Dieser Artikel beschreibt das Pustertal im naturraumlichen Sinne. Fur die gleichnamige Sudtiroler Bezirksgemeinschaft siehe
Pustertal (Bezirksgemeinschaft)
.
Das Pustertal bei Bruneck
Blick uber das
Hochpustertal
bei Innichen
Das
Pustertal
(
italienisch
Val Pusteria
,
ladinisch
Val de Puster
) ist ein im Wesentlichen in Ost-West-Richtung verlaufendes
Alpen
-Tal. Der Großteil des Tals liegt in
Sudtirol
(
Italien
), der ostlichste Abschnitt in
Osttirol
(
Osterreich
). Das Pustertal bildet
hydrogeographisch
keine Einheit: Die Westhalfte des Tals wird von der
Rienz
und weiter uber das Flusssystem der
Etsch
zur
Adria
hin entwassert, die Osthalfte von der
Drau
und weiter uber das Flusssystem der
Donau
zum
Schwarzen Meer
. Das grob in der Mitte des Tals befindliche
Toblacher Feld
ist die
Talwasserscheide
.
Haufig wird unter
Pustertal
nur der Sudtiroler Teil des Tales verstanden. Die dortigen Gemeinden bilden zusammen mit denen mehrerer Seitentaler die
Bezirksgemeinschaft Pustertal
.
Das Pustertal bei Sillian
Das Pustertal, auch das ?Grune Tal“ genannt, ist im Wesentlichen ein Teil der ?
Periadriatische Naht
“ genannten
Verwerfung
, die die
Sudalpen
von den
Zentralalpen
(und damit meist auch die
Kalkalpen
von den zentralen
Gneismassiven
und
Schiefergebirgen
) trennt. Es entwassert zur Halfte durch die Rienz nach Westen (und weiter uber
Eisack
und Etsch in die Adria), zur anderen Halfte durch die Drau nach Osten (und weiter uber die Donau ins Schwarze Meer). Die
Wasserscheide
liegt im flachen Talboden auf dem
Toblacher Feld
bei
Toblach
. Als Westgrenze des Pustertals wird entweder die
Muhlbacher Klause
oder der
Brixner
Talkessel angesehen, wo das Pustertal in das
Eisacktal
einmundet. Den ostlichen Teil bezeichnet man auch als ?
Hochpustertal
“. Ostlich von
Sillian
verlasst das Pustertal die Periadriatische Linie (die ins
Gailtal
hinuberwechselt) und zieht ostnordostwarts nach
Lienz
hinunter. Die
Lienzer Klause
gilt als ostliche Begrenzung des Pustertals.
Die
Ortschaften
im Tal befinden sich auf einer Hohe von 750 bis 1250 Meter uber dem Meeresspiegel, die wichtigsten davon sind im westlichen Pustertal Toblach,
Welsberg
,
Olang
und
Bruneck
, im ostlichen Pustertal
Innichen
und Sillian.
Die großten Seitentaler sind nordseitig von West nach Ost
Vals
,
Pfunders
,
Taufers
,
Wielenbach
,
Antholz
,
Gsies
, das
Silvestertal
und
Villgraten
. Sudseitig befinden sich von West nach Ost das
Gadertal
,
Prags
, das
Hohlensteintal
,
Sexten
und das
Gailtal
.
Ignaz Paprion
war der erste, der den Namen Pustertal vom
slawischen
Wort ?pust“ (ode, unfruchtbar) herleitete. Dieser Ansicht schlossen sich spater Historiker wie beispielsweise
Joseph von Hormayr
und der Slawist
Franz Miklosich
an.
[1]
Karl Finsterwalder
hingegen fuhrte den Namen auf einen keltischen Personennamen, namlich Busturus, moglicherweise ein Stammesfurst der
Saevaten
, zuruck; auch der Ortsname
Vintl
sei keltischen Ursprungs.
