Schriftarten
Der
Rechtsschutz typografischer Gestaltungen
betrifft folgende Aspekte:
Es ist nicht einfach, diese Aspekte auseinanderzuhalten. Deutlicher werden die Rechtsprobleme, wenn die Aspekte in Frageform formuliert sind:
- Darf eine bestimmte Schriftart verwendet werden, um einen zu veroffentlichenden Text damit zu setzen bzw. zu gestalten?
- Darf eine bestehende typographische Gestaltung zu Veroffentlichungszwecken ubernommen werden (etwa als
Reprint
)?
- Darf eine handschriftliche Schriftart oder gestaltete Seite eines anderen verwendet werden?
Bei konkreten Anwendungsfallen ist immer der Schutz der Schriftart vom Schutz des mit ihr erzeugten Schriftbilds und vom Schutz des damit dargestellten Textes zu unterscheiden.
In Deutschland ist der Schriftzeichenschutz dem
Geschmacksmusterschutz
unterstellt. Nur in Ausnahmefallen kann von einem
Urheberrechtsschutz
von Schriftarten die Rede sein. Der
Bundesgerichtshof
hat hierzu ausgefuhrt:
?Auch fur den gewohnlichen Gebrauch bestimmte Schriften (sogenannte
Brotschriften
) konnen Kunstschutz genießen. Maßgebend fur die Beurteilung, ob eine Gebrauchsschrift ein Kunstwerk darstellt, sind jedoch nicht die besonderen asthetischen Feinheiten der Schrift, die allein ein geschulter Schriftenfachkenner herauszufuhlen in der Lage ist, sondern der asthetische Eindruck, den die Schrift bei einem Vergleich ihres Gesamtbildes mit vorbekannten Schriften dem mit Kunstdingen vertrauten und fur den Anruf der Kunst empfanglichen Laien vermittelt.“
?
BGH, Urteil vom 30. Mai 1958
[1]
Im Ergebnis hat er die urheberrechtliche Schutzfahigkeit von Schriftzeichen aber in allen entschiedenen Fallen verneint.
[2]
Bei Gebrauchs- oder
Brotschriften
scheidet der Schutz nach dem
Urheberrechtsgesetz
, der 70 Jahre nach dem Tod des Schriftgestalters lauft (siehe
Regelschutzfrist
), praktisch aus. Auch bei den sogenannten
Zierschriften
ist er nur im Ausnahmefall gegeben.
Auch die Rechtswissenschaft der
Schweiz
, des Ursprungslands der maßstabesetzenden
Schweizer Typografie
(siehe etwa
Frutiger
), verweigert Textschriften den urheberrechtlichen Schutz.
[3]
Wurde man einen Urheberrechtsschutz von typografischen Schriften anerkennen, so hatte man das rechtsdogmatische Problem, dass sich der Schriftenschutz nach dem Wortlaut der Urheberrechtsgesetze auf jegliche Vervielfaltigung der geschutzten Buchstaben, also auch auf die Vervielfaltigung damit gesetzter Texte bezieht, was aber eindeutig nicht beabsichtigt ist. Man musste eine ungeschriebene
Schranke
des Urheberrechts annehmen oder jeden, der eine einschlagige Buchseite kopiert, als Lizenznehmer ansehen.
Mit dem
Gesetz zum Wiener Abkommen vom 12. Juni 1973 uber den Schutz typographischer Schriftzeichen und ihre internationale Hinterlegung
(Schriftzeichengesetz) vom 6. Juli 1981 (BGBl.II S. 382) setzte die Bundesrepublik Deutschland dieses einschließlich der Ausfuhrungsordnung um. Darin ist geregelt, dass die Schutzdauer zunachst 10 Jahre betragt und auf maximal 25 Jahre verlangert werden kann.
Das durch massive
Lobbytatigkeit
der
Association Typographique Internationale
(ATypI)
zustande gekommene Wiener Abkommen tragt den englischen Titel
Vienna Agreement for the Protection of Type Faces and their International Deposit
.
[4]
Zu den 10 Erstunterzeichner-Staaten zahlte nicht das Gastgeberland
Osterreich
, wohl aber die Schweiz.
