Romische Erziehung

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Romische Schulszene auf einem Grabrelief aus Neuwagen, bei Trier (ca. 180?185 n. Chr.). Rheinisches Landesmuseum Trier.

Der Begriff romische Erziehung umfasst die Gesamtheit der romischen Bildungs- und Erziehungsweisen sowie seiner Einrichtungen.

Altromische Erziehung

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Die altromische Erziehung umfasste nur die von den Etruskern ubernommene Elementarschule. Livius behauptet ihr Vorhandensein ab dem 5./4. Jh. v. Chr. [1] Die hoheren Schulformen begannen fruhstens ab der 2. Halfte des 3. Jh. v. Chr. Die Romer verdienten anfangs ihren Lebensunterhalt hauptsachlich durch Ackerbau und Tierzucht. Die Erziehung fand in der Familie statt. In den jungen Jahren der Kinder lernten sie Brauche, Sitten und Normen der Gesellschaft unter der Obhut der Mutter. Madchen blieben, auch wenn sie alter wurden, bei der Mutter und verrichteten hausliche Arbeiten. Die Erziehung der Sohne ging mit etwa 7 Jahren auf den Vater uber, der sie praktische Dinge lehrte, die wichtig fur Bauern waren. Mit etwa 16 Jahren legte der Jugendliche die toga virilis ( toga des Mannes) an, was mit einer feierlichen Zeremonie gefeiert wurde, und trug sich in die Burgerliste ein, womit die Erziehung in der Familie endete.

Griechisch beeinflusste Erziehung

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Im Laufe des zweiten Jahrhunderts v. Chr., nach den Punischen Kriegen , stieg Rom zur Welt- und Handelsmacht auf. Die Romer kamen so in Kontakt mit der griechischen Kultur und ubernahmen große Teile ihrer Kultur. Als Folge davon richtete sich das romische Schulsystem nach dem griechischen aus, was auch zu Widerstand in den konservativeren Kreisen fuhrte. Kinder erhielten eine Ausbildung, die ihnen griechische Lehrer gaben, die als Sklaven oder Zugezogene nach Rom gekommen waren. Manche grundeten auch offentliche Schulen, wobei offentlich nicht staatlich heißt, sondern dass jeder zum Lehren fahige Mann eine Schule grunden und jedes Kind, das Schulgeld bezahlen konnte, sie besuchen konnte. Wie die griechische Schule war auch die romische dreigeteilt in:

  • Ludus litterarius (Grund-/ Elementarschule)
  • Unterricht beim Grammaticus (Grammatik-/ Literaturschule)
  • Unterricht beim Rhetor

Ludus litterarius

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Wachstafel mit stilus.

Die Elementarschule besuchten Jungen und Madchen im Alter von 7 bis 11 Jahren. Der magister ludi lehrte sie Lesen und Schreiben, der calculator die Grundkenntnisse des Rechnens. Der calculator besaß ein hoheres Ansehen und wurde besser bezahlt. [2] In Diokletians Hochstpreisedikt war der Lohn fur den litterarius auf 50 Denare, der des calcularius auf 75 Denare pro Kind und Monat festgesetzt. Da die Lehrer haufig Sklaven oder Freigelassene waren, genossen sie kaum Ansehen und verdienten nur wenig, weshalb sie sich haufig noch einen Nebenverdienst suchen mussten.

Der Unterricht war lehrerzentriert und sehr theoretisch. Kinder mussten sich passiv verhalten, Lernen durch Nachahmung wurde großgeschrieben. Korperliche Zuchtigung war ublich, man verwendete hierfur eine Knute oder einen Stock. So war ? manum ferulae subducere , die Hand unter der Rute wegziehen“ ein euphemistisches Synonym fur ?in die Schule gehen“. [3] Zuerst wurden Buchstaben gelehrt, dann Silben, spater ganze Worter. Daher nannte man sie abecedarii , syllabirii (Schuler, die Silben lesen) oder nominarii (Schuler, die schon Worter lesen). Auch lernten Schuler, um das Gedachtnis zu fordern, Texte auswendig. Die Texte hatten haufig moralische und patriotische Inhalte. [4]

Der Unterricht begann im Sommer bei Sonnenaufgang, im Winter noch in der Nacht, und dauerte bis zum spaten Nachmittag, unterbrochen von einer kurzen Mittagspause. Schulferien waren von Ende Juli bis Mitte Oktober. Ein Sklave, der paedagogus , begleitete den Schuler der wohlhabenden Familien, um ihn vor den Gefahren der Straße zu schutzen. Auch musste er helfen, ihn zu erziehen und mit ihm den Unterrichtsstoff vertiefen. Mit der Grundschule endete dann meist auch die Schulzeit der plebejischen Kinder. [3]

