Sir
Rudolph Ernst Peierls
(*
5. Juni
1907
in
Berlin
; †
19. September
1995
in
Oxford
) war ein
deutsch
-
britischer
Physiker
.
Peierls entstammt einer großburgerlichen assimilierten
judischen
Berliner Familie. Er studierte Physik an der
Friedrich-Wilhelms-Universitat
in Berlin, ab 1926 an der
Universitat Munchen
bei
Arnold Sommerfeld
und 1928 bei
Werner Heisenberg
in
Leipzig
, wo er mit der Schrift
Zur kinetischen Theorie der Warmeleitung
promoviert wurde.
[1]
1929 war er Assistent bei
Wolfgang Pauli
in
Zurich
. Hier und in Leipzig entstanden heute klassische Arbeiten von Peierls zur
Festkorperphysik
, teilweise in Zusammenarbeit mit
Felix Bloch
, der ebenfalls bei Heisenberg in Leipzig mitarbeitete.
Nach Abschluss des Studiums arbeitete Peierls zunachst auf verschiedenen Gebieten der Festkorperphysik und
Halbleiterphysik
, wobei er die neuen Ideen der sich entwickelnden
Quantenmechanik
auf diese Fragestellungen anwandte. Er beschrieb erstmals den
Umklappprozess
und veroffentlichte fundamentale Arbeiten uber das Verhalten von
Elektronen
in Metallen, wobei er auch die Loch-Leitung positiver Ladungstrager in Halbleitern entdeckte. Viele seiner damaligen Ideen flossen in den ?Festkorper-Kanon“ ein oder wurden sogar spater wiederentdeckt (wie die
Brillouin-Zone
). Zusammen mit
Niels Bohr
und
Georg Placzek
formulierte er 1939 das
optische Theorem
(Bohr-Peierls-Placzek-Theorem). Neben Kernreaktionen beschaftigten ihn auch andere Bereiche der
Kernphysik
wie kollektive Anregungen in Kernen und
Quantenfeldtheorie
.
Zum Zeitpunkt der
Machtergreifung
1933 befand er sich gerade als
Rockefeller-Stipendiat
in
Cambridge
und beschloss, angesichts der politischen Ereignisse nicht mehr nach Deutschland zuruckzukehren. Zunachst arbeitete er zusammen mit anderen Emigranten (u. a.
Hans Bethe
) unter
Lawrence Bragg
in Manchester
[2]
bei
James Chadwick
an Problemen aus der
statistischen Thermodynamik
von Legierungen. Er wurde dabei durch einen Hilfsfonds fur deutsche Fluchtlinge unterstutzt. Spater nahm er eine Stelle in Cambridge an und arbeitete uber
Supraleitung
,
Supraflussigkeiten
und an Problemen der Kernphysik. 1937 erhielt er eine Professur an der
Universitat Birmingham
, wo er im Laufe der folgenden Jahrzehnte eine eigene Schule der theoretischen Physik aufbaute.
Im Jahr 1940 beschrieb und benannte er die Spannung, die notwendig ist, um eine
Versetzung
zu bewegen, als
Peierls-Spannung
.
[3]
Besorgt uber die scheinbaren Fortschritte der Atomforschung in Deutschland und uber die Moglichkeit des Baus einer Atombombe in Hitlers Deutschland, verfasste er 1940 zusammen mit dem osterreichischen Emigranten
Otto Frisch
, einem Pionier der Kernspaltung, der ebenfalls in Birmingham arbeitete, das spater so genannte
Frisch-Peierls-Memorandum
, in dem eindringlich vor einem Atombombenbau im nationalsozialistischen Deutschland gewarnt und zur verstarkten Forschung in Hinsicht auf die Konstruktion einer britischen Atombombe aufgefordert wurde. Als kritische Masse fur eine Bombe aus Uran-235 gaben sie 1 kg an, weit unterhalb der sonst damals kursierenden Schatzungen. Sie zeigten damit insbesondere, dass der Bau einer Atombombe prinzipiell im Bereich des damals Moglichen lag. Uber den MAUD-Bericht gelangte ihr Memorandum auch 1941 in die USA, wo es Einfluss auf den Beginn des
Manhattan-Projekts
hatte, an dem Peierls ab 1943 mitarbeitete, nachdem er die
britische Staatsburgerschaft
erhalten hatte (von Arbeiten z. B. am kriegswichtigen britischen Radar war er wie Frisch zuvor ausgeschlossen gewesen, weil er kein britischer Staatsburger war). Dass er auch den spater als sowjetischen Spion enttarnten
Klaus Fuchs
mit zum Manhattan-Projekt brachte, machte ihn spater bei offiziellen Stellen in den USA verdachtig.
