Russische Sozialistische Foderative Sowjetrepublik

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Nicht zu verwechseln mit Sowjetrussland
Russische Sozialistische
Foderative Sowjetrepublik
Российская Советская Федеративная Социалистическая Республика

Rossijskaja Sowetskaja Federatiwnaja Sozialistitscheskaja Respublika
Flagge Wappen
Wahlspruch : Пролетарии всех стран, соединяйтесь!

( Proletarii wsech stran, sojedinjaites! )
deutsch: Proletarier aller Lander, vereinigt Euch!

Amtssprache Russisch
Hauptstadt Moskau
Staatsoberhaupt Lew Borissowitsch Kamenew
(9. November 1917 ? 21. November 1917)
Jakow Michailowitsch Swerdlow
(21. November 1917 ? 16. Marz 1919)
Michail Iwanowitsch Kalinin
(30. Marz 1919 ? 30. Dezember 1922)
Regierungschef Wladimir Iljitsch Lenin
Flache 17.075.200 km²
Einwohnerzahl 147 Millionen
Bevolkerungsdichte 8,6 Einwohner pro km²
Wahrung Russischer Rubel
Errichtung 7. November 1917
Endpunkt 26. Dezember 1991: Auflosung der UdSSR (nicht aber der RSFSR)

21. April 1992: Anderung des Staatsnamens der RSFSR in Russische Foderation durch Annahme eines verfassungsandernden Foderationsvertrages

25. Dezember 1993: Tatsachliche Auflosung durch Inkrafttreten einer neuen Verfassung als Ergebnis der Russischen Verfassungskrise

National­hymne 1922?1944: Die Internationale
1944?1990: Hymne der Sowjetunion
1990?1991: Patriotisches Lied

Die Russische Sozialistische Foderative Sowjetrepublik ( RSFSR ; eigentlich Russlandische Sozialistische Foderative Sowjetrepublik , [1] russisch Российская Социалистическая Федеративная Советская Республика - Rossijskaja Sozialistitscheskaja Federatiwnaja Sowetskaja Respublika , ab 1936/37 Российская Советская Федеративная Социалистическая Республика - Rossijskaja Sowetskaja Federatiwnaja Sozialistitscheskaja Respublika ) war die alteste, großte und bevolkerungsreichste Unionsrepublik der Sowjetunion (UdSSR).

Sie wurde kurz nach der Oktoberrevolution am 7. November 1917 gegrundet und gehorte zu den Grundungsmitgliedern der Ende 1922 konstituierten Sowjetunion. Nach Auflosung der UdSSR im Dezember 1991 wurde sie unter Wahrnehmung all ihrer Rechte und Pflichten von dieser unabhangig und benannte sich 1992 in Russische Foderation um.

Die Februarrevolution 1917 beendete die Zarenherrschaft in Russland. Daraufhin trat eine Doppelregierung aus Parlament ( Duma ) sowie Arbeiter- und Soldatenraten ( Sowjet ) die Nachfolge an. Die Oktoberrevolution durch die kommunistischen Bolschewiki im Jahr 1917 veranderte den Charakter beziehungsweise das Handeln der Sowjets (Rate) grundlegend. Der ?begrenzte“ Pluralismus , der in der Selbstbezeichnung des Jahres 1917 in der revolutionaren Demokratie zum Ausdruck kam, ging zu Ende. Die Sowjets verstanden sich zunachst zwar entschieden parteilich als Interessenvertretung der ausgebeuteten Klassen, wovon sie Reprasentanten bzw. Vertreter der burgerlichen Schichten und des politischen Liberalismus ausschlossen. Aber sie ließen Raum fur unterschiedliche Auffassungen uber die geeignetsten Mittel und Wege, das Los der Unterdruckten zu verbessern.

Die Bolschewiki und ihre Verbundeten lehnten diesen Pluralismus ab. Ihre Delegierten im zweiten Allrussischen Kongress der Arbeiter- und Soldatendeputiertenrate wahlten noch am Abend des 25. Oktober ein Allrussisches Zentrales Exekutivkomitee (Ausubendes Komitee) aus den eigenen Reihen. Obwohl mit Lew Kamenew ein Befurworter einer sozialistischen Allparteienkoalition an seiner Spitze stand, war die Gleichstellung damit faktisch bereits vollzogen. Der oberste Sowjet wurde zum Instrument der Bolschewiki.

