarmedizinische Gesellschaft von Lyon. 1900 begrundete er das Institut fur Bakteriologie in Lyon, dessen erster Direktor er wurde. [4] [5] Zusatzlich war er Vorsitzender des Alumni -Vereins der ENVL, Mitglied des Conseil departemental d'hygiene des Departement Rhone und diverser anderer beruflicher Zusammenschlusse im Bereich Medizin und Agrarwissenschaften .

Wahrend seiner Karriere war Arloing Gastdozent in Lille (1872), Nantes (1875), Basel (1889), Berlin (1890, 1902 und 1907), Washington, D.C. , Philadelphia (1908) und Stockholm (1909). 1889 wurde er korrespondierendes Mitglied der Academie des sciences . [6]

Am 21. Marz 1911 verstarb Arloing in Lyon an einem Herzinfarkt , vermutlich als Komplikation einer Grippeinfektion . Ihm zu Ehren ist eine Straße in Lyon benannt. Im Ehrenhof der tiermedizinischen Fakultat in Lyon steht seit 1923 ein Denkmal fur ihn. [7] In seiner Heimatstadt Cusset wurde ihm ebenfalls ein Denkmal gesetzt und eine Straße nach ihm benannt.

Arloing war seit 1873 mit Mlle Roux verheiratet, die er vier Jahre zuvor in Lyon kennengelernt hatte. Ihr gemeinsamer Sohn Fernand Arloing (1876?1944) wurde ebenfalls Bakteriologe und Professor fur Medizin. [8]

alternative de l'image à compléter
Erinnerungsmedaille an Arloing (Vorderseite)

Arloings Forschungsinteressen lagen vor allem in der Anatomie, Physiologie und Infektiologie.

In der Anatomie interessierte er sich fur die Anatomie der Einhufer, die Geschlechtsorgane der Hasenartigen sowie fur die Anatomie des Schadels der Hunde . [9] Er gab die 2.?4. Auflage von Chauveaus Traite d'anatomie des animaux domestiques heraus, eines Lehrbuchs der Tieranatomie. [10]

In der Physiologie erforschte Arloing die sensible Funktion des Nervus laryngeus recurrens beim Pferd, die Auswirkungen des Sympathikus im Halsbereich auf die Tranen - und Schweißbildung und die Funktion des Nervus vagus bei der Innervation von Magen und Herz . Außerdem wies er in verschiedenen Tierarten die Existenz von zwei verschiedenen Typen von Muskelfasern nach, namlich der schnell kontrahierenden weißen und der langsam kontrahierenden roten Fasern.

In der Anasthesiologie beschrieb Arloing die Auswirkungen verschiedener Anasthetika auf die Korpertemperatur , die Atmung und den Blutkreislauf unter besonderer Berucksichtigung der Blutversorgung des Gehirns .

In der Infektiologie galt Arloings hauptsachliches Interesse vier Krankheiten, namlich dem Rauschbrand , dem Gasbrand , dem Puerperalfieber und der Tuberkulose . Daneben untersuchte er auch die Moglichkeit der Gewinnung von Diphtherie - Antitoxin aus Pferden, das Wachstum von Bakterien auf verschiedenen Nahrboden und den Einfluss des Lichts auf die Virulenz von Bacillus anthracis , den Erreger des Milzbrands .

Zusammen mit Thomas und Cornevin isolierte er den Erreger des Rauschbrands, einer Krankheit, die damals oft mit dem Milzbrand verwechselt wurde, und belegte so die unterschiedliche Ursache der beiden Krankheiten. Zu Ehren seines Lehrers benannte er den Erreger als Bacterium chauvoei . Spater wurde dieser aus taxonomischen Grunden zu Clostridium chauvoei umbenannt. Gemeinsam mit Thomas und Cornevin entwickelte Arloing sodann eine Impfung sowie ein Serum zur passiven Immunisierung gegen Rauschbrand.

