Rote Liste gefahrdeter Arten

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Die Rote Liste gefahrdeter Arten , auch nur Rote Liste oder im Original Red Data Book genannt, ist die von der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) veroffentlichten Listen weltweit vom Aussterben gefahrdeter Tier- und Pflanzenarten . Sowohl von der IUCN als auch von anderen internationalen Organisationen, Staaten, politischen Gliederungen wie Bundeslandern oder von Naturschutzverbanden werden ahnliche Listen mit geographischer oder taxonomischer Beschrankung veroffentlicht, die ebenfalls Rote Liste genannt werden. Heute gibt es neben Roten Listen gefahrdeter Arten auch solche gefahrdeter Biotoptypen .

Rote Listen gelten als wissenschaftliche Fachgutachten zum Aussterberisiko von Arten, die Gesetzgebern und Behorden als Grundlage fur ihr Handeln in Bezug auf den Arten- , Natur- und Umweltschutz dienen sollen. Nur in wenigen Staaten, so in der Schweiz, sind sie rechtswirksam.

Nationale und regionale Listen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Von Staaten oder Bundeslandern fur ihr Gebiet herausgegebene Rote Listen haben einen regionalen Bezug und dadurch eine andere Bedeutung als die internationalen Roten Listen der IUCN. Sie konnen auf geografische Besonderheiten eingehen und ermoglichen dem Artenschutz vor Ort eine umfassendere Darstellung.

In Deutschland werden die nationalen Roten Listen vom Bundesamt fur Naturschutz in Bonn herausgegeben. Aktuell ist die seit 2009 erscheinende und auf sechs Bande angelegte Rote Liste gefahrdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands . Die Rote Liste der Brutvogel Deutschlands wird vom Nationalen Gremium Rote Liste Vogel im Auftrag des Deutschen Rats fur Vogelschutz herausgegeben. Sie liegt in der funften Fassung vom 30. November 2015 vor. [1] Alle Bundeslander veroffentlichen eigene Rote Listen, sie werden von den fur Umwelt- und Naturschutz zustandigen Ministerien oder Landesbehorden herausgegeben. Nach dem Grundsatz ?Gefahrdung heißt nicht Schutz“ haben die Roten Listen in Deutschland lediglich den Status von Sachverstandigengutachten, sie dienen dem Gesetzgeber und den Behorden als Informationsquelle. [2]

In Osterreich werden die nationalen Roten Listen vom Umweltbundesamt herausgegeben. Mehrere osterreichische Bundeslander veroffentlichen regionale Rote Listen.

In der Schweiz veroffentlicht das Bundesamt fur Umwelt (BAFU) die nationalen Roten Listen. Hier sind die Roten Listen seit 1991 nach Artikel 14 Absatz 3 der Bundesverordnung uber den Natur- und Heimatschutz ein rechtswirksames Instrument des Natur- und Landschaftsschutzes: ?Biotope werden als schutzenswert bezeichnet aufgrund (…) der gefahrdeten und seltenen Pflanzen- und Tierarten, die in den vom BAFU erlassenen oder anerkannten Roten Listen aufgefuhrt sind“. [3]

Eine standig zunehmende Zahl weiterer Staaten veroffentlicht nationale Rote Listen. Daneben gibt es auch Rote Listen zwischenstaatlicher Organisationen wie der Europaischen Union [4] und der HELCOM . Die IUCN veroffentlichte bislang mehrere regional begrenzte Listen wie beispielsweise zur Sußwasserfauna Ostafrikas.

Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

IUCN [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die ersten als Red Data Book bezeichneten Publikationen der IUCN erschienen 1966. Es gab zwei Bande, einen fur Saugetiere, herausgegeben von Noel Simon , [5] und einen fur Vogel, herausgegeben von Jack Vincent . [6] Beide Bande waren im Schuber gelieferte Loseblatt-Sammlungen. [7] Dieses Werk hatte verschiedene Vorlaufer, deren Geschichte etwas unklar ist. Die Idee wird allgemein dem britischen Ornithologen und Naturschutzer Peter Markham Scott zugeschrieben, damals Chairman der IUCN Survival Service Commission. Dieser initiierte eine zuerst 1962, ebenfalls noch als Loseblatt-Serie konzipierte Sammlung Animals and plants threatened with extinction [8] , wie die spateren Editionen bereits in einem roten Einband, aber noch nicht danach benannt. Sie ging zuruck auf altere Sammlungen, die aber wohl zum internen Gebrauch bestimmt waren und nie publiziert wurden. Diese erste Zusammenstellung enthielt zunachst fast ausschließlich Datenblatter zu Saugetierarten. [9] Der Name Red Data Book geht auf den Versicherungskatalog fur vermisste Schiffe der Londoner Versicherung Lloyds zuruck. Die erste Version enthielt detaillierte Beschreibungen von 211 Saugetierarten und 312 Vogelarten. In der 2. Version, die von 1966 bis 1971 erschien, wurden 528 Saugetierarten, 628 Vogelarten, 119 Reptilienarten und 34 Amphibienarten klassifiziert. Außerdem wurde erstmals die Einteilung in vier verschiedene Gefahrdungskategorien vorgenommen. Die 3. Auflage erschien 1972. Die 4. Auflage erschien 1981 und enthielt 305 Saugetier-, 258 Vogel-, 90 Reptilien-, 40 Amphibien- und erstmals 193 Fischarten. Ab der 5. Auflage 1982 wurden gesonderte Listen fur einzelne Tiergruppen erstellt (z. B. Primaten und Schmetterlinge). Ab der 6. Auflage 1988 wurden die Artbeschreibungen aus der Liste gestrichen. Weitere Ausgaben sind 1990, 1992, 1994 und 1996 erschienen. 1992 wurde die heute gultige Einteilung der Arten in acht Kategorien eingefuhrt (EX, EW, CR, EN, VU, NT, LC, DD). 1994 wurden erstmals Wirbellose eingestuft: 1.205 Weichtierarten und 1.184 Insektenarten. [10]

Die letzte Ausgabe in Buchform erschien 1996 und enthielt 5.205 Arten, davon 1.891 wirbellose Arten. Außerdem wurde erstmals die Kategorie EX aufgefuhrt. [11]

Die erste Onlineausgabe (nur Tiere) erschien im Jahr 1996; 1998 wurden auch erstmals Pflanzen aufgenommen. 2000 erschien die erste Rote Liste, die Pflanzen und Tiere enthielt.

Die 2007 veroffentlichte Ausgabe der IUCN enthielt 16.308 bedrohte Arten.

Ein besonderer Schwerpunkt bei der Prasentation der Roten Liste 2008 der IUCN wurde auf die Saugetiere gelegt. In der ersten umfassenden Studie dieser Art nach uber zehn Jahren (an ihr waren 1.800 Wissenschaftler aus 130 Landern beteiligt) galten mindestens 1.141 von 5.488 Saugetierarten (21 Prozent) als ?bedroht“ (Kategorien CR, EN oder VU).

Die folgende Tabelle zeigt exemplarisch, wie viel Prozent der derzeit untersuchten Arten einer Gruppe die IUCN als bedroht oder ausgestorben einstuft (Stand: Dezember 2023): [12] [13]

Bedrohte Arten weltweit (Stand: Dezember 2023)
Gruppe Anzahl der
untersuchten
Arten
davon bedroht
(Kategorien
CR, EN oder VU)
davon ausgestorben
oder in der Wildnis ausgestorben
(Kategorien EX oder EW)
Vogel 11.797 13,0 % 1,5 %
Saugetiere 6.847 29,0 % 1,6 %
Reptilien 10.401 18,3 % 0,3 %
Amphibien 8.031 35,8 % 0,5 %
Fische 29.564 12,4 % 0,4 %
Schleimaale 84 0 10,7 % 0 %
Weichtiere 9.902 25,4 % 3,3 %
Nesseltiere 978 0 0 2,9 % 0 %
Stachelhauter 373 0 4,5 % 0 %
Krebstiere 3.169 22,7 % 0,3 %
Insekten 12.568 25,9 % 2,1 %
Korallen 841 0 30,1 % 0 %
Spinnentiere 591 0 45,3 % 1,5 %
Pfeilschwanzkrebse 4 0 50,0 % 0 %
Stummelfußer 11 0 81,8 % 0 %
Ringelwurmer 359 0 10,0 % 0,55 %
Schnurwurmer 6 0 50,0 % 16,7 %
Plattwurmer 2 0 0 % 50,0 %
Schwamme 24 0 0 % 0 %
Gefaßpflanzen 66.113 39,5 % 0,25 %
Palmfarne 347 0 68,6 % 1,4 %
Koniferen 614 0 33,5 % 0 %
Moose 327 0 55,4 % 1,2 %
Pilze 786 0 41,1 % 0 %
Flechten 781 0 40,7 % 0 %
Algen 113 0 13,3 % 0,9 %
Chromista 18 0 33,3 % 0 %

Es wurden bis dahin offiziell 171.918 Tierarten und Pflanzenarten untersucht.

