Suditalien
oder
Unteritalien
(
italienisch
Italia meridionale
oder
Sud Italia
, auch
Bassa Italia
), oft
Mezzogiorno
genannt, ist der sudliche Teil des
italienischen Staats
, meist beginnend mit der heutigen Region
Abruzzen
. Im weitesten Sinne umfasst die Bezeichnung den Sudteil der
Apenninhalbinsel
sowie die Inseln
Sizilien
und
Sardinien
.
Der aus
mezzo
[
m?ddzo
] (Mitte) und
giorno
[
d?orno
] (Tag) zusammengesetzte Begriff ist das italienische Wort fur ?Mittag“. Mit Mezzogiorno wird (nach dem Stand der Sonne) der Suden im Allgemeinen bezeichnet; davon abgeleitet bezeichnet das Wort in seinem haufigsten Gebrauch den Suden Italiens. Entsprechend wird auch der Begriff
Le Midi
(Mittag) fur den Suden Frankreichs verwendet.
Der Begriff kam spater nach der Annexion des bourbonischen
Konigreichs beider Sizilien
zusammen mit den anderen
italienischen Staaten
und der anschließenden
italienischen Vereinigung
von 1861 in Mode.
Italien hatte sich in den 1950er Jahren dazu entschieden, den unterentwickelten Suden mit Transferzahlungen aus dem ?reichen Norden“ und der Mitte Italiens zu unterstutzen. Oft wird im Zuge der
deutschen Wiedervereinigung
und der folgenden Probleme des ?
Aufbau Ost
“ auf das Beispiel Mezzogiorno verwiesen.
2013 betrug das Bruttoinlandsprodukt des Sudens (€ 17.416 pro Kopf) 42 % weniger als jenes des Nordens (€ 31.094 pro Kopf). Zwischen 2009 und 2012 ist das BIP im Suden um 3,8 % zuruckgegangen, wahrend italienweit der Ruckgang nur 0,4 % betrug.
[1]
[2]
Suditalien besteht aus den heutigen
italienischen Regionen
, die vor der Einigung Italiens im Jahr 1861 zum
Konigreich beider Sizilien
gehorten
[3]
[4]
[5]
[6]
; dabei handelt es sich um die Regionen
Abruzzen
,
Molise
,
Kampanien
,
Basilikata
,
Apulien
,
Kalabrien
und
Sizilien
.
Obwohl die fruher vom
Haus Savoyen
beherrschte Insel
Sardinien
kulturell und historisch von Suditalien abgegrenzt ist, wird die Region
Sardinien
aufgrund ahnlicher wirtschaftlicher Bedingungen auch unter dem
Mezzogiorno
subsumiert.
[7]
[8]
Sardinien wird aus verwaltungstechnischen Grunden hin und wieder zu
Mittelitalien
gerechnet oder an die Region
Latium
angeschlossen (z. B. im
italienischen Postleitsystem
).
Die Region Abruzzen wird wirtschaftsgeografisch zu Mittelitalien gezahlt, da die Wirtschaftsleistung der Region eher der der mittelitalienischen Regionen entspricht. Sie ist seit 2007 nicht mehr
Ziel-1-Region
der Europaischen Union. Die Region Abruzzen kann nach rein geografischen Kriterien Mittelitalien zugerechnet werden. In der Regel unterbleibt dies aus den genannten historischen Grunden.
Die Region Latium als Herzstuck des ehemaligen
Kirchenstaats
gehort weder nach historischen, noch nach wirtschaftsgeografischen Kriterien zu Suditalien. Eine Ausnahme bilden die im Suden der Region gelegenen
Provinzen
Frosinone
und
Latina
, die teilweise Teil des Konigreichs beider Sizilien waren.
Fur statistische Zwecke wird Italien gemaß der
NUTS
-Klassifizierung der
Europaischen Union
in
funf Makroregionen
unterteilt. Die suditalienischen Regionen auf dem Festland bzw. der
Apenninhalbinsel
bilden die Makroregion ?Sud“ (
Sud
), Sizilien und Sardinien die Makroregion der ?Inseln“ (
Isole
, auch
Italia insulare
, deutsch ?Inselitalien“).
