Reflexion (Philosophie)

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Reflexion bedeutet etwas prufendes und vergleichendes Nachdenken . Dabei sind verschiedene Formen der Reflexion zu unterscheiden.

Es gibt zum einen die Selbstreflexion , also das Nachdenken uber sich selbst bzw. das eigene Verhalten. Das zugehorige Verb ist reflektieren und steht fur grubeln, durchdenken oder nachsinnen. [1]

In der Philosophie gibt es seit dem 17. Jahrhundert daruber hinaus fachspezifische Verwendungen des Begriffs, die sich an diesem Begriff orientieren und unterschiedliche Aspekte hervorheben. Beispielsweise Reflexion uber die Gesellschaftsverhaltnisse oder uber den Sprachgebrauch .

Im Zentrum steht dabei die Unterscheidung von auf außere Objekte bezogenem Wahrnehmen und derjenigen geistigen Tatigkeit, die sich auf den Akt des Denkens und der Vorstellung selbst richtet ( Abstraktion ).

Antike und neuzeitliche Grundlagen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Eine ? Erkenntnis der Erkenntnis“ wird schon von Platon angesprochen ( Charmides 171c), Aristoteles nennt das ?Denken des Denkens“ im Zusammenhang einer Erorterung des Glucks , das fur ihn aus der geistigen Tatigkeit uberhaupt entsteht:

?wenn nun der wahrnimmt, der sieht, daß er sieht, und hort, daß er hort, und als Gehender wahrnimmt, daß er geht, und wenn es bei allem anderen ebenso eine Wahrnehmung davon gibt, daß wir tatig sind, so daß wir also wahrnehmen, daß wir wahrnehmen, und denken, daß wir denken: und daß wir wahrnehmen und denken, ist uns ein Zeichen, daß wir sind (…)“. [2]

Schließlich wird die Ruckwendung des Geistes auf sich, griechisch epistrophe , im Neuplatonismus , vor allem bei Proklos , zu einem zentralen Begriff. Im Mittelalter wurde epistrophe zunachst als reditio , Ruckkehr, oder conversio , Umkehr ubersetzt. Daneben verwendete Thomas von Aquin aber bereits reflexio . [3]

Im Anschluss an Descartes ’ Spiegel-Metaphern entstanden zahlreiche kontroverse Reflexionstheorien. Dennoch ?durfte die Definition von Leibniz La reflexion n'est autre chose qu'une attention a ce qui est en nous [4] (dt.: ?Die Reflexion ist nichts anderes als die Aufmerksamkeit auf das, was in uns ist.“) fur die cartesianische Tradition bis Husserl als konsensfahig gegolten haben.“ [5] Zu diesen Grundlagen entstanden Abgrenzungen, die ?Reflexion“ zunehmend von einer hier vorherrschenden, psychologischen Vorstellung der Introspektion unterschieden.

John Locke [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nachdem reflection im Englischen und reflexion im Franzosischen sich im 17. Jahrhundert als umgangssprachliche Begriffe eingeburgert hatten, wurde John Lockes Behandlung der Reflexion in seinem Versuch uber den menschlichen Verstand (1690) maßgebend fur die weiteren philosophischen Auseinandersetzungen daruber. Locke unterscheidet zwischen der Wahrnehmung außerer Gegenstande und der Wahrnehmung der Vorgange in unserer eigenen Seele wie ?Wahrnehmen, Denken, Zweifeln, Glauben, Begrunden, Wissen, Wollen“, samt den damit verbundenen Gefuhlen der ?Zufriedenheit oder Unzufriedenheit“:

?Indem wir uns deren bewusst sind und sie in uns betrachten, so empfangt unser Verstand dadurch ebenso bestimmte Vorstellungen, wie von den unsere Sinne erregenden Korpern. Diese Quelle von Vorstellungen hat Jeder ganz in sich selbst, und obgleich hier von keinem Sinn gesprochen werden kann, da sie mit ausserlichen Gegenstanden nichts zu tun hat, so ist sie doch den Sinnen sehr ahnlich und konnte ganz richtig innerer Sinn genannt werden. Allein da ich jene Quelle schon Sinneswahrnehmung ( sensation ) nenne, so nenne ich diese: Selbstwahrnehmung ( reflection ) (…)“. [6]

