Der
Russisch-Schwedische Krieg von 1788 bis 1790
(
russisch
Русско-шведская война 1788?1790
;
schwedisch
Rysk-svenska kriget 1788?1790
) wurde mit dem
Friedensschluss von Varala
beendet. Der Russisch-Schwedische Krieg war verbunden mit dem
Russisch-Osterreichischen Turkenkrieg (1787?1792)
und dem
Danisch-Schwedischen Krieg
(1788).
Der schwedische Konig
Gustav III.
entschied sich 1788, einen neuen Krieg gegen
Russland
zu beginnen. Seine Motive waren vielfaltig. Mit einem Sieg uber seine
Cousine
Katharina II.
versprach er sich eine Verbesserung seines innenpolitischen Ansehens in Schweden. Außerdem sollten durch den Krieg die finanzielle Lage des Landes verbessert und der Ruhm der schwedischen Armee vergroßert werden. Schließlich wollte er die militarische Schmach Schwedens im
Siebenjahrigen Krieg
wettmachen. Wenn moglich sollten territoriale Gewinne in den Gebieten erzielt werden, die Schweden 1721 im
Frieden von Nystad
und 1743 im
Frieden von Turku
an Russland hatte abtreten mussen. Daruber hinaus sollte dem russischen Einfluss auf die schwedische Innenpolitik ein Ende bereitet werden.
Obwohl in Schweden seit Gustavs staatsstreichartiger Abschaffung des Parlamentarismus 1772 wieder der
aufgeklarte Absolutismus
herrschte, musste der Konig auf die Widerstande im schwedischen Adel Rucksicht nehmen und versuchen, starke kritische Stimmen durch einen geschickten Kriegsbeginn auf seine Seite zu ziehen. Er vermutete zu Recht in der schwedischen Bevolkerung und im schwedischen Militar eine ablehnende Haltung gegenuber einem
Waffengang
mit Russland.
Am 28. Juni 1788 begann der Krieg mit einer
Inszenierung
, bei der schwedische Soldaten in nachgemachten russischen Uniformen bei
Puumala
schwedisches Territorium beschossen. Danach sollte Russland die Schuld an diesem Zwischenfall in die Schuhe geschoben werden.
Insgeheim sahen die Großmachte
Großbritannien
,
Niederlande
und
Preußen
den Kriegsausbruch mit Wohlwollen. Sie erhofften sich eine Schwachung Russlands, das im 1787 ausgebrochenen
Krieg gegen das Osmanische Reich
bereits einige militarische Erfolge erzielt hatte. Schweden schloss seinerseits am 11. Juli 1789 ein Bundnis mit dem Osmanischen Reich, um Russland so in einen Zweifrontenkrieg verwickeln zu konnen.
Schon kurz nach Kriegsbeginn verfassten im August 1788 hohe schwedische Offiziere in Finnland das sogenannte Liikala-Memorandum, das sich gegen die Politik Gustavs wandte. Wenige Tage spater unterzeichneten 113 schwedische Militars des oppositionellen
Anjalabundes
einen Brief an den Konig, in dem sie ihre Unterstutzung fur das Memorandum zum Ausdruck brachten. Darin erklarten sie den Krieg fur ungesetzlich und sprachen sich fur einen Verhandlungsfrieden mit Russland aus. Sie forderten die Einberufung eines Reichstags. Gustav III. sah darin
Hochverrat
und ließ die meisten Anfuhrer der Verschworung
zum Tode verurteilen
. Das Urteil wurde allerdings nur an einem Mann
vollstreckt
. Einige wurden auf die seit 1784 schwedische Karibik-Insel
Saint-Barthelemy
deportiert oder spater begnadigt.
Im August 1788 kundigte
Danemark-Norwegen
seine
Neutralitat
auf und trat als Verbundeter Russlands in den Krieg ein. Der danische Konig
Christian VII.
erfullte damit seine Verpflichtungen aus dem militarischen Beistandspakt aus dem Jahr 1773 (
Vertrag von Zarskoje Selo
) gegenuber der russischen Zarin.
