Die Prager
Kleinseite
(tschechisch:
Mala Strana
) ist ein Stadtteil im Zentrum der
tschechischen
Hauptstadt
Prag
. Sie liegt am westlichen (=
linken
)
Moldauufer
zwischen der
Prager Burg
und der
Altstadt
am rechten Ufer, mit welcher sie die
Karlsbrucke
verbindet. Zentraler Platz ist der
Kleinseitner Ring
(tschechisch:
Malostranske nam?sti
).
Die Kleinseite war von 1257 bis 1784 eine rechtlich eigenstandige Stadt unterhalb der Burg. Nach zwei verheerenden Branden wurde sie die Stadt der Reichen und des Adels, wovon prunkvolle Palaste und Kirchen bis heute zeugen.
Wohl bereits mit der Grundung der Prager Burg bildete sich unterhalb ein
Suburbium
, eine
Vorburg
, die in der ersten Halfte oder in der Mitte des 9. Jahrhunderts durch eine Holz-Erde-Konstruktion und einen Graben befestigt wurde. Vor wenigen Jahren konnte in der heutigen Bruckengasse (Mostecka ul.) das 23 m breite Fragment einer uber lange Zeit genutzten Baustruktur
ausgegraben
werden, die wahrscheinlich mit dem Fernhandel im Zusammenhang stand. Offenbar handelt es sich um die mehrfach reparierte und befestigte Unterlage eines offentlichen Platzes oder einer Straße, die auf eine nordlich der heutigen
Karlsbrucke
liegende Holzbrucke ausgerichtet war. Aus einer jungeren Phase der Rahmen- oder Kammerkonstruktion stammen sekundar verwendete Tannenholzer, die nach
dendrochronologischer
Analyse 828, 830 und 843 gefallt worden sind und vermutlich von der Erstanlage stammen. Die Konstruktion wurde 894 zum zweiten, 927 zum vierten und 942 zum funften Mal repariert.
In den 960er Jahren besuchte der judisch-arabische Kaufmann
Ibrahim ibn Jaqub
dieses Zentrum des internationalen Handels, das nun schon uber ein Jahrhundert auf der Kleinseite bestand. Bereits vor dieser Zeit war es zu einer wichtigen Station an der transkontinentalen Verkehrsader geworden, die aus dem
Wolgagebiet
nach
Cordoba
fuhrte und die islamische Welt vor allem mit großen Mengen an
Sklaven
versorgte.
Konig
P?emysl Ottokar II.
vertrieb die ansassige Bevolkerung, siedelte 1257 norddeutsche Kolonisten an und schuf mit Hilfe des koniglichen
Lokators
Pitrolf die (erste) Neustadt
(Nova civitas sub castro Pragensi)
, die er mit
Magdeburger Stadtrecht
versah. Schon im 14. Jahrhundert wurde die Stadt
Civitas Minor Pragensis
genannt, der Name Kleinseite (Mala Strana) hat sich bis heute bewahrt. 1283 entstand in der Mitte des Platzes der gotische Vorganger der heutigen St. Nikolaus-Kirche, wodurch sich eine Zweiteilung des Marktes ergab.
Wahrend der Regierungszeit
Karls IV.
wurde die Stadt von 1360 bis 1362 durch einen neuen Mauerring, die
Hungermauer
, erheblich erweitert. Einbezogen wurde dabei ein Gelande von der Hradschin-Stadt (
Hrad?any
) uber das zunachst frei stehende
Kloster Strahov
(Strahovsky kla?ter) und die
St. Laurentius-Kirche
auf dem
Pet?in
(Kostel svateho Vav?ince na Pet?in?) bis zur
Moldau
. Auch ein großer Teil der Siedlung Ujezd, eine der altesten vor den alten Stadttoren der Kleinseite liegenden Ortschaften, fand so Aufnahme in die Stadtanlage Karls IV. Der neue Mauerring, der im Norden an den Hradschin angebunden wurde, erhielt zwei Tore, eines in der Nahe des Klosters Strahov und das zweite in der genannten alteren Siedlung (Ujezdska brana). Jedoch entfaltete sich in der Kleinseite der Siedlungsprozess nicht in der erwarteten Weise, der uberwiegende Teil der neugewonnenen stadtischen Flache blieb unbebaut und es kam stattdessen zur Anlage von Weinbergen auf den Hangen des Laurenziberges (Pet?in). Diese sind auf kaiserlichen Befehl im Jahr 1358 hin auch auf den ubrigen Hangen rings um die Stadt errichtet worden. Der ostlich der
Neustadt
gelegene Stadtteil tragt heute noch den Namen (Kralovske)
Vinohrady
(Konigliche Weinberge).