[2]
Auch
Heinz Dieter Pohl
[3]
fuhrt aus, dass der Name nicht aus dem Slawischen hergeleitet werden konne, denn die Slawen seien nie so weit nach Westen vorgestoßen (die Westgrenze des slawischen Gebietes war die Lienzer Klause). Der Name
Pustrissa
bzw.
Pustrussa
(als solcher 974 bezeugt
[4]
) stamme aus keltischem Substrat, wie auch Innichen (Gebiet des Indius
[5]
). Die Endung -issa sei in keltischen
Toponymen
in der Regel an Personennamen angefugt, um damit eine Ortlichkeit zu bezeichnen, die der Person gehort (z. B.
Vindonissa
= Ort eines Vindonos,
Katsch
aus Katissa = Ort eines Katos). So sei auch Pustrissa als abgeleitet vom keltischen Personennamen Busturus (in
Noricum
Busturus und in
Pannonien
Busturo) zu interpretieren (
pagus Pustrissa
= Gau des Busturus).
Toblach am Toblacher Feld
Vor der kriegerischen Landnahme durch die Romer lebten im Tal
Kelten
(Stamm der
Saevaten
) und eine kleinere Anzahl
Rater
. Das Pustertal zahlte zum keltischen Konigreich
Noricum
. Das Tal durfte sparlich besiedelt gewesen sein. Zwischen
Olang
und
Rasen
gab es eine
fruhgeschichtliche
Siedlung in der Nahe des
Graberfelds Windschnur
. Beim heutigen
St. Lorenzen
stand das keltische
Oppidum
Sebatum
und bei
Innichen
eine kleine, vermutlich keltische Siedlung namens
Littamum
, die spater von den Romern zu einer
Straßenstation
ausgebaut wurde. Auch
Vintl
wird vom Namen her als keltisch eingeordnet und es ist dort eine fruhgeschichtliche
Wallburg
nachzuweisen.
Die Eroberung durch die Romer erfolgte 15 v. Chr. im Zuge der
Augusteischen Alpenfeldzuge
. Sie bauten die
Via Julia Augusta
durch das Tal, die heute noch teilweise nachweisbar ist. Nach dem Zerfall des Romerreiches siedelten sich
Bajuwaren
an. Das
Toblacher Feld
, die hochstgelegene Flache des Pustertals, war zwischen 590 und 600 Schauplatz der ersten Zusammenstoße zwischen den Bajuwaren unter Herzog
Tassilo I.
, die sich nach Sudosten ausbreiten wollten, und den
Alpenslawen
, die selbiges in die Gegenrichtung vorhatten, aber daran gehindert wurden.
Im Pustertal und seinen Nebentalern (außer
Gadertal
) finden sich aufgrund der relativ fruhen germanischen Besiedlung die meisten
deutschstammigen
Hof-
,
Flur-
und
Ortsnamen
in Sudtirol. Wegen des Fehlens von
Reihengrabern
geht man von einer großen bajuwarischen Besiedelung zwischen 700 und 750 n. Chr. aus. 769 initiierte Herzog
Tassilo III.
die Grundung des
Klosters Innichen
zur Slawenmissionierung. Einige Zeit spater (783) gehort dieser Teil des Hochpustertals zum
Hochstift Freising
(bis 1803).
Der
Sieghardinger
Engelbert IV.
ist als einer der Inhaber der
Gaugrafschaft Pustertal
bekannt. Durch Heirat mit dessen Tochter Richardis von Lavant kam
Siegfried I.
von Spanheim († 1065) in den Besitz der Grafschaft. Siegfrieds Sohn
Engelbert I.
wurde im Zuge des
Investiturstreits
1091 der Grafschaft (
comitatum situm in valle Bustrissa
) enthoben, und es wurden die
Bischofe von Brixen
durch
kaiserliche
Schenkung mit der Grafschaft betraut, die von der
Muhlbacher
bis zur
Lienzer Klause
reichte.