Liechtenstein
kam etwas spater dazu. Das Abkommen ist bislang nicht in Kraft getreten, da lediglich zwei Staaten (Deutschland und
Frankreich
) es
ratifiziert
haben.
[5]
In den
USA
und den meisten anderen Landern gelten keine vergleichbaren Rechtsvorschriften.
[6]
Allerdings arbeiten Lobbygruppen daran, Schriftarten weitgehend gesetzlich zu schutzen.
[7]
Vor allem systematische Plagiate (Schriftnachahmungen) sind den Firmen, die Schriften
lizenzieren
, ein Dorn im Auge. In einem aufsehenerregenden Verfahren wurde 2006 ein von
Microsoft
angemeldetes Gemeinschaftsmuster der
Segoe UI
fur nichtig erklart. Die Schrift lehnt sich eng an die
Frutiger
an.
Nach der Amtlichen Begrundung zum Schriftzeichengesetz sollte sich das Verbotsrecht des Rechteinhabers grundsatzlich nicht auf die Verbreitung der Texte erstrecken; dadurch sollte eine zu weit gehende Beeintrachtigung des Vertriebs im Buchhandel verhindert werden.
[8]
Inzwischen hat aber das zum 1. Juni 2004 in Kraft getretene
Geschmacksmustergesetz
das vorher geltende Geschmacksmustergesetz und die entsprechenden Vorschriften im Schriftzeichengesetz abgelost,
[9]
so dass diese von Anfang an umstrittene Auffassung als uberholt angesehen werden kann; siehe auch ?Meine Rechte als Urheber“ von Gernot Schulze, Beck-Rechtsberater im dtv, 5. Auflage, 2004: ?Der Inhaber des Geschmacksmusters an den Schriftzeichen kann also gegen die Verbreitung von Buchern und anderen Druckerzeugnissen, die in der geschutzten Schrift gedruckt sind, sowie gegen anderweitige Verwendungen der Schrift einschreiten“.
Die Frage, ob es sich bei einem Font um ein Computerprogramm handelt, ist nach deutschem Recht umstritten. Sie ist urheberrechtlich vor allem deshalb interessant, weil fur Computerprogramme recht niedrige Schutzanforderungen gelten und von vornherein keine qualitativen oder asthetischen Kriterien herangezogen werden durfen (
§ 69a
Abs. 3 Satz 2 UrhG).
[10]
Eine Einordnung als Computerprogramm konnte insofern gerade auch jenen Fonts, die lediglich so genannte Brotschriften implementieren, zum Urheberrechtsschutz verhelfen. Auf keinen Fall konnte aus dem Computerprogrammschutz allerdings gegen die Verwertung der ausgedruckten Schriftzeichen vorgegangen werden.
[11]
In der Tat vertrat im Jahr 2000 das Landgericht Koln recht pauschal die Ansicht, dass Fonts als Computerprogramme einzuordnen seien.
[12]
Das urheberrechtliche Schrifttum lehnt den Computerprogrammschutz demgegenuber uberwiegend ab, weil es sich bei Computerschriften grundsatzlich um Grafikdaten und keine Computerprogramme handele.
[13]
Jaeger/Koglin
wollen den Schutz nur fur solche Fonts gewahren, die individuell eingefugte
Hints
? in den Fonts eingebettete Steuerungsbefehle zur Verbesserung der Bildschirmdarstellung in kleinen Darstellungsgroßen ? enthalten.
[14]
Dies wird auch fur die Schweiz vertreten.
[15]
In der Praxis wird das Hinting derweil oft nicht individuell, sondern automatisch erzeugt und nur manuell nachbearbeitet.
[16]
Andererseits konnen bei aktuellen Fonts im
OpenType
-Format komplexe typografische Features im Font programmiert werden, was die Programmeigenschaft von Fonts heute wahrscheinlicher machen durfte.
Schriftbeispiel der Helvetica
Ist der Name der Schriftart als
Marke
geschutzt, so kann ihr Vertrieb nur unter diesem Namen verhindert werden, sofern kein Schutz nach dem Schriftzeichengesetz besteht. Beispielsweise wurde die
Helvetica
1957 entworfen und 1961 auf dem Markt eingefuhrt.
