Reichsexekution

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Exekutionsschreiben Kaiser Ferdinand II. an Kurfurst Georg von Sachsen und Herzog Maximilian I. von Bayern zur militarischen Niederwerfung der bohmischen Standeregierung und Konigs Friedrich V. , Druck 1620

Die Reichsexekution ist ein Mittel, mit dem ein Staatenbund oder Bundesstaat seine Gliedstaaten dazu anhalt, ihre Pflichten zu erfullen. Gemeint ist durchaus (auch) eine militarische Maßnahme.

In der deutschen Geschichte haben alle Staatenbunde und Bundesstaaten dieses Mittel vorgesehen. Historisch gibt es dafur unterschiedliche Bezeichnungen:

Der Sache nach sind die Vorschriften zur Reichsexekution und Bundesexekution einander stets sehr ahnlich gewesen.

Reichsexekution im Heiligen Romischen Reich [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Heiligen Romischen Reich war die Reichsexekution bis 1806 eine mit militarischer Gewalt verbundene Maßnahme zur Durchsetzung von Beschlussen des Reichstages , kaiserlicher Anordnungen oder Urteilen des Reichskammergerichts .

Da es dem Kaiser selbst an den dafur notwendigen Machtmitteln fehlte, wurden zumeist einer oder mehrere Reichsfursten mit der Exekution beauftragt. Gegebenenfalls wurden Truppen der Reichskreise nach der Reichsexekutionsordnung von 1555 eingesetzt. Die Grumbachschen Handel wurden durch eine vom Kaiser beauftragte und von Kurfurst August ausgefuhrte Reichsexekution beendet. Der Taler auf die Einnahme von Gotha ist ein bedeutendes Zeitdokument der als letzter Landfriedensbruch geltenden Grumbachschen Handel. [1] [2]

Die Reichsexekution wurde auch gegen den Ritter Gotz von Berlichingen 1512 verhangt. Bei den Reichsexekutionen gegen den mecklenburgischen Herzog Karl Leopold (1719) und gegen den Konig in Preußen Friedrich II. (1757?1763) wurde die Umsetzung der Exekution der Reichsarmee ubertragen. 1789 verhangte das Reichskammergericht in Wetzlar die letzte Reichsexekution des Heiligen Romischen Reiches uber das revolutionare Luttich . [3]

Nach der Marzrevolution [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Rahmen der Deutschen Revolution 1848/1849 wurde die Frankfurter Nationalversammlung als Parlament und die Provisorische Zentralgewalt als Regierung eines neuen Deutschen Reiches geschaffen. Das Zentralgewaltgesetz sah zwar keine Reichsexekution vor, doch die Zentralgewalt agierte dennoch entsprechend. Am 8. Januar 1849 beschloss die Frankfurter Nationalversammlung ein zwolf Tage spater verkundetes Gesetz, das die Aufhebung aller deutschen Spielbanken zum 1. Mai 1849, darunter die Spielbank Bad Homburg , vorsah. Die Regierung der Landgrafschaft Hessen-Homburg forderte eine Entschadigung fur den Spielbankpachter und die Staatskasse, konnte sich aber mit dieser Forderung nicht durchsetzen. Am 9. Marz 1849 protestierte Hessen-Homburg formlich gegen das Gesetz. [4] Die Provisorische Zentralgewalt schickte daraufhin am 7. Mai den Reichskommissar Theodor Friedrich Knyn mit 700 Mann Exekutionstruppen nach Homburg, um die Reichsexekution zu vollziehen. Diese einzige Reichsexekution der Provisorischen Zentralgewalt versandete in ihrer Wirkung.

Die Frankfurter Reichsverfassung vom 28. Marz 1849 sah eine Reichsexekution vor, die der Bundesexekution im Deutschen Bund nachempfunden war. Gleiches gilt fur die Erfurter Unionsverfassung .

Reichsexekution im Deutschen Kaiserreich und der Weimarer Republik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Deutschen Kaiserreich (1871?1918) und in der Weimarer Republik verstand man unter der Reichsexekution eine mehrfach auch angewandte Maßnahme gegen einzelne Gliedstaaten zur Durchsetzung der staatlichen Einheit. Geregelt wurde die Reichsexekution in der Reichsverfassung von 1871 durch Artikel 19, und sie wurde bis 1918 vom Bundesrat angeordnet und vom Kaiser ausgefuhrt.

Reichsexekution gegen Sachsen. Die Reichswehr riegelt eine Straße in Freiberg mit gefalltem Bajonett ab.

