Zur byzantinischen
Ruckeroberung von Konstantinopel
kam es am
25. Juli
1261
.
Im Gegensatz zu den Eroberungen
1204 (durch die Kreuzfahrer)
und
1453 (durch die Osmanen)
wurde die Stadt im
Handstreich
erobert, das heißt, es fand keine
Belagerung
statt.
Nachdem im Jahr 1204 wahrend des
Vierten Kreuzzugs
Konstantinopel
von den
Kreuzfahrern
und
Venezianern
erobert und geplundert worden war, wurde in der Folge das
Lateinische Kaiserreich
, ein katholischer, als
Lehensverband
aufgebauter Staat, errichtet. Gleichzeitig entstanden mehrere byzantinische Nachfolgestaaten, der machtigste von ihnen war das
Kaiserreich Nikaia
, welches von der
Laskariden
-Dynastie beherrscht wurde.
Wahrend das Lateinische Kaiserreich durch militarische Niederlagen, innere Machtkampfe, Misswirtschaft, Widerstand seitens der griechisch-orthodoxen Bevolkerungsmehrheit sowie mangelnde Unterstutzung durch Venedig und andere westeuropaische Staaten zunehmend handlungsunfahig wurde und sich bald nur noch auf das Umland der Hauptstadt beschrankte, expandierte das Kaiserreich Nikaia durch Siege gegen
Seldschuken
,
Lateiner
und die anderen byzantinischen Teilstaaten rasch. 1235
belagerten nicaische und bulgarische Truppen gemeinsam Konstantinopel
, konnten die Stadt aber nicht erobern.
1259 ubernahm
Michael VIII. Palaiologos
im nicaischen Exil fur den minderjahrigen
Johannes IV. Laskaris
die Regentschaft. Wie auch seine Vorganger verfolgte er als Hauptziel die Ruckeroberung der byzantinischen Hauptstadt. Im September des gleichen Jahres schlugen nicaische Truppen in der
Schlacht von Pelagonien
Achaia
,
Epirus
und
Sizilien
; Nikaia wurde damit unumstritten die starkste Macht der Region.
Obwohl zu dieser Zeit zwischen Nikaia und dem Lateinischen Reich ein
Waffenstillstand
bestand, vereinbarte Michael VIII. mit den
Genuesen
, den Erzrivalen der Venezianer, einen gemeinsamen Angriff auf Konstantinopel. Die Genuesen sollten den Angriff mit ihrer Flotte unterstutzen, im Gegenzug dafur wurden sie die Handelsprivilegien der Venezianer erhalten.
Im Sommer 1261 sandte Kaiser Michael den zum
Casar
ernannten General
Alexios Melissenos Strategopulos
nach
Thrakien
, um dort die Grenzen nach
Bulgarien
und Epirus zu uberwachen; des Weiteren sollte Alexios Strategopulos die Starke der Verteidigungsanlagen Konstantinopels uberprufen und im Umland der Stadt Unruhe stiften. General Alexios’ Armee bestand, da keine großeren Gefechte erwartet wurden, nur aus etwa 800
bithynischen
Reitern und einigem Fußvolk (nach anderen Angaben handelte es sich um
kumanische
Soldner
).
In der thrakischen Siedlung
Selymbria
nahe Konstantinopel erfuhr Alexios von den ortsansassigen, unabhangigen Bauern (
thelematarioi
), dass der Großteil der lateinischen Armee zusammen mit der venezianischen Flotte unter dem Befehl des kurz zuvor eingetroffenen venezianischen
Podestas
Marco Gradenigo
, des Verwalters der ortlichen venezianischen Kolonie, unterwegs sei, um die 1000 Stadien entfernte Stadt
Daphnusia
zu uberfallen, einen auf einer Insel zwischen Thrakien und Bithynien liegenden nicaischen Stutzpunkt, durch den sich die Einfahrt vom
Schwarzen Meer
in den
Bosporus
kontrollieren ließ. Alexios Strategopulos beschloss, da er auch von einer geheimen Tur in der Befestigungsmauer Konstantinopels erfuhr, ohne Rucksprache mit seinem Kaiser die Chance zu nutzen und mit seinen wenigen Soldaten die nahezu unverteidigte Stadt zu uberrumpeln.