Helvetica
ist eine Marke der Firma
Linotype
, die entsprechenden Schriftarten von
CorelDraw
konnen daher diesen Namen nicht fuhren, sondern heißen
Swiss
bzw.
Switzerland
.
Ungeachtet der im Artikel
Geschmacksmuster
erorterten
bildrechtlichen
Problematik ist davon auszugehen, dass die Abbildung eines beliebigen Textes, der in einer geschutzten Schriftart gesetzt ist, nicht dem Verbotsrecht des Rechtsinhabers unterfallt. Der Rechtsschutz bezieht sich auf die Nutzung der Schriftart (Angebot zum Download, Erstellen des Textsatzes usw.), nicht auf die Nutzung von mit dieser Schriftart erstellten Texten.
Wie es sich bei der Darbietung von Schriftmustern geschutzter Schriftarten verhalt, ist nicht geklart. In der Regel durfte sie zumindest bei einem nichtgewerblichen Zweck unproblematisch sein.
Linux Libertine
Mit dem Aufkommen von
Open Source
ergab sich auch das Bedurfnis nach freien Schriftarten (siehe
Open-Source-Font
) wie der
Linux Libertine
.
[17]
Die
Nimbus Roman No9 L
von
URW Type Foundry
ist die
freie
PostScript
-Version der
Times Roman
.
Wer eine neu entwickelte Schrift in Deutschland freigeben mochte, muss ausdrucklich eine Patentlizenz erteilen, da die Schrift europaweit durch das
Gemeinschaftsgeschmacksmuster
einen automatischen, kostenlosen, nicht registrierungspflichtigen Schutz von drei Jahren Dauer genießt.
Einen eigenen Schutz der typographischen Gestaltung eines Textes kennt das Recht der meisten EU-Staaten nicht. Wenn nicht andere Rechtsvorschriften eingreifen, ist es ohne weiteres erlaubt, einen (gemeinfreien) Text, der in einem Buch abgedruckt ist, als
Faksimile
nachzudrucken oder im
Internet
zu veroffentlichen. Entgegenstehende
Impressumsvermerke
sind meist als
Copyfraud
einzuschatzen.
In einigen Landern ? allen voran im
Vereinigten Konigreich
? besteht ein Schutz fur die typografische Gestaltung zugunsten der Verleger, der es verhindern soll, dass Nachdrucke gemeinfreier Schriften in Faksimileform erfolgen. Nachdrucken urheberrechtlich geschutzter Werke kann ohnehin unabhangig vom Schriftfont entgegengetreten werden.
Der britische Schutz des
Typographical arrangement of published editions
besteht 25 Jahre vom Ende des Kalenderjahrs an, in dem das Werk erstmals veroffentlicht wurde.
[18]
Dies gilt auch in
Australien
,
[19]
Neuseeland
,
[20]
Jamaika
[21]
und
Hongkong
,
[22]
wahrend in
Irland
[23]
und
Sudafrika
[24]
die Schutzfrist sogar 50 Jahre betragt. Als ehemalige
Weltmacht
konnte das Vereinigte Konigreich diese spezifische Regelung also auch in einige andere Lander exportieren.
Diese Art Schutz fur die typografische Gestaltung eines Werks ist jedoch auch außerhalb des
Commonwealth
bekannt, so z. B. in
Indonesien
, wo die Schutzfrist ebenfalls 50 Jahre seit dem Erscheinen der Edition betragt.
[25]
Ein Verleger, der sich auf diesen Schutz berufen will, muss in einem der Lander Klage einreichen, die diesen Schutz gewahren. Andere
EU
-Staaten sind nicht verpflichtet, diese nationalen Besonderheiten des Vereinigten Konigreichs und Irlands zu respektieren.
In Deutschland kommt es bei der
wettbewerbsrechtlichen
Beurteilung des Nachdrucks eines gemeinfreien Werks, das von einem Verlag selbst als Nachdruck angeboten wird, auf die Umstande des Einzelfalls an (BGH-Entscheidung ?Reprint“.
