Praludium und Fuge Es-Dur BWV 552

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Autograph des Praludiums in Es-Dur

Praludium und Fuge Es-Dur BWV 552 ist ein Orgelwerk von Johann Sebastian Bach .

Als dritte Folge seiner Serie Clavierubung veroffentlichte Bach 1739 bei dem Nurnberger Notenstecher Balthasar Schmidt eine Sammlung von Orgelwerken. Es handelt sich hauptsachlich um Choralbearbeitungen (BWV 669?689), die zum Teil fur eine große Orgel, zum Teil fur ein pedalloses kleines Instrument geschrieben sind. Diese (manchmal auch als Orgelmesse bezeichnete) Sammlung wird umrahmt von Praludium und Fuge Es-Dur. Beide Teilstucke sind mit pro Organo pleno uberschrieben, um anzugeben, dass hier eine mehrmanualige Orgel mit Pedal zur Ausfuhrung notig ist.

Das ausladende, konsequent funfstimmige Praludium greift mit seiner Kombination von vollgriffig-punktierten, oberstimmenbetonten und fugierten Passagen auf den vor allem durch Dietrich Buxtehude gepflegten alteren Typus von Praludium und Fuge zuruck, bei dem in einer einzigen weitgespannten Form toccatenhafte Abschnitte mit Fugenteilen abwechseln. Damit ahnelt es dem Praludium Es-Dur aus dem I. Teil des Wohltemperierten Klaviers , das ebenfalls bereits eine breit ausgefuhrte Fuge enthalt und dennoch als Einleitung einer eigenstandigen Fuge dient. Durch sein gravitatisch-punktiertes erstes Thema und das schnelle, fugiert ausgefuhrte dritte Thema weist das Praludium andererseits Merkmale der franzosischen Ouverture auf.

Die drei thematischen Komplexe hat Albert Schweitzer als Symbol der Dreifaltigkeit gedeutet: [1] Das gravitatische, im punktierten Rhythmus gehaltene Thema reprasentiere Gott den Vater , das zweite, auf- und abstrebende Jesus Christus , das dritte schließlich, das in Sechzehntelnoten erst eine Oktave absteige und sich dann auffachere, den Heiligen Geist . Diese Deutung ist allerdings spekulativ; zeitgenossische Quellen, die eine solche Denkart fur Bach plausibel machen konnten, sind nicht bekannt. Vielmehr scheint Schweitzers Interpretation der Barockzeit fremd zu sein und auf seine Nahe zur Asthetik Richard Wagners hinzuweisen.

Die ebenfalls funfstimmige Fuge ahnelt einer Tripelfuge (d. h. einer Fuge mit drei Themen), verzichtet jedoch auf die abschließende Kombination aller drei Themen in einem gleichzeitigen Ablauf. Sie tragt wie das Praludium archaisierende Zuge: indem die einzelnen Abschnitte in verschiedenen Taktarten stehen und ? moglicherweise ? ihre Tempi nicht auf einen einheitlichen Grundschlag zuruckzufuhren sind, greift sie auf altere Ricercarprinzipien zuruck. Auch das Thema des ersten Abschnittes ist nicht, wie die meisten anderen Fugenthemen Bachs, ein spatbarockes Charakterthema; vielmehr sind seine neutralen Intervallbewegungen und seine einfache rhythmische Gestalt ein Zug der alteren Ricercarthemen des 17. Jahrhunderts.

Erst die beiden folgenden Abschnitte beginnen, eigenstandige Bewegung zu entwickeln. Der zweite Abschnitt benutzt als Thema jedoch eine zwar der spatbarocken Sprache angehorende, innerhalb dieser jedoch allgemein verbreitete, wenig individuelle Sequenzbewegung. Erst das Thema des dritten Teils, das auf einer Quintfallsequenz beruht, zeigt scharfere rhythmische Umrisse. Das Thema des ersten Abschnitts, das gegen Ende des zweiten und des dritten in Kombination mit dem jeweiligen Abschnittsthema wieder auftritt, wird damit von immer charakteristischer werdenden, Bachs Gegenwart sich immer weiter annahernden Gestalten umgeben.

  • Albert Schweitzer: Johann Sebastian Bach. 1908. Nachdruck Breitkopf und Hartel, Wiesbaden, ISBN 3-7651-0034-X

Einzelnachweise

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  1. Albert Schweitzer: Johann Sebastian Bach. Leipzig 1908, 4. und 5. Auflage 1922, S. 255
  2. Verlagskatalog Butz-Verlag (PDF; 303 kB)
  3. Johann Sebastian Bach - Praludium und Fuge Es-Dur fur Orgel fur Orchester - J.S. Bach: Prelude and fugue in E flat major for organ arranged for large orchestra by Arnold Schonberg auf schoenberg.at
  4. Maurice Hanson: The Pianists Guide to Transcriptions, Arrangements, and Paraphrases . Indiana University Press, 2001, S. 14