Rolf Gossner
(*
13. Februar
1948
in
Tubingen
) ist ein deutscher
Rechtsanwalt
,
Publizist
, parlamentarischer Berater und
Burgerrechtsaktivist
. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift
Ossietzky
, Jury-Mitglied bei der Vergabe der
Carl-von-Ossietzky-Medaille
, Mitherausgeber des
Grundrechte-Reports
, Vorstandsmitglied (ehemaliger Vizeprasident) der Berliner
Internationalen Liga fur Menschenrechte
, stellvertretender Richter am
Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen
und er war 20 Jahre lang Jury-Mitglied der
Big Brother Awards
.
Gossner besuchte das
Johannes-Kepler-Progymnasium
in
Weil der Stadt
und das
Albert-Schweitzer-Gymnasium
in Leonberg. Er absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann in Stuttgart und studierte
Rechts-
und
Politikwissenschaft
an der
Albert-Ludwigs-Universitat Freiburg
mit anschließendem
Referendariat
in
Bremen
und
Brussel
.
[1]
Wahrend des Studiums war er Mitglied des
Sozialistischen Hochschulbunds
und als solches zeitweise Mitglied des
Allgemeinen Studentenausschusses
der Uni Freiburg.
[2]
1993 folgte Gossners
Promotion
zum Thema
Politische Justiz im praventiven Sicherheitsstaat
an der
Universitat Bremen
. Gossner lebt seit 1980 in Bremen.
Seine Arbeit konzentrierte sich auf die Beratertatigkeit der
Fraktion Bundnis 90/Die Grunen
von 1990 bis 2001 im
Niedersachsischen Landtag
und im Ausland. Im Bundestag trat er mehrmals als Sachverstandiger auf.
[3]
Er fuhrte Strafverteidigungen sowie
Nebenklage
-Vertretungen unter anderem fur die Familie von Halim Dener,
[4]
Oliver Neß
und zusammen mit
Hans-Eberhard Schultz
die Strafverteidigung von
Kani Yılmaz
(PKK-Europasprecher).
Er war Prozessbeobachter in vielen politischen Strafverfahren; unter anderem in den Fallen Benjamin Ramos, im Revisionsverfahren um
Abdullah Ocalan
vor dem
Europaischen Gerichtshof fur Menschenrechte
und das Strafverfahren gegen Gabriele Kanze; weiter ist er Mitglied von Menschenrechtsdelegationen und stellvertretender Richter am
Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen
.
Des Weiteren war und ist Gossner Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitaten und offizieller Unterstutzer der uberwachungskritischen Datenschutzdemonstration
Freiheit statt Angst
.
[5]
Gossner war Beschwerdefuhrer gegen die
Vorratsspeicherung
von Telekommunikations- und Standortdaten vor dem
Bundesverfassungsgericht
. Das Verfahren endete mit einem weitgehenden Erfolg fur die Beschwerdefuhrer, das zugrundeliegende Gesetz wurde fur nichtig erklart, alle Vorratsdaten mussten geloscht werden.
[6]
Gossner ist parteilos. Von 2007 bis 2015 war er Mitglied der
Deputation
fur Inneres des
Landes Bremen
, benannt durch die Burgerschaftsfraktion der
Linken
.
[7]
Von 2003 bis 2008 war er Prasident der
Internationalen Liga fur Menschenrechte
(ILMR), seit 2008 ist er Vizeprasident/Vorstandsmitglied. Zusammen mit der ILMR, dem
Chaos Computer Club
und
Digitalcourage
e.V. erstattete er 2014 Strafanzeige gegen die Bundesregierung und Geheimdienst-Verantwortliche wegen geheimdienstlicher Massenuberwachung.
[8]
Er bezeichnete die Geheimdienste wegen Intransparenz und Unkontrollierbarkeit immer wieder als ?Fremdkorper in der Demokratie“ und forderte deren ?sozialvertragliche“ Auflosung.
[3]
Gossner wurden Kontakte zu ? (vom Verfassungsschutz und teils von Politikwissenschaftlern) als linksextrem bzw. linksextremistisch beeinflusst eingestuften ? Organisationen wie der
DKP
, der
Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes
oder dem
Verein Rote Hilfe
zum Vorwurf gemacht. Aufgrund dieser ?
Kontaktschuld
“ wurde Gossner 38 Jahre vom
Bundesamt fur Verfassungsschutz
daueruberwacht. Kurz vor der ersten mundlichen Verhandlung einer Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit vor dem Verwaltungsgericht Koln teilte das Bundesamt fur Verfassungsschutz im November 2008 mit, dass die Beobachtung ?nach aktuell erfolgter Prufung“ eingestellt worden sei.
[9]
Mit der Klage sollte der Inlandsgeheimdienst verpflichtet werden, alle uber Gossner gesammelten Daten zu sperren und nach einer Einsichtnahme zu loschen.
Am 3. Februar 2011 urteilte das Verwaltungsgericht Koln,
[10]
dass die andauernde Beobachtung durchgehend rechtswidrig gewesen sei.
[11]
Es konnte im vom Bundesamt fur Verfassungsschutz vorgelegten Material keine Anhaltspunkte fur verfassungsfeindliche Bestrebungen finden.