[26]
) Hier spielt auch der
Amortisations
-Zeitraum eine Rolle. Je langer ein Anbieter Zeit hatte, seine Aufwendungen wieder hereinzuholen, umso weniger darf das Wettbewerbsrecht Wettbewerber an einer Ubernahme hindern. In der Entscheidung
Reprint
ging es um ein 1890/1902 erschienenes Werk, das 1962 gemeinfrei geworden war und beim Erscheinen des Nachdrucks (1963) bereits 12 Jahre vergriffen gewesen war. Der begehrte Schutz wurde abgelehnt.
Die mit der Ubernahme des Fremdsatzes gegebene unmittelbare Leistungsubernahme wird man gemaß dem Grundsatz der
Nachahmungsfreiheit
nur im Ausnahmefall als unlauter ansehen konnen. Gemeinfreie Literatur muss nach dem Ablauf der Schutzfrist frei verbreitet werden durfen. Der typographische Aufwand des Verlags stellt in Deutschland keinen Hinderungsgrund etwa fur nicht-gewerbliche freie Projekte wie
Wikisource
dar, Scans moderner Ausgaben im Internet zu veroffentlichen. Voraussetzung ist naturlich, dass die Ausgaben keinen Schutz nach den §§ 70 (Wissenschaftliche Ausgaben), 71 (
editio princeps
) UrhG genießen.
Nach deutschem Recht ist ein ? in der Vergangenheit vereinzelt angeregter ? urheberrechtlicher Schutz von
Notenbildern
als Werke der angewandten Kunst (Gebrauchsgrafiken) in der Regel nicht gegeben.
[27]
Der Bundesgerichtshof ging in seiner Entscheidung
Notenstichbilder
aus dem Jahr 1986 gleichfalls nicht von einem urheberrechtlichen Schutz des
Notensatzes
aus.
[28]
Dies hat zur Folge, dass das Kopieren von Noten unbearbeiteter gemeinfreier Werke grundsatzlich nicht gegen das Urheberrecht verstoßt.
[29]
(Ob ein Verlag ? davon unabhangig ? gegen einen Mitbewerber aus einem wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz vorgehen kann, wenn dieser gemeinfreie Notensatze aus seinem Angebot fotokopiert und in den Handel bringt, ist in der Vergangenheit in Rechtsprechung und Literatur diskutiert worden, wird nach heutiger Rechtslage jedoch fraglich sein.
[30]
) Die weltweite Bewegung, die gemeinfreie Noten
digitalisieren
mochte, damit ein von den kommerziellen Angeboten der Musikverlage kostenfreier Zugriff moglich ist, lauft unter dem Etikett ?
Free Sheet Music
“.
Schriftzug ?Loriot“
Uberschrift einer kalligrafierten Urkunde, Hobby-Kunstler
Der Schutz handschriftlicher Schriftarten und Gestaltungen hat in der Rechtsprechung bislang nur sporadisch Klarung erfahren.
Im Allgemeinen wird nicht davon auszugehen sein, dass etwa
Autogramme
oder
Autographen
personliche geistige
Schopfungen
im Sinne des Urheberrechtsgesetzes darstellen.
[31]
Der osterreichische
Oberste Gerichtshof
(OGH) hielt in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 fest, der Handschrift eines Menschen komme ?in der Regel“ kein Werkcharakter zu.
[32]
Denn sei die Handschrift zwar zweifellos individuell; doch ergebe sich ihre Einzigartigkeit ?nicht aus dem Ausdruck kunstlerischer Gestaltung, sondern aus jahrelangem, in kleinsten Nuancen geschehenden Verschleifen der gelernten Lateinschrift“. Damit sei sie kein ?Produkt individueller Schopfungskraft“, sondern beziehe ihre Einzigkartigkeit vielmehr ?ausschließlich aus der statistischen Unwahrscheinlichkeit, dass eine andere Person genau dieselbe Schrift verwendet“. Das Landgericht Berlin sprach dem personlichen Schriftzug des unter dem Kunstlernamen
Loriot
bekannten Kunstlers Vico von Bulow (Abbildung nebenstehend) einen Kunstwerkschutz ab, da ihm die hierzu erforderliche Eigentumlichkeit fehle. ?Allein die kantige und schrage Schreibweise unter Verwendung von Druckbuchstaben“ begrunde noch keine hinreichende Schopfungshohe der Unterschrift, da diese Umstande ?nicht geeignet sind, den Schriftzug vom rein Handwerksmaßigen und Alltaglichen abzuheben“.