Unterricht beim Grammaticus

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Im Alter von 12 bis 16 Jahren besuchten Jungen aus der Oberschicht die Grammatikschule. Anfanglich arbeiteten wohl Kriegsgefangene als grammaticus . Der Lehrer, grammaticus , erhielt ein etwas hoheres Einkommen als der magister ludi , genoss aber wie dieser kein großes Ansehen. Meistens waren es Griechen, da diese sich gut in der griechischen Sprache und Schrift auskannten. Die Unterrichtssprache war anfangs Griechisch, weil es kaum angemessene lateinische Literatur gab. Zur Zeit Augustus ’ setzte sich jedoch Latein durch. Zuerst wandte man sich den grammatikalischen und metrischen Grundlagen zu. Dann wandte sich der Unterricht den vorliegenden griechischen Werken wie der Ilias und der Odyssee von Homer zu, spater den Werken lateinischer Autoren wie Ennius , Cicero , Sallust , Vergil und Horaz . Damit verbunden waren Erklarungen des Stils und der Grammatik.

Die Arbeit am Text erfolgte durch den grammaticus in vier Stufen:

  • emendatio = Textkritik: Da man in scriptio continua , also ohne Lucken zwischen den Wortern schrieb, musste man den Text vor dem Lesen bearbeiten.
  • praelectio = Vorlesen
  • enarratio = Erklaren, nach Form und Inhalt gegliedert
  • iudicium = Beurteilung

Erst dann lasen die Schuler den Text vor und untersuchten ihn grammatikalisch. Die moralische Auswertung stand im Vordergrund. Daneben wurden auch Aspekte der Poetik, Literaturgeschichte, Mythologie, Philosophie, Geschichte, Geographie und anderer Themen behandelt. Diese wurden aber nur als Teil der Lekture betrachtet. Auch die Grundbausteine der Rhetorik wurden teilweise unterrichtet, obwohl die Rhetorik erst in der Rhetoren-Schule ausfuhrlich besprochen wurde. Das Ziel war eine umfassende Allgemeinbildung, wobei naturwissenschaftliche Facher nicht dazu zahlten. In Aufsatzen arbeiteten die Schuler zum ersten Mal selbststandig. Sie verfassten beispielsweise kurze Texte, mussten moglichst wortgetreu nacherzahlen oder erorterten Ausspruche beruhmter Personlichkeiten.

Unterricht beim Rhetor

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In die Rhetoren-Schule gingen junge Manner im Alter von 16 bis 20 Jahren. Sie gehorten der romischen Oberschicht an, da diese Einrichtung viel Schulgeld kostete. Fur den Beruf spielte sowohl in der politischen, als auch in der juristischen und militarischen Laufbahn Rhetorik, auch hier war das meiste von den Griechen ubernommen, eine ungemein große Rolle. Ein Rhetor lehrte die Schuler Redekunst, Philosophie und Rechtslehre. Der Lehrer genoss hoheres Ansehen als die anderer Schulen und bezog ein maßiges Gehalt; wenn es sich um einen beruhmten Politiker oder Personlichkeit handelte, steigerte sich dieses erheblich.

Teilgebiete des Unterrichts waren:

  • Einfuhrung in die Theorie
  • Studium der Vorbilder
  • Vorbereitende Ubungen
  • Deklamationen

Die Stufen bei der Vorbereitung einer Rede waren:

  • inventio = Stofffindung
  • dispositio = Gliederung
  • elocutio = Ausformulierung
  • memoria = Auswendiglernen
  • actio = Halten der Rede

Die an die Schuler gestellten Aufgaben waren beispielsweise eine Rede fur oder gegen einen Angeklagten zu halten. Dies waren oft konstruierte Falle, wie folgender: Laut einem Gesetz hat eine vergewaltigte Frau zwischen der Todesstrafe fur ihren Vergewaltiger und der Heirat mit ihm ohne Mitgift zu wahlen. Ein Mann tut in derselben Nacht zwei Frauen Gewalt an. Die eine fordert den Tod, die andere will ihn heiraten.