- Ausbeutung durch den Norden nach der italienischen Einigung 1861
- rentenkapitalistische Wirtschaftsweise /
Latifundien
- agrarisch gepragt
- keine Rohstoffvorkommen
- keine Energiequellen
- Abseitslage vom europaischen Markt, periphere Lage
- schlecht ausgebaute Infrastruktur und Verkehrslage
- Organisierte Kriminalitat
verhindert freies
Wirtschaftswachstum
[9]
Diese Wandlung begann vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg. Die rohstoffarme Gegend und die uberwiegende Großgrundlandwirtschaft ließ damals viele junge Leute ins Ausland auswandern. Es gab nur einige wenige sog.
Pull-Faktoren
, die Push-Faktoren uberwogen. Der damals einzige große Arbeitgeber in Suditalien war das Stahlwerk von
Tarent
, das zu Spitzenzeiten einige hundert Angestellte besaß. Das Stahlwerk wurde im Mezzogiorno platziert, um weitere Fabriken in den Suden zu locken. Diese Strategie schlug fehl und nach der weltweiten
Stahlkrise
wurden auch im Stahlwerk die Arbeiter auf knapp 100 reduziert.
- Grundung der
Cassa per il Mezzogiorno
- Lenkung der Investitionen durch
Subventionen
- Verbesserung / Ausbau der
Infrastruktur
- Investitionszuschusse aus offentlichen Mitteln
- Forderung aus europaischen Strukturfonds seit 1958
- Ziel: bessere Produktionsbedingungen in Landwirtschaft und Industrie
[10]
Die Maßnahmen lassen sich in vier Phasen gliedern.
In der ersten Phase (1950 bis 1956) konzentrierte man sich auf den Ausbau der Infrastruktur und bot Anreize durch finanzielle Vergunstigungen.
In der zweiten Phase (1957 bis 1964) erfolgte ?gezielte Industrialisierung“, bei der man verschiedene Industriekerne und -gebiete auswies, und dort, ohne Berucksichtigung der vorhandenen Betriebsstruktur, staatliche Betriebe ansiedeln ließ. Private Firmen waren wegen der Nachteile des Sudens nicht bereit sich dort anzusiedeln. Dies kann nicht als Erfolg verzeichnet werden, da diese Großbetriebe keinerlei Folgeansiedlungen nach sich zogen. Viele der niemals fertiggestellten Industrieanlagen wie das funfte geplante große Stahlzentrum Italiens in
Gioia Tauro
sind seitdem als ?Kathedralen in der Wuste“ (
cattedrali nel deserto
) bekannt.
[11]
Die dritte Phase (1965 bis 1970) ist auch als ?geplante Industrialisierung“ bekannt. Hierbei wurden gleichartige kleine und mittelgroße Unternehmen dort angesiedelt, wo man vermutete, dass diesen weitere Betriebe folgen wurden.
In der vierten Phase (1971 bis 1986) ubernahm der EFRE (
Europaischer Fonds fur regionale Entwicklung
) die Geldforderung des Mezzogiorno. Mit diesen Mitteln wurden Grundstoffindustrien aufgebaut. Man erhoffte sich dadurch die Ansiedlung von weiteren Betrieben. Diese blieb allerdings aus und, da mit dem Beitritt
Spaniens
und
Portugals
zur EU 1986 wirtschaftlich noch schwachere Gebiete beitraten, versiegten die Investitionen des EFRE.
Alle vier Phasen kann man somit heute als gescheitert ansehen, weil sich die wirtschaftliche Situation zwar anfangs verbesserte, aber dem geleisteten Aufwand nicht gerecht wurde und seitdem langsam wieder auf den vorherigen Stand zuruckgefallen ist.