Feldhamster

Vier der obigen Gruppen ( taxonomische Klassen Amphibien, Saugetiere, Vogel und Knorpelfische ) sind zugleich die einzigen, deren Bedrohungsstatus auf der Evaluierung von zumindest drei Viertel der bekannten Arten beruht. Es ist daher anzunehmen, dass in anderen, weniger umfassend untersuchten Gruppen von Tierarten oder Pflanzenarten (zum Beispiel Wirbellose , Baum oder Graser ) weit mehr Arten bereits ausgestorben sind, als bisher bekannt ist, und viele Arten aussterben, bevor sie entdeckt werden.

Von den Saugetieren haben mittlerweile 6.387 Arten einen eigenen IUCN-Gefahrdungsstatus (Stand: IUCN Red List 2023-1): 86 Arten gelten als ausgestorben ( Extinct ), 1 Art gilt als in der Wildnis ausgestorben ( Extinct In The Wild ), leben also nur noch in Gefangenschaft (der Davidshirsch . 325 Arten halten die Forscher dabei fur akut vom Aussterben bedroht ( Critically Endangered ), so beispielsweise den Feldhamster , von dem behauptet wird, dass der Bestand pro Jahr um 50 Prozent zuruckgeht, was zu einem Aussterben bis 2050 fuhren wird, wenn sich nichts andert. [14] Die Zahl der tatsachlich bedrohten Saugetier-Spezies konnte sogar noch hoher sein, da zu 846 weiteren Arten nicht genugend Informationen vorliegen ( Data Deficient ). Damit ware es moglich, dass bis zu 38 Prozent aller von der IUCN beschriebenen Arten von Saugetieren bedroht sind.

Die Roten Listen der IUCN werden in unregelmaßigen Abstanden, mindestens aber zweimal jahrlich, aktualisiert und fortgeschrieben. Die zum jeweiligen Zeitpunkt aktuelle Rote Liste ist uber die Website der IUCN abrufbar. [15]

Entwicklung in Deutschland [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Erste kommentierte Verzeichnisse gefahrdeter Pflanzen- und Vogelarten wurden in Deutschland 1951, [16] 1966 [17] und 1967 [18] veroffentlicht. Sie enthielten Schutzanweisungen und konnen als Vorlaufer der Roten Listen angesehen werden.

1971 wurde die erste als solche bezeichnete Rote Liste in Deutschland veroffentlicht: Es handelte sich um eine Liste der Deutschen Sektion des Internationalen Rates fur Vogelschutz . [19] 1974 erschien die erste Rote Liste der Blutenpflanzen. [20] 1977 wurde die erste Rote Liste der Tiere und Pflanzen der Bundesrepublik als Sammelwerk publiziert. [21]

Die Roten Listen Deutschlands nutzten seit den 1970er Jahren weitgehend die Gefahrdungskriterien der IUCN. Seit 1986 wurde wiederholt daruber diskutiert, das verwendete Kriteriensystem anzupassen. Es sollte nicht nur das aktuelle Aussterberisiko einer Art im Sinne einer Zustandsbeschreibung aufgezeigt werden, sondern auf Artebene eine umfassende Gefahrdungsanalyse unter Einschluss langfristiger Entwicklungen vorgenommen werden. Die Weiterentwicklung der bei der Erstellung Roter Listen angewandten Methodik fuhrte seit den 1990er Jahren dazu, dass sich die Roten Listen Deutschlands von jenen der IUCN in weit starkerem Maß unterscheiden, als dies die unterschiedlichen Bezeichnungen der Gefahrdungskategorien ausdrucken.

In den Jahren 1996 (Pflanzen) und 1998 (Tiere) wurden die beiden letzten bundesweiten Roten Listen in jeweils einem Band herausgegeben, sie sind teilweise noch gultig. Die Liste der Pflanzen umfasste erstmals im Sinne eines Inventars alle vorkommenden Arten, unabhangig von ihrem Gefahrdungsstatus.