Grundung und Verfassung

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Die neuen Machthaber bauten den Sowjet (Rat) systematisch zu einem alternativen Reprasentationsorgan der Vollburger ihrer Definition aus. Ein erster Schritt bestand in der Einverleibung des Allrussischen Bauernsowjets, die der dritte Allrussische Kongress der Arbeiter- und Soldatendeputierten in der zweiten Januarwoche 1918 formlich vollzog. Damit wurde ein zentrales Gremium geschaffen, das als Gegenmodell zum burgerlichen Parlament fungieren konnte und auf die Provinz ubertragbar war. Der zweite Schritt bestand in der Ausarbeitung einer formlichen Verfassung , die eine solche Hierarchie von Raten auf vier Ebenen (landliche Bezirke [russ.: wolosti ], Kreise [ujesdy] , Gouvernements [gubernii] und Großregionen [oblasti] ) etablierte und die jeweiligen Kompetenzen regelte. Sie trat am 10. Juli 1918 in Kraft. [2] Dieses Dokument, mit dem die Russische Sozialistische Foderative Sowjetrepublik (RSFSR) offiziell in die Staatenwelt eintrat, fixierte auch die prinzipiellen Eigenarten der Rateordnung im Unterschied zur parlamentarischen Demokratie . Unter Stalin entstand 1937 eine Verfassung, die bis zur Auflosung mit vielen Veranderungen Bestand hatte. Die Regierung hieß Rat der Volksbeauftragten . [3]

Typisch fur die Rateordnung sind dabei:

  1. die Beschrankung des Wahlrechtes auf diejenigen, die ihren Lebensunterhalt aus produktiver und gesellschaftlich nutzlicher Arbeit bestritten. Wer Lohnarbeiter beschaftigte oder von Renten und Wertpapieren lebte, war ausgeschlossen; Kaufleute und Priester entmundigte man per definitionem.
  2. die fehlende Trennung zwischen Exekutive (ausubende) und Legislative (gesetzgebende Gewalt), wie sie Baron de Montesquieu ( Vom Geist der Gesetze , 1748) erstmals gefordert hatte und seit der Franzosischen Revolution zur Grundlage der liberalen Demokratie geworden war. Da sich der Arbeiter- und Bauernstaat exklusiv als Instrument seiner Klientel verstand, bußte auch die Justiz ihre Unabhangigkeit ein. In der Sowjetverfassung existierte also keine Gewaltenteilung .
  3. der Verzicht auf eine Direktwahl der hoheren Rate und deren pyramidale Bestellung. Auf diese Weise war der Selektion der wichtigen Entscheidungstrager Tur und Tor geoffnet. Um sie zu konterkarieren, hatte es eines starken Pluralismus auch im Zentrum der Macht bedurft. Einen solchen vermochte Lenin auch am Ende des Burgerkrieges (und auch daruber hinaus) zu verhindern.

Unabhangigkeitsbewegungen

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Nachdem das zaristische Russland im Februar 1917 zusammenbrach und von einer nachfolgenden Doppelregierung regiert wurde, die im Oktober desselben Jahres durch die bolschewistische Revolution gesturzt wurde, sprachen sich einige Nationalbewegungen der nichtrussischen Bevolkerung fur einen eigenen Nationalstaat aus, nachdem sie bis dahin nur mehr Selbstbestimmung gefordert hatten. Von Sowjetrussland und seiner Roten Armee ging zwischen den Jahren 1918 und 1921 außerdem eine Restitution des fruheren Russischen Reiches und des damaligen Vielvolkerreiches aus. Von den Gebieten, die zum ehemaligen Zarenreich gehorten, wurden Finnland , das vom Russischen Reich besetzte Polen als Zweite Polnische Republik sowie die baltischen Staaten und Bessarabien unabhangig.