Auch innerhalb der neuen Stadtmauern der Kleinseite wurden die meisten Kirchen umgestaltet. Bereits um 1350 hatte die romanische Kirche
St. Johannes der Taufer an der Bleiche
(Kostel sv. Jana K?titele na Pradle), Pfarrkirche der Siedlung Ujezd, ein neues Langhaus erhalten. Um 1370 begann der Neubau der im 12. Jahrhundert gegrundeten Johanniterordenskirche
St. Maria unter der Kette
(Kostel Panny Marie pod ?ete?em), jedoch konnten nur die machtige Doppelturmfassade und die westliche Vorhalle zum Teil fertiggestellt werden. Im Jahr 1379 konnte auch die Kirche des Augustiner-Eremiten-Klosters
St. Thomas
(Kostel sv. Toma?e) vollendet werden. Außerdem wurde die Pfalz der Prager Bischofe (Byvaly biskupsky dv?r) umgebaut und erweitert. Ihr gegenuber lag das Sachsische Haus (Sasky d?m), das Karl IV. 1348 dem sachsischen Herzog
Rudolf I.
geschenkt hatte und das daraufhin bis 1408 zu einem gotischen Palast fur die Prager
Residenz
der sachsischen Herzoge umgebaut wurde.
In den
Hussitenkriegen
1419/1420 musste die Stadt so starke Zerstorungen erleiden, dass sie praktisch nicht mehr existierte. Weitere Brandkatastrophen suchen die Stadt 1503 und 1541 (
Stadtbrand in Prag 1541
) zusammen mit der Burg heim. Mit dem Brandschutt wurde die
Kampa-Insel
erhoht und befestigt. Damit war jedoch im gesamten Gebiet der Kleinseite auch Platz fur Adelspalaste im Renaissancestil. Am 26. Juli 1648 nahmen schwedische Truppen unter General
Hans Christoph von Konigsmarck
bei der
Belagerung von Prag (1648)
die Kleinseite ein, wobei es zum
Prager Kunstraub
kam. Im und nach dem
Dreißigjahrigen Krieg
wurden viele der bestehende Palais und nahezu alle Kirchen bereits barock umgestaltet oder neu errichtet.
-
Prager Stadte im 17. Jhd. (Merian)
-
Prager Panorama (Merian)
-
Ansicht der Prager Stadte (Merian)
-
Besturmung der Prager Stadte 1648 (Merian)
-
Philipp van der Bossche ? Sadeler?v prospekt Prahy (1606)
-
Aegidius Sadeler
Prager Burg und Kleinseite 1607
Am 12. Februar 1784 wurde die Kleinseite mit der Altstadt, der Neustadt und dem Hradschin durch ein Dekret
Josephs II.
zur vereinten Stadt Prag zusammengeschlossen. Ab 1784 wurde außerdem die Kleinseitner Stadtmauer ein Teil der vereinigten
Prager Stadtbefestigung
.
[1]
1878 schrieb der Schriftsteller
Jan Neruda
die
Kleinseitner Geschichten
und setzte dem Stadtteil somit ein literarisches Denkmal. 1891 wurden anlasslich der
Landes-Jubilaumsausstellung
auf dem Pet?in der
Aussichtsturm
sowie die
Standseilbahn
errichtet.
1991 hatte die Kleinseite 8411 Einwohner. Im Jahr 2001 bestand der Stadtteil aus 471 Wohnhausern, in denen 6809 Menschen lebten.
Die Kleinseite vom Strahovkloster aus gesehen
Die
Pfalz der Prager Bischofe
(Biskupsky dv?r)
hat sich in Resten im Hof des Hauses Bruckengasse 16
(Mostecka CN 47)
?Zu den drei Glocken“
(U t?i zvon?)
erhalten. Noch heute steht hier der Torturm der gotischen Bischofspfalz. Bereits gegen Ende des 12. Jahrhunderts hatte der Bischof seinen Sitz zwischen Bruckengasse
(Mostecka)
, Josefsgasse
(Josefska)
und jetzigem Dra?icky-Platz
(Dra?ickeho nam?sti)
; vorher lag dieser in der Prager Burg an der Stelle der alten Propstei. Zwischen 1182 und 1196 wurde der Bischofssitz hierher verlegt. Die Pfalz bestand zu dieser Zeit wohl vor allem aus Holzbauten, doch haben sich in den Kellern auch Reste
romanischer
Steinbauten erhalten. Gegen 1263 wurde das Gelande im Zusammenhang mit der Grundung der Kleinseite starker befestigt. Noch vor 1344 und damit auch vor Erhebung Prags zum
Erzbistum
erlebte es eine starke gotische Umgestaltung und wurde mit prunkvollen Gemalden und Plastiken ausgestattet.
Der ursprunglich gotische Turm im Hof tragt das Wappen der beiden Bauherren Bischof
Johann IV. von Dra?ice
(mit Rebenzweig) und Erzbischof
Johann O?ko von Wla?im
. In den Hussitenkriegen 1419/1420 wurde die Pfalz zerstort und anschließend nicht wieder aufgebaut. Nach der Wiedereinsetzung des Erzbischofes residierte dieser seit 1562 im
Erzbischoflichen Palais
auf dem
Hradschiner Platz
(Hrad?anske nam?sti)
.
Gegenuber der Bischofspfalz steht das
Sachsische Haus
(Sasky d?m, Mostecka Nr. 3/ CN 55). Auch dieses bildete zuvor einen großen, selbstandigen Block als Teil der Kleinseitner Befestigung und diente unter dem Namen Welsches Haus als Handelszentrum und Wohnstadt der Fernhandler in der Art des
Teynhofs
. Es handelte sich um ein exterritoriales Gebiet, zu dem auch beide
Kleinseitner Bruckenturme
als Besitz gehorten, die erst spater durch Tausch an die Altstadt gelangten.