[4]
Nach dem Krieg war er wieder an der
Universitat Birmingham
und ab 1963 an der
Universitat Oxford
und war gleichzeitig Berater des britischen Atomprogramms in
Harwell
, setzte sich aber auch fruh fur Abrustung ein und war aktiv in der
Pugwash-Bewegung
. 1974 ging er in den Ruhestand, hielt aber noch drei Jahre Vorlesungen an der
University of Washington
.
Peierls war seit 1931 mit der russischen Physikerin Jewgenija Nikolajewna Kannegiesser (1908?1986), einer Cousine
Leonid Kannegiessers
, verheiratet und hatte mit ihr drei Tochter und einen Sohn. Er lernte seine Frau auf einer Konferenz 1930 in
Odessa
kennen und heiratete sie bei einem Aufenthalt in
Leningrad
ein Jahr spater.
1945 wurde er als Mitglied (?
Fellow
“) in die
Royal Society
gewahlt, die ihm 1959 die
Royal Medal
und 1986 die
Copley-Medaille
verlieh. 1946 wurde er mit als Commander of the
Order of the British Empire
ausgezeichnet, 1968 wurde er zum
Knight Bachelor
geschlagen.
[5]
1962 erhielt er die Lorentz-Medaille, 1963 die
Max-Planck-Medaille
und 1980 den
Enrico-Fermi-Preis
. 1962 wurde er in die
American Academy of Arts and Sciences
gewahlt, 1970 in die
National Academy of Sciences
, 1981 zum Mitglied der
Leopoldina
[6]
und 1984 zum auswartigen Mitglied der
Academie des sciences
.
- mit
Niels Bohr
,
George Placzek
:
Nuclear reactions in the continuous energy region
. In:
Nature
.
Band
144
, 29. Juli 1939,
S.
200?201
,
doi
:
10.1038/144200a0
.
- Recollections of Early Solid State Physics
. In:
Proceedings of the Royal Society of London. A. Mathematical and Physical Sciences
.
Band
371
,
Nr.
1744
, 6. Oktober 1980,
S.
28?38
,
doi
:
10.1098/rspa.1980.0053
.
- Bird of Passage: Recollections of a Physicist
. Princeton University Press, 1985,
ISBN 0-691-08390-8
.
- Atomic Histories
. American Institute of Physics, 1996,
ISBN 1-56396-243-8
.
- Quantum Theory of Solids
. Oxford, Clarendon Press 1955, 2004.
- The Laws of Nature
. Allen & Unwin, London 1955.
- Surprises in Theoretical Physics
. Princeton University Press, 1979.
- More Surprises in Theoretical Physics
. Princeton University Press, 1991.
- Selected Scientific Papers of Sir Rudolf Peierls
. World Scientific, 1996 (mit Kommentar, Herausgeber Dalitz).
- Selected private and scientific correspondence
. World Scientific, 2007
- ↑
Rudolf Peierls
im
Mathematics Genealogy Project
(englisch)
Vorlage:MathGenealogyProject/Wartung/id verwendet
- ↑
Oral-History-Interview mit Peierls 1989
- ↑
R Peierls:
The size of a dislocation
. In:
Proceedings of the Physical Society
.
Band
52
,
Nr.
1
, 1. Januar 1940,
ISSN
0959-5309
,
S.
34?37
,
doi
:
10.1088/0959-5309/52/1/305
(
iop.org
[abgerufen am 13. Januar 2021]).
- ↑
Das außerte sich z. B. in der verzogerten Erteilung von Visa fur die USA zum Besuch verschiedener Konferenzen (New York Times, Nachruf, 22. September 1995). Noch 1995 erschien im englischen ?Spectator“ ein Artikel, der ihn als sowjetischen Spion verdachtigte, was damals heftige Proteste bei Peierls Familie ausloste.
- ↑
Eintrag zu
Peierls; Sir; Rudolf Ernst (1907 - 1995)
im Archiv der
Royal Society
, London
- ↑
Mitgliedseintrag von
Rudolf Peierls
bei der
Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina
, abgerufen am 17. Januar 2016.