Unklar bleibt dabei, ob die Reflexion als von der außeren Wahrnehmung abhangig oder als eigenstandige Quelle der Erkenntnis gesehen werden soll, da Locke im Ruckgriff auf Descartes , der freilich den Begriff Reflexion noch nicht verwendet, auch Letzteres behauptet. [7]

Der Reflexionsbegriff in der Aufklarung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fur Immanuel Kant und seine Transzendentalphilosophie war die Reflexion wesentliches Mittel der Erkenntnis , indem er die Rolle der damit verbundenen Begriffe und ihrer notwendigen Unterscheidung betonte, vgl. → Grundrelation , Kritizismus . Indem er diese Tatigkeiten auf das eigene Ich des Denkenden zuruckfuhrte, benannte er sie auch mit eigenen ?Reflexionsbegriffen?, namlich der Einerleiheit und Verschiedenheit, der Einstimmung und des Widerstreits, des Inneren und des Außeren, der Materie und der Form ( KrV B 316 ff.). Hierbei ist auch auf die Amphibolie der Reflexionsbegriffe hinzuweisen (KrV B 326).

Der Gedanke, dass die Reflexion einen Verlust der Unmittelbarkeit bedeute, findet sich erstmals bei Francois Fenelon und wurde vor allem von Jean-Jacques Rousseau propagiert: ?Der Zustand der Reflexion ist gegen die Natur.“ [8] Eine bekannt gewordene literarische Verarbeitung dieses Themas ist Heinrich von Kleists Uber das Marionettentheater , wo es heißt:

?Wir sehen, daß in dem Maße, als in der organischen Welt die Reflexion dunkler und schwacher wird, die Grazie immer strahlender und herrschender hervortritt.“

Johann Gottfried Herder verwies darauf, dass die Reflexion auf Sprache angewiesen ist: nur sie erlaube es, in einem ?Ocean von Empfindungen“ einzelne Momente festzuhalten, an denen der Verstand sich reflektieren konne. [9] Da die Menschen dabei auf bereits fruher Erreichtes zuruckgriffen, das sie erweiterten und verbesserten, stellt sich fur Herder die Geistesgeschichte schließlich als ein ?uberindividueller Reflexionszusammenhang“ (L. Zahn) dar. [10]

Kant und der deutsche Idealismus [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Immanuel Kant setzt sich mit den Reflexionsbegriffen seiner Vorganger in einem Anhang zur transzendentalen Analytik der Kritik der reinen Vernunft auseinander. [11] Er spricht hier von der Amphibolie , d. h. der Zweideutigkeit dieser Reflexionsbegriffe, da sie entweder ?von allen Bedingungen der Anschauung abstrahieren (…) so bleibt uns freilich im bloßen Begriffe nichts ubrig, als das Innere uberhaupt“ (B 339, 341); oder die Verstandesbegriffe wurden ganz und gar ?sensifiziert“, so dass man nur noch ihre Verschiedenheit und ihren Widerstreit feststellen konne. Ersteres sei der Fehler von Leibniz , Letzteres der von Locke (B 327). Er fordert deshalb eine transzendentale Reflexion, durch die uberhaupt erst festgestellt werden musse, ob Begriffe ?als zum reinen Verstande oder zur sinnlichen Anschauung gehorend miteinander verglichen werden“ (B 317) ? er nennt sie transzendental, denn sie mache ?die subjektiven Bedingungen ausfindig, unter denen wir zu Begriffen gelangen konnen“, und habe es ?nicht mit den Gegenstanden selbst zu tun“, von denen die Begriffe gewonnen werden sollen (B 316).