Karl IV. schenkte das Gebaude 1348 dem Herzog von Sachsen-Wittenberg,
Rudolf I.
, der es zu einem gotischen Palast umbauen ließ. Von 1408 bis 1909 nutzen es die sachsische Herzogen als Prager Residenz. Im ersten Geschoss wurden bei einer
Restaurierung
in den 1960er Jahren spitzbogige Fenster entdeckt. Die Umfassungsmauern sind also noch gotisch und die Keller zeigen ebenfalls noch die ursprunglichen Gewolbe. Das heutige Erscheinungsbild entstammt weitgehend einem
Renaissanceumbau
wenige Jahre vor 1600, zu dem auch das
Renaissanceportal
gehort. Das Kleinseitner Wappen wurde erst wesentlich spater, um 1780, hinzugefugt.
In großer Entfernung zur alten Stadtmauer der Kleinseite wurde von 1360 bis 1362 eine neue sechs Meter hohe und zwei Meter breite Stadtbefestigung errichtet, von der große Teile bis heute erhalten blieben. Ihren Namen soll sie aufgrund einer am Ende der Bauzeit auftretenden Hungersnot erhalten haben. Moglicherweise sind die Bauarbeiten auch auf die große Zahl der nach Beendigung der Arbeiten an den Wohnbauten der Prager Neustadt und in der Burg Karl?tejn freiwerdenden Arbeitskrafte zuruckzufuhren, die hier eine neue Beschaftigung fanden.
Franz Kafka
schrieb seine Erzahlung ?
Beim Bau der Chinesischen Mauer
“ in Anlehnung an die Hungermauer. In dieser Erzahlung ist die chinesische Mauer ebenso etwas ?Unzweckmaßiges“, sozusagen eine Beschaftigungstherapie fur Arbeitslose.
Der
Aussichtsturm Pet?in
(tschechisch
Pet?inska rozhledna
) ist ein 60 Meter hoher, dem
Eiffelturm
nachempfundener Aussichts- und Sendeturm auf dem Berg
Pet?in
, der 1891 errichtet wurde. Heute ist der Aussichtsturm eine vielbesuchte Touristenattraktion.
Das 1724 gegrundete
Wendische Seminar
(auch
Lausitzer Seminar
, tschechisch Lu?icky semina?) war bis 1922 Ausbildungsstatte fur den großtenteils
sorbischen
katholischen Priesternachwuchs der
Oberlausitz
und dient heute als Sitz der Gesellschaft der Freunde der Lausitz (
Spole?nost p?atel Lu?ice
), deren Bibliothek hier untergebracht ist, sowie als Landesvertretung des Freistaates
Sachsen
.
- Jaroslaus Schaller
:
Beschreibung der konigl. Haupt und Residenzstadt Prag sammt allen darinn befindlichen sehenswurdigen Merkwurdigkeiten: Die Kleinseite, oder das III. Hauptviertel der Stadt Prag.
Ger?abeck, Prag 1795, S. 107?131 (Kapitel 13 ?Die Kleinseite“;
digitale-sammlungen.de
).
- Jarmila ?ihakova, Jaroslav Dobry:
Dendrochronologische Bearbeitung der Holzer aus den archaologischen Untersuchungen des Prager Suburbiums.
In: Lumir Pola?ek, Jitka Dvorska (Hrsg.):
Probleme der mitteleuropaischen Dendrochronologie und naturwissenschaftliche Beitrage zur Talaue der March.
Internationale Tagungen Mikul?ice 5, Brno 1999, S. 39?54.
- Jarmila ?ihakova, Zdenek Dragoun:
Nastin vyvoje podhradi Pra?skeho hradu do poloviny 13. stoleti. (Abriss der Entwicklung des Suburbiums der Prager Burg bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts.)
In: Archeologicke Rozhledy 49, 1997, S. 56?64.
- Jarmila ?ihakova, Jan Zav?el:
Das Itinerar Ibrahim Ibn Jakubs und die neuen archaologischen Entdeckungen auf der Kleinseite.
In: Petr Charvat, Ji?i Prosecky (Hrsg.):
Ibrahim ibn Ya’qub at-Turtushi. Christianaty, Islam and Judaism meet in East-Central Europe c. 800?1300 A.D.
Praha 1996, S. 65?71.
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Stadtmauer Prag.
In:
burgenwelt.org.
Archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
8. Dezember 2015
;
abgerufen am 29. November 2015
.
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Josephs-Kirche
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Kirche des Hl. Josef auf der Kleinseite (Kostel sv. Josefa na Male Stran?)
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Palais Morzin
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Palais Auersperg (Auer?persky palac)
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Ledebur Palais
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Die Garten unter der Prager Burg - Ledeburpalais und Ledeburgarten
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Palais Liechtenstein Kampa
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Palais Liechtenstein Kleinseiter Ring
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Palais Kaiserstein
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Palffy-Palais
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