[6]
Otto von Andechs
, Bischof von Brixen, belehnte 1165 seinen Bruder
Berthold III.
mit den Grafschaften Puster- und
Norital
. Mit dem Aussterben der Andechser 1248 gelangten die
Grafen von Tirol
in den Besitz der Grafschaft Pustertal.
1253 erlosch die Linie der Tiroler, und
Meinhard I.
, Schwiegersohn des letzten Grafen von Tirol
Albert III.
, erbte u. a. das Pustertal. Nach seinem Tod im Jahre 1258 teilten dessen Sohne
Meinhard II.
und Albert 1271 das gemeinsame Herrschaftsgebiet, wobei das Pustertal Albert zufiel. 1500 starb das Geschlecht der
Meinhardiner
aus. Gemaß Erbvertrag ubernahm
Maximilian I. von Habsburg
die Herrschaft uber das Gebiet, das nun mit der ubrigen
Grafschaft Tirol
vereint wurde.
Die heutige
Grenze zwischen Italien und Osterreich
im Pustertal entstand erst infolge des
Ersten Weltkriegs
durch das Inkrafttreten des
Vertrags von Saint-Germain
im Jahr 1920. Obwohl zunachst eine Grenzziehung uber die Linie der Wasserscheide (also quer uber das
Toblacher Feld
) vorgesehen war, erhielt Italien mit Innichen und Sexten auch Gebiete ostlich davon. Die Staatsgrenze verlauft seither an einer Engstelle des Tals zwischen
Winnebach
und
Sillian
.
Grundsatzlich ist der Pusterer Dialekt eine
sudbairische Mundart
. Am
Nasner
Bach verlauft die Sprachgrenze zwischen dem Ober- und dem Unterpustertaler Dialekt. Besonders fur die Kernzone bei
Bruneck
gelten einige distinktive Charakteristika wie etwa:
Charakteristikum
|
Mundart
|
Standard
|
Anmerkung
|
Schwa-Laut [?]
in der
Silbencoda
wird
immer
realisiert
|
Sunn
e
,
triab
e
,
Bisch
e
ent
e
?
|
Sonne
trube
Bist du druben?
|
Manchmal sogar da, wo das
Standarddeutsche
keinen hat, z. Bsp. schian
e
(schon), voll
e
(voll/sehr).
Wenn im
Mittelhochdeutschen
ein Schwa-Laut als Coda vorhanden war, ist dieser heute noch realisiert,
z. Bsp. mit
e
gian (mitgehen, mhd.
mite-gan
), Maur
e
(Mauer, mhd.
m?re
)
|
[uː] wird durch ein
hinzugefugtes [?] gedehnt
|
g
ui
t
B
ui
vos
ui
chn
|
gut
Bub
versuchen
|
Typisches Pusterer Merkmal. Ostlich von
Welsberg
und westlich von
Vintl
statt ui vermehrt ua.
Im
Antholzertal
teils sogar ue (g
ue
t).
|
Das
Infinitivmorphem
wird
nach
Nasal-
und
Laterallauten
nicht realisiert
|
kemm
well
lern
|
kommen
wollen
lernen
|
Nach anderen Lauten wird es realisiert:
ho
m
(haben), red
n
(reden), rear
n
(weinen), etc.
|
Drauradweg, Pustertalbahn und Pustertalstraße, im Hintergrund: Dreischusterspitze
Durchgangig verkehrstechnisch erschlossen ist das Pustertal uber die
Staatsstraße 49
und die
Drautal Straße B 100
, die zusammen Teil der
Europastraße 66
sind. Der Schienenverkehr lauft uber die
Pustertalbahn
, die in Innichen in die
Drautalbahn
ubergeht. Zudem besteht ein durchgangiger Radweg, der innerhalb Sudtirols als
Radroute 3 ?Pustertal“
und zwischen
Toblach
(bzw.
Innichen
) und Lienz auch als
Drauradweg
bekannt ist.