[12]
1992 wurde die Arbeit der
Cassa per il Mezzogiorno
eingestellt, und der italienische Staat begann mit einer allgemeinen Forderpolitik strukturschwacher Regionen, und zwar nicht ausschließlich im Suden. In Abstimmung mit der europaischen Forderpolitik werden heute Maßnahmen zur Unterstutzung der lokalen Initiativen (
patti territoriali
) als besonders vielversprechend angesehen.
Die relative wirtschaftliche Schwache Suditaliens kann als Ausgangspunkt der EU-Strukturforderung gesehen werden. Der ESF (
Europaischer Sozialfonds
) stutzte seit 1958 Maßnahmen der Berufsbildung und berufsbedingten Migration. Die Forderung richtete sich besonders auf Suditalien als einziger Region innerhalb der damaligen europaischen Gemeinschaft, die eine hohe Arbeitslosenquote aufwies (im Vergleich zu minimalen Quoten in den ubrigen europaischen Regionen).
[13]
Im Zeitraum von 2007 bis 2013 wurden aus EU-Strukturfonds und dem italienischen Staatshaushalt insgesamt 91 Milliarden Euro fur die Region bereitgestellt. Von diesen finanziellen Mittel wurde nur 49,4 Milliarden Euro abgerufen. Auch die Verwendung dieses Geldes wurde viel kritisiert, da das Geld in viele kleinere Projekte in der Region, anstatt in wichtige und dringend notwendige Infrastrukturprojekte, investiert wurde.
[14]
[15]
Im Januar 2017 wurde von der
Europaischen Investitionsbank (EIB)
ein Fonds geschaffen, der Forschungsvorhaben mit hohem Technologiegrad in Suditalien fordern soll.
[16]
- John Dickie
:
Darkest Italy. The nation and stereotypes of the Mezzogiorno 1860?1900.
St. Martin’s Press, New York 1999,
ISBN 978-1-349-38563-8
.
- Christian Jansen
:
Uneiniges Italien. Die ?Sudfrage“ als Strukturproblem vom Risorgimento bis heute.
In: Massimo Minelli / Rainer Schlosser (Hg.):
150 Jahre einiges Italien.
Munchen 2012, S. 179?202.
- Horst-Gunter Wagner
:
Mezzogiorno
. (=
Problemraume Europas
.) Aulis, Koln 1991,
ISBN 3-7614-1352-1
.
- ↑
Raffaele Ricciardi:
BIP des Sudens um 42 % geringer als jener des Nordens!
In:
La Repubblica
vom 30. November 2013
- ↑
Okonomen: "Permanente Unterentwicklung" Suditaliens droht
. In:
Die Presse
. (
diepresse.com
[abgerufen am 24. August 2017]).
- ↑
<<Con questa denominazione si indica lo Stato costituito nel dic. 1816 con l’unificazione dei regni di Napoli e di Sicilia, che restaurava l’autorita borbonica su tutta l’Italia meridionale; fu mantenuta fino all’ott. 1860, quando, tramite plebiscito, fu votata l’annessione al regno di Sardegna.>>
Regno delle Due Sicilie in
Dizionario di Storia
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In:
www.treccani.it.
Abgerufen im 1. Januar 1
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Mezzogiorno.
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abgerufen am 23. Juli 2016
.
- ↑
<<Meridionale: in part.: che fa parte delle regioni continentali e insulari del Mezzogiorno d'Italia (delimitate convenzionalmente dai fiumi
Garigliano
e
Sangro
), le quali, in eta prerisorgimentale, costituivano il Regno delle due Sicilie.>> Battaglia, Salvatore (1961).
Grande dizionario della lingua italiana
, UTET, Torino, V. X, p.160.
- ↑
<<Il regno meridionale, Napoli e Sicilia con 6 milioni e 200 mila abitanti,... pare in principio per certa foga di riforme e per valori d'ingegni filosofici e riformisti gareggiare con la Lombardia austriaca.>> Carducci, III-18-21, citato in
Grande dizionario della lingua italiana
, UTET, Torino, V. X, p.160.
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(englisch).