Die ab 2009 herausgegebene achtbandige Rote Liste gefahrdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands ist auch fur alle Artengruppen der Tiere und Pilze ein umfassendes Artenverzeichnis. Es wurden erstmals uber alle Organismengruppen hinweg einheitliche Gefahrdungskriterien angewendet, die sich deutlich von jenen der IUCN unterscheiden. Auf Artebene werden erstmals kurzfristige Bestandstrends als Hilfe fur die Beurteilung von Maßnahmen des Artenschutzes , die Verantwortung Deutschlands fur den Schutz in globalem oder europaischem Maßstab, die letzten Nachweise ausgestorbener oder verschollener Arten, und ihr Status als Neobiota dargestellt. Daruber hinaus sind fur viele Arten auch Angaben zum Gefahrdungsstatus in den Bundeslandern und den naturraumlichen Großregionen enthalten. Mehrere Artengruppen, so die Raubfliegen , Hundertfußer , Tausendfußer , Asseln und Regenwurmer , wurden erstmals bewertet.

Heute wird in Deutschland sowohl fur die nationalen Roten Listen als auch fur die der Bundeslander ein Erscheinen im Abstand von etwa zehn Jahren, fur Brutvogel von funf Jahren angestrebt. [2] Eine Aufstellung der jeweils aktuellen nationalen Roten Liste findet sich auf der Website des Bundesamts fur Naturschutz. [22]

Entwicklung in der Schweiz [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die erste Rote Liste der Schweiz erschien 1977 mit der Roten Liste der Vogel. 1982 wurden neben einer Revision dieser Liste auch Rote Listen der Amphibien und Reptilien und der Gefaßpflanzen veroffentlicht. Bis 1990 folgten Listen der Segetal- und Ruderalpflanzen , der Schnaken , Tagfalter, Libellen und Fische und Rundmauler . Alle diese Listen wurden von Fachleuten erarbeitet und als Broschuren oder wissenschaftliche Publikationen veroffentlicht.

Offizielle Anerkennung erlangten die Roten Listen Ende der 1980er Jahre mit der Grundung des Bundesamtes fur Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), einem Vorlaufer des heutigen Bundesamts fur Umwelt (BAFU) , und 1991 mit dem neuen Biotopschutzartikel der Natur- und Heimatschutzverordnung, der Biotope wegen ihrer in den Roten Listen aufgefuhrten Arten als schutzenswert charakterisiert. Unter diesen neuen Rahmenbedingungen wurde 1991 vom Bundesamt eine Rote Liste der Farne und Blutenpflanzen veroffentlicht. 1994 folgte ein Sammelband mit elf Roten Listen, die 2.400 Wirbellose und 376 Wirbeltierarten erfasste.

Seit 1999 ist die Erstellung der Roten Listen der Schweiz im Rote-Listen-Programm des Bundesamts fur Umwelt (BAFU) zusammengefasst, und seit 2000 werden einheitlich die Kriterien der IUCN angewendet. Damit wurde, ohne die Qualitat fruher erschienener Listen in Frage zu stellen, eine Vergleichbarkeit der Roten Listen fur verschiedene Staaten oder Organismengruppen angestrebt.

Bis zum Jahr 2010 wurden von den 45.890 bekannten Arten der Schweiz 10.350 fur die Roten Listen bewertet, davon wurden 3.741 als gefahrdet oder regional ausgestorben eingestuft, das sind 36 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt lagen 27 Rote Listen vor, neben allen Klassen der Wirbeltiere wurden 15 Gruppen wirbelloser Tiere, Gefaßpflanzen, Moose , Armleuchteralgen, Großpilze, Baumflechten und Bodenflechten beurteilt.

Im Unterschied zu Deutschland und Osterreich wurden in der Schweiz nur wenige kantonale oder regionale Rote Listen erstellt, so 1983 fur das Aletschgebiet und 1986 fur den Kanton Aargau. Bis 2010 wurden fur die Kantone Basel-Stadt, Basel-Land, Waadt, Genf, Aargau, Schaffhausen und Zurich eine oder mehrere Rote Listen veroffentlicht. Die Grunde fur den weitgehenden Verzicht auf regionale Rote Listen war zunachst die geringe Große des Landes und die Berucksichtigung der Regionen in den ersten nationalen Roten Listen. Heute gilt die Tatsache, dass die Gefahrdungskriterien der IUCN an großere raumliche Einheiten angepasst sind, als wesentlicher Grund.