Am Abend des 24. Juli fuhrte Alexios seine Truppen im Schutz der Dunkelheit an die außere Mauer Konstantinopels heran. In der Nacht bestiegen einige wenige seiner Soldaten durch die geheime Tur die Mauer, erschlugen die teils schlafenden Wachen und warfen sie von der Brustung. Anschließend offneten sie heimlich das
Goldene Tor
, dann die anderen Stadttore. Im Morgengrauen des 25. Juli stromte die Armee in die Stadt hinein, wo Alexios sogleich das venezianische Viertel in Brand setzen ließ.
Der lateinische Kaiser
Balduin II.
schlief zu dieser Zeit im
Blachernenpalast
. Als er vom Angriff erfuhr, organisierte er keine Gegenwehr, sondern ergriff sofort die Flucht. Er ließ seine Reichsinsignien, darunter Kaiserschwert und Szepter, zuruck, begab sich zu Fuß zum kleinen
Bukoleon-Hafen
und floh mit einem
venezianischen
Handelsschiff nach
Euboa (Negroponte)
ins Exil.
Als die franzosischen und italienischen Burger der Stadt den Angriff bemerkten, wurde schnell klar, dass es fur Widerstand zu spat war. Es brach Panik aus, die katholische Bevolkerung floh aus ihrem brennenden Viertel zum Hafen. Zu diesem Zeitpunkt kehrte die venezianische Flotte mit dem lateinischen Heer aus Daphnusia zuruck. Die Truppen an Bord sahen die panisch zusammengedrangten Menschenmassen am Hafen, hielten die Stadt fur verloren, nahmen deshalb noch einige Fluchtlinge auf und segelten dann nach Venedig.
Die zuruckgebliebene frankische Bevolkerung suchte Zuflucht in den Klostern oder versuchte sich zu verstecken.
Das erwartete Massaker, als Rache fur 1204, blieb jedoch aus. Abgesehen vom Niederbrennen des venezianischen Viertels kam es zu keinen Ausschreitungen gegen die frankische Bevolkerung. Als dies den Lateinern klar wurde ? insgesamt waren noch etwa tausend in der Stadt ?, rafften sie ihre Besitztumer zusammen und segelten mit neu eingetroffenen venezianischen Schiffen nach Euboa. Da sich jedoch nicht genug Proviant an Bord befand, verhungerten viele von ihnen unterwegs.
Michael VIII. Palaiologos
befand sich zweihundert Meilen entfernt im kleinasiatischen
Meteorion
, als ihm von seiner Schwester
Eulogia
die uberraschende Siegesbotschaft ubermittelt wurde. Er zweifelte zunachst an der Nachricht; erst als ihm Balduins kaiserliche Insignien ubergeben wurden, hatte er Gewissheit. Am 15. August 1261 zog Michael feierlich in die wiedergewonnene Hauptstadt ein. Die Prozession, die man bewusst schlicht gehalten hatte und an deren Spitze eine angeblich vom
Apostel Lukas
gemalte
Hodegetria
-
Ikone
getragen wurde, betrat die Stadt durch das Goldene Tor und schritt dann bis zur
Hagia Sophia
, wo neben einem Dankesgottesdienst auch eine zweite Kronung Michaels stattfand.
Patriarch
Arsenios Autoreianos
kronte jedoch diesmal Michael VIII. und seine Frau
Theodora
zusammen mit ihrem kleinen Sohn
Andronikos
;
Johannes IV. Laskaris
, fur den Michael einst die Regentschaft ubernommen hatte, war in
Nikaa
zuruckgelassen worden, wo Michael ihn kurz darauf
blenden
ließ und somit die Dynastie der
Laskariden
beendete.
Wichtige byzantinische Quellen sind
Georgios Akropolites
und
Georgios Pachymeres
.