- Nicht zu verwechseln mit
Sowjetrussland
Die
Russische Sozialistische Foderative Sowjetrepublik
(
RSFSR
; eigentlich
Russlandische
Sozialistische Foderative Sowjetrepublik
,
[1]
russisch
Российская Социалистическая Федеративная Советская Республика
- Rossijskaja Sozialistitscheskaja Federatiwnaja Sowetskaja Respublika
, ab 1936/37
Российская Советская Федеративная Социалистическая Республика
- Rossijskaja Sowetskaja Federatiwnaja Sozialistitscheskaja Respublika
) war die alteste, großte und bevolkerungsreichste
Unionsrepublik
der
Sowjetunion
(UdSSR).
Sie wurde kurz nach der
Oktoberrevolution
am 7. November 1917 gegrundet und gehorte zu den Grundungsmitgliedern der Ende 1922 konstituierten Sowjetunion. Nach
Auflosung der UdSSR
im Dezember 1991 wurde sie unter Wahrnehmung all ihrer
Rechte und Pflichten
von dieser unabhangig und benannte sich 1992 in
Russische Foderation
um.
In diesem Artikel oder Abschnitt fehlen noch folgende wichtige Informationen:
Ubergang der RSFSR in die Russische Foderation, s.a. Diskussion; Rolle der RSFSR im Zweiten Weltkrieg und Verhaltnis zu anderen Sowjetrepubliken im Zweiten Weltkrieg
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.
Die
Februarrevolution 1917
beendete die
Zarenherrschaft
in Russland. Daraufhin trat eine
Doppelregierung
aus Parlament (
Duma
) sowie Arbeiter- und Soldatenraten (
Sowjet
) die Nachfolge an. Die Oktoberrevolution durch die
kommunistischen
Bolschewiki
im Jahr 1917 veranderte den Charakter beziehungsweise das Handeln der Sowjets (Rate) grundlegend. Der ?begrenzte“
Pluralismus
, der in der Selbstbezeichnung des Jahres 1917 in der
revolutionaren
Demokratie
zum Ausdruck kam, ging zu Ende. Die
Sowjets
verstanden sich zunachst zwar entschieden parteilich als Interessenvertretung der ausgebeuteten Klassen, wovon sie Reprasentanten bzw. Vertreter der
burgerlichen
Schichten und des politischen
Liberalismus
ausschlossen. Aber sie ließen Raum fur unterschiedliche Auffassungen uber die geeignetsten Mittel und Wege, das Los der Unterdruckten zu verbessern.
Die Bolschewiki und ihre Verbundeten lehnten diesen Pluralismus ab. Ihre Delegierten im zweiten
Allrussischen Kongress der Arbeiter- und Soldatendeputiertenrate
wahlten noch am Abend des 25. Oktober ein
Allrussisches Zentrales Exekutivkomitee
(Ausubendes Komitee) aus den eigenen Reihen. Obwohl mit
Lew Kamenew
ein Befurworter einer sozialistischen Allparteienkoalition an seiner Spitze stand, war die Gleichstellung damit faktisch bereits vollzogen. Der oberste Sowjet wurde zum Instrument der Bolschewiki.
Die neuen Machthaber bauten den Sowjet (Rat) systematisch zu einem alternativen Reprasentationsorgan der
Vollburger
ihrer Definition aus. Ein erster Schritt bestand in der Einverleibung des Allrussischen Bauernsowjets, die der dritte
Allrussische Kongress der Arbeiter- und Soldatendeputierten
in der zweiten Januarwoche 1918 formlich vollzog. Damit wurde
ein
zentrales
Gremium
geschaffen, das als Gegenmodell zum
burgerlichen
Parlament
fungieren konnte und auf die Provinz ubertragbar war. Der zweite Schritt bestand in der Ausarbeitung einer formlichen
Verfassung
, die eine solche Hierarchie von Raten auf vier Ebenen (landliche Bezirke [russ.:
wolosti
], Kreise
[ujesdy]
, Gouvernements
[gubernii]
und Großregionen
[oblasti]
) etablierte und die jeweiligen Kompetenzen regelte. Sie trat am 10. Juli 1918 in Kraft.
