Rudolf Friedrich (2007)
Rudolf Heinrich Friedrich
(*
4. Juli
1923
in
Winterthur
; †
15. Oktober
2013
ebenda) war ein
Schweizer
Politiker
(
FDP
). Als
Bundesrat
war er Justizminister.
Sein Vater Jean Jacques Henri Friedrich war Kinderarzt, seine Mutter Ida Fanny Sulzer stammte aus beruhmten Winterthurer Familien (Sulzer, Forrer)
[1]
. Rudolf Friedrich studierte und
promovierte
an der
Universitat Zurich
in Staats- und Wirtschaftswissenschaft. Er absolvierte die militarischen Schulen und wurde Mitglied der
Offiziersgesellschaft
[2]
seiner Heimatstadt Winterthur. Wahrend der Kriegsjahre leistete er Aktivdienst im
Gebirgsarmeekorps
. Nach mehrjahriger Tatigkeit an Gerichten, in der Wirtschaft und der Advokatur eroffnete er 1957 ein eigenes Anwaltsburo in Winterthur. Er engagierte sich fruh in der
Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP)
, die er als Winterthurer
Gemeinderat
(1962?1975),
Zurcher
Kantonsrat
(1967?1977) und
Nationalrat
(1975?1982) mit grosser politischer Leidenschaft vertrat. Bis zu seiner Wahl ins
Bundesparlament
prasidierte er die FDP des Kantons Zurich. Friedrich war Prasident der Militarkommission des Nationalrates und interessierte sich besonders fur aussen- und sicherheitspolitische Themen. Er befurwortete eine starke
Landesverteidigung
als Garant der schweizerischen
Neutralitat
und Unabhangigkeit und warnte vor
totalitaren
Gefahrdungen der Schweiz.
[3]
Bundesrat Rudolf Friedrich
Rudolf Friedrich wurde am 8. Dezember 1982 im ersten Wahlgang in den
Bundesrat
gewahlt. Wahrend seiner Amtszeit stand er dem
Eidgenossischen Justiz- und Polizeidepartement
vor. Mit seinem Namen verbindet sich ein Gesetz, die so genannte ≪
Lex Friedrich
≫, welche den Kauf von Boden in der Schweiz fur Auslander beschrankte ? sie wurde eine langlebige Konsenslosung zwischen gegensatzlichen Interessen. In der Fluchtlingspolitik traf er Massnahmen gegen den Missbrauch des
Asylgesetzes
, welches politisch verfolgten Menschen Schutz der Schweiz zusichert. Die Verfahrensablaufe der Asylentscheide wurden vereinfacht, um die wachsenden Pendenzen zu verringern. Friedrich mass der menschlichen Dimension der Problematik grosse Bedeutung bei und beschaftigte sich auch personlich mit Hartefallen. Weitere Schwerpunkte seiner Tatigkeit bildeten unter anderen die Revision des Eherechtes und die Foderalismusreform. 1983 liess er die Berner Buros der
sowjetischen
Presseagentur
Nowosti
schliessen, da sich diese u. a. durch die
Friedensbewegung
in politischer
Subversion
und
Spionage
betatigte.
[4]
Am 7. August 1984 wurde ein Sprengstoffanschlag gegen sein Haus verubt; niemand wurde verletzt. Der Anschlag fuhrte zu einer Verhaftungswelle in der Winterthurer Jugendszene (vgl.
Winterthurer Ereignisse
).
Bundesrat Rudolf Friedrich gab am 29. August 1984 seinen Rucktritt per 20. Oktober 1984 infolge gesundheitlicher Probleme bekannt.
- 1982: Wahl in den Bundesrat mit 130 Stimmen (absolutes Mehr: 123 Stimmen)
- 1983: Wiederwahl als Bundesrat mit 175 Stimmen (absolutes Mehr: 112 Stimmen)
Gemalde von Henri Schmid
Friedrich blieb auch als alt Bundesrat politisch aktiv. Er war 1986 Mitbegrunder der
Schweizerischen Helsinki-Vereinigung
,
[5]
die er 1987?2003 prasidierte und in deren Prasidium er bis zu seinem Tod Mitglied war. Er engagierte sich fur einen
UNO
-Beitritt (1.