[33]
Ist ein normaler handschriftlicher Text als Text urheberrechtlich nicht geschutzt, kann man seine Veroffentlichung nicht unter Berufung auf den urheberrechtlichen Schutz der Schriftgestaltung verhindern.
Ein Schutz nach anderen Normen kann dagegen durchaus in Betracht kommen. So sind bisweilen etwa Signaturen als
Bildmarken
eingetragen. In der Rechtsprechung ist auch diskutiert worden, ob die Abbildung eines personlichen Schriftzugs aus dem
allgemeinen Personlichkeitsrecht
(
Art. 2
Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 1
Abs. 1
Grundgesetz
) abgewehrt werden kann; im Streitfall verneinte das Landgericht Berlin einen Verstoß, weil sich die Nutzung durch ein Online-Lexikon in dem durch
Art. 5
Grundgesetz geschutzten Bereich der Informations-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit hielt.
[34]
Anders als bei ?normalen“ Handschriften kann es sich bei
kalligrafischen Gestaltungen
verhalten, bei denen etwa nach deutschem Recht ein Schutz als Werk der angewandten oder der bildenden Kunst nach
§ 2
Abs. 1 Nr. 4 UrhG in Betracht kommen kann.
[35]
Entscheidend fur einen urheberrechtlichen Schutz ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ob die Darstellung einen solchen asthetischen Gehalt aufweist, der es nach Auffassung der fur Kunst empfanglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer ?kunstlerischen“ Leistung zu sprechen.
[36]
Dabei kann die asthetische Wirkung Schutz aber nur begrunden, wenn und soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist.
[37]
Bei der Verwendung traditioneller Schriftarten (
Westliche Kalligrafie
) ist zu bedenken, dass derlei traditionelles Formengut in der Regel altersbedingt
gemeinfrei
ist; nicht selten wird in seiner bloßen ?Anpassung an die Gegenwart“ kein fur einen eigenstandigen Schutz ausreichender schopferischer Beitrag liegen.
Figurenalphabet vom
Meister E.S.
, Buchstaben, n, o, p (15. Jahrhundert)
Gerade bei der kunstlerischen Kalligrafie, die keinem Gebrauchszweck dient und die gerade darauf angelegt ist, sich mehr oder minder vom Altbekannten abzuheben, wird bei entsprechend gestalteten Schriftblattern regelmaßig Urheberrechtsschutz bestehen. Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass nicht beispielsweise die Form eines einzelnen Buchstaben ubernommen werden kann. Denn der Schutz des Schriftblatts ergibt sich oft maßgeblich aus dem grafischen Gesamteindruck; die Ubernahme eines einzelnen Zeichens greift aber nur dann in fremdes Urheberrecht ein, wenn der entlehnte Teil selbst ? fur sich betrachtet ? Schutz genießt.
[38]
In der Tat kommt jedoch insbesondere bei besonders ausgefallen gestalteten Buchstaben (z. B. Schmuckinitialen) ein urheberrechtlicher Schutz in Betracht. Ware der spatmittelalterliche
Meister E. S.
noch keine 70 Jahre tot, so musste man sein Figurenalphabet wohl als geschutztes Werk der bildenden Kunste im Sinne von
§ 2
Abs. 1 Nr. 4 UrhG betrachten.
- Robert Dittrich:
Urheberrechtlicher Schutz von Schriftzeichen: Untersucht anhand der Verwendung der Schrift ?Ronda Roman“ fur die Aufschrift auf der Verpackung eines Toilettenpapiers
. In:
Osterreichische Blatter fur Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht
.
Band
59
,
Nr.
5
, 2010,
S.
204?209
.
[Osterreich]
- Markus Gaderer:
Schutz von Schriftarten
. In:
ecolex
.
Band
21
,
Nr.
2
, 2010,
S.