[2]
Dieses Dokument, mit dem die
Russische Sozialistische Foderative Sowjetrepublik
(RSFSR) offiziell in die Staatenwelt eintrat, fixierte auch die prinzipiellen Eigenarten der Rateordnung im Unterschied zur
parlamentarischen Demokratie
. Unter Stalin entstand 1937 eine Verfassung, die bis zur Auflosung mit vielen Veranderungen Bestand hatte. Die Regierung hieß
Rat der Volksbeauftragten
.
[3]
Typisch fur die Rateordnung sind dabei:
- die Beschrankung des Wahlrechtes auf diejenigen,
die ihren Lebensunterhalt aus produktiver und gesellschaftlich nutzlicher Arbeit
bestritten. Wer Lohnarbeiter beschaftigte oder von Renten und Wertpapieren lebte, war ausgeschlossen; Kaufleute und Priester entmundigte man per definitionem.
- die fehlende Trennung zwischen
Exekutive
(ausubende) und
Legislative
(gesetzgebende Gewalt), wie sie
Baron de Montesquieu
(
Vom Geist der Gesetze
, 1748) erstmals gefordert hatte und seit der
Franzosischen Revolution
zur Grundlage der
liberalen Demokratie
geworden war. Da sich der
Arbeiter- und Bauernstaat
exklusiv als Instrument seiner Klientel verstand, bußte auch die Justiz ihre Unabhangigkeit ein. In der Sowjetverfassung existierte also keine
Gewaltenteilung
.
- der Verzicht auf eine Direktwahl der hoheren Rate und deren pyramidale Bestellung. Auf diese Weise war der Selektion der wichtigen Entscheidungstrager Tur und Tor geoffnet. Um sie zu konterkarieren, hatte es eines starken Pluralismus auch im Zentrum der Macht bedurft. Einen solchen vermochte Lenin auch am Ende des
Burgerkrieges
(und auch daruber hinaus) zu verhindern.
Nachdem das
zaristische Russland
im Februar 1917 zusammenbrach und von einer nachfolgenden Doppelregierung regiert wurde, die im Oktober desselben Jahres durch die
bolschewistische
Revolution gesturzt wurde, sprachen sich einige Nationalbewegungen der nichtrussischen Bevolkerung fur einen eigenen
Nationalstaat
aus, nachdem sie bis dahin nur mehr
Selbstbestimmung
gefordert hatten. Von
Sowjetrussland
und seiner
Roten Armee
ging zwischen den Jahren 1918 und 1921 außerdem eine Restitution des fruheren
Russischen Reiches
und des damaligen
Vielvolkerreiches
aus. Von den Gebieten, die zum ehemaligen Zarenreich gehorten, wurden
Finnland
, das vom Russischen Reich besetzte Polen als
Zweite Polnische Republik
sowie die
baltischen Staaten
und
Bessarabien
unabhangig.
Mit der Grundung der Sowjetunion Ende 1922 wurden weite Teile
Sowjetrusslands
als eigenstandige
Unionsrepubliken
in diese aufgenommen. Anfang der 1920er Jahre kamen die
fernostlichen
Pufferstaaten zwischen dem
Japanischen Kaiserreich
und Sowjetrussland (also die
Fernostliche Republik
beziehungsweise die
Kustenrepublik
) zur RSFSR und 1925 wurde das Gebiet um die bisherige
kirgisische
Hauptstadt
Orenburg
aus dem Bereich der darauffolgend gebildeten
Kasachischen ASSR
abgetrennt.