Johann Gottlieb Fichte unterscheidet in seiner Wissenschaftslehre von 1794 zwischen ?Reflexion“ und ?Streben“ als den beiden grundlegenden Tatigkeiten des ?absoluten Ich“. [12] Sie bewirken auf einer ersten Stufe die ?Ichheit“ als eine ?in sich selbst zuruckgehende, sich selbst bestimmende Tatigkeit“. [13] Durch weitere ?freie Reflexion“ werde das dabei zunachst noch Verbundene getrennt und ?in eine neue Form, die Form des Wissens oder des Bewußtseins aufgenommen“ [14] womit Reflexion zum ?fur sich Seyn des Wissens“ wird, [15] das sich aber seinen Grund, namlich seine Freiheit und Einheit, nie restlos vergegenwartigen konne. Das ?wesentliche Grundgesetz der Reflexion“ sei, dass das Wissen immer die Form eines ?das und das“ behalt, was dazu fuhre, dass die ?Reflexion auf Reflexion“ auch immer wieder ?die Welt in einer neuen Gestalt“ erscheinen lasst. [16] Der Zusammenhang der Reflexion mit der Unmittelbarkeit sei in der Liebe zuganglich, die fur Fichte bestimmt ist als die ?in Gott sich selbst rein vernichtende Reflexion“. [16]

Fur Schelling ist die ?Sphare der Reflexion und Entzweiung“ charakteristisch fur den Menschen, [17] bedeutet jedoch zugleich ?eine Geisteskrankheit“. [18] Da diese jedoch vor allem durch das Christentum als ?Entzweiung des Unendlichen und Endlichen“ (L. Zahn) das moderne Bewusstsein bestimme, musse sie abgehandelt werden. Das unternimmt Schelling im System des transcendentalen Idealismus (1800), worin der ?freien Reflexion“ die Aufgabe zukommt, das Ich als dem bloßen Organismus gegenuberstehend zum Bewusstsein seiner selbst zu bringen. Die Reflexion ist dabei ?analytisch“, bezieht sich aber auf eine vorausliegende ?synthetische Anschauung“, in der Anschauendes und Angeschautes identisch sind.

Schelling kritisiert an Fichte, dass dieser mit seiner Setzung des Ich durch das Ich ?nie aus dem Kreis des Bewußtseins hinaus“ zu den selbstandig gegebenen Objekten der Natur gelange, [19] es ist aber schwer, ihm selbst diesen Vorwurf zu ersparen.

Hegel bestimmt in einem Aufsatz von 1802 die neuere Philosophie insgesamt als ?Reflexions-Philosophie der Subjektivitat“ [20] kritisiert aber, dass bei seinen Vorgangern stets die Trennung zwischen dem endlichen Bewusstsein und einem inhaltsleeren Absoluten bestehen bleibe. Seine eigene Auffassung der Reflexion entwickelte er in der Wissenschaft der Logik (1812?1816) und in der Enzyklopadie der philosophischen Wissenschaften (ab 1816).

Hegel unterscheidet zwischen dem ?Sein“ als reiner Unmittelbarkeit und dem ?Wesen“, dessen ?eigene Bestimmung“ [21] die Reflexion sei. Die Reflexion ?setzt“ die Identitat des Wesens, dabei setzt sie das Sein einerseits voraus, ?setzt“ es aber gleichzeitig selbst. Zur ?setzenden Reflexion“ kommt deshalb eine ?außere“ Reflexion, die das gesetzte Sein, eben weil es von der Reflexion gesetzt ist, negiert, womit sie ?das Aufheben dieses ihres Setzens“ ist und ?im Negiren das Negiren dieses ihres Negirens“ betreibt. [22] Schließlich ergibt die ?bestimmende Reflexion“, dass setzende und außere Reflexion eins sind, weil Letztere nichts ist als die ?immanente Reflexion der Unmittelbarkeit selbst“. [21] Daraus ergeben sich als ?Reflexions-Bestimmungen“ Identitat, Unterschied und Widerspruch, wobei die Reflexion an Letzterem ?zu Grunde“ geht, im Doppelsinn des Ausdrucks. Die ?unendliche Reflexion“ fuhrt vom ?Wesen“, das den Charakter einer ?Substanz“ habe, zum rein subjektiven ?Begriff“ als der dritten Entfaltungsstufe von Hegels Logik . In der Sphare des Begriffs ?artikuliert“ die Reflexion, die bis dahin nur die ?Bewegung“ vom Sein zum Wesen ausgemacht hatte, sich selbst als Urteil und Schluss. [21]