168?171
.
[Osterreich]
- Ekkehard Gerstenberg:
Schriftbild und Urheberrecht
. In: Fritz Hodeige (Hrsg.):
Das Recht am Geistesgut: Studien zum Urheber-, Verlags- und Presserecht: Eine Festschrift fur Walter Bappert
. Rombach, Freiburg im Breisgau 1964,
S.
53?68
.
[Deutschland]
- Peter Hanser-Strecker:
Zur Frage des urheberrechtlichen Schutzes des Notenbildes
. In:
Archiv fur Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (UFITA)
.
Band
93
, 1982,
S.
13?23
.
[Deutschland]
- Till Jaeger, Olaf Koglin:
Der rechtliche Schutz von Fonts
. In:
Computer und Recht
.
Band
18
, 2002,
S.
169?174
.
[Deutschland]
- Gunter Kelbel:
Der Schutz typographischer Schriftzeichen
. In:
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
.
Band
84
,
Nr.
2
, 1982,
S.
79?84
.
[Deutschland]
- Jonathan L. Mezrich:
Extension of Copyright to Fonts?Can the Alphabet Be Far Behind?
In:
Computer Law Review and Technology Journal
.
Nr.
3
, 1998,
S.
61?68
(Digitalisat via
HeinOnline
, nicht frei zuganglich).
[USA]
- Mischa Charles Senn:
Rechte an ≪Schriften≫
. In:
Zeitschrift fur Immaterialguter-, Informations- und Wettbewerbsrecht (sic!)
.
Band
7
,
Nr.
3
, 2003,
S.
191?203
.
[Schweiz]
- Beatrice Wagner:
Zum Schutz der Gestaltung von Gebrauchsartikeln und typographischen Schriftzeichen: Ein Vergleich der Rechtslage in den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland unter Berucksichtigung des Wiener Abkommens uber den Schutz typographischer Schriftzeichen
. In:
Wettbewerb in Recht und Praxis
.
Band
26
,
Nr.
9
, 1980,
S.
659?666
.
[Deutschland, USA]
- Justin Watts, Fred Blakemore:
Protection of software fonts in UK law
. In:
European Intellectual Property Review
.
Band
17
,
Nr.
3
, 1995,
S.
133?137
.
[Großbritannien]
- ↑
Az. I ZR 21/57, BGHZ 27, 351 (Candida-Schrift). Schricker:
Urheberrecht
. 3. Auflage. 2006, § 2 Rdnr. 170
- ↑
Schricker:
Urheberrecht
. 3. Auflage. 2006, § 2 Rdnr. 170
- ↑
Blank
1999 (siehe Weblinks), S. 29
- ↑
Text
- ↑
Siehe die Darstellung bei
Blank
1999, S. 66 ff.
- ↑
Siehe die Hinweise unter
tjc.com
- ↑
Beispiel:
typeright.org
(englisch)
- ↑
BT-Drs. 9/65.
(PDF; 1,4 MB) S. 7. Jaeger/Koeglin:
ifross.de
(
Memento
vom 14. Juli 2007 im
Internet Archive
) (PDF) S. 171 Anm. 26; siehe auch Kelbel:
Der Schutz typographischer Schriftzeichen
. 1984, Kap. 5 Rn. 27 ff.
- ↑
vgl. BT-Drs. 15/1075,
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/010/1501075.pdf
- ↑
Jaeger/Koglin,
Der rechtliche Schutz von Fonts
, 2002, op. cit., S. 172; siehe allgemeiner auch Czychowski in Fromm/Nordemann,
Urheberrecht
, 12. Aufl. 2018, § 69a Rn. 14, 16.
- ↑
Loewenheim/Spindler in Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht
, 5. Aufl. 2017, § 69a Rn. 12 (Schriftarten nur das Ergebnis der jeweiligen Befehle).
- ↑
LG Koln, Urt. v. 12. Januar 2000,
28 O 133/97
= ZUM 2000, 1099, 1100 f.