In Anlehnung an die Roten Listen wurde in der Schweiz seit 1998 auch eine Blaue Liste der erfolgreich erhaltenen oder geforderten Tier- und Pflanzenarten mit geforderten und von der Roten Liste entfernten Arten angestrebt, die einzige im Rahmen eines Pilotprojekts erarbeitete und veroffentlichte Blaue Liste umfasste die Kantone Aargau, Schaffhausen und Zurich. Die Zielrichtung bestand darin zu zeigen, dass sich die Forderung der Biodiversitat lohnt und Erfolge erzielt werden konnen. Das Konzept selbstandiger Blauer Listen hat sich nicht durchgesetzt, der Grundgedanke wird jedoch durch Hinweise auf Entwicklungen gegenuber fruheren Ausgaben in die Roten Listen integriert. [3]

Biotoptypen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Zu den wichtigsten und rechtsverbindlichen Listen der europaweit bedrohten Biotoptypen gehoren die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (kurz FFH-Richtlinie) und die Vogelschutzrichtlinie der EU, deren Intention neben dem klassischen Artenschutz primar der Schutz der Biotope ist. Dabei sind zum einen die Biotope, welche die Habitate der Arten der FFH- und Vogelschutzrichtlinie bilden, zu schutzen und zum anderen die in Anhang I der FFH-Richtlinie gelisteten Biotoptypen ? in der deutschen Version der Richtlinie als Lebensraumtypen bezeichnet ? als solche, unabhangig vom Schutz der Arten, die mit dem jeweiligen Biotoptyp verbunden sind.

Fur Deutschland gibt das Bundesamt fur Naturschutz eine Rote Liste der gefahrdeten Biotoptypen heraus. [23] Nur mehr ein Viertel (25,1 %) der Biotoptypen konnen in Deutschland als ungefahrdet angesehen werden. Dem stehen 72,2 % gefahrdete Biotoptypen gegenuber, wobei 48,4 % als stark gefahrdet oder von vollstandiger Vernichtung bedroht eingestuft werden mussten. [24]

Neben der deutschlandweiten Gefahrdungseinstufung haben auch einzelne Bundeslander Rote Listen der Biotoptypen aufgelegt, beispielsweise Baden-Wurttemberg [25] oder Sachsen-Anhalt. [26]

In Osterreich wird vom Umweltbundesamt die ?Rote Liste Biotoptypen in Osterreich“ herausgegeben. Die jungste Ausgabe erschien im Dezember 2015 und stellt dabei fur die zuordenbaren Biotoptypen einen Bezug zu den Lebensraumtypen der europaischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie her. [27] Neben der osterreichweiten Gefahrdungseinstufung haben auch einzelne Bundeslander Rote Listen der Biotoptypen aufgelegt, beispielsweise Karnten bereits 1998 [28] mit Aktualisierung im Jahr 2012. [29]

Gefahrdungskategorien [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Seit der zweiten Ausgabe des Red Data Book der IUCN von 1966 wurde der Gefahrdungsgrad einzelner Arten durch deren Einordnung in verschiedene Gefahrdungskategorien dargestellt. Die ersten nationalen oder regionalen Roten Listen verwendeten meist eigene Kategorien, wodurch die Vergleichbarkeit weder zwischen verschiedenen Staaten oder Regionen noch zwischen verschiedenen taxonomischen Gruppen gegeben war. Mittlerweile wird vielfach eine Vereinheitlichung der Gefahrdungskategorien angestrebt, so werden die Kategorien der IUCN in vielen nationalen Roten Listen verwendet, und die Roten Listen Deutschlands und der deutschen Bundeslander verwenden ein einheitliches Kategoriensystem. Das langfristige Beibehalten einmal eingefuhrter Kategorien vereinfacht den Vergleich ermittelter Gefahrdungsgrade uber lange Zeitraume.

IUCN [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Roten Listen der IUCN basieren auf der wissenschaftlichen Beurteilung durch Experten fur die jeweiligen Artengruppen. Hierbei wird mit Hilfe quantitativer Kriterien die Wahrscheinlichkeit, dass eine Art (oder ein untergeordnetes Taxon wie zum Beispiel eine Unterart ) in naher Zukunft aussterben wird, beurteilt. Die Einstufung erfolgte zunachst rein qualitativ. Seit 1994 ist ein formalisiertes Bewertungsverfahren eingefuhrt worden, dessen Fortschreibung, die Version 3.1 aus dem Jahr 2001, allen neueren Bewertungen zugrunde liegt. In einigen Gruppen beruht die gegenwartige Einstufung aber noch auf den alteren Kriterien von 1994, wenn diese noch nicht wieder einer erneuten Bewertung unterzogen wurden. [30]