Gebietsanderungen

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Mit der Grundung der Sowjetunion Ende 1922 wurden weite Teile Sowjetrusslands als eigenstandige Unionsrepubliken in diese aufgenommen. Anfang der 1920er Jahre kamen die fernostlichen Pufferstaaten zwischen dem Japanischen Kaiserreich und Sowjetrussland (also die Fernostliche Republik beziehungsweise die Kustenrepublik ) zur RSFSR und 1925 wurde das Gebiet um die bisherige kirgisische Hauptstadt Orenburg aus dem Bereich der darauffolgend gebildeten Kasachischen ASSR abgetrennt.

Im Prozess der Auflosung der aus dem Zarenreich uberkommenen Gouvernements , die bis Ende der 1920er Jahre abgeschlossen war, durchlief die RSFSR eine Phase haufiger administrativer Anderungen. In den 1920er Jahren wurden einige neue Gouvernements gebildet, die nur kurz bestanden. Die RSFSR wurde neu gegliedert in großere, dann wieder verkleinerte und ofter umbenannte Oblaste (Gebiete) und Krais (Regionen), die wiederum episodisch in Okrugs unterteilt waren, bevor sich ab der zweiten Halfte der 1930er Jahre mit der Bildung der im Wesentlichen noch heute bestehenden Oblaste und Krais eine dauerhaftere Struktur etablierte. Die Verfassung von 1936 (Stalin-Verfassung) trug dazu bei. Untergliedert wurden die Oblaste und Krais nach der Abschaffung von Ujesdi und Okrugs in Rajons (Kreise). Die sowjetische Nationalitatenpolitik fuhrte zur Bildung von Autonomen Sowjetrepubliken , Autonomen Oblasten sowie Autonomen Kreisen (bis 1977 als Nationale Kreise bezeichnet).

Die großten Anderungen des Gebietsstandes der Russischen SFSR geschahen um den Zweiten Weltkrieg . Die im Winterkrieg 1939/40 eroberten finnischen Gebiete wurden teilweise der RSFSR zugeschlagen, zum Teil mit den russischen Teilen Kareliens zur Karelo-Finnischen SSR vereinigt.

1944 trat die faktisch seit den 1920er Jahren sowjetische Tuwinische Volksrepublik der Sowjetunion bei, um zuerst autonomes Gebiet, spater dann autonome Republik innerhalb der RSFSR zu werden. Nach der gewaltsamen Eingliederung der baltischen Staaten in die Sowjetunion von 1940 wurden einige Grenzorte Lettlands und Estlands in die RSFSR eingegliedert.

Nachdem Finnland den Fortsetzungskrieg 1941/44 verloren hatte, musste es 1947 weitere kleinere Gebiete (vor allem den einzigen Zugang Finnlands zum Nordmeer) an die Sowjetunion abtreten. Im Westen gliederte die Sowjetunion den Norden Ostpreußens um Konigsberg , die heutige Oblast Kaliningrad , in die RSFSR ein. Im Sowjetisch-Japanischen Krieg 1945 fielen die lange zwischen Russland und Japan umstrittene Insel Sachalin sowie die Kurilen an die RSFSR.

1954 verringerte sich die Flache der RSFSR, als auf Anweisung Nikita Chruschtschows die Krim an die Ukrainische SSR abgegeben wurde. 1956 wurde die Karelo-Finnische SSR aufgelost und als Karelische ASSR in die RSFSR eingegliedert.

Die Russische SFSR war von allen drei schweren Hungersnoten der Geschichte der UdSSR betroffen. Zwischen 1921 und 1922 wutete die sowjetrussische Hungersnot der 1920er-Jahre in den Regionen an Wolga und Ural. Zwischen 1930 und 1934 (mit Schwerpunkt Anfang 1933) suchte die Hungersnot in der Sowjetunion in den 1930er-Jahren den russischen Sudwesten heim, wobei die mehrheitlich ukrainische Kuban-Region der RSFSR zusatzlich auch zum Holodomor der Sowjetukraine gerechnet wird. Schließlich folgte nach dem Zweiten Weltkrieg noch die Hungersnot in der Sowjetunion 1946?1947 .