Fur den Gasbrand hatte bereits Louis Pasteur eine bakterielle Ursache beschrieben. Chauveau und Arloing bestatigten dessen Rolle bei der Entstehung der Krankheit und entwickelten vorbeugende und therapeutische Maßnahmen zur Anwendung in Krankenhausern.

Das Puerperalfieber war in den Geburtsabteilungen der Lyoner Krankenhauser zu Arloings Zeit weit verbreitet. Chauveau und Arloing beschrieben Streptokokken als hauptsachliche Ursache und entwickelten auch hier prophylaktische und therapeutische Maßnahmen.

Erinnerungsmedaille an Arloing (Ruckseite)

Die Tuberkulose war ab 1868 eines der hauptsachlichen Interessengebiete Arloings. Ab 1868 erforschte er auf der Basis der Arbeiten von Jean-Antoine Villemin die Ubertragung der Krankheit sowie in Zusammenarbeit mit Chauveau auch deren verschiedene Verlaufsformen. Arloing und Chauveau bewiesen dabei, dass eine Infektion uber den Magen-Darm-Trakt moglich ist und beschrieben die verschiedenen Erreger der menschlichen sowie der Rinder- und Vogeltuberkulose .

Als Folge dieser Forschungen wurden in Frankreich ab 1872 neue Methoden der Vorbeugung gegen die Rindertuberkulose eingefuhrt, auch wenn die Debatte uber die verantwortlichen Erreger noch weiter ging: So vertrat beispielsweise Robert Koch die Ansicht, dass eine Ansteckung des Menschen mit Rindertuberkulose nicht moglich sei, da es sich beim Erreger um ein anderes Bakterium handle. Ihre Ansicht war dabei wohl auch von Interessen der deutschen Rinderzuchter beeinflusst, die gegen die Importverbote tuberkuloser Rinder nach Frankreich opponierten. Unterstutzung erhielt Arloing beispielsweise durch Edmond Nocard , der 1895 in Les tuberculoses animales weitere Belege fur Arloings Sicht publizierte. Auch Emil von Behring, mit dem er in brieflichem und personlichen Austausch stand, unterstutzte seine Rindertuberkuloseforschung. [11] Arloing debattierte das Thema an mehreren Kongressen mit Koch, den er 1908 schließlich durch seine Experimente vom zoonotischen Charakter der Rindertuberkulose uberzeugen konnte. [12]

Arloing erforschte auch die Moglichkeit, die verschiedenen Tuberkuloseerreger durch aus erkrankten Menschen und Tieren gewonnenes Immunserum zu agglutinieren . Im Rahmen seiner Forschungen untersuchte er auch das von Robert Koch entdeckte Tuberkulin und versuchte auf der Basis dieser Substanz eine Schutzimpfung gegen Rindertuberkulose zu entwickeln. 1911 verfugte er uber einen Impfstoff, der drei Viertel der geimpften Rinder vor der Ansteckung schutzen konnte, wahrend samtliche Tiere in der Kontrollgruppe erkrankten. Durch seinen Tod spater im selben Jahr konnte er das Projekt nicht mehr abschließen.

Werke (Auswahl)

