Produktionsverhaltnisse

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Produktionsverhaltnisse bezeichnet als Begriff der Marxistischen Wirtschaftstheorie die gesellschaftlichen Beziehungen, welche Menschen bei der Produktion , beim Austausch , bei der Verteilung und beim Verbrauch von Produkten zum Zweck der Bedurfnisbefriedigung oder als Ware miteinander eingehen.

Ein wichtiges Merkmal dabei sind die Eigentumsverhaltnisse , also wer Eigentumer der gesellschaftlichen (nicht individuellen!) Produktionsmittel ist bzw. die rechtliche oder faktische Verfugungsgewalt daruber hat. Wahrend dem freien individuellen Schuster z. B. die Produktionsmittel wie Werkzeuge, Leder etc. selbst gehoren und damit ihm auch das Produkt seiner Arbeit gehort, hat der Schuster in einer Fabrik weder Verfugungsgewalt uber die Produktionsmittel noch das Produkt, die Schuhe, und muss selbst seine Arbeitskraft nach Vorgaben einsetzen. Die Produktion ist eine gesellschaftliche und keine individuelle mehr. Die Entwicklung der Produktivkrafte , z. B. Mechanisierung der Schuhherstellung, kann also die Produktionsverhaltnisse andern: Der handwerkliche Schuster wird als Handwerker uberwiegend untergehen und muss sich als doppelt freier Lohnarbeiter in Fabriken verdingen. Diese Entwicklung geschieht ohne absichtliche Planung oder den Willen eines Beteiligten, dieses Ziel zu erreichen.

Diese Produktionsverhaltnisse und Eigentumsverhaltnisse sind, da die Produktion oder Wirtschaft essenziell fur den Bestand einer Gesellschaft ist, auch die wesentliche Grundlage fur die Machtverteilung, die Weltanschauung oder Ideologie sowie Aspekte des Uberbaus wie z. B. Recht oder Religion in der jeweiligen Gesellschaft. Deshalb unterscheidet sich auch die Urgesellschaft mit steinzeitlichen Horden von der Sklavenhaltergesellschaft , dem Feudalismus , dem Kapitalismus , Sozialismus oder Kommunismus .

Marx selbst formuliert diese hochkomplexen Verhaltnisse im Vorwort ? Zur Kritik der Politischen Okonomie “ so:

"Das allgemeine Resultat, das sich mir ergab und, einmal gewonnen, meinen Studien zum Leitfaden diente, kann kurz so formuliert werden:
In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhangige Verhaltnisse ein, Produktionsverhaltnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkrafte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhaltnisse bildet die okonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Uberbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß uberhaupt.
Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. " [1]

Die Bedeutung, dass die Menschen "von ihrem Willen unabhangig" diese Produktionsverhaltnisse eingehen, zeigt sich darin, dass niemand den Feudalismus oder Kapitalismus als Gesellschaftssystem einzufuhren oder abzuschaffen geplant hat, es sich aber sozusagen naturwuchsig, gesetzmaßig auch ohne den Willen der Menschen ? ja oft gegen den Willen der Menschen entwickelt hat. Auch bei Kenntnis solcher Gesetzmaßigkeiten oder auch vorhandenem Willen, Produktions- oder gesellschaftliche Verhaltnisse zu andern, unterliegen die Menschen nach Marx unabhangig vom Willen des einzelnen Individuums evolutionaren Prozessen, die zu gesellschaftlichen Revolutionen oder Umwalzungen fuhren. Im Vorwort zu seinem Hauptwerk Das Kapital spricht er der Kenntnis dieser Gesetzmaßigkeiten lediglich die Rolle eines Geburtshelfers zu. In diesem Sinne sind es die Anderungen und Verhaltnisse an der materiellen Basis und die Produktionsverhaltnisse, die Veranderungen im Uberbau bewirken. Dies ist ein dialektischer Prozess im Sinne der dialektischen Entwicklung, der auch graduell zu Reformen fuhren kann oder zu einer Revolution .

Gemaß dem Historischen Materialismus konnen dann, wenn die Produktionsverhaltnisse zu Fesseln der Entwicklung der Produktivkrafte werden, Revolutionen entstehen, die zu einer neuen gesellschaftlichen Produktionsweise mit gegebenenfalls neuen Produktionsverhaltnissen uberleiten. Nach dem Gesetz der Ubereinstimmung der Produktionsverhaltnisse mit dem Charakter der Produktivkrafte bilden beide eine dialektische Einheit .

Produktionsverhaltnisse stellen immer eine Vielzahl unterschiedlicher Verhaltnisse dar, die entsprechend der vorherrschenden Produktionsweise in der Volkswirtschaft systematisch zusammenwirken. Zu den Produktionsverhaltnissen zahlen:

  • Eigentumsverhaltnisse,
  • Herrschaftsverhaltnisse,
  • Arbeitsverhaltnisse,
  • Distributionsverhaltnisse,
  • Zirkulationsverhaltnisse,
  • Konsumtionsverhaltnisse.

Einzelnachweise

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  1. Vorwort von ? Zur Kritik der Politischen Okonomie “, Marx-Engels-Werke, Band 13, Seite 7 bis 11, Dietz Verlag Berlin, 1972. Erstveroffentlicht Januar 1859 bei Franz Duncker, Berlin.