Volksabstimmung
1986) und
EWR
-Beitritt (
Volksabstimmung 1992
) der Schweiz. Er befurwortete stets eine starkere Mitwirkung der Schweiz am Aufbau eines stabilen, prosperierenden und friedlichen Kontinents, da die Schweiz nach seiner Ansicht davon existentiell abhangig ist.
[6]
Er blieb kritischer Begleiter der aktuellen Innen- und Aussenpolitik, ein vehementer Verteidiger der Freiheit und der freien Meinungsbildung.
[7]
Anlasslich des 75. Geburtstages von Rudolf Friedrich gab die Offiziersgesellschaft Winterthur zu seinen Ehren eine
Festschrift
heraus.
[8]
Er war Mitglied des
Initiativ
komitees der 2. Volksabstimmung fur den UNO-Beitritt (2002), der er zum Erfolg half.
[9]
Friedrich beteiligte sich weiterhin an einigen Aktivitaten der FDP und gab personliches Beispiel fur den Zusammenhalt der Generationen.
[10]
Er war 2003 Mitautor und Erstunterzeichner eines
Manifestes
fur die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der
EU
und begleitete mit Skepsis den
bilateralen
Weg der Schweiz.
[11]
Ebenso Erstunterzeichner war Friedrich bei der Steuerinitiative ≪
Easy Swiss Tax
≫ der FDP des Kantons Zurich.
[12]
Er befurwortete eine Regierungsreform der Schweiz und schlug einen Bundesrat mit acht Mitgliedern sowie einen Bundesprasidenten mit langerer Amtszeit und grosseren Kompetenzen vor. Anlasslich der Wahlen 2007 pladierte er fur eine starkere Kollegialitat im Bundesrat, welche das Landesinteresse vor Parteiinteressen stellt.
[13]
Fur die FDP-Parlamentarier wunschte er mehr Geschlossenheit statt Eigenprofilierung.
[14]
Aus einem
Legat
, das Friedrich 1998 seiner Heimatstadt fur kulturelle und soziale Zwecke gab, grundete die Stadt Winterthur den
Dr. Rudolf Friedrich-
Fonds
. Ausserdem war er langjahriges Vorstandsmitglied der
Schweizer Patenschaft fur Berggemeinden
[15]
und war bis 1996 Stiftungsratsprasident, danach Ehrenprasident von
Pro Juventute
. Wahrend des ganzen Bestehens (1993?2007) der
Arbeitsgemeinschaft fur eine offene Schweiz
(
AGOS
, welche in die
Schweizerische Gesellschaft fur Aussenpolitik
[16]
integriert wurde) gehorte er zu deren Patronatskomitee. Er war Patronatskomitee-Mitglied sowohl der
Stiftung
Technorama der Schweiz
als auch der
Schweizerischen Pfadistiftung
und Ehrenmitglied des Stiftungsrates der
Stiftung Terrafina Oberengadin.
[17]
Als Ehrung des
Magistraten
wurde ein Lindenbaum im Park Baumli von Winterthur ≪Bundesrat Rudolf Friedrich-Linde≫ benannt.
Rudolf Friedrich ausserte sich haufig in verschiedenen Zeitungen, u. a. in der
Neuen Zurcher Zeitung
, deren Verwaltungsrat er lange Zeit angehorte. Er beteiligte sich aktiv an Veranstaltungen und Diskussionen uber die aktuelle Innen- und Aussenpolitik der Schweiz.