Die
Sudtiroler Sage
von der Trude, dem
Kind im Schatten
, das dem Ritter Scharhart gehorchen muss und wie dieser dann doch im gerichtlichen Zweikampf gegen Marhild umkommt, spielt im Pustertal.
Ebenfalls im Hochpustertal angesiedelt ist die Sage uber den Riesen
Haunold
, der an der Quelle Admirabus im innersten
Villgratental
aufwachst, den Hunnenfursten von
Heinfels
im Zweikampf uberwindet und am Bau des Klosters Innichen mitwirkt, ehe er in den gleichnamigen Berg entruckt wird.
Historisch verburgt ist der Zauberer Thurn Urban, der am
Thurntaler
sein Unwesen getrieben haben soll und in
Vierschach
hingerichtet wurde.
Erzahlungen uber die
Wilde Fohre
und den umgehenden Schuster sind besonders im ostlichen Pustertal verbreitet.
- Bezirksgemeinschaft Pustertal (Hrsg.):
Unser Pustertal ? in Vergangenheit und Gegenwart
. Athesia, Bozen 2009,
ISBN 978-88-8266-622-4
(
online
).
- Magdalena Hormann-Weingartner (Hrsg.):
Tiroler Burgenbuch. IX. Band: Pustertal
. Verlagsanstalt Athesia, Bozen 2003,
ISBN 978-88-8266-163-2
.
- Josef Rampold
:
Pustertal : Landschaft, Geschichte und Gegenwart an Drau, Rienz und Ahr
(=
Sudtiroler Landeskunde
. Band 2). 5. Auflage. Athesia, Bozen 1987,
ISBN 88-7014-164-0
.
- Helmut Stampfer
(Hrsg.):
Bauernhofe in Sudtirol. Band 10: Unteres Pustertal. Von Rodeneck bis Terenten
. Athesia, Bozen 2016,
ISBN 978-88-6839-145-4
.
- Helmut Stampfer (Hrsg.):
Bauernhofe in Sudtirol. Band 11: Mittleres Pustertal. Teil 1: Pfalzen, St. Lorenzen, Bruneck, Stegen, St. Georgen, Dietenheim, Reischach
. Athesia, Bozen 2017,
ISBN 978-88-6839-146-1
.
- Helmut Stampfer (Hrsg.):
Bauernhofe in Sudtirol. Band 11: Mittleres Pustertal. Teil 2: Gais, Percha, Olang, Rasen-Antholz
. Athesia, Bozen 2019,
ISBN 978-88-6839-260-4
.
- ↑
Josef Rampold
:
Pustertal.
Bozen: Athesia 1980, S. 61.
- ↑
Karl Finsterwalder:
Pustertaler Ortsnamen
, in:
Der Schlern
Jg. 1965, S. 453.
- ↑
Landschaften.
Abgerufen am 18. November 2020
.
- ↑
Martin Bitschnau
,
Hannes Obermair
:
Tiroler Urkundenbuch, II. Abteilung: Die Urkunden zur Geschichte des Inn-, Eisack- und Pustertals. Bd. 1: Bis zum Jahr 1140
. Universitatsverlag Wagner, Innsbruck 2009,
ISBN 978-3-7030-0469-8
,
S.
124?125 Nr. 161
.
- ↑
Egon Kuhebacher
:
Die Hofmark Innichen.
Innichen 1969, S. 38
- ↑
Martin Bitschnau, Hannes Obermair:
Tiroler Urkundenbuch, II. Abteilung: Die Urkunden zur Geschichte des Inn-, Eisack- und Pustertals
.
Band
1
:
Bis zum Jahr 1140
. Universitatsverlag Wagner, Innsbruck 2009,
ISBN 978-3-7030-0469-8
,
S.
235?237
,
Nr. 268
(mit ausf. Diskussion des Forschungsstandes).
46.733333333333
12.166666666667
Koordinaten:
46° 44′
N
,
12° 10′
O