Ranching

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Ranches sind Landwirtschaftsbetriebe mitten in unbesiedelten, naturlich entstandenen Offenlandschaften
Nibepo-Aike Ranch in Sud-Patagonien (Argentinien)

Der Begriff Ranching bezeichnet die stationare Form der extensiven Tierhaltung in naturlich entstandenen Offenlandschaften (Form des sogenannten Pastoralismus ). Sie ist vor allem in den gemaßigten- und subtropischen Kurzgras steppen Nordamerikas , Sudamerikas , des sudlichen Afrikas (hier meist als Farm bezeichnet), Australiens und Neuseelands verbreitet. Die Bezeichnung ist abgeleitet von dem Begriff ?Ranch“, der im Englischen den Sitz und das Wohnhaus eines Viehzuchters bezeichnet. In Australien und Neuseeland spricht man von ?Cattle- oder Sheep-Station“, in Sudamerika von Estancia oder Fazenda und im Sudlichen Afrika von Farm .

Auf einer Ranch wird zumeist Rinderproduktion , in sehr trockenen Gebieten auch Schafproduktion betrieben (zum Beispiel Karakulschafe in Namibia ). Aufgrund der besseren Anpassung an die okologischen Gegebenheiten kommt heute teilweise auch Wildtierhaltung vor (zum Beispiel Bison [1] oder Guanako [2] ). Die Herden werden von mehr oder weniger halb-sesshaften Viehhirten (je nach Land Cowboys , Stockmen, Vaqueros , Gauchos u. a.) betreut. [3] In den meisten Fallen wird Fleisch und Leder produziert. Zusatzliche Landwirtschaft ist selten.

Ranching ist die hauptsachliche Landnutzungsform in Gebieten, die fur den Ackerbau zu trocken sind: wie semiaride Trockensavannen und Steppen jenseits der agronomischen Trockengrenzen . Durch die Niederschlagsarmut ist diese Form der Landwirtschaft an sehr große Flachen gebunden. Die Mindestgroße einer US-amerikanischen Ranch betragt 500 ha. In den Great Plains und den intramontanen Becken der Rocky-Mountains werden uber 100.000 ha erreicht, in Patagonien bis zu 200.000 ha, wobei die großten Flachen in den trockensten Regionen liegen. [4] In geringerem Maße ist Ranching in semihumidem bis humidem Grunland wie der Pampa Humeda im sudlichen und den Llanos im nordlichen Sudamerika sowie in einigen Regionen der Prarie-Staaten der USA verbreitet. Hier findet jedoch zunehmend eine Verdrangung durch die Schaffung neuer Ackerflachen statt.

Unterschiede zu mobilen Systemen

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Ranching: Zaune, Weidemanagement und Marktwirtschaft in Steppen und Savannen (Eingang zur TA Ranch in Wyoming)

Im Gegensatz zu den traditionellen Formen der mobilen Fernweidewirtschaft liegen die Wohnorte der Rancher in der Regel innerhalb des Weidegebietes. Weitere Unterschiede bestehen im aufwandigeren Management der Weiden (teilweise erganzende Einsaat von Futtergrasern, Brunnenbau, vom Menschen geplanter Weidewechsel, Einzaunungen u. a.). Zudem nutzt die stationare Viehwirtschaft haufig nur eine Tierart oder -rasse, wahrend die mobilen Systeme auf zwei oder mehr Arten basieren. Saisonal genutzte Stallungen sind bei beiden Formen selten vorhanden.

Ein weiterer ? wesentlicher ? Unterschied ist die marktwirtschaftliche Ausrichtung der Ranches: Subsistenzproduktion fur den eigenen Bedarf ? wie noch haufig bei der nomadischen Tierhaltung  ? kommt nur selten als Zusatznutzen vor (Beispiel: Komplexe Transhumanz in Zentral-Utah oder Sud-Idaho ) . [5] [6] [7]

Roundup 1898 am Cimarron River
Typische Rinderfarm bei Gobabis , Namibia (2017)