Von dieser ?Reflexion uberhaupt“ unterscheidet Hegel die ?Reflexion des Bewußtseins“, die er in der Phanomenologie des Geistes (1806) entfaltet habe, und die ?bestimmtere Reflexion des Verstandes“, die die Gegebenheiten der Anschauung unter verschiedenen Gesichtspunkten erortere. [23] Innerhalb des Gesamtprozesses seiner Philosophie, der das Zusichkommen des Absoluten beschreibt, identifiziert er das Sein und Bewusstsein des einzelnen Menschen auch als ?Stufe der Reflexion“. [24]

Phanomenologie und Existentialismus [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach Hegel fuhrte Jakob Friedrich Fries die Reflexion einerseits auf ?unmittelbare Vernunfterkenntnis“ zuruck, andererseits bestimmte er sie empirisch als Vermogen ?innerer Selbstbeobachtung“. [25] In der Folge verstarkten sich Tendenzen einer ? psychologistischen “ Herangehensweise, bei der die Reflexion selbst als empirischer Gegenstand behandelt wurde. Franz Brentano hob demgegenuber darauf ab, dass die ?innere Wahrnehmung … nie innere Beobachtung werden kann“, sondern die Beobachtungen lediglich begleite. [26] Auf diese Einsicht baute die Phanomenologie Edmund Husserls auf:

Husserl sieht in der Reflexion die ?Bewußtseinsmethode fur die Erkenntnis von Bewusstsein uberhaupt“. [27] Da fur ihn nur die Bewusstseinsinhalte Gegenstand einer streng wissenschaftlichen Philosophie sein konnen, kommt ihr somit eine ?universelle methodologische Funktion“ zu. [28] Er formuliert eine Stufenordnung der Reflexionen, denn die ?Reflexionen sind abermals Erlebnisse und konnen als solche Substrate neuer Reflexionen werden, und so in infinitum“, wobei der jeweils vorher erlebte Sachverhalt in der ?Retention“ erfasst wird. [28] Zuletzt werde so das ?reine Ich“ vergegenwartigt.

Von den phanomenologischen und existentialistischen Nachfolgern Husserls wurde diese ?Reduktion auf reine Subjektivitat “ (L. Zahn) kritisiert. Merleau-Ponty verwies darauf, dass zum einen bei dieser Herangehensweise die Welt derart auf das Ich hin durchsichtig werde, dass nicht nachvollziehbar sei, warum Husserl uberhaupt den Umweg uber sie nehme; zum anderen stoße die Reflexion stets auf eine prareflexive ?Undurchdringlichkeit“ (opacite) der Welt. Die Reflexion musse ihre Moglichkeiten angesichts dieser Undurchdringlichkeit prufen und entwickeln:

?was gegeben ist, ist weder das Bewußtsein noch ein reines Sein, sondern, wie Kant selbst es tiefsinnig ausgesprochen hat, die Erfahrung, m. a. W. die Kommunikation eines endlichen Subjekts mit einem undurchdringlichen Sein, aus dem es emportaucht, worin es aber gleichwohl engagiert bleibt.“ [29]

Daraus ergibt sich: ?Nie vermag die Reflexion sich selbst uber alle Situation zu erheben (…) stets ist auch sie selbst sich selbst erfahrungsmaßig gegeben ? in einem Kantischen Sinne des Wortes Erfahrung: sie entspringt, ohne selbst zu wissen, woher, sie gibt sich mir als naturgegeben.“ [30]

Sartre beschreibt in Das Sein und das Nichts das Scheitern der Reflexion bei ihrem ?doppelten gleichzeitigen Bemuhen um Objektivierung und Verinnerlichung“. [31]

?Die Reflexion bleibt eine permanente Moglichkeit des Fur-sich als Versuch einer Ubernahme von Sein. Durch die Reflexion versucht das Fur-sich, das sich außerhalb seiner verliert, sich in seinem Sein zu verinnern (…)“ [32]

Doch ?kann die Ruckwendung des Seins zu sich nur eine Distanz erscheinen lassen zwischen dem, was sich zuruckwendet, und dem, zu dem die Ruckwendung geschieht“ ? eine Spaltung, die ?das Nichts, das das Bewußtsein von sich trennt, nur noch tiefer und unuberwindlicher werden“ lasst. [33]

Sartre unterscheidet insgesamt drei ?Nichtungsprozesse“: als Erstes die Nichtung des ?Fur-sich“, das sich ?draußen“ verliert, ?beim An-sich und in den drei zeitlichen Ek-stasen“ Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; [32] zweitens diejenige beim Versuch, sich daraufhin wiederzuerlangen, wie eben beschrieben; drittens schließlich die Nichtung durch das ?Fur-Andere-Sein“, das Sartre als ?unreine“ oder ?mitschuldige Reflexion“ bezeichnet, weil sie das unmogliche Ziel verfolge, ?zugleich Anderes zu sein und es selbst zu bleiben “. [34]

Karl Jaspers nennt unter Bezug auf Kierkegaard die ?existentielle Selbstreflexion“ ?ein mir nirgends sich schließendes Medium“. Einerseits ?suche ich mich“ darin ?als hervorgehend aus meinem Urteil uber mich“, ein prinzipiell unabschließbarer Prozess, andererseits lege ich zwar fortdauernd neue Moglichkeiten frei, laufe dabei aber Gefahr, ?jeden Anfang meiner Wirklichkeit“ zu zerstoren. [35] ?Existenz kann erst in der steten Gefahr der Endlosigkeit ihrer Reflexion“, in der sie ?die grenzenlose Offenheit wagt, zu sich kommen.“ [36]

Heidegger setzt sich mit dem Reflexionsbegriff in Kants These uber das Sein (1962) auseinander. [37] Kants transzendentale Reflexion sei ?Reflexion auf das Ortsnetz im Ort des Seins“, wobei das Denken ?einmal als Reflexion und dann als Reflexion der Reflexion“ im Spiel sei. Erstere gebe ?den Horizont“ vor, in dem ?dergleichen wie Gesetztheit, Gegenstandigkeit erblickt werden kann“, Letztere ?das Verfahren, wodurch (…) das im Horizont der Gesetztheit erblickte Sein ausgelegt wird“. Heidegger zufolge handelt es sich um eine Zweiteilung, die fur ?die ganze Geschichte des abendlandischen Denkens“ grundlegend ist. [38]

Paul Ricœur bezieht sich auf Fichte und dessen Rezeption in der franzosischen Philosophie, wenn er die Reflexion als ?Wiederaneignung unseres Strebens nach Existenz“ [39] beschreibt. Von der cartesischen Bewusstseinsphilosophie unterscheide die Reflexionsphilosophie, dass in ihr das Ich ?weder in einer psychologischen Evidenz, noch in einer intellektuellen Intuition“ gegeben sei:

die Reflexion ist das Bestreben, das Ego des ?Ego cogito’ im Spiegel seiner Objekte, seiner Werke und schließlich seiner Handlungen zuruckzuerobern. [40]

Kommunikationstheorien und Sprachphilosophie [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im 20. Jahrhundert wurden die Fragen nach Reflexion und Reflexivitat neu aufgeworfen durch den pragenden Einfluss von Wissenschaftsphilosophie bzw. Sprachphilosophie , Linguistik und Strukturalismus . Besonders ausgepragt sind sie in der postanalytischen Philosophie (in deren Versuch der Reintegration von Empirie und Reflexionssemantik) sowie auch in den Kommunikationstheorien insbesondere der Diskurs- und Systemtheorien . In jenem Kommunikations- Paradigma schlagt sich die neue Thematisierung auch im Einflussbereich von Martin Heidegger (1889?1976) und Hans-Georg Gadamer (1900?2002) nieder.

In der Analyse von Herbert Schnadelbach ist Reflexion traditionell das Denken des Denkens , das allgemein als Philosophie und heute genauer genommen als methodisch-rationale Philosophie nutzlich und systematisierbar sei. Die methodische Systematisierung von ?Reflexion’ erlaube es, das voranalytische, mentalistische Verstandnis von Reflexion in den an Jurgen Habermas und Karl-Otto Apel anschließenden Diskurstheorien wie auch in den sprach- bzw. postanalytischen Philosophien zu transformieren und dort kritisch auszudifferenzieren. Die Idee der Spiegelung wird aufgegeben. Das Verhaltnis von Reflexion und Methode formuliert Schnadelbach zu Beginn seines Hauptwerks Reflexion und Diskurs (1977):

?Wer uber philosophische Methodenfragen redet, setzt sich dem Verdacht aus, uber die Philosophie zu reden statt zu philosophieren. Gehort aber die Diskussion uber Methodenfragen zur Philosophie, kann man offenbar nur philosophierend uber die Philosophie reden, und man muß es tun, wenn man in der Philosophie Methodenfragen fur relevant halt. […] Eine solche Selbstthematisierung von Thematisierungsweisen nennt die philosophische Tradition (in einer optischen Metapher) Reflexion , und sie expliziert dies vor allem in der Neuzeit ? grob gesprochen: von Descartes bis Husserl ? in mentalistischen Termini: als Denken des Denkens, Erkennen des Erkennens, Bewußtsein des Bewußtseins usf. Sie verknupft das so Explizierte mit der Aufgabe einer philosophischen Begrundung der Philosophie, die ihrerseits Wissenschaft und Moral begrunden soll. Reflexion wird damit zum Medium der Selbst -begrundung der Philosophie, d. h. des Losungsverfahrens eines Problems, das selbst reflexiv strukturiert ist. >Reflexion< ist darum der wichtigste Methodenbegriff der neueren Philosophie .“ [41]

Hierbei gehe Reflexion als Begrundung ? im Sinne von Geltungsgrunden der Praktischen Philosophie ? uber Reflexion als Selbstbeobachtung hinaus (dies stellt eine Abgrenzung zu empiristischen und systemtheoretischen Theorien dar). Als ein Drittes ist in der Schnadelbachschen Reflexionstheorie die Reflexion als Begriffsklarung zu unterscheiden (analog zu seiner analytischen Trennung von normativen, deskriptiven und explikativen Diskursen). In Bezug auf Reflexion als Begrundung von Handlungen betont Jurgen Habermas in der Vorlesungsreihe Der philosophische Diskurs der Moderne (1983/84) die kommunikative Verankerung der Reflexion:

?Freilich ist ?Reflexion’ nicht mehr eine Sache des Erkenntnissubjekts, das sich objektivierend auf sich bezieht. An die Stelle dieser vorsprachlich-einsamen Reflexion tritt die ins kommunikative Handeln eingebaute Schichtung von Diskurs und Handeln.“ [42]

In der Systemtheorie Niklas Luhmanns bezeichnet Reflexion eine bestimmte Form der Selbstreferenz sozialer Systeme , und zwar die, bei der das System seinen Operationen die Differenz von System und Umwelt zugrunde legt. Die Selbstreferenz dient der autopoietischen Reproduktion, d. h. der Reproduktion des Systems aus sich selbst heraus; die Orientierung an der Differenz von System und Umwelt erlaubt es dem System, Konditionierungen durch die Umwelt selbst zu wahlen, was relevant werden kann, wenn das System als solches in Frage gestellt wird. [43] Luhmann formuliert, auch in Hinblick auf psychische Systeme (mit Verweis auf Jurgen Ruesch / Gregory Bateson fur unbestrittene Standards von psychiatrischen Theorien):

?Jede Analyse der Selbstbeschreibung oder, in klassischer Terminologie, von ?Reflexion“ wird davon ausgehen mussen, dass das System fur sich selbst operativ unerreichbar und damit auch fur die eigenen Operationen intransparent bleibt. […] Hier mag der Grund dafur liegen, dass die klassischen Theorien der Selbstreflexion, sei es des Bewusstseins, sei es des ?Geistes“, mit dem Schema bestimmt/unbestimmt arbeiten. […] In Hegels Theorie wird dies zu einem Problem durch Dialektik disziplinierter Ubergange.“ [44]

Reflexionstheorien arbeiten in unterschiedlichen Weisen und Losungsansatzen mit dem Paradox eines blinden Flecks in jeder Beobachtung, des Kantischen Absehens von sich selbst, des Unterstellens bei Martin Heidegger, des bereits in-der-Sprache-seins bei Hans-Georg Gadamer oder des Dekonstruktionstheorems von Jacques Derrida ; um nicht zuletzt auch das, was sich nicht bezeichnen lasst, zumindest als ?unbestimmt“ zu erfassen. Theodor Adorno war in Anschluss an Hegel ? welcher hierzu nach wie vor am ausfuhrlichsten gearbeitet hat ? zur Ausarbeitung einer negativen Dialektik veranlasst. Reflexion ist in dieser Theorielage der gedanklich verlaufende Ruckbezug auf das, was das Denken im Denken denken und nicht denken kann (bzw. auf das, was die Gesprache und sonstige Kommunikationen in der Kommunikation kommunizieren und nicht kommunizieren konnen).

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

chronologisch

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Reflektieren. In: Duden , abgerufen am 30. Juni 2017.
  2. Aristoteles: Nikomachische Ethik IX 9, 1170a28ff. (Ubers. O. Gigon); vgl. auch mit Analytica posteriora 87b und De Anima 429a?433a.
  3. Thomas von Aquin , De veritate I 9.
  4. Leibniz , Nouveaux Essais, Pref. (Darmstadt 1959, XVI).
  5. Herbert Schnadelbach : Reflexion und Diskurs . Frankfurt 1977, S. 14.
  6. ( Versuch uber den menschlichen Verstand II, 1, § 4)
  7. ( Versuch … IV, 9, § 3)
  8. Abhandlung uber den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen
  9. Abhandlung uber den Ursprung der Sprache , 1. Teil. 2. Abschnitt
  10. Vgl. Abhandlung uber den Ursprung der Sprache , 2. Teil, unter 1. und 4. Naturgesetz
  11. Anhang. Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe durch die Verwechslung des empirischen Verstandesgebrauchs mit dem transzendentalen , Kritik der reinen Vernunft B 316?346
  12. Grundlegung der gesamten Wissenschaftslehre (1794) III, § 5 ff.
  13. Grundlegung des Naturrechts (1796)
  14. Uber den Begriff der Wissenschaftslehre (1794) II, § 7
  15. Darstellung der Wissenschaftslehre (1801)
  16. a b Anweisung zum seligen Leben (1806)
  17. Philosophie und Religion (1804)
  18. Ideen zu einer Philosophie der Natur (1797)
  19. Uber den wahren Begriff der Naturphilosophie (1801)
  20. Glauben und Wissen
  21. a b c Enzyklopadie § 112
  22. Wissenschaft der Logik
  23. Vorlesungen uber die Philosophie der Religion
  24. Enzyklopadie § 413
  25. Neue oder anthropologische Kritik der Vernunft (1807)
  26. Psychologie vom empirischen Standpunkt (1874)
  27. Ideen zu einer reinen Phanomenologie … I, § 78
  28. a b Ideen zu einer reinen Phanomenologie … I, § 77
  29. Phanomenologie der Wahrnehmung (1945), Berlin: de Gruyter 1966, S. 257 (Ubers. R. Boehm)
  30. S. 65.
  31. Das Sein und das Nichts , Reinbek: Rowohlt 1993, S. 294 (Ubers. H. Schoneberg u. T. Konig)
  32. a b S. 293.
  33. S. 294 f.
  34. S. 306.
  35. Philosophie II , 1956, S. 35 ff.
  36. S. 43 f.
  37. Aufgenommen in: Wegmarken (1967)
  38. Gesamtausgabe I, 9, 1976, S. 473, 477 f.
  39. Die Interpretation. Ein Versuch uber Freud , Frankfurt: Suhrkamp 1974, S. 58 (Ubers. E. Moldenhauer)
  40. S. 56 f.
  41. Reflexion und Diskurs , Frankfurt 1977, S. 9.
  42. Der philosophische Diskurs der Moderne , 1985, S. 375.
  43. Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie , Frankfurt: Suhrkamp 1987, S. 600 ff., 617 f.
  44. Organisation und Entscheidung. Opladen 2000, S. 424., mit Verweis auf Jurgen Ruesch, Gregory Bateson: Communication: The Social Matrix of Psychiatry. 2. Auflage. New York 1968, S. 99 ff.