- ↑
In diesem Sinne etwa Grutzmacher in Wandtke/Bullinger,
Praxkiskommentar Urheberrecht
, 4. Aufl. 2014, § 69a Rn. 15; Haberstumpf in Mestmacker/Schulze,
Urheberrecht
, Stand: 55. AL 2011, § 69a Rn. 12 (?zweifellos“ nicht erfasst).
- ↑
Jaeger/Koglin,
Der rechtliche Schutz von Fonts
, 2002, op. cit., S. 172.
- ↑
Senn,
Rechte an ≪Schriften≫
, 2003, op. cit., S. 197.
- ↑
Jaeger/Koglin,
Der rechtliche Schutz von Fonts
, 2002, op. cit., S. 172.
- ↑
Siehe auch
ifross.de
(
Memento
vom 3. August 2007 im
Internet Archive
)
- ↑
Copyright, Designs and Patents Act 1988 (c. 48)
, ss. 1(1)(c), 15; dazu
House of Lords
, Newspaper Licensing Agency Limited v. Marks and Spencer Plc, 12. Juli 2001,
[2001] UKHL 38
(
Memento
vom 20. November 2015 im
Internet Archive
)
- ↑
Copyright Act 1968 (No. 63)
, ss. 88, 96: Published editions of works; dazu
Federal Court of Australia
, Nationwide News Pty Ltd v Copyright Agency Ltd, 18. April 1996,
[1996] FCA 1395
;
Archivlink
(
Memento
vom 3. Februar 2007 im
Internet Archive
)
- ↑
Copyright Act 1994 (No. 143)
, ss. 14(1)(f), 25: Typographical arrangements of published editions;
Ministry of Business, Innovation & Employment
:
Copyright protection in New Zealand
- ↑
Jamaica Intellectual Property Office:
About Copyright
(
Memento
vom 2. August 2016 im
Internet Archive
)
- ↑
legislation.gov.hk
- ↑
Copyright and Related Rights Act, 2000 (No. 28)
(
Memento
vom 19. Januar 2012 im
Internet Archive
), ss. 17(2)(c), 29: Typographical arrangement of published editions
- ↑
Copyright Act No. 98 of 1978
(
Memento
vom 30. Dezember 2008 im
Internet Archive
) (PDF; 226 kB), ss. 2(1)(h), 3(2)(f): Published editions; Smit & VanWyk:
Copyright in South Africa
(
Memento
des
Originals
vom 25. Juni 2012 im
Internet Archive
)
Info:
Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß
Anleitung
und entferne dann diesen Hinweis.
@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/www.svw.co.za
- ↑
Undang-Undang no. 19 th. 2002 tentang Hak Cipta
(PDF) =
Law no. 19 of 2002 regarding Copyright
(
Memento
vom 9. April 2016 im
Internet Archive
) (PDF) Art. 12(1)a, 30(2).
- ↑
I ZR 52/66
,
BGHZ
51, 41.
- ↑
Loewenheim in Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht
, 5. Aufl. 2017, § 2 Rn. 198; Andreas Mayser,
Die Privilegierung von Musikverlegern durch Sonderregelungen fur Musiknoten im Urheberrecht
, Nomos, Baden-Baden 2012,
ISBN 978-3-8329-6626-3
, S. 32 f.; Rolf Sack,
Das Kopieren von Noten gemeinfreier Werke der Musik nach deutschem Urheber- und Wettbewerbsrecht
, in: Francois Dessemontet (Hrsg.),
Melanges Joseph Voyame
, Diffusion Payot, Lausanne 1989, S. 225?239, hier S. 225 f.; Heinz Stroh,
Der Rechtsschutz von Musiknoten vor unerlaubter Vervielfaltigung
, Berlin Verlag, Berlin 1995,
ISBN 3-87061-451-X
, S. 62 f. Anders aber Hanser-Strecker,
Zur Frage des urheberrechtlichen Schutzes des Notenbildes
, 1982, op. cit., S. 15 ff. (unter Hinweis auf die vielzahligen Gestaltungsentscheidungen des Notengrafikers, etwa uber das Anbringen der Notenschlussel, Taktangaben und Taktstriche, was insgesamt einen im Vergleich zur Schriftgrafik mehrfach großeren Spielraum lasse, der ?in den meisten Fallen […] voll ausgenutzt“ werde).