Hierzu wird die Gefahrdung nach mindestens einem der folgenden Kriterien bewertet: [31]

  • Die Populationsentwicklung uber die letzten drei Generationen (oder die letzten zehn Jahre, je nachdem welcher Wert langer ist).
  • Die Große des Verbreitungsgebiets der Art in Kombination mit der Frage, ob der Bestand der Art rucklaufig ist, die Population stark fragmentiert ist und/oder stark schwankt.
  • Die absolute Populationsgroße der Art in Kombination mit einem kontinuierlichen Ruckgang.
  • Bei sehr kleinen Populationen auch ausschließlich die Populationsgroße.
  • Eine quantitative Gefahrdungsanalyse.

Je nach Auspragung dieser Kriterien wird der Gefahrdungsgrad basierend auf Schwellenwerten ermittelt. So fuhrt zum Beispiel eine geringere Große der Population, ein kleineres Verbreitungsgebietes oder ein starkerer Ruckgang der Populationsgroße zur Einordnung einer beurteilten Art in eine hohere Gefahrdungskategorie. Dabei reicht jeweils eines der Kriterien aus (oder-Verknupfung). Erfullt eine Art die Grenzwerte mehrere Kriterien, so wird dasjenige herangezogen, nachdem die Art die hochste Gefahrdungskategorie hat.

Die Gefahrdungskategorien der IUCN seit 2001

Die IUCN verwendet die nebenstehenden Kategorien, die auch in den nationalen Roten Listen der Schweiz, skandinavischer Staaten, der USA und weiterer Lander angewendet werden. [31] [32] Bei ungefahr 5 Prozent aller beschriebenen Arten wurde bisher der Gefahrdungsstatus vom IUCN ermittelt. Besonders gut untersucht sind Wirbeltiere, vor allem Vogel , Saugetiere , Amphibien und Knorpelfische , aber auch Zikaden , Koniferen und Hummer . Sehr schlecht untersucht sind bislang die Pilze , von denen nur 160 Arten beurteilt wurden (Stand: 2019). Es gibt also Artgruppen in der Roten Liste, welche deutlich unterreprasentiert sind. [33]

  • Extinct (EX) : ausgestorben (nach dem Jahr 1500 [34] t), es gibt auf der Welt kein lebendes Individuum mehr
  • Extinct in the Wild (EW) : in der Natur ausgestorben, es gibt lediglich Individuen in Kultur, in Gefangenschaft oder in eingeburgerten Populationen außerhalb des naturlichen Verbreitungsgebietes
  • Regionally Extinct (RE) : regional ausgestorben, in nationalen und regionalen Roten Listen die Entsprechung von ?in der Natur ausgestorben“
  • Critically Endangered (CR) : vom Aussterben bedroht, extrem hohes Risiko des Aussterbens in der Natur in unmittelbarer Zukunft
  • Endangered (EN) : stark gefahrdet, sehr hohes Risiko des Aussterbens in der Natur in unmittelbarer Zukunft
  • Vulnerable (VU) : gefahrdet, hohes Risiko des Aussterbens in der Natur in unmittelbarer Zukunft
  • Near Threatened (NT) : potenziell gefahrdet, die Beurteilung fuhrte nicht zur Einstufung in die Kategorien vom Aussterben bedroht, stark gefahrdet oder gefahrdet, die Schwellenwerte wurden jedoch nur knapp unterschritten oder werden wahrscheinlich in naher Zukunft uberschritten
  • Least Concern (LC) : nicht gefahrdet, die Beurteilung fuhrte nicht zur Einstufung in die genannten Kategorien
  • Data Deficient (DD) : ungenugende Datengrundlage, die vorhandenen Informationen reichen nicht fur eine Beurteilung des Aussterberisikos aus
  • Not Evaluated (NE) : nicht beurteilt, die Art existiert, es wurde jedoch keine Beurteilung durchgefuhrt, zum Beispiel bei invasiven Arten [32]

Die Kategorien ?vom Aussterben bedroht“ (critically endangered) , ?stark gefahrdet“ (endangered) und ?gefahrdet“ (vulnerable) konnen zusammengefasst werden, um die Zahl der ?gefahrdeten“ Arten anzugeben (threatened). [31]

Deutschland [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Kategorisierung des BfN zur Erstellung einer Roten Liste fur Gebiete in Deutschland [35]

Die Gefahrdung von Arten wird durch die Einstufung in die vom Bundesamt fur Naturschutz (BfN) entwickelten Rote-Liste-Kategorien wiedergegeben. Dabei bedeuten:

0  ausgestorben oder verschollen
1  vom Aussterben bedroht
2  stark gefahrdet
3  gefahrdet
G  Gefahrdung unbekannten Ausmaßes
R  extrem selten
V  Vorwarnliste (noch ungefahrdet, verschiedene Faktoren konnten eine Gefahrdung in den nachsten zehn Jahren herbeifuhren)
*  ungefahrdet [36]
D  Daten unzureichend
?  nicht bewertet [36]

Die Listen geben die Gefahrdungssituation in Deutschland bzw. dem betreffenden Bundesland wieder. Von Bedeutung ist dies insbesondere fur die Kategorie 0. Diese bedeutet hier, dass die Art in der entsprechenden Region ausgestorben ist. Da es in Deutschland nur extrem wenige endemische Arten gibt, existieren in der Regel andernorts noch weitere Populationen. Es handelt sich also, im Gegensatz zur Kategorie des IUCN, um ein ?nur“ lokales Aussterben.

Davon abweichend wird in alteren Ausgaben der nationalen Roten Listen oder jenen der Bundeslander ein Status angegeben:

4  potenziell gefahrdet (nur bei Roten Listen der Lander; soll kunftig durch R ersetzt werden)
*  vorkommend (indigen oder archaophytisch ) und ungefahrdet
n   Neophyt ; im jeweiligen Bundesland (nach 1492) neu eingeburgerte Art
u  unbestandige Art; im jeweiligen Bundesland nicht fest eingeburgert
#  eventuell zu erwarten, aber bislang nicht nachgewiesen
?  im jeweiligen Gebiet nicht vorkommend

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Milo? And?ra, Vladimir Zadra?: Bedrohte Tiere . Werner Dausien, Hanau 1998, ISBN 3-7684-2800-1 .
  • Evzen Kus, Vaclav Pfleger: Seltene und bedrohte Tiere . Gondrom, Prag 2000, ISBN 3-8112-1830-1 .
  • Dietmar Mertens: Ausgestorbene und bedrohte Tiere . Tessloff, Nurnberg 2005, ISBN 3-7886-0296-1 ( Was ist was. Band 56).
  • Francesco Salvadori, Piero Cozzaglio: Seltene Tiere . Unipart, Stuttgart 1992, ISBN 3-8122-3077-1 .
  • Kerstin Viering, Roland Knauer: Bildatlas Bedrohte Tierarten . Naumann & Gobel Verlagsgesellschaft mbH, Koln 2012, ISBN 978-3-625-13359-9 .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Christoph Gruneberg, Hans-Gunther Bauer, Heiko Haupt, Ommo Huppop, Torsten Ryslavy, Peter Sudbeck: Rote Liste der Brutvogel Deutschlands, 5. Fassung, 30. November 2015 . In: Deutscher Rat fur Vogelschutz (Hrsg.): Berichte zum Vogelschutz . Band   52 , 2015, S.   19–67 .
  2. a b Margret Binot-Hafke et al.: Einleitung und Einfuhrung in die neuen Roten Listen. In: Bundesamt fur Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefahrdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands (= Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 70 (1)), Bundesamt fur Naturschutz (BfN), Bonn 2009, S. 9?18.
  3. a b Francis Cordillot, Gregor Klaus: Gefahrdete Arten in der Schweiz. Synthese Rote Listen, Stand 2010 , Bundesamt fur Umwelt (BAFU), Bern 2011 ( online ), abgerufen am 15. Dezember 2013.
  4. European Redlist. Europaische Kommission , abgerufen am 8. April 2023.
  5. Red data book. Volume 1. Mammalia, a compilation . IUCN Library System.
  6. Red data book. Volume 2. Aves IUCN Library System.
  7. Marit Ruge Bjærke: Little Red Ring Binders. Early Red List Temporalities. Chapter 5 in Anders Ekstrom, Staffan Bergwik (editors): Times of History, Times of Nature doi:10.3167/9781800733237 (Series Time and the World: Interdisciplinary Studies in Cultural Transformations, Vol. 5). Berghahn Books, New York + Oxford 2022. ISBN 978-1-80073-323-7
  8. Animals and plants threatened with extinction . IUCN Library System.
  9. J.A. Burton: The Context of Red Data Books, with a Complete Bibliography of the IUCN Publications. In H.H. de Iongh, O.S. Banki, W. Bergmans M.J. Van der Werff ten Bosch (2003): The harmonization of Red Lists for threatened species in Europe. Bakhuijs Publishers, Leiden 2003. S. 291?301.
  10. Ev?en K?s, Vaclav Pfleger: Seltene und bedrohte Tiere. S. 7, ISBN 3-8112-1830-1 Verlag Gondrom 2000, dt. 2001.
  11. Milo? And?ra, Vladimir Zadra?: Bedrohte Tiere Werner Dausien. Hanau 1998, S. 14?17, ISBN 3-7684-2800-1 .
  12. IUCN Red List of Threatened Species
  13. IUCN Red List of Threatened Species - Summary Statistics
  14. Feldhamster ( Cricetus cricetus ) in der Roten Liste 2021 der IUCN
  15. The IUCN Red List of Threatened Species. International Union for Conservation of Nature and Natural Resources
  16. W. Kreh (1951): Verlust und Gewinn der Stuttgarter Flora im letzten Jahrhundert. Jahreshefte des Vereins fur vaterlandische Naturkunde in Wurttemberg 106: 69?124.
  17. R. Drost (1966): Liste der Deutschland besonders zu schutzenden Vogelarten. Berichte der Deutschen Sektion des Internationalen Rates fur Vogelschutz 6: 47?49.
  18. W. Erz (1967): Besonders gefahrdete Vogelarten in Nordrhein-Westfalen. Ornithologische Mitteilungen 19, S. 133?138.
  19. Deutsche Sektion des Internationalen Rates fur Vogelschutz (DSIRV) (1971): Die in der Bundesrepublik Deutschland gefahrdeten Vogelarten und der Erfolg von Schutzmaßnahmen. Berichte der Deutschen Sektion des Internationalen Rates fur Vogelschutz 11: 31?37.
  20. Herbert Sukopp (1974): ?Rote Liste“ der in der Bundesrepublik Deutschland gefahrdeten Arten von Farn- und Blutenpflanzen (1. Fassung). In: Natur und Landschaft 49: 315?322.
  21. Josef Blab, Eugeniusz Nowak, Herbert Sukopp, Werner Trautmann (Hrsg.): Rote Liste der gefahrdeten Tiere und Pflanzen in der Bundesrepublik Deutschland. Naturschutz aktuell 1, Kilda-Verlag, Greven 1977.
  22. Rote Listen gefahrdeter Biotoptypen, Tier- und Pflanzenarten sowie der Pflanzengesellschaften , Bundesamt fur Naturschutz (BfN).
  23. U. Riecken, P. Finck, U. Raths, E. Schroder, A. Ssymank (2006): Rote Liste der gefahrdeten Biotoptypen Deutschlands, 318 S. (Zusammenfassung als PDF)
  24. Rote Liste gefahrdeter Biotoptypen ? Aktuelle Gefahrdungssituation, Ubersichtstabelle ( Memento vom 20. Oktober 2016 im Internet Archive ), Bundesamt fur Naturschutz, 2007.
  25. Rote Liste der Biotoptypen Baden-Wurttemberg , Landesanstalt fur Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Wurttemberg, 2002 (PDF).
  26. J. Schuboth, J. Peterson: Rote Liste der gefahrdeten Biotoptypen Sachsen-Anhalts . In: Berichte des Landesamtes fur Umweltschutz Sachsen-Anhalt 39, 2004 (PDF).
  27. Informationsseite zur Roten Liste Biotoptypen in Osterreich. Umweltbundesamt (2015)
  28. Petutschnig, W. (1998): Rote Liste der gefahrdeten Biotoptypen Karntens, 13 S. (PDF)
  29. C. Keusch, G. Egger, H. Kirchmeir, M. Jungmeier, W. Petutschnig, S. Glatz, S. Aigner: (2012) Aktualisierung der Roten Liste gefahrdeter Biotoptypen Karntens, S. 31 ( zobodat.at [PDF; 506 kB])
  30. The IUCN Red List: Categories and Criteria. International Union for Conservation of Nature and Natural Resources
  31. a b c International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (Hrsg.): IUCN Red List Categories and Criteria: Version 3.1. Second edition . IUCN, Gland (Schweiz) und Cambridge 2012, PDF , abgerufen am 15. Dezember 2013.
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