In der Weimarer Verfassung von 1919 wurde die Reichsexekution durch Artikel 48 Abs. 1 geregelt. Zum ersten Mal kam das Mittel 1919 bei der Niederschlagung der Munchener Raterepublik zum Tragen. Die Ereignisse des ?Deutschen Oktobers“ zeigten die zweite Anwendung: Im Herbst 1923 wurde durch eine Notverordnung von Reichsprasident Friedrich Ebert ( SPD ) die Maßnahme der Reichsexekution gegen die Lander Sachsen (29. Oktober) und Thuringen (6. November) angewandt, um die dort entstandenen linken Koalitionsregierungen aus Sozialdemokraten und Kommunisten abzusetzen. Die Reichswehr marschierte ein. Reichskanzler Gustav Stresemann wurde daraufhin in Berlin durch ein Misstrauensvotum der SPD gesturzt. Der Preußenschlag 1932 zur Absetzung der SPD-gefuhrten Landesregierung von Preußen bedeutete eine weitere Reichsexekution.

Die Verfassungsmaßigkeit der jeweiligen Maßnahmen ist bis heute umstritten. Ein Ausnahmezustand nach Art. 48 WRV ware nur durch die Bedrohung der Verfassung selbst zu rechtfertigen ? jedoch wurden in Sachsen, Thuringen und Preußen jeweils demokratisch gewahlte Regierungen abgesetzt, die sich zu keinem Zeitpunkt in offener Rebellion gegen die Weimarer Reichsverfassung befanden. Zwar trug sich die KPD in beiden Landern mit Aufstandsgedanken, jedoch erfolgte die Absetzung der Regierungen lange vor irgendeiner Aufstandsaktion oder deren Ankundigung. Im Gegenteil: erst die Reichsexekution fuhrte zum Aufruf der KPD, welcher jedoch keine Unterstutzung fand und letztlich keine Bedrohung darstellte. [5]

Deutscher Bund, Norddeutscher Bund und Bundesrepublik Deutschland [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Reichsexekution entspricht der Bundesexekution in Art. 26 der Wiener Schlussakte des Deutschen Bundes von 1820, in der Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 sowie dem Bundeszwang in Art. 37 des Grundgesetzes fur die Bundesrepublik Deutschland von 1949.

Außerhalb Deutschlands [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In der spanischen Verfassung sieht Artikel 155 in einem ahnlichen Wortlaut zu Artikel 37 des deutschen Grundgesetzes eine Moglichkeit der Zentralregierung vor, die autonomen Gemeinschaften Spaniens zur Einhaltung der verfassungsmaßigen Ordnung anzuhalten. Auf diese Regelung berief sich die Regierung von Mariano Rajoy als sie die katalanische Regionalregierung unter Carles Puigdemont 2017 absetzte.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Carsten Voigt, Michael Rudloff: Die Reichsexekution gegen Sachsen 1923 und die Grenzen des Foderalismus. In: Michael Richter , Thomas Schaarschmidt , Mike Schmeitzner (Hrsg.): Lander, Gaue und Bezirke. Mitteldeutschland im 20. Jahrhundert. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2007, ISBN 978-3-89812-530-7 , S. 53?72.
  • Raimund J. Weber: Reichspolitik und reichsgerichtliche Exekution. Vom Markgrafenkrieg (1552?1554) bis zum Lutticher Fall (1789/90). , Gesellschaft fur Reichskammergerichtsforschung, Wetzlar 2000, ISBN 3-935279-27-2 (=  Schriftenreihe der Gesellschaft zur Reichskammergerichtsforschung , Heft 25).
  • Heinrich Weiler: Die Reichsexekution gegen den Freistaat Sachsen unter Reichskanzler Dr. Stresemann im Oktober 1923. Historisch-politischer Hintergrund, Verlauf und staatsrechtliche Beurteilung. Mit einem Geleitwort von Kurt Sontheimer . Rita G. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-88323-717-5 .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Reichsexekution  ? Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Reichsexekution  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Wilhelm Ernst Tentzel: Saxonia Numismatica … 1. Buch. 1714, S. 122?128.
  2. Wolfgang Steguweit: Geschichte der Munzstatte Gotha … 1987, S. 43.
  3. Dominique Bourel : Zwischen Abwehr und Neutralitat: Preußen und die Franzosische Revolution 1789 bis 1795/1795 bis 1803/06. In: Otto Busch und andere (Hrsg.): Preussen und die revolutionare Herausforderung seit 1789: Ergebnisse einer Konferenz. Walter de Gruyter, Berlin 1991, ISBN 3-11-012684-2 , S. 43?76 ( Google Books ).
  4. Hessen-Homburg . [2]. In: Heinrich August Pierer , Julius Lobe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit . 4. Auflage. Band   8 : Hannover?Johannek . Altenburg 1859, S.   322?323 ( Digitalisat. zeno.org ).
  5. Harald Jentsch: Die KPD und der ?Deutsche Oktober“ 1923 . Rostock 2005.