- ↑
Urt. v. 6. Februar 1986,
I ZR 98/84
= GRUR 1986, 895. Vgl. Loewenheim in Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht
, 5. Aufl. 2017, § 2 Rn. 198.
- ↑
Einschrankend insbesondere:
§ 70
UrhG (
wissenschaftliche Ausgaben
),
§ 71
UrhG (
nachgelassene Werke
). Zu letzterem illustrativ BGH, Urt. v. 22. Januar 2009,
I ZR 19/07
= GRUR 2009, 942 ?
Motezuma
fur eine ?verschollene“ Oper.
- ↑
Erwogen etwa in BGH, Urt. v. 6. Februar 1986,
I ZR 98/84
= GRUR 1986, 895, 896 ?
Notenstichbilder
auf Grundlage von § 1 UWG a.F. (Unlauterkeit im Streitfall versagt, weil der Verlag schon 50 Jahre Gelegenheit zur Amortisation hatte). Inzwischen bestehen gegen einen derartigen Schutz ? heute aus der Generalklausel des
§ 3
Abs. 1 UWG ? systematische Bedenken. Vgl. Kohler in Kohler/Bornkamm/Feddersen,
UWG
, 36. Aufl. 2018, § 3 Rn. 2.28; Sosnitza in Ohly/Sosnitza,
UWG
, 7. Aufl. 2016, § 3 Rn. 54; befurwortend: Rolf Sack,
Leistungsschutz nach § 3 UWG
, in:
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
, Bd. 118, Nr. 8, 2016, S. 782?789, hier S. 787.
- ↑
Albrecht G. von Olenhusen,
Urheber vs. Eigentumer et vice versa?: Zur Problematik des urheberrechtlichen Zugangsrechts
, in: Winfried Bullinger (Hrsg.),
Festschrift fur Artur-Axel Wandtke zum 70. Geburtstag am 26. Marz 2013
, De Gruyter, Berlin 2013,
ISBN 978-3-11-028351-8
, S. 279?286, hier S. 283.
- ↑
OGH 23. Februar 2016,
4 Ob 142/15h
= MR 2016, 140 (mit Anmerkung Walter), 143 ?
Bettis Hand
.
- ↑
LG Berlin, Urt. v. 27. Marz 2012,
15 O 377/11
(juris, Rn. 92).
- ↑
LG Berlin, Urt. v. 27. Marz 2012,
15 O 377/11
(juris, Rn. 87 ff.).
- ↑
Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel,
Handkommentar Urheberrecht
, 3. Aufl. 2013, § 2 Rn. 227; Albrecht G. von Olenhusen,
Urheber vs. Eigentumer et vice versa?: Zur Problematik des urheberrechtlichen Zugangsrechts
, in: Winfried Bullinger (Hrsg.),
Festschrift fur Artur-Axel Wandtke zum 70. Geburtstag am 26. Marz 2013
, De Gruyter, Berlin 2013,
ISBN 978-3-11-028351-8
, S. 279?286, hier S. 283. Fur die kalligrafischen Elemente eines Notenbildes: Peter Hanser-Strecker,
Die vielen Gesichter der Musik: Zum grafischen Schutz von Werken der Musik
, in: Jurgen Becker, Peter Lerche und Ernst-Joachim Mestmacker (Hrsg.),
Wanderer zwischen Musik, Politik und Recht: Festschrift fur Reinhold Kreile zu seinem 65. Geburtstag
, Nomos, Baden-Baden 1994,
ISBN 3-7890-3481-9
, S. 269?279, hier S. 270.
- ↑
BGH, Urt. v. 13. November 2013,
I ZR 143/12
= BGHZ 199, 52, 58 ?
Geburtstagszug
, Rn. 15.
- ↑
BGH, Urt. v. 13. November 2013,
I ZR 143/12
= BGHZ 199, 52, 68 ?
Geburtstagszug
, Rn. 41; Urt. v. 12. Mai 2011,
I ZR 53/10
= GRUR 2012, 58 ?
Seilzirkus
, Rn. 25.
- ↑
Loewenheim in Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht
, 5. Aufl. 2017, § 2 Rn. 87.