Als
Rucktritt
oder
Demission
wird das Niederlegen eines
Amtes
vor Ablauf der Frist bezeichnet. Rucktritte aus befristeten Anstellungen bzw. Ernennungen gibt es etwa beim
Sport
(Trainer), in der
Wirtschaft
(Manager) oder in der
Politik
(Minister, Regierungschef, Parteivorsitzender).
Beim Rucktritt erscheint der Amtsinhaber als Handelnder; manchmal wird der Rucktritt aber durch außere Anlasse bzw. Krafte motiviert oder erzwungen.
Rucktritte konnen als eine temporare gesellschaftliche Lauterung rezipiert werden. Gelegentlich werden anlasslich von Rucktritten Thesen uber das Amtsverstandnis von Politikern, uber Normen oder uber Werte einer Gesellschaft oder eines gesellschaftlichen Teilbereichs (z. B. Politik auf Bundesebene) geaußert.
2007 veroffentlichte der
Historiker
Michael Philipp (* 1962) ein Buch uber politische Rucktritte in Deutschland seit 1950. Die Anlasse fur politische Rucktritte lassen sich nach Philipp unterteilen in Normalfalle der Demokratie und in Storfalle wie
Skandalisierung
. Philipp entwickelt eine
Typologie
der Rucktrittsgrunde und behandelt acht von ihnen, darunter personliche Verfehlungen, politische Verfehlungen, Ubernahme einer ?politischen Verantwortung“ (Befolgung einer
ungeschriebenen Regel
) und Protest.
[1]
- Spiro Agnew
, US-Vizeprasident unter Richard Nixon, trat am 10. Oktober 1973 zuruck, nachdem gegen ihn Ermittlungen wegen Bestechlichkeit im Amt begonnen hatten. Es war der erste Rucktritt eines US-Vizeprasidenten seit 1832 (
John C. Calhoun
).
- Richard Nixon
trat am 8. August 1974 im Zuge der
Watergate-Affare
zuruck, nachdem der
US-Kongress
ein
Amtsenthebungsverfahren
eingeleitet hatte.
[2]
- Bundeskanzler
Willy Brandt
trat im Zuge der
Guillaume-Affare
Anfang Mai 1974 zuruck. Er schrieb dem Bundesprasidenten, er ubernehme
die politische Verantwortung fur Fahrlassigkeiten im Zusammenhang mit der Agenten-Affaire Guillaume
.
[3]
- Samuel Schmid
, ein Schweizer Politiker, trat Ende 2008 als
Bundesrat
zuruck, nachdem
SVP
-Politiker ihn innerparteilich ?kaltgestellt“ hatten.
- Am 31. Mai 2010 trat
Horst Kohler
zuruck. Es war das erste Mal, dass ein deutscher
Bundesprasident
mit sofortiger Wirkung (d. h. mit Ubertragung der Amtsgeschafte an den
Bundesratsprasidenten
) zurucktrat. Kohler hatte sich kurz zuvor in einem Interview uber den Bundeswehreinsatz in Afghanistan geaußert. Danach war ihm unterstellt worden, er habe einen nicht vom
Grundgesetz
gedeckten (oder grundgesetzwidrigen) Einsatz der
Bundeswehr
zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen befurwortet. Kohler wies dies bei seinem Rucktritt energisch zuruck und beklagte, das lasse den notwendigen Respekt vor dem hochsten Staatsamt vermissen.
[4]
- Christian Wulff
trat am
17. Februar 2012 vom Amt des Bundesprasidenten zuruck
.
- Papst Benedikt XVI.
verzichtete
am 28. Februar 2013 auf dieses Amt.
Der
Amtsverzicht
von Papst
Benedikt XVI.
, der erste eines Papstes seit dem Jahr 1415, wurde in Offentlichkeit und Medien auch
Rucktritt
genannt.
Bundeskanzlerin
Angela Merkel
forderte im Mai 2012
Norbert Rottgen
, damals Umweltminister in
ihrem Kabinett
, auf zuruckzutreten.
[5]
Als Rottgen dies ablehnte,
entließ sie ihn
. Dies war in der Geschichte der Bundesrepublik erst die zweite Entlassung eines Bundesministers.
[6]
- Pascal Beucker
,
Frank Uberall
:
Endstation Rucktritt. Warum deutsche Politiker einpacken.
Econ Verlag, Berlin 2006; aktualisierte Neuausgabe Bouvier Verlag, Bonn 2011.
- Bodo Hombach
(Hrsg.):
Rucktritte: Uber die Kunst, ein Amt zu verlassen.
Tectum, Marburg 2017,
ISBN 978-3-8288-3846-8
.
- Michael Philipp
:
?Personlich habe ich mir nichts vorzuwerfen.“ Politische Rucktritte in Deutschland von 1950 bis heute
. Suddeutsche Zeitung Edition, Munchen 2007,
ISBN 978-3-86615-485-8
.
- Manuel Becker, Volker Kronenberg, Christopher Prinz (Hrsg.):
Rucktritte von politischen Amtern: Perspektiven auf das Ende von politischen Karrieren
. Springer-Verlag, 2024,
ISBN 978-3-658-43947-7
.
- ↑
Michael Philipp:
?Personlich habe ich mir nichts vorzuwerfen.“ Politische Rucktritte in Deutschland von 1950 bis heute
, Kapitel 8, 9, 6 und 5.
- ↑
Sylvia Englert
:
Cowboys, Gott und Coca-Cola: die Geschichte der USA
. Campus Verlag 2005, S. 175
- ↑
Foto des Briefs bei Michael Philipp (2007), S. 17
- ↑
zeit.de 31. Mai 2010:
Bundesprasident Kohler tritt zuruck
- ↑
Nachricht bei www.tagesschau.de
(
Memento
vom 20. Mai 2012 im
Internet Archive
)
- ↑
?Eine Entlassung kann man nicht abschutteln“.
Der erste Fall war die Entlassung von Verteidigungsminister Scharping durch
Gerhard Schroder
im Jahre 2002, siehe
Rudolf Scharping#Entlassung