Die
Rote Gewerkschafts-Internationale
(RGI) (
RILU/Red International of Labour Unions
oder in der russischen Abkurzung
?Profintern“
) war ein internationaler kommunistischer
Gewerkschaftsdachverband
. Sie wurde in
Moskau
gegrundet (Grundungskongress vom 3. bis 19. Juli 1921). Einer der drei Generalsekretare und bedeutender Theoretiker war
Solomon Losowski
, die beiden anderen
Andres Nin
und
Michail Pawlowitsch Tomski
.
Die ersten beiden deutschen Vertreter im Vollzugsburo der RGI waren
Richard Muller
aus Berlin und Anton Maier aus Stuttgart.
[1]
Die RGI war in den 1920er-Jahren ein zentrales Instrument fur die Ausbreitung des internationalen Kommunismus. Die RGI besaß zunachst eine hohe Eigenstandigkeit gegenuber der
Komintern
und der
sowjetischen
Staats- und Parteifuhrung, wurde aber im Laufe der Zeit immer mehr zum Anhangsel der sowjetischen Politik. Sie entstand als Bundnis von kommunistischen Gewerkschaften, kommunistischen Minderheiten in sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaften und zunachst parteiunabhangigen
syndikalistischen Gewerkschaften
. Sie integrierte den mit der
Oktoberrevolution
sympathisierenden revolutionaren Teil der internationalen Gewerkschaftsbewegung und stand kontrar zum sozialdemokratisch beeinflussten
Internationalen Gewerkschaftsbund
. Nach dem Ersten Weltkrieg traten viele Syndikalisten den kommunistischen Parteien bei, andere wurden Kritiker des Kommunismus. Die RGI engte sich in ihrer Aktionsbreite ein, und beschritt letztlich den Weg hin zu einem internationalen kommunistischen Gewerkschaftsapparat. Es gab Versuche, die Gemeinsamkeit der großen Arbeiterorganisationen herzustellen, doch die Aufforderungen an den IGB zur ?Einheit“ Mitte der 1920er-Jahre scheiterten.
[2]
Die ?ultralinke Wende“ in den internationalen kommunistischen (Dach-)Organisationen und Auseinandersetzungen mit der Sozialdemokratie fuhrten ab Ende 1920 zur Grundung von eigenstandigen Gewerkschaften, die sich als Konkurrenzverbande zu den in der Regel sozialdemokratisch dominierten, freien Gewerkschaften verstanden. In Deutschland entstanden in mehreren Industrien ?revolutionare rote Verbande“, die einen Teil der
Revolutionaren Gewerkschafts-Opposition (RGO)
bildeten.
[3]
Dieser Weg vertiefte die Spaltung in der Arbeiterschaft und fuhrte unmittelbar zur Isolation und Niederlage der kommunistischen Gewerkschaftsorganisationen, wie sich nach der nationalsozialistischen
Machtergreifung
1933 herausstellte. Gleichzeitig verloren die bisher starken, der RGI angeschlossenen Gewerkschaftsbunde und organisierten Minderheiten in den IGB-Gewerkschaften, so in der Tschechoslowakei, Frankreich, China und Großbritannien betrachtlich an Mitgliedern und Einfluss, so dass die sowjetischen Gewerkschaften die einzigen Mitgliedsorganisationen von zahlenmaßigem Gewicht waren.
Ab 1934 beginnend und unter dem Zeichen der
Volksfront
(
VII. Weltkongress
, 1935) wurde ein gemeinsamer antifaschistischer Abwehrkampf proklamiert. Die RGI war nun fur die Bemuhungen der kommunistischen Gewerkschafter um die Mitgliedschaft in den Verbanden des IGB zum Hindernis geworden. Ende Dezember 1937 wurde die RGI statutenwidrig (nur ein RGI-Kongress ware hierzu befugt gewesen) und ohne diesen Schritt offentlich zu machen vom Komintern-Sekretariat aufgelost, das RGI-Vermogen fiel an die Komintern. Ein Großteil der Mitgliedsorganisationen außerhalb der Sowjetunion integrierte sich bis 1938 in IGB-Gewerkschaften. Der 1945 gegrundete
Weltgewerkschaftsbund
steht in keiner direkten organisatorischen Kontinuitat.
- Grant M. Adibekow:
Die Rote Gewerkschaftsinternationale. Grundriss der Geschichte der RGI.
Verlag Tribune, Berlin (Ost) 1973.
- Dagmar Goldbeck:
Veroffentlichungen der Roten Gewerkschaftsinternationale in Deutschland 1920?1933
(=
Bibliographische Beitrage zur Geschichte der Arbeiterbewegung.
Bd. 3,
ISSN
0233-2841
). Institut fur Marxismus-Leninismus beim ZK der SED ? Bibliothek, Berlin (Ost) 1987.
- Stefan Heinz
:
Moskaus Soldner? Der ?Einheitsverband der Metallarbeiter Berlins“. Entwicklung und Scheitern einer kommunistischen Gewerkschaft.
VSA-Verlag, Hamburg 2010,
ISBN 978-3-89965-406-6
.
- Ralf Hoffrogge
:
Richard Muller. Der Mann hinter der Novemberrevolution
(=
Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus.
Bd. 7). Karl-Dietz-Verlag, Berlin 2008,
ISBN 978-3-320-02148-1
.
- Aleksandr Lozovskij, Jakob Moneta, Pierre Frank, Leo Trotzki:
Die Rote Gewerkschafts-Internationale
(=
Beitrage zur Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung.
Bd. 7). ISP, Frankfurt am Main 1978,
ISBN 3-88332-043-9
.
- Salomon Schwarz:
Rote Gewerkschaftsinternationale (RGI).
In:
Ludwig Heyde
u. a. (Hrsg.):
Internationales Handworterbuch des Gewerkschaftswesens.
Band 2:
Kober ? Zwiedineck.
Werk und Wirtschaft, Berlin 1932, S. 1348?1359.
Digitalisat
- Reiner Tosstorff
:
Profintern: die Rote Gewerkschaftsinternationale 1920?1937.
Schoningh, Paderborn u. a. 2004,
ISBN 3-506-71793-6
(Zugleich: Mainz, Universitat, Habilitations-Schrift, 2004).
- ↑
Zum Grundungskongress vgl. Tosstorf:
Profintern.
2004, sowie Hoffrogge:
Richard Muller. Der Mann hinter der Novemberrevolution.
2008, S. 160ff.
- ↑
Zur Debatte uber eigene Kommunistische Gewerkschaften in der deutschen Delegation auf dem RGI-Grundungskongress vgl. Hoffrogge:
Richard Muller. Der Mann hinter der Novemberrevolution.
2008, S. 160?163.
- ↑
Zur veranderten Ausrichtung der RGI ab Ende der 1920er-Jahre, zur Bildung eigenstandiger kommunistischer Gewerkschaften und zur Politik der KPD in der RGI vgl. Heinz:
Moskaus Soldner?
2010, S. 69?170.