[12]
Dieses Urteil wurde im Marz 2018 durch das
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
in
Munster
bestatigt, wonach diese Langzeituberwachung rechtswidrig war. Wegen grundsatzlicher Bedeutung ließ das Gericht jedoch die
Revision
zum
Bundesverwaltungsgericht
zu,
[13]
[14]
welche von Bundesregierung und Bundesamt fur Verfassungsschutz auch eingelegt wurde.
[15]
Diese Revision hat das Bundesverwaltungsgericht Leipzig jedoch zuruckgewiesen.
[16]
Laut Urteilsbegrundung war die jahrzehntelange Uberwachung ?in handgreiflicher Weise unangemessen“. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass Gossner keine verfassungsfeindlichen Zielsetzungen verfolge. Zwar durfe der Geheimdienst durchaus auch verfassungstreue Personen beobachten, wenn sie ?bei objektiver Betrachtung, ohne dies zu erkennen, einen Beitrag zu den verfassungsfeindlichen Bestrebungen eines Personenzusammenschlusses leisten“. Aber dabei musse die Verhaltnismaßigkeit gewahrt werden. Wenn sich nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachweisen lasse, dass die Person tatsachlich verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstutze, dann musse die Beobachtung beendet werden.
[17]
- Menschenrechte in Zeiten des Terrors. Kollateralschaden an der ?Heimatfront“.
konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 2007,
ISBN 978-3-89458-252-4
.
- Geheime Informanten. V-Leute des Verfassungsschutzes ? Kriminelle im Dienst des Staates.
Droemer-Knaur-Verlag, Munchen 2003,
ISBN 3-426-77684-7
.
- ?Big brother“ & Co.: der moderne Uberwachungsstaat in der Informationsgesellschaft.
konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 2000,
ISBN 3-89458-195-6
.
- Erste Rechts-Hilfe. Rechts- und Verhaltenstips im Umgang mit Polizei, Justiz und Geheimdiensten.
Verlag Die Werkstatt, Gottingen 1999,
ISBN 3-89533-243-7
.
- Die vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges. Verdrangung im Westen ? Abrechnung mit dem Osten?
Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 1998, akt. und erw. Neuaufl.,
ISBN 3-7466-8026-3
.
- Zusammen mit
Oliver Neß
und
Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten
:
Polizei im Zwielicht ? Gerat der Apparat außer Kontrolle?
Campus-Verlag, Frankfurt/New York 1996.
- Die vergessenen Justizopfer des Kalten Kriegs ? Uber den unterschiedlichen Umgang mit der deutschen Geschichte in Ost und West
, Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1994.
- Das Anti-Terror-System. Politische Justiz im praventiven Sicherheitsstaat.
VSA-Verlag, Hamburg 1991,
ISBN 3-87975-576-0
.
- Zusammen mit Uwe Herzog:
Der Apparat ? Ermittlungen in Sachen Polizei.
Kiepenheuer & Witsch, Koln 1982, akt. 1984
- Zusammen mit Uwe Herzog:
Im Schatten des Rechts. Methoden einer neuen Geheim-Polizei.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Koln 1984,
ISBN 3-462-01662-8
.
- Datenkraken im offentlichen Dienst ? ?Laudatio“ auf den praventiven Sicherheits- und Uberwachungsstaat.
Verlag Papyrossa, Koln 2021,
ISBN 978-3-89438-753-2
- Mutige Aufklarer im digitalen Zeitalter. Carl-von Ossietzky-Medaillen an Edward Snowden, Laura Poitras und Glenn Greenwald.
Berlin 2015.
- Mythos Sicherheit ? Der hilflose Schrei nach dem starken Staat.
Nomos, Baden-Baden 1995.
- Restrisiko Mensch.
Bremen 1987.
- Zusammen mit Johann-Albrecht Haupt, Udo Kauß, Till Muller-Heidelberg, Thomas von Zabern in: Humanistische Union/
Internationale Liga fur Menschenrechte
/Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (Hrsg.):
Brauchen wir den Verfassungsschutz? NEIN!
Berlin 2013,
ISBN 978-3-930416-30-1
.
- Eine Analyse in:
Spionage ade. Massenuberwachung und globale Datenspionage: Wir erstatten Strafanzeige gegen Bundesregierung und Geheimdienste.
Verlag Art d’Ameublement, Bielefeld 2014.
- AStA Freiburg und SHB Freiburg (Hrsg.):
Aktuelle Materialien zur Klassenanalyse hochentwickelter Gesellschaften.
Zusammenstellung und Bearbeitung von Rolf Gossner und Peter van Spall unter Mitarbeit von
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. Freiburg 1971
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. In: T. Muller-Heidelberg, E. Steven, M. Pelzer, M. Heiming, H. Fechner, R. Gossner, U. Engelfried und M. Kuster (Hrsg.):
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. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2012,
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Verfassungsschutz beobachtete Juristen uber 30 Jahre, Langzeituberwachung von Anwalt rechtswidrig.
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Nach mehr als zwolf Jahren in die dritte Runde
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Vier Jahrzehnte ?Verfassungsschutz“-Skandal rechtskraftig beendet.
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Laudatio von
Rupert von Plottnitz
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Verfolgungsfuror. Seit Jahrzehnten wird der Rechtsanwalt und Publizist Rolf Gossner vom Verfassungsschutz ausgeforscht. Jetzt wurde der Burgerrechtler in Frankfurt mit dem Hans-Litten-Preis geehrt.
In: Frankfurter Rundschau vom 12. Oktober 2020, S. 22?23.