Am 24. und 25. September 1788 fielen etwa 10.000 danische Soldaten, hauptsachlich norwegische Truppen, unter dem Befehl von
Prinz Karl von Hessen-Kassel
im nordlichen Teil des
Bohuslan
ein. Auch der danische Kronprinz Friedrich (spater Konig
Friedrich VI.
) war auf dem Feldzug dabei. Die wenigen schwedischen Verteidiger zogen sich zuruck.
Zum ersten großeren Zusammentreffen zwischen schwedischen und norwegischen Truppen kam es am 29. September 1788 im
Gefecht
bei der Brucke von Kvistrum (im heutigen Ort
Munkedal
in der Mitte von Bohuslan), ungefahr 30 km nordlich von
Uddevalla
. In der Schlacht wurden 800 schwedische Soldaten von der uberlegenen norwegischen Armee eingekesselt. Der Kampf dauerte nur 45 Minuten und endete mit der schwedischen Kapitulation. Auf beiden Seiten fielen je 5 Soldaten, 61 Schweden und 16 Norweger wurden verwundet. Am 30. September nahmen danische und norwegische Truppen fast kampflos Uddevalla ein, am 3. Oktober
Vanersborg
und spater
Amal
.
Am 6. Oktober begannen die danischen Truppen mit der Belagerung
Goteborgs
und forderten die Kapitulation der Stadt. Konig
Gustav III.
erhielt in
Mariestad
die Nachricht vom Ergebnis der Schlacht bei Kvistrum. Er begab sich sofort nach Goteborg, das er um Mitternacht vom 3. auf den 4. Oktober erreichte. Die Ankunft des Konigs erhohte den Verteidigungswillen der Stadt, Gustav lehnte eine Kapitulation kategorisch ab.
Unmittelbar danach gelang es der schwedischen Diplomatie mit britischer Unterstutzung, Danemark fur eine nachgiebige Haltung gegenuber Schweden zu gewinnen. Am 9. Oktober 1788 schlossen beide Staaten einen
Waffenstillstand
. Er galt zunachst fur acht Tage, wurde auf vier Wochen und schließlich bis zum 1. Mai 1789 verlangert. Am 12. November 1788 zogen sich die danischen Truppen uber die Grenze nach
Norwegen
zuruck. Am 9. Juli 1789 erklarte sich Danemark (auch auf Druck Großbritanniens, Preußens und der Niederlande hin) im Krieg zwischen Schweden und Russland fur neutral.
In der schwedischen Geschichte ist der Konflikt zwischen Schweden und Danemark als der ?
Theaterkrieg
“ (schwedisch
Teaterkriget
) bekannt, weil die theatralischen Einschlage des Krieges uber die eigentlichen Streitigkeiten dominierten. In Norwegen ist der Krieg unter dem Namen ?
Preiselbeerkrieg
“ (norwegisch
Tyttebærkrigen
) bekannt, da die zuruckkehrenden norwegischen Truppen nur wenige Lebensmittel bei sich hatten und sie deshalb gezwungen waren, sich durch das Pflucken von Beeren selbst zu versorgen. Wegen dieser schrecklichen Bedingungen starben etwa 1500 Manner aus der norwegischen Armee an verschiedenen Krankheiten.