Im Prozess der Auflosung der aus dem
Zarenreich
uberkommenen
Gouvernements
, die bis Ende der 1920er Jahre abgeschlossen war, durchlief die RSFSR eine Phase haufiger administrativer Anderungen. In den 1920er Jahren wurden einige neue Gouvernements gebildet, die nur kurz bestanden. Die RSFSR wurde neu gegliedert in großere, dann wieder verkleinerte und ofter umbenannte
Oblaste
(Gebiete) und
Krais
(Regionen), die wiederum episodisch in
Okrugs
unterteilt waren, bevor sich ab der zweiten Halfte der 1930er Jahre mit der Bildung der im Wesentlichen noch heute bestehenden Oblaste und Krais eine dauerhaftere Struktur etablierte. Die
Verfassung von 1936 (Stalin-Verfassung)
trug dazu bei. Untergliedert wurden die Oblaste und Krais nach der Abschaffung von
Ujesdi
und Okrugs in
Rajons
(Kreise). Die sowjetische Nationalitatenpolitik fuhrte zur Bildung von
Autonomen Sowjetrepubliken
,
Autonomen Oblasten
sowie
Autonomen Kreisen
(bis
1977
als
Nationale Kreise
bezeichnet).
Die großten Anderungen des Gebietsstandes der Russischen SFSR geschahen um den
Zweiten Weltkrieg
. Die im
Winterkrieg
1939/40 eroberten
finnischen
Gebiete wurden teilweise der RSFSR zugeschlagen, zum Teil mit den russischen Teilen
Kareliens
zur
Karelo-Finnischen SSR
vereinigt.
1944 trat die faktisch seit den 1920er Jahren sowjetische
Tuwinische Volksrepublik
der Sowjetunion bei, um zuerst autonomes Gebiet, spater dann autonome Republik innerhalb der RSFSR zu werden. Nach der gewaltsamen Eingliederung der baltischen Staaten in die Sowjetunion von 1940 wurden einige Grenzorte
Lettlands
und
Estlands
in die RSFSR eingegliedert.
Nachdem Finnland den
Fortsetzungskrieg
1941/44 verloren hatte, musste es 1947 weitere kleinere Gebiete (vor allem den einzigen Zugang Finnlands zum Nordmeer) an die Sowjetunion abtreten. Im Westen gliederte die Sowjetunion den Norden
Ostpreußens
um
Konigsberg
, die heutige
Oblast Kaliningrad
, in die RSFSR ein. Im
Sowjetisch-Japanischen Krieg
1945 fielen die lange zwischen Russland und
Japan
umstrittene Insel
Sachalin
sowie die
Kurilen
an die RSFSR.
1954 verringerte sich die Flache der RSFSR, als auf Anweisung
Nikita Chruschtschows
die
Krim
an die
Ukrainische SSR
abgegeben wurde. 1956 wurde die
Karelo-Finnische SSR
aufgelost und als
Karelische ASSR
in die RSFSR eingegliedert.
-
Grenzen seit 1922
-
Grenzen seit 1924
-
Grenzen seit 1936
-
Grenzen seit 1940
-
Grenzen seit 1956
Die Russische SFSR war von allen drei schweren Hungersnoten der Geschichte der UdSSR betroffen. Zwischen 1921 und 1922 wutete die
sowjetrussische Hungersnot der 1920er-Jahre
in den Regionen an Wolga und Ural. Zwischen 1930 und 1934 (mit Schwerpunkt Anfang 1933) suchte die
Hungersnot in der Sowjetunion in den 1930er-Jahren
den russischen Sudwesten heim, wobei die mehrheitlich ukrainische Kuban-Region der RSFSR zusatzlich auch zum
Holodomor
der Sowjetukraine gerechnet wird. Schließlich folgte nach dem Zweiten Weltkrieg noch die
Hungersnot in der Sowjetunion 1946?1947
.
In der RSFSR lebten nach der letzten
Volkszahlung
im Jahre 1989 etwa 147 Millionen Menschen, dies stellte ungefahr 51 % der gesamten Bevolkerung in der UdSSR dar. Die Bevolkerung setzte sich zu dieser Zeit großtenteils aus den folgenden
Bevolkerungsgruppen
zusammen:
Nationalitat
|
Bevolkerungsanzahl
|
Nationalitatenanteile
|
Russen
|
120 Mio.¹²
|
81,5 %¹
|
Tataren
|
5,5 Mio.¹²
|
3,8 %¹
|
Ukrainer
|
4,3 Mio.¹²
|
3,0 %¹
|
Tschuwaschen
|
1,8 Mio.¹²
|
1,2 %
|
Baschkiren
|
1,3 Mio.¹²
|
0,9 %
|
Mordwinen
|
1,0 Mio.¹²
|
0,7 %
|
Gesamte RSFSR
|
147 Mio.¹²
|
100,0 %
|
¹
Bevolkerungszahlen und Prozentzahlen laut Roland Gotz/Uwe Halbach.