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  • Le berceau de l’enseignement veterinaire ? Creation et evolution de l’enseignement veterinaire . Imprimerie Pitrat aine, Lyon 1889.
  • Als Herausgeber von Chauveaus Traite d’anatomie comparee des animaux domestiques . 2. bis 5. Auflage.
  • Caracteres osteologiques differentiels de l’ane, du cheval et de leurs hybrides . 1882.
  • Cours elementaires d'anatomie generale et notions de technique histologique , Paris 1890.
  • Les virus. Felix Alcan, Paris 1891.
  • Lecons sur la tuberculose et certaines septicemies , Paris 1892.
  • Sur l'obtention de cultures et d'emulsions homogenes du bacille de la tuberculose humaine en milieu liquide et sur une variete mobile de ce bacille. In: Comptes rendus de l’Academie des sciences. Paris 1898, 126, S. 1319?1321.
  • Ein vollstandiges Verzeichnis der Publikationen Arloings findet sich in Archives internationales de pharmacodynamie et de therapie. 1911, 22, S. 3?25.
  • Harry W Paul: From Knowledge to Power. The Rise of the Science Empire in France, 1860?1939. S. 95.
  • Laurence J Street, H S J Lee: Dates in Infectious Diseases- A Chronological Record of Progress in Infectious Diseases. S. 66.
  • Anton Sebastian: A Dictionary of the History of Medicine. S. 68.
  • Anonym: Expose des titres et des travaux de S. Arloing. Imprimerie Pitrat aine, Lyon, 1887.
  • Anonym: Publications principales de S. Arloing sur la physiologie normale et pathologie, animale et vegetale, l’anatomie et la teratologie . Manuscrit de la bibliotheque de l’Ecole veterinaire de Lyon, 1911.
  • Anonym: Publications principales de S. Arloing. In: Arch. Int. Pharmacodyn. Ther. XXII, 24 p., 1912.
  • G. Rollet: Biographies veterinaires. Manuscrit de la bibliotheque de l’Ecole veterinaire de Lyon. 1994.
  • V. Krogmann: L’enseignement a l’Ecole veterinaire de Lyon aux XVIIIe et XIXe siecles. Dissertation . Lyon 1996.
Commons : Saturnin Arloing  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Application de la methode graphique a l'etude du mecanisme de la deglutition chez les mammiferes et les oiseaux. Suivi de Recherches anatomiques sur le bouturage des cactees / Saturnin Arloing. ( Memento des Originals vom 3. Marz 2016 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/jubilotheque.upmc.fr - 1877 - Bibliotheque universitaire Pierre et Marie Curie (BUPMC)
  2. M. Roussel: Eloge du professeur Arloing. In: Bull. Acad. vet. Fr. (1932); LXXXV, S. 429?448.
  3. T. Violet: Nomination de M. Chauveau comme Inspecteur general des Ecoles veterinaires. In: J. Med. Vet. Zootech. (1886); XXXVII, S. 114?115.
  4. M. Bertrand: La Societe des Sciences Veterinaires et de Medecine Comparee de Lyon : origines et vocations. In: Sci. Vet. Med. Comp. (1986); 88, S. 3?5.
  5. M. Bertrand: La Societe des Sciences Veterinaires et de Medecine Comparee de Lyon. In: Sci. Vet. Med. Comp. (1987); 89, S. 217?224.
  6. Verzeichnis der Mitglieder seit 1666: Buchstabe A. Academie des sciences, abgerufen am 3. Oktober 2019 (franzosisch).
  7. F.X. Lesbre: Compte-rendu de la ceremonie d’inauguration a l’Ecole veterinaire de Lyon du monument a S. Arloing. et des bustes de L. Bredin, C.J. Bredin, F. Lecoq et C. Cornevin. J. Med. Vet. Lyon. (1923) LXIX, S. 435?541.
  8. Quai Arloing ( Memento des Originals vom 5. Oktober 2012 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/ruesdelyon.wysiup.net , abgerufen am 29. Januar 2013.
  9. F.X. Lesbre : Notice necrologique sur le Professeur S. Arloing . Societe d’Agriculture, Sciences et Industries de Lyon. (1911) Imprimerie A. Rey, Lyon, 7 p.
  10. F.X. Lesbre: Etude historique de la nomenclature anatomique veterinaire en langue francaise depuis Bourgelat jusqu’a nos jours. In: Soc. Sci. Vet. Lyon. (1911), XIV, S. 286?373.
  11. Vgl. Briefwechsel zwischen Saturnin Arloing bzw. Fernand Arloing und Emil von Behring aus den Jahren 1905 und 1906. (Behring-Archiv Marburg, EvB/B 6/2 ? EvB/B 6/6, sowie EvB/B 1/13.)
  12. Courmont, zitiert in M. Roussel: Eloge du professeur Arloing. In: Bull. Acad. vet. Fr. (1932); LXXXV, S. 429?448.