Fur Sohne patrizischer Familien war ein politisches Lehrjahr ublich, das tirocinium fori [5] , in dem sie von einem Freund der Familie oder vom Vater selbst in das romische Recht, die Geschichte, die Politik und in die Rhetorik eingefuhrt wurden. Zusatzlich dazu leisteten sie Militardienst ab, damit sie Disziplin lernten und ausgebildet wurden, selber zu befehlen und zu fuhren. Erziehung diente nicht nur der Vermittlung von Wissen, sondern auch von ethischen Werten wie Gehorsamkeit, Bescheidenheit, Bestandigkeit, Disziplin, Tapferkeit und der Tugend (Virtus), dabei spielte das Beispiel der Vorfahren und Alteren eine großere Rolle. Die naturwissenschaftliche Bildung stand dagegen im Hintergrund.

Schulgeld und Lehrergehalter

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Diokletians Preisedikt 302 [6]
Lateinischer Begriff Deutscher Begriff Lohn in denarii
paedagogus Padagoge 50/Kind/Monat
magister institutori literarum Elementarschullehrer 50/Kind/Monat
calculator Arithmetik-Lehrer 75/Kind/Monat
grammaticus Grammatik-Schullehrer fur Latein, Griechisch und Geometrie 200/Schuler/Monat
orator Rhetoriklehrer 250/Schuler/Monat
librarius Lehrer des Manuskript-Schreibens 55/Schuler/Monat

Es gab in Rom nie eine Schulpflicht, stattdessen war der Schulbesuch immer freiwillig. Die Bildung war stark vom elterlichen Einkommen abhangig, da erst in der Kaiserzeit staatliche Schulen gegrundet wurden, die dann auch fur Propagandazwecke eingesetzt wurden. Nach der Rhetorikschule schloss sich oft ein Aufenthalt in Griechenland an, meistens in Athen. Im Gegensatz zum griechischen Schulsystem hatten Kunst, Musik und Schulsport keine große Bedeutung, stattdessen mussten Kinder vor allem Lesen und Schreiben konnen.

Literatur (Auswahl)

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  • Johannes Christes : Schule. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 11, Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-01481-9 , Sp. 263?268, Digitalisat (mit weiterfuhrender Literatur).
  • August Hermann Niemeyer : Originalstellen griechischer und romischer Classiker uber die Theorie der Erziehung und des Unterrichts : fur padagogische und philologische Seminarien und als Beylage zum geschichtlichen Theil seiner ?Grundsatze der Erziehung und des Unterrichts“. Halle/Berlin 1813.
  • Josef Dolch : Lehrplan des Abendlandes . Ratingen 1965.
  • Theodor Ballauff : Von der Antike bis zum Humanismus: Padagogik. Eine Geschichte der Bildung und Erziehung . Bd. 1 unter Mitarbeit von Gert Plambock. Freiburg 1969.
  • Henri Irenee Marrou: Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum . Munchen 1977.
  • Mark Joyal, John C. Yardley, Ian McDougall: Greek and Roman Education . A sourcebook. Basingstoke 2008.
  • Klaus Zierer , Wolf-Thorsten Saalfrank: Padagogik der Antike. Ein padagogisches Lesebuch von Demokrit bis Boethius . Ferdinand Schoningh, Paderborn, Munchen, Wien, Zurich 2012, ISBN 978-3-506-77192-6

Einzelnachweise

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  1. Livius: 3,44,6; 5,27; 5,25,9.
  2. August Mau : Calculator . In: Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 1345.
  3. a b Klaus Zierer, Wolf-Thorsten Saalfrank: Padagogik der Antike. Ein padagogisches Lesebuch von Demokrit bis Boethius. Ferdinand Schoningh, Paderborn, Munchen, Wien, Zurich 212, ISBN 978-3-506-77192-6 , S.   14 .
  4. Matthew B. Roller: Exemplarity in Roman Culture: The Cases of Horatius Cocles and Cloelia . In: Classical Philology . Band   99 , Nr.   1 . The University of Chicago Press, 2004, S.   1–56 , JSTOR : 10.1086/423674 .
  5. Wolfgang Decker : Tirocinium fori. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 12/1, Metzler, Stuttgart 2002, ISBN 3-476-01482-7 , Sp. 615?616, Digitalisat (mit weiterfuhrenden Fundstellen).
  6. Miriam J. Groen-Vallinga and Laurens E. Tacoma: The Value of Labour: Diocletian’s Prices Edict . In: Koenraad Verboven Christian Laes (Hrsg.): Work, Labour, and Professions in the Roman World, . Brill, Leiden 2017, ISBN 978-90-04-33168-6 , S.   128   f .