[4]
²
Bevolkerungszahlen laut R. A. Mark.
[5]
Von den uber 27 Millionen Nicht-Russen in der RSFSR lebten nur 9,4 Millionen (Stand: 1989) in ihren eigentlichen jeweiligen nationalen bzw. historischen Gebieten, da sie durch Flucht, Umsiedlung oder aus eigenem Antrieb diese Gebiete verlassen hatten. Das Verbreitungsgebiet einiger Volker wie der Tataren ist traditionell sehr gestreut und konnte von vornherein nicht vollstandig in einem kompakten Autonomiegebiet erfasst werden.
- Victor Donninghaus:
Minderheiten in Bedrangnis. Sowjetische Politik gegenuber Deutschen, Polen und anderen Diaspora-Nationalitaten 1917?1938
(= Schriften des Bundesinstituts fur Kultur und Geschichte der Deutschen im Ostlichen Europa; 35). Oldenbourg, Munchen 2009,
ISBN 978-3-486-58872-9
.
- Roland Gotz, Uwe Halbach:
Politisches Lexikon GUS
(= Beck’sche Reihe 852, Lander). 3., neubearbeitete Auflage, Beck, Munchen 1995,
ISBN 3-406-40597-5
.
- Andreas Kappeler:
Rußland als Vielvolkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall
. Beck, Munchen 1992,
ISBN 3-406-36472-1
.
- Rudolf Mark
:
Die Volker in der ehemaligen Sowjetunion. Die Nationalitaten der GUS, Georgiens und der baltischen Staaten. Ein Lexikon
. 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Opladen 1992, Westdeutscher Verlag, Opladen 1992,
ISBN 3-531-12075-1
.
- D. S. Polyanski:
Russian Socialist Federative Soviet Republic. The Whole Republic a Construction Site
. Soviet Booklets, London 1959 (
online
).
- Gerhard Simon
, Nadja Simon:
Verfall und Untergang des sowjetischen Imperiums
(= dtv-Wissenschaft 4598). Mit zahlreichen Dokumenten. Deutscher Taschenbuch-Verlag, Munchen 1993,
ISBN 3-423-04598-1
.
- Gerhard Simon:
Nationalismus und Nationalitatenpolitik in der Sowjetunion. Von der totalitaren Diktatur zur nachstalinistischen Gesellschaft
(= Osteuropa und der internationale Kommunismus; Bd. 16). Nomos-Verlags-Gesellschaft, Baden-Baden 1986,
ISBN 3-7890-1249-1
(Zugleich: Koln, Univ., Habil.-Schr.).
- Norbert Wein:
Die Sowjetunion
(= Uni-Taschenbucher 1244). 2., uberarbeitete und erweiterte Auflage, Schoningh, Paderborn [u. a.] 1985,
ISBN 3-506-99366-6
.
- ↑
Vergleiche den Verfassungstext auf 1000dokumente.de
, abgerufen am 2. November 2023.
- ↑
Grundgesetz der Russischen Sozialistischen Foderativen Sowjetrepublik (RSFSR) vom 10. Juli 1918
- ↑
Verfassung der Russischen Sozialistischen Foderativen Sowjetrepublik (Grundgesetz, 1937).
Abgerufen am 2. August 2020
.
- ↑
Roland Gotz, Uwe Halbach:
Politisches Lexikon GUS.
3. Auflage, 1995.
- ↑
R. A. Mark:
Die Volker in der ehemaligen Sowjetunion: Die Nationalitaten der GUS, Georgiens und der baltischen Staaten. Ein Lexikon.
2. Auflage. Opladen 1992.
Regierungssysteme und Vorgangerstaaten Russlands