In der RSFSR lebten nach der letzten Volkszahlung im Jahre 1989 etwa 147 Millionen Menschen, dies stellte ungefahr 51 % der gesamten Bevolkerung in der UdSSR dar. Die Bevolkerung setzte sich zu dieser Zeit großtenteils aus den folgenden Bevolkerungsgruppen zusammen:

Nationalitat Bevolkerungsanzahl Nationalitatenanteile
Russen 120 Mio.¹² 81,5 %¹
Tataren 5,5 Mio.¹² 3,8 %¹
Ukrainer 4,3 Mio.¹² 3,0 %¹
Tschuwaschen 1,8 Mio.¹² 1,2 %
Baschkiren 1,3 Mio.¹² 0,9 %
Mordwinen 1,0 Mio.¹² 0,7 %
Gesamte RSFSR 147 Mio.¹² 100,0 %

¹ Bevolkerungszahlen und Prozentzahlen laut Roland Gotz/Uwe Halbach. [4]
² Bevolkerungszahlen laut R. A. Mark. [5]

Von den uber 27 Millionen Nicht-Russen in der RSFSR lebten nur 9,4 Millionen (Stand: 1989) in ihren eigentlichen jeweiligen nationalen bzw. historischen Gebieten, da sie durch Flucht, Umsiedlung oder aus eigenem Antrieb diese Gebiete verlassen hatten. Das Verbreitungsgebiet einiger Volker wie der Tataren ist traditionell sehr gestreut und konnte von vornherein nicht vollstandig in einem kompakten Autonomiegebiet erfasst werden.

  • Victor Donninghaus: Minderheiten in Bedrangnis. Sowjetische Politik gegenuber Deutschen, Polen und anderen Diaspora-Nationalitaten 1917?1938 (= Schriften des Bundesinstituts fur Kultur und Geschichte der Deutschen im Ostlichen Europa; 35). Oldenbourg, Munchen 2009, ISBN 978-3-486-58872-9 .
  • Roland Gotz, Uwe Halbach: Politisches Lexikon GUS (= Beck’sche Reihe 852, Lander). 3., neubearbeitete Auflage, Beck, Munchen 1995, ISBN 3-406-40597-5 .
  • Andreas Kappeler: Rußland als Vielvolkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall . Beck, Munchen 1992, ISBN 3-406-36472-1 .
  • Rudolf Mark : Die Volker in der ehemaligen Sowjetunion. Die Nationalitaten der GUS, Georgiens und der baltischen Staaten. Ein Lexikon . 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Opladen 1992, Westdeutscher Verlag, Opladen 1992, ISBN 3-531-12075-1 .
  • D. S. Polyanski: Russian Socialist Federative Soviet Republic. The Whole Republic a Construction Site . Soviet Booklets, London 1959 ( online ).
  • Gerhard Simon , Nadja Simon: Verfall und Untergang des sowjetischen Imperiums (= dtv-Wissenschaft 4598). Mit zahlreichen Dokumenten. Deutscher Taschenbuch-Verlag, Munchen 1993, ISBN 3-423-04598-1 .
  • Gerhard Simon: Nationalismus und Nationalitatenpolitik in der Sowjetunion. Von der totalitaren Diktatur zur nachstalinistischen Gesellschaft (= Osteuropa und der internationale Kommunismus; Bd. 16). Nomos-Verlags-Gesellschaft, Baden-Baden 1986, ISBN 3-7890-1249-1 (Zugleich: Koln, Univ., Habil.-Schr.).
  • Norbert Wein: Die Sowjetunion (= Uni-Taschenbucher 1244). 2., uberarbeitete und erweiterte Auflage, Schoningh, Paderborn [u. a.] 1985, ISBN 3-506-99366-6 .
Commons : Russische Sozialistische Foderative Sowjetrepublik  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Vergleiche den Verfassungstext auf 1000dokumente.de , abgerufen am 2. November 2023.
  2. Grundgesetz der Russischen Sozialistischen Foderativen Sowjetrepublik (RSFSR) vom 10. Juli 1918
  3. Verfassung der Russischen Sozialistischen Foderativen Sowjetrepublik (Grundgesetz, 1937). Abgerufen am 2. August 2020 .
  4. Roland Gotz, Uwe Halbach: Politisches Lexikon GUS. 3. Auflage, 1995.
  5. R. A. Mark: Die Volker in der ehemaligen Sowjetunion: Die Nationalitaten der GUS, Georgiens und der baltischen Staaten. Ein Lexikon. 2. Auflage. Opladen 1992.