Sehr viel blutiger verlief der bewaffnete Konflikt zwischen Schweden und Russland. Im Verlauf des Krieges kam es vor allem in
Finnland
zu neun großeren Feldschlachten zwischen dem schwedischen und dem russischen
Heer
:
Datum
|
Feldschlacht
|
Sieger
|
13. Juni 1789
|
Erste Schlacht bei Porrassalmi
|
Schweden
|
19. Juni 1789
|
Zweite Schlacht bei Porrassalmi
|
Schweden
|
28. Juni 1789
|
Schlacht bei Uttismalm
|
Schweden
|
15. Juli 1789
|
Schlacht bei Kaipias
|
Russland
|
21. Juli 1789
|
Schlacht bei Parkumaki
|
Schweden
|
29. April 1790
|
Schlacht bei Valkeala
|
Schweden
|
6. Mai 1790
|
Schlacht bei Korhois
|
Russland
|
19./20. Mai 1790
|
Schlacht bei Keltis
|
Schweden
|
4. Juni 1790
|
Schlacht bei Savitaipale
|
Russland
|
Daneben fanden sieben
Seeschlachten
zwischen Schweden und Russland statt, ohne dass Schweden allerdings sein militarisches Hauptziel, die Belagerung und Beschießung
Sankt Petersburgs
, erreichen konnte:
Datum
|
Seeschlacht
|
Sieger
|
17. Juli 1788
|
Schlacht bei
Hogland
|
Russland
|
26. Juli 1789
|
Schlacht an der sudlichen Landzunge Olands
|
unentschieden
|
15. August 1789
|
Schlacht bei Korkiansaari
|
unentschieden
|
24./25. August 1789
|
Erste Scharenschlacht am Svensksund
|
Russland
|
13. Mai 1790
|
Schlacht bei Reval
|
Russland
|
15. Mai 1790
|
Scharenschlacht bei Fredrikshamn
|
Schweden
|
3. Juni 1790
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Schlacht bei Kronstadt
|
unentschieden, taktischer russischer Sieg
|
3. Juli 1790
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Spießrutenlauf von Wyborg
|
Russland
|
9./10. Juli 1790
|
Zweite Scharenschlacht am Svensksund
|
Schweden
|
Besonders die Zweite Scharenschlacht am Svensksund im
Finnischen Meerbusen
vor
Kotka
wurde zu einer Katastrophe fur Russland, das zwischen 7.400 und 14.000 Mann sowie ein Drittel seiner Flotte verlor. Es war der großte militarische Erfolg in der Geschichte der
schwedischen Marine
. Kurz danach sandte
Alexander Besborodko
, der starke Mann der russischen Außenpolitik, Friedenssignale nach
Stockholm
.
Gegen Ende des Sommers 1790 erreichte auch in Schweden die
Kriegsmudigkeit
einen entscheidenden Punkt. Beide Seiten sahen keine Moglichkeit mehr, entscheidende Erfolge im Krieg zu verbuchen. Am 14. August 1790 unterzeichneten Schweden und Russland den
Frieden von Varala
. Er sah keine territorialen Veranderungen vor. Alle Kriegsgefangenen sollten bedingungslos freigelassen werden. Schweden erhielt einige kleine wirtschaftliche Vorteile im Handel mit russischen Hafen. Russland verzichtete auf eine Einmischung in die schwedische Innenpolitik.
Auf schwedischer Seite sollen wahrend des Krieges 21.000 Soldaten sowie 29.000 Zivilisten ums Leben gekommen sein. Die russischen Verluste sind unbekannt. Letztlich blieb der Krieg fur Russland wie fur Schweden weitgehend folgenlos. Das Engagement Katharinas II. richtete sich ohnehin hauptsachlich gegen das
Osmanische Reich
. Europa selbst war mehr mit den revolutionaren Bewegungen in
Polen
und
Frankreich
beschaftigt.
Gustav III. schloss 1791 sogar einen Freundschaftsvertrag mit Russland, um ? von
Preußen
und
Osterreich
unterstutzt ? einen abenteuerlichen Zug fur das monarchische Prinzip gegen die
Franzosische Revolution
zu unternehmen, was sich allerdings wegen innerschwedischer Widerstande nicht realisieren ließ. Er selbst wurde 1792 in der
Koniglichen Oper
von
Stockholm
ermordet.