- ≪Eine Stiftung ist eine Fiktion, sie hat kein Bewusstsein.≫ (Pressekonferenz 1986 zum Skandal um das
Hilfswerk
Kinder der Landstrasse
der Pro Juventute
[18]
)
- ≪Es ist wichtig, fur die hier anwesenden Fluchtlinge Verstandnis zu wecken und der Verallgemeinerung negativer Vorfalle mit Asylbewerbern entgegenzutreten. Verstandnis entsteht, wenn wir Einblick erhalten in personliche Schicksale und menschliche Not. Verstandnis ist dann der erste Schritt zur Begegnung und zur Hilfe.≫ (Grussworte zum Schweizer Fluchtlingstag 1999)
- ↑
Familienbaum
(
Memento
vom 9. Mai 2008 im
Internet Archive
) bis
Karl der Grosse
- ↑
Offiziersgesellschaft Winterthur
, Website
- ↑
Rudolf Friedrich:
Fur eine freiheitliche Politik ? personliche Erinnerungen an die Zeit der Ost-West Konfrontation und deren Uberwindung
, Kolloquium am Archiv fur Zeitgeschichte der
ETH Zurich
, 7. April 1999 ? Manuskript und Tonaufzeichnung des Kolloquiums werden im Archiv fur Zeitgeschichte aufbewahrt.
- ↑
Methodische Analogie:
Stasi-IM ≪Helfried≫
,
Der Spiegel
, Nr. 49/2000
- ↑
Schweizerische Helsinki-Vereinigung
, Website
- ↑
Basisarbeit fur eine zweite Europa-Abstimmung ? Start der Arbeitsgemeinschaft fur eine offene Schweiz
In:
Neue Zurcher Zeitung
.
13. Oktober 1993
- ↑
Rudolf Friedrich:
Die Monopolmedien ? Ein Problem fur die Demokratie
. In
Jeanne Hersch
(Hrsg.):
Rechtsstaat im Zwielicht ?
Elisabeth Kopps
Rucktritt.
Verlag Peter Meili, Schaffhausen 1991,
ISBN 3-85805-153-5
.
- ↑
Dieter Klay, Ulrich Zoelly (Hrsg.):
Sicherheit ? auf den Punkt gebracht. Festschrift zum 75. Geburtstag von alt Bundesrat Rudolf Friedrich.
Verlag NZZ, Zurich 1998,
ISBN 3-85823-747-7
.
- ↑
Rudolf Friedrich:
UNO: Basis der Terrorismus-Bekampfung.
Freisinniger Pressedienst, 13. Dezember 2001.
- ↑
≪Golden Age ? Alt und Jung gemeinsam stark≫
(
Memento
vom 24. September 2015 im
Internet Archive
) (PDF; 271 kB)
, Medienkonferenz der FDP Schweiz, 18. August 2003.
- ↑
Rudolf Friedrich:
Das Notwendige moglich machen
(
Memento
vom 20. Juli 2007 im
Internet Archive
) (PDF; 66 kB)
In Jurg Altwegg (Hrsg.):
Helvetia im Außendienst.
Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, Munchen, Wien, 2004,
ISBN 3-312-00349-0
.
- ↑
Die FDP steigt mit drei Initiativen in den Wahlkampf
In:
Neue Zurcher Zeitung
.
30. Oktober 2006
- ↑
Rudolf Friedrich:
Wohin treibt der Bundesrat?
In:
Neue Zurcher Zeitung
.
4. Oktober 2007.
- ↑
≪Einzelpropaganda uberbordet≫
In:
Der Landbote
.
24. Oktober 2007.
- ↑
Patenschaft fur Berggemeinden
.
- ↑
Schweizerische Gesellschaft fur Aussenpolitik
(
Memento
vom 7. Oktober 2008 im
Internet Archive
).
- ↑
Stiftung Terrafina Oberengadin
.
- ↑
Sigrid Weigel, Birgit R. Erdle:
Funfzig Jahre danach: zur Nachgeschichte des Nationalsozialismus
, vdf Hochschulverlag AG, Zurich 1995, S. 473 (
Online
in der Google-Buchsuche)