Entwickelt wurde das Ranching von europaischen Siedlern in den Trockengebieten Amerikas und Australiens und von dort in andere Weltgegenden (zum Beispiel Sudafrika) ubertragen. Die Wurzeln liegen vermutlich im sommertrockenen Iberien, wo im Zuge der Reconquista menschenleere, semi-aride Raume durch große Herden von Merinoschafen und Rindern unter Aufsicht berittener Hirten genutzt wurden. Dieses Agrarsystem fand mit der spanisch-portugiesischen Eroberung im 16. Jahrhundert Eingang in die menschenleeren Graslander Amerikas: die Pampas, die Steppen Patagoniens, den Gran Chaco, die Sertaos Brasiliens, die Llanos von Venezuela, die Trockengebiete des nordlichen Mexikos, Texas’ und Kaliforniens. [4] Die in diesem Zuge durchgefuhrte Einzaunung riesiger Gebiete mit Stacheldraht wurde im spaten 19. Jahrhundert gezielt gefordert, um die Herden vor Raubtieren zu schutzen und besser managen zu konnen, doch ebenso um die Besitzanspruche der Rancher gegenuber Eingeborenen (zum Beispiel Prarie-Indianer in den USA, San in Sudwest-Afrika oder Aborigines in Australien) zu markieren und durchzusetzen. [8] Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts verstarkte sich die Ausrichtung auf den Weltmarkt, nahm danach jedoch wieder ab: In Sudamerika zugunsten der Versorgung der stark wachsenden Stadte in den einzelnen Staaten und in den Industrielandern vor allem durch den politischen Schutz der nationalen Landwirtschaft vor der auslandischen Konkurrenz ( Agrarprotektionismus ). [4]

Naturweiden (Hintergrund) und Wiesen zur zusatzlichen Heuproduktion (Vordergrund)
Roundup (Zusammentreiben der Herde) auf einer modernen Ranch in New Mexico

Betriebsstruktur

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Traditionell sind Ranches in Familienbesitz. Heute gibt es jedoch ebenso Kapitalgesellschaften , Genossenschaften sowie ganz- oder halbstaatliche Betriebe. In Bezug zu den enorm großen Flachen sind der Viehbesatz, der Einsatz von Arbeit und Kapital sowie der Betriebsertrag pro Flacheneinheit extrem niedrig. Andererseits erfordert die Einrichtung einer Ranch einen hohen Kapitaleinsatz. Die Produktivitat des Bodens ist extrem niedrig, die Arbeitsproduktivitat ist demgegenuber jedoch hoch. [4] Moderne Ranches managen ihre Herden per Computer (Lenkung der Tiere durch virtuelle Elektrozaune , Ortung gechipter Tiere per GPS u. a.). Der Trend geht zu immer großeren und starker automatisierten Anlagen mit immer weniger Hirten. [9]

Weidemanagement

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Moderne stationare Weidesysteme in Trockengebieten erfordern eine genaue Kalkulation der Weidetragfahigkeit uber die Belastung (= Zahl von Weidetieren pro Flacheneinheit innerhalb der Jahres-Weidezeit) und die Viehbestandsdichte (= Zahl von gleichzeitigen Weidetieren pro Flacheneinheit, i. d. R. bezogen auf einen Tag), [10] um Uberweidungsschaden zu verhindern, wie sie zum Beispiel zwischen 1880 und 1940 in den Great Plains durch zu große Herden entstanden sind. [11] Kriterien fur eine okologisch und okonomisch nachhaltige Bewirtschaftung sind die Erhaltung der Produktivitat und der Futterqualitat der Weiden und der Erhalt der Funktionen der Weidegebiete fur den Erosionsschutz und Landschaftswasserhaushalt. [10] Teilweise erfolgt eine Weideverbesserung durch Aussaat geeigneter Futtergraser; Pestizide oder andere Chemikalien kommen in der Regel nicht zum Einsatz. Moderne Verfahren der Tierzucht und Tierpflege (u. a. kunstliche Besamung, Veterinarbetreuung) sind ublich. [4] [7] Stallungen sind die große Ausnahme und die Wasserversorgung wird zumeist durch den Zugang zu naturlichen Gewassern oder seltener durch angelegte Brunnen sichergestellt.

Die weitgehend naturbelassenen Gebiete moderner Ranches sind heute zumeist in verschiedene großraumige, mit Stacheldraht eingezaunte Koppeln aufgeteilt, die einen geregelten Weideumtrieb und sinnvolle Einteilungen der Herden zulassen. Zwischen den Umtrieben sind die Tiere weitgehend sich selbst uberlassen, d. h. Eingriffe durch den Rancher bzw. die Hirten bleiben auf ein Minimum beschrankt. [12] Der freie Weidegang wird immer seltener und sich vermutlich nur in den gebirgsnahen Regionen halten, in denen zeitweise erganzend saisonale Wanderweidewirtschaft betrieben wird. [5]

Noch heute ist das Pferd ein unerlassliches Arbeitstier beim Ranching

Die Rinder werden in vielen Landern durch Brandzeichen markiert, um sie dem Eigentum einer bestimmten Ranch zuordnen zu konnen, sofern sich das Vieh in den riesigen Gebieten mischen kann, wenn Zaune nicht vorhanden oder beschadigt sind. Die Herden werden auch heute noch uberwiegend mit Hilfe von speziell ausgebildeten Pferden ? wie Quarter Horses , Paint Horses , Appaloosas oder Criollos (Sudamerika), Australian Stock Horse ? zur Brandmarkung der Jungtiere und spater zum Verkauf der schlachtreifen Tiere zusammengetrieben. Lange Viehtrecks finden nur noch sehr selten statt, da der Abtransport meistens per LKW erfolgt. [12]

Typische Fachbegriffe aus dem nordamerikanischen Ranchwesen

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  • Roundup (Zusammentreiben der Rinder zum Zahlen, Impfen oder Verladen)
  • Cattle Drive (Allgemeiner Viehtrieb, zum Beispiel zum Weidewechsel, zum Brandmarken oder zur Impfung)
  • BLM -Land (Staatliche Landereien im Westen der USA, die den Ranchern als zusatzliches Weideland zur Verfugung gestellt werden) [13]
  • Open Range (nicht eingezauntes Weideland, haufig BLM-Land)
Alpakas sind an die speziellen Lebensbedingungen der Anden angepasst und dort daher besser geeignet als Rinder oder Schafe
Zum Schutz vor okologischen und okonomischen Problemen hat die Rancho Humo in Costa Rica ihre Viehwirtschaft mit einem groß angelegten und touristisch vermarkteten Naturschutzprojekt kombiniert.

Aufgrund der okologischen Rahmenbedingungen ist eine hohe Spezialisierung erforderlich, die nur eingeschrankte Moglichkeiten zur Veranderung der Produktpalette (Tierarten, Rassen) und entsprechend langsame Marktanpassungen zulasst. In Verbindung mit unkalkulierbaren Verlusten und Kosten durch das Wetter (durrebedingter Futtermangel, Sturmschaden u. a.) oder Vieh seuchen sowie haufig stark schwankenden Marktpreisen unterliegt das Ranching einem hohen wirtschaftlichen Risiko. [12] Ahnlich wie bei der mobilen Tierhaltung der ehemaligen Hirtennomaden des afrikanisch-eurasischen Trockengurtels versuchen die Herdenbesitzer solchen akuten Problemen manchmal mit einer Intensivierung der Produktion zu begegnen. Eine Erhohung des Beweidungsdrucks kann jedoch zu Bodenverdichtung und -versiegelung , Uberweidungsschaden und zur Ausbreitung von Nicht-Futterpflanzen auf erodierten Flachen fuhren: Im schlimmsten Fall wird eine weitere Weidenutzung der Flachen dadurch fur Jahre oder (bei eintretender Desertifikation ) gar endgultig unmoglich. Wildtierbewirtschaftungen mit einheimischen, angepassten Arten (wie Bisons in Nordamerika oder Guanakos in Sudamerika) sind eine weniger problematische Alternative; zumindest bezogen auf die okologischen Risiken. [7]

Ein weiteres Problem ist die andauernde Konkurrenz zum Ackerbau: Moderne Zuchtverfahren, Genmanipulation und chemische Technologien ermoglichen heute den Anbau in trockenen oder kalten Gebieten, die fruher dafur ungeeignet waren. Unabhangig von der Tatsache, dass die ackerbauliche Nutzung haufig zu noch großeren okologischen Problemen fuhrt, [14] kommt es zu einer zunehmenden Verdrangung des Ranchings in immer trockenere Raume, die ihrerseits noch weniger Viehbesatz vertragen. [7]

Die besonderen Rahmenbedingungen erfordern kreative Ideen der Rancher, um nachhaltig uberleben zu konnen. Ein positives Beispiel ist die ?Rancho Humo“ in Costa Rica: Die Eigentumer haben große Teile ihrer Ranch zu einem uber 10 km² großen Naturschutzgebiet (Vogelschutz in Feuchtgebieten, sowie tropische Trockenwalder) umgewidmet. Der Nutzen fur die Rancher besteht in der touristischen Vermarktung. [15]

Namhafte Ranches

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Beim Gegenstuck in der Fischerei , dem so genannten Sea-Ranching , wird die zunachst in großen Aquarien vorgezuchtete Fischbrut in freien Gewassern wie Teichen oder Seen ausgesetzt und nach Erreichen der Schlachtreife wieder eingefangen.

Commons : Ranches  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. James Gillespie, Frank Flanders: Modern Livestock & Poultry Production. 8th edition. Delmar, New York 2009, S. 897 ff.
  2. Ricardo Baldi et al.: Guanaco Management in Patagonian Rangelands. In: Johan du Toit, Richard Kock u. James Deutsch (Hrsg.): Wild Rangelands: Conserving Wildlife While Maintaining Livestock in Semi-Arid Ecosystems. John Wiley & Sons, Chichester 2010, S. 266?290.
  3. Christian Lauk: Sozial-Okologische Charakteristika von Agrarsystemen. Ein globaler Uberblick und Vergleich. In: Social Ecology Working Paper 78. Institute of Social Ecology, Universitat Klagenfurt, November 2005, ISSN   1726-3816 , S. 7
  4. a b c d e Ranch . In: Online-Lexikon der Geographie , spektrum.de; abgerufen am 23. Marz 2014.
  5. a b Burkhard Hofmeister: Wesen und Erscheinungsformen der Transhumance. In: Erdkunde: Archive for Scientific Geography. Nr. 15/2, 1961, S. 122?123.
  6. uni-landau.de (PDF; 2,3 MB) Okoregionen & Makrookologie, 8. Trockene Mittelbreiten Studienmaterialien der Universitat Landau, S. 31
  7. a b c d Jurgen Schultz: Die Okozonen der Erde . Ulmer, Stuttgart 2008. ISBN 978-3-8252-1514-9 , S. 219?221
  8. Olivier Razac (Autor), Maria Muhle (Ubersetzer): Politische Geschichte des Stacheldraht - Prarie, Schutzengraben, Lager. 1. Auflage. Diaphanes, Berlin 2003, ISBN 978-3-935300-31-5 . S. 24?25
  9. Stefan Wagner: FOCUS-Reportage: Die letzten Cowboys . focus.de, 6. Oktober 2008, hier Teil 2
  10. a b Hagen Gottschling: Die Naturraume des Biospharenreservates Issyk-Kul in Kirgisistan. Eine landschaftsokologische Studie an Transekten. Greifswalder Geographische Arbeiten, Institut fur Geographie und Geologie der Ernst-Moritz-Arndt-Universitat Greifswald, Band 36, Greifswald 2006, ISBN 3-86006-247-6 . S. 219
  11. Joachim Radkau: Natur und Macht: eine Weltgeschichte der Umwelt. 1. Auflage. C.H.Beck, Munchen 2002, ISBN 3-406-48655-X , S. 212?213
  12. a b c Ranching . ( Memento vom 27. Oktober 2014 im Internet Archive ) Website des United States Department of Agriculture. Abgerufen am 23. Marz 2014.
  13. Ranching ? Deutsch . Website des americanranchguide.com; abgerufen am 23. Marz 2014.
  14. Fred Scholz : Nomadismus ist tot. In Geographische Rundschau , Heft 5, 1999, S. 248?255
  15. Rancho Humo: Wetland Restoration Model in Costa Rica . ( Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive ; PDF) In: Dead Planet, Living Planet Biodiversity And Ecosystem Restoration For Sustainable Development . UNEP; abgerufen am